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UNTEESUCHUNGEN
ROMMJHEN KAI8EEGE8CHICHTE
HEKAlSGEßEUEK
Dr. HAX BÜDINGER
ERSTER BAND
LETPZIH
TlHÜCK UNI> VKH.I,AIJ VoN B. G. TKUBNKR
1808
JOHANNES DIERAUER
BEITRÄGE ZU EINER KRITISCHEN ÜESCIIICHTE TRAJAJiS
JOHANNES ZÜRCHER
COM MODUS
EIS BEITRAG ZUR KRITIK DER HISTORIEN HERODIAtlS
EMIL EGLI
FELDZilGE IN ARMESIEN VON 41-83 N. CHR.
EIN BElTKAti ZÜK KRITIK DKS TACITUS
LEirzio
£>KUi:K IND VEKLAO VON B. (i. TEÜBNER
1868
VORREDE.
Dieses Werk besteht aus Arbeiten früherer und gegen-
wärtiger Genossen der historischen üebungen, welche mir
seit dem Herbste 1861 an der Züricher UniversilÄt zu leiten
obliegt. Wir bieten zunächst der gelehrten Beurtheilung von
den in diesen Uebungen^ sei es entstandenen ^ sei es ganz
oder Üieilweise besprochenen Abhandlungen zwei Bände der
auf romische Eaisergeschichte bezüglichen Untersuchungen,
Unsere VeroflFentlichung soll zugleich ein Zeugniss unseres
Wunsches sein, durch herzliche Verbindung zu gemeinsamer
Forschung für die Aufklärung der allgemeinen Geschichte
beizutragen.
Drei der vorliegenden grösseren Arbeiten haben ihre Ver-
fasser durch eine Reihe von Jahren beschäftigt. Herr 0. Hunziker
aus Bern, z. Z. Pfarrer in ünterstrass bei Zürich, hat im vollen
Drange einer umfassenden seelsorgerischen und gemeinnützigen
Thätigkeit die Untersuchungen vollenden können, auf welche
er durch die Lösung einer von unserer theologischen Fakultät
gestellten Preisfrage geführt worden war. Tn ähnlicher Weise
enthält die Abhandlung des Herrn Dr. JoH. Diekauer aus
Bemeck, z. Z. Professor an der Kantonschule zu Sanct Gallen,
die Umarbeitimg einer von unserer philosophischen Fakultät
gekrönten Preisschrift; der Verfasser gelangte durch die litö'
rarischen and künstlerischen Hilfsmittel, welche ihm später
ein Aufenthalt in Paris bot, zu erschöpfender Kunde mehrerer
längst von ihm behandelter Fragen; zugleich erhielt er für
andere die freundliche Unterstützung zweier der hervor-
ragendsten Sachkenner in Paris und Kiel. Trotz seines fast
aufreibenden Lehrberufes an einem Privatgymnasium in Braun-
schweig hat Herr Dr. Julius Brunner von Küsnach Zeit
VI Vorrede.
gefunden, seine Eiiizelforsehungen über die zweite Hälfte
des dritten Jahrhunderts fiir eine wichtige literarische Frage
abzuschliessen.
Herr JoH. Zürcher aus i2ug, zur Zeit an einem englischen
Institute in Blakewell, obwohl sein Hauptinteresse Studien
über das Constanzer Concil zugewendet ist, hat auch nach
seinen Universitätsjahren frühere Forschungen auf unserem
Gebiete mit Eifer fortgesetzt.
Beide Bände schliessen mit Abhandlungen junger Männer,
welche ihre Studien noch nicht beendet haben, darunter Bruch-
stücke von einem durch ein vorzeitiges Geschick dem Leben
entrissenen Luzerner Jm-isten, Herrn Xavkr Bossart, welche die
edle Geistesrichtimg dieses Hingeschiedenen vergegenwärtigen.
Herr EmilEgli aus Zürich, welcher neben seinem theologischen
Berufsstudium für geographisch - historische Probleme in be-
merkenswerther Weise Neigung und Befiihigung besitzt, hat Beide
Für die Tacitus - Kritik von einer unerwarteten Seite nutzbar ge-
macht, während Herr J. J. Müller von Wülflingen seine Rich-
tung auf schöne Form imserer historischen Erkenntnissquellen
zunächst auf einem verschütteten Gebiete verwerthen konnte.
Und so tritt in einem Vereine verschieden gearteter Geister
Jeder nach seiner Eigenart an dem gemeinsamen vielgestaltigen
Stoffe wirkend hervor. Mir aber sei vergönnt, dem Leser an
diesem Orte von dem, was er an neuen Ergebnissen aus
unserem Werke erwarten dürfe. Einiges anzudeuten.
Die Egli'sche Untersuchung (Bd. L S. 265 S.) legt das
Hauptgewicht auf die Feststelhmg der militärischen Geograi)hie
Armeniens imter den Juliem; sie fixiert eine Reihe von Locali-
täten mit voller Sicherheit, darunter die -Feststellung der Lage
Tigranocerta's auch weiteren Kreisen erwünscht sein wird;
die Chronologie der dortigen Ereignisse von 38 — 63 n. Chr.
wird entwirrt. Das Bedeutendst-e dünkt mich, dass Tacitus*
Auszüge aus Corbulo's Berichten, obwohl nur mit der künst-
lerischen -Absicht eines moralischen Contrastes, ja mit* Miss-
achtung jeden geographischen, strategischen und politischen
Details dieser ermüdenden Grenzverhältnisse gegeben, die
strengste Prüfung in Bezug auf zeitliche und örtliche Genauig-
keit ertragen.
Vorrede. VII
Die Dierauer'sche Trajanstudie (Bd. I. S. 1 ff.)- ist
besonders firuchtbar geworden durch eingehende zugleich und
verbindende Prüfung jeder einzebien unter so vielen Angaben
Lei Schriftstellern ; auf Inschriften, Münzen und Kunstdenk-
malen. Auf diesem Wege hat, wie die übersichtlich eingeschobene
Darstellung von Nerva's Regierung, von Trajan's Jugend, der
mihtarischen Machtmittel seiner Zeit, so insbesondere die
Geschichte der dacischen und parthischen Kämpfe desselben
einen chronologisch und sachlich neuen Gehalt gewonnen 5
die grossen Bauten des Kaisers in Rom selbst haben zugleich
eine erschöpfende Behandlung und das rechte Verständniss
aus dem auf Grund so vieler verschiedenartiger Thatsachen
erwachsenden Charakter der Epoche erhalten. ^
Die Bossart-MüUer'sche Arbeit (Bd. IL ö. 287 ff.) lässt
die Geschichte des ersten Antoninus unter nicht unwesentlich
verändertem Lichte erscheinen, schon nach den Gründen seiner
Bestimmung für den Thron, seiner Benennung als Pius, vor
Allem nach der kriegerischen Seite seiner Regierung und nach .
seiner personlichen .Wirksamkeit im Oriente. Von den Pflichten
der Pietät, welche mir selbst und dem Jieueingetretenen Bear-
beiter Sporn zugleich und Erschwerung waren, habe ich in einer
Einleitung zu dieser Abhandlung noch besonders sprechen
zu müssen geglaubt.
Die Zürcherische Forschung (Bd. I. S. 221 tf.) hat den
bisher vorzugsweise für die Geschichte des Commodus ver-
wendeten Autor aus^ dei? Reihe der benutzbaren Quellen für
diese Regiiermig gestrichen und hierdurch, wie man leicht
einsiehst, eine ganz andere Färbung für dieselbe gewonnen.
Durch die Brunner sehe Abhandlung (Bd. IL S. 1 ff.) .
wird mit Hilfe sorgsamer Betrachtung des Hauptschriftstellers
über die Zeit von Aurelianus bis Diocletianus nach allgemeinen
wie besonderen Seiten das Ansehen dieses Geschichtschreibers
selbst zwar erheblich veiringert, aber durch Prüfung der
sämmtüchen von ihm gegebenen Nachrichten der wirkliche
Thatbestand für jede einzelne derselben festzustellen gesucht.
Chronologisch an letzter Stelle steht der Stoff der Hun-
ziker'schen Untersuchung. Eine excursorische Einleitung gibt
bier dem Leser erschöpfende und die Grundlage der bisherigen
Vlll Vorrede.
Auffassungen wesentlich verändernde Kunde von dem Ver-
hältnisse der beiden Hauptschriftsteller über die diocletianische
Christenverfolgung zu den Ereignissen. Der Verfasser schildert
im ^Verlaufe seiner Darlegung Diocletianus als zur Verfolgung
von Anfang gedrängt zugleich und entschlossen, nimmt eine
mündliche Verabredung desselben mit seinem Mitkaiser für
den entscheidenden Schritt an, wie eine Berufung des Cäsars
Galerius an den oberkaiserlichen Hof nur wegen der Form der
Ausführung. Zum ersten Male sind fiir die Verfolgung selbst
in allen ihren Besonderheiten und Wendungen die zahlreich
erhaltenen Heiligenleben kritisch benutzt , die beabsichtigte
Regelmässigkeit der Ersetzung der bisherigen durch neue
Herrscher nach scheinbarem Gelingen der Verfolgung dargethau,
die Bedeutung des kurzen Oberkaiserthums Gonstantius I
geschildert, die verwickelten Verhältnisse von dem Tode des-
selben bis zur Sicherung von Constantinus' und Licinius'
Doppelherrschaft in klare Ordnung gebracht. •
Es wird wesentlich von der Aufnahme, welche diese
beiden ersten Bände unserer Untersuchungen bei den Sach-
kennern finden werden, abhängen müssen, ob denselben noch
weitere folgen oder nicht. Kaum einer Erwähnung aber wird
es schliesslich bedürfen, dass die Herren Verfasser der einzelnen
Abhandlungen Ehre wie Verantwortung derselben übernommen
haben. Mir selbst wird nur die Freude zu Theil, in dem
Kreise jüngerer Freunde, in welchem idt -no ßexn weile, auch
vor dem unbekannten Leser zu erscheinen.
Vitznau, 17. September 1868.
Max Büdinger.
BEITRÄGE
zu EINER KRITISCHEN
GESCHICHTE TRAJANS.
VON
JOHANNES DIERAUER.
l'nler^ifh. r. Rom. Kaisor«;-each. I.
Erster Abschnitt.
Trajans Aufkommen und erste Regierungsjahre.
M. Ulpius Traianus^) entstammte einer spanischen Familie
von unzweifelhaft italischer Herkunft.^) Sein Vater gleiches
Namens kam während der Regierang Nero's nach Rom und
*
jjjelangte zu prätorischen und consularischen Aemtern. Er
1) So lautet der Name bei Dio Caesius LXVIII, 3: MdpKov OöX-
TTiov (Ncpouav) Tpaiav6v iroioO^ai. Eutropiua, Historia ßoznana VIII, 2
etl. Rud. Dietach) kennt noch ein Agnomen Crinitus. H. Francke,
Zur Geschichte Trajan's und seiner Zeitgenossen, Güstrow 1837, S. 4
hult es mit Berufung auf Strabo, Geogr. III, 3, § 7 für nicht unwahr-
scheinlich, dass ihm dieser Zuname von der in seiner Geburtsgegend
üblichen Tracht langer Haare beigelegt worden sei. Etwas Aehnhches
sagt loannes Lydus, de mensib. IV, 18, ed. Bekker, 1837, p. 60: OöX-
moc ^KoXciTO ö Tpaiavöc Kaxd Tf\v toO iraTpöc irpocr]Yop(av, Kpivlrov
bi auTÖv olovEi €ÖTrXÖKa^ov toic 'PtJjiiaioic ^6ök€i koXcIv hiä Tf|v irepl
Tuc TT^c K€q)aXf^c aÖToO xpixac CTroubrjv. Aber Trajan hat den Namen
Crinitus nie getragen ; erst später wurde derselbe willkürlich aufgenom-
men, da zur Zeit des Kaisers Aurelian ein ülpius Crinitus in hoher
Stellung lebte, ^qtii sc de Traiani genere referehat^. Flav. Vopisc.
Aarel. c. 10. #■
2) Dio Gase. LXVIII, 4: öti "Ißnp ö Tpaiavöc, dXX' oök 'IraXöc
qW 'iToXiiiiTTic T^v. Diese Erklärung eines wohlunterrichteten Schrift-
stellers scheint die Möglichkeit der altitalischen Abstammung Trajans
aasznschliessen. Aber Dio Cassius wollte vielleicht nur sagen, dass
Trajau in Spanien und nicht in Italien geboren wurde. Nach Appian.
de reb. Hispan. c. 38 ist eine nach dem zweiten punischen Kriege
erfolgte Niederlassung altrömischer oder altitalischer Familien in ItaUca
dem Geburtsorte Trajans, wie wir unten sehen werden) verbürgt.
Gewiss kam bei dieser Gelegenheit die ulpische Familie nach Italica.
gleich wie die aelische, die ihre Abkunft aus dem picentischen Hadria
nie vergessen hat (Spart. Uadr. c. 1). Ueber ihren ursprünglichen
Sitz in Italien haben wir keine Nachrichten Auf die von Pighius,
1*
4 JohanncH Diorauer: Geschichte TrajaiiJ*.
diente im jüdischen Kriege als Legat der zehnten Legion.*)
Ln IVühjahr 67 erhielt er während der Belagerung von Jotapat
in Galiläa von Yespasian den Auftrag^ die in dem befestigten
Orte Japha concentrirten Empörer, anzugreifen. Trajan ent-
ledigte sich seiner Aufgabe mit Erfolg, indem er einen
Ausfall der Insurgenten zurückschlug und die äussere Be-
festigungslinie durchbrach. Aber für die völlige Einnahme
der Stadt war sein Truppencorps zu schwach; die Erstür-
mung der zweiten Ringmauer gelang erst, als ihm Titus
die von Vespasian erbetene Verstärkung zuführte.^) Er hatte
Annal. Roman. III, p. 806 angeführte Inschrift, nach welcher die getis
Ulpia für die republikauiBche Zeit in Rom nachgewiesen wäre, dari
man sich ihrer Uubestiramtheit wegen niclit stutzen. Sicher hat vor
dem Vater des Kaisers kein ülpicr eine hervorragende Stelhnig im
römischen Staate eingenommen, und deswegen sagt auch Eutropius
a. a. 0.: Traianus familia ayitiqua viagis qiuim dura, womit eine
etwas maliciöse, offenbar nicht im Senate vorgetragene Bemerkung des
jungem Plinius (Paneg. c. 70, 2) zu vergleichen ist; Cur enim te prin-
cipe, qui getieris tui daritatein viiiute fniperasti, deterior easet conditio
eorum qui posteros hibere nolnles mererentur quam eorum qui parentes
habuissent? — Die Ulpier waren, wie alle römischen Bürger Italica's,
in der sergischen Tribus eingeschrieben, vgl. Uenzen, Collect. Orell.
Supplem. n. 6202; Annali" dell' In tituto di corrispondenza archcologica,
18C2, p. 139.
1) loseph. de hello lud. III, 7 § 31. Diese Charge setzt die Priitur
voraus. FrÖhner, la Colonne Trajane, Paris 1866, p. 8 lasst ihn als
Tribun am jüdischen Kriege Theil nehmen.
2) Flav. loseph. a. a. 0. Der Autor hat den währen Sachverhalt
absichtlich zu GoMten des Titas zu entstellen gesucht: Kcvi^v bk M<xxt~
puiv XoTi2^ö^€VOC cTvat ti^v tcöXiv ö Tpa'iavöc (d. h. nach Erstürmung
der äussern Mauer Japha's), €l hi Kai tivcc ?v&ov cTcv, olöpcvoc nr\hiy
aÖToCic ToX|üi/|C€iv ÖTTÖ ft^ouc, dvcxiOci Tiji CTpaniT^ ti?|v dXuJciv* xal
CTciXac dTT^Xouc irpöc Oöcciraciavöv t[|T€lT0 ir^|üH|iai t6v ul6v aOroO
T(tov ime/jcovTa Tfl v(Kr| tö t^Xoc. *0 bi cujiißaXibv 6TroXe(iTec6a(
Tiva irövov, incxd crpariäc töv ulöv ^iriir^imiTCt ircvtaKOcduv iii^v
lirir^uiv, xi^tujv bi ircZiIiv (d. h. mit einem Detachement, welches das
bisherige Belagerungsheer um die Hälfte verstärkte, vgl. den Anfang
des Paragr.). Man sieht sogleich, dass der Inhalt jener Botschaft an
Vespasian unrichtig angegeben ist. . Trajan forderte überhaupt Hülfe,
nicht den persönlichen Antheil des Titus. In der That verstand Vespasian
seinen Wunsch so gut, dass er ihm unverzüglich eine bedeuknide V«»r-
I. Tn\jaua Aufkommen und orste K^jgierungöjahre. 5
Theil au der grausameu Rache, die an deu Ueberwiiiideiieu
wegen ihres erbitterten Widerstandes genommen wurde.
Noch mehrmals im jüdischen Kriege wird der ältere
Trajan ausdrücklich erwähnt. Die Einnahme von Tiberias
erfolgte unter seiner Mitwirkung.^) Im Kampfe um Taricheä
am See Genezareth unterstützte er auf Yespasians Befehl einen
Reit<erangriiF des Titus.'-^) Im zweiten Feldzuge (68 n. Chr.)
unterwarf er in Verbindung mit einem andern Legaten die
transjordanische Landschaft Peräa; es wird hervorgehoben,
dass er zuerst, nach glücklicher Erfüllung seiner Mission,
das Hauptquartier Yespasians in Jericho wieder erreichte.*^)
Hierauf kehrte er wahrscheinlich nach Rom zurück, um,
etwa im Jahre 69, das Consulat za übernehmen. ')
Wir erkennen aus diesen Thatsachen, dass Trajan ein
Stärkung zusandte. — Japha lag südlich von Jotapat im galiläiBchen
Hochlande. Spruner-Menke, Atlas antiquus, 1S65 u. 26, Ncbcnkärtchen
von Galiläa.
1) Id. III, 9 § 8.
2) Id. III, 9 § 1 — 3. Auch hier ist der Vorgang in ein falsches
Licht gestellt: Als Titus vor dem Angriffe die unerwartete Menge der
Feinde sieht, sendet er an seinen Vater um Hülfe (§ 1); unterdessen
lässt ihn Josephus eine ilcdo halten, durch welche seine Soldaten so
begeistert werden, dass sie nur ungern Trajan mit 400 Heitern an-
kommen sehen, die ihnen die Ehre des Sieges schmälerten: ficxaXXov
ÜK fA€iou^4vi)C Tf\c vIkt^c cötoIc bxä Ti^v Koivuiviav (§ 3).
3) Id. rV, 8 § 1.
4) £utrop. a. a. 0.: Nam pater eius prinius comul fuit. Er war
((nmil suffecttiSj da sein Name in den Gonsularfasten fehlt. Die Zeit
beiacs Consulates lässt sich annähernd festsetzen. Er fungirte, wie wir
gleich sehen werden, im Jahre 79 als Procousul v^ Asien. Die Ver-
waltung der senatorischen Provinzen Asien und Africa wurde aber regel-
mässig erst 10 Jahro.nach dem Consulate übernommen (Borghesi, Bullet,
dell' Institute di corrisp. archeol. 1846, p. 173, vgl. Aunali dell' Inst.
1855, p. 35). Tr^'an war daher spätestens im Jahre 69, vielleicht scnon
im Jahre 68 zu dieser Magistratur gelangt. Hieraus folgt ferner, dass
er nicht erst unter Vespasian, wie FrÖhner a. a. 0. meint, sondern schon
unter Nero in den Patricierstand erhoben worden ist. Dass er aber
wirklich, wie der erste Consul, so auch der erste Patricier in seiner
Familie war, darf, wie mir scheint, aus der bei Plinius so gcflissent-
Uchen Hervorhebung der patricischen Abkunft des Kaisers geschlossen
werden: credetitne posteri patricio et consülari et triumpMli patre
Joliiuiiies Dicrauer: (leschichte TnijiiUb.
hervorragender Offizier war. Man bat ihm, gestützt auf die
tendenzmässigen Nachrichten bei Flavius Josephus, die Eigen-
schaften eines gewandten Hofmannes beilegen wollen, der
in berechnender Klugheit den Siegesruhm seinem Feldherr ji
Vespasian und dessen Sohne Titus überlassen wollte.^) Die-
ses Urtheil beruht auf einer Täuschung, die bei genauerem
Zusehen verschwindet. Wir können sagen, dass er in seinen
Unternehmungen schnell und glücklich war, sich aber zugleich
als harten Kriegsmann erwies, der dem Feinde gegenüber
schonungslos verfuhr.
Um das Jahr 76 war Trajan kaiserlicher Legat von
Syrien und bestand wol von dieser Provinz aus, von soincni
Sohne begleitet, einen Kampf gegen die Parther, durch dessen
siegreichen Ausgang er sich die Triumphinsignien erwarb. -j
tjenilum imperatorein tum ah e,vcrcitu fadnmY (Paneg. c. 9). Dio
Erwähnung des Consulatcs schliesst das Patriciat sclbätverßtändlich ein ;
auf letzteres ebenfalls Nachdruck zu legen, hat nur einen Sinn, wenn
es für die betreffende Person neu ist.
1) Francke, S. 25, und nach ihm Ch. Merivale, a history of thu
Romans uuder tlie empire, London 1862, Vol. VIT, p. 211.
2) Belley , Memoires de l'Acad. des Inscript. et Beiles - Lettre.^,
Paris 1764, T. XXX, p. 271 — 286 hat eine Münze aus Antiochia (nach
Pembrock, Numismata antiqua, Pars 111, tab. 87, London 1746) erklärt,
welche auf der einen Seite den Kopf Domitians (nach Belley) mit der
Inschrift IMPerator PONtifex, auf der Rückseite die griechische Legendti
eni TPAIANOY ANTIOXeßN €Touc €KP (125) zeigt. Das antiochc-
nische Jahr 125 begann im Herbste 76 nach Chr. Diese Münze wurde
also zur Zeit Vespasiaus während der Statthalterschaft eines Trajan in
Antiochia geprägt. Ist nun dieser Trajan der Vater unsers Kaisers? —
Die Beantwortung dieser Frage knüpft sich an den Erweis eines par-
thischen Krieges um das Jahr 76.
Sueton (Dom. c. 2) erwähnt, dasfi der Partherkönig Vologäsus von
Veepasian Hülfe gegen die Alanen forderte. Ueber die Alanen berichtet
uns Josephus, de hello lud. VII, 7 § 4, sie seien (etwa im vierten Jaluc
der Regierung Vespasians, vgl. § 1) von ihren Sitzen zwischen dem
schwarzen und kaspischen Meere über den Kaukasus gezogen, in Medien
und Armenien eingefallen (hier haben sich lebhafte Erinnerungen von»
diesem Ereignisse erhalten, s. Mo'ise de Khorene, Historie d'Armönie
trad. franyaise par P. E. Le Vaillant de Florival, Venise 1841, I, p. 265),
und erst nach entsetzlicher Verwüstung des Landes beutebeladcn wieder
in ihre Wohnsitze zurückgekehrt. Diese Raubzüge wurden wie es scheint
I. Trigaus Aufkoiumcu und erste RegierungHJahre. 7
Drei Jahre später er»clieiut er als Proconsul von Asieu.')
auch dem parthischen Reiche gefährlich und vcranbissten Vologäsus,
romifiche Hülfe zu suchen. Vespasian, entweder weil er sich nicht in
fremde Handel mischen wollte (vgl. Dio Cass. LlJ^yi, 15: clirüiv Öri
üu npocfiKei aÖTiJi tA dXXörpia iroXuirpaYlüiovctv) , oder weil eine in
iiDmassender Form gefasste Zuschrift des stolzen PartherkÖnigs eine
augenblickliche Missstimmang in ihm erregt hatte (id. c. 1 1), verweigerte
jede Unterstützung {in\ bi toO OOccnaciavoO ^ktov Kai ^Ttl toO TCtou
T^TapTov dpxövTinv, c. 15). Da erklärte Vologlteus den Krieg und brach
in Syrien ein. £r wurde, ohne dass es zu ernsten Conflicten gekommen
wäre, von der römischen Uebermacht zum Frieden gezwungen, vgl. Aurcl.
Vict. Caes. c. 9: Ac hello rex Parthorum in pncetn coactiw; und in
jjpnaaerer Fassung Aurel. Vict. Epit. c. 9: Eex Parthomm m et u solo
ift pacem coacti(s est. Diese Ereignisse dürfen nach Dio Cassius in das
Jahr 75 oder 76 gesetzt werden.
Wer den Angriff des Yologäsus zurückschlug, sagen die bisher
cnvahnten Quellen nicht. Hier tritt der jüngere Ph'nius ein. Er spricht
Päiicg c. 14 ausdrücklich von einem parthischen Kriege des altern
Trajan: Kon incunahula haec tibi, Caesar, et rudimenta, cum puer
ndnuxlum Parthica Jauro gloriam patn's augeres , cum ferociam
sapcrhiainque barbarorum ejc proximo auditus magno terrore cohi-
hrirs — — P Sein Sohn trug wesentlich zu seinem Erfolge bei; ihm
liatle er, wie wenigstens Plinius (c. 89) annimmt, die Triumphinsignien
m verdanken. Sehen wir zu, in welche Zeit dieser Feldzug fallen
muas, so kann es nur die Zeit der Regierung YespasianH sein; denn
autcr einem frühem Kaiser hätte der Sohn wegen seiner Jugend mi-
möglich so thätigen und erfolgreichen Antheil nehmen können, später
iiber wäre er nicht mehr *j>ue?* admodum* gewesen. Er war damak
Tribun (vgl. c. 15) und ohne Zweifel etwas über 20 Jahre alt, sodass
wir mit Rücksicht auf die unten festzustellende Geburtszeit Trajaiis für
dio Expedition wieder auf .das Jahr 75 oder 76 gelangen. Es unterliegt
also chronologisch durchaus keinen Schwierigkeiten, wenn man den bei
Anrel. Victor erwähnten parthischen Krieg und den durch Plinius an-
ij'edenteten Feldzug unter der Leitung des altem Tr^an, sowie endlich
die durch Dio Cassius bezeichneten Vorgänge unmittelbar miteinander
verbindet. Da nun Wirklich der ältere Trajan diesen Krieg führte, so
id der Rückschluss wohl gestattet, dass er während der Untemehmung,
also am das Jahr 76 Legat von Syrien war; denn zunächst dem Statt-
halter dieser Provinz lag es ob, einen parthischen Einfall in Mesopo-
tamien zurückzuweisen.
1) Boeckh, Corp. Inscript. Graec. 3141. 3935. Letztere Inschrift
gehSrt in die zweite Hälfte des Jahres 79 (vgl. Clinton, Fasti Romani,
YoL I, ad ann.); auf ihr erscheint Trajans Name vollständig: MAPKOY
OYAHIOY TPAIANOY TOY ANeYHATOY.
8 Johannes Dierauer: Geschichte Trjyahs.
Er starb vofr dem Jahre 100^) uiid wurde zwischen den Jahren
112 und 114 theosirt. '-«)
Seine Gemahlin, die Mutter des Kaisers^ kennen wix-
nicht, eben so wenig seine Schwester, die mit einem Aelier
vermählt war.^)- Sie scheinen frilh gestorben zu sein, so
dass am Ende 'des ersten Jahrhunderts die hispanisch-ulpische
Familie in Rom nur durch seinen Sohn M. Ulpius Traianus
und seine Tochter Marciana^) vertreten war.
1) Als PliniuB im September des Jahres 100 seine Lobrede hielt,
lebte er nicht mehr: Sed et tu, pater Traiane, (nam tu quoque, st
non sidera, proxmiam tarnen »ideribus obtines sedem) quantam percipis
voluptatem cet. Paneg. c. 89. Völker, de imperatoris M. Ulpii Nervac
Traiani vita, Elberfeld 1859, p. 10 (Gymnasialprogramm) zieht aus diesen
Worten umgekehrt den Schluss, dass Trajan damals noch lebte, die
directe Anrede des Flinius beweise dies. Aber in gleicher Weise
wendet sich der Redner auch an den bereits theosirten Nerva. Er
hält sich einfach an die bekannte religiöse Anschauung, nach welcher
die theosirten Verstorbenen sich bei den Göttern in der Stemenregion
aufhielten. Die Helden und grossen Männer bewohnten eine niedrigere
Region zwischen der Erde und dem Himmel (nach Lucan. Pharsal. IX,
5 sqq., wo von den Manen des Pompejus die Rede ist), oder die Sphäre
der Milchstrasse unmittelbar unter dem Aetherkreis, der die Götter
birgt (nach Cicero, de republ. VI, 9, vgl. Burnouf, Pline le Jeune,
Pan^gyrique de Trajan, Paris 1845, 3n»o ädit. p. 239). Der Gedanke ist
nun klar: Nerva bewohnt die Sterne, Tr^an weilt diesen zunächst:
^proxitnam tarnen sideribus obtines sedem. ^ Vaillant, Numismata im-
perat. roman. praestant. II, p. 119 (Romae 1743) setzt seinen Tod in
die Zeit Domitians. Diese Annahme mag zutreffend sein, kann aber
nicht bewiesen werden.
2) Mehrere Münzen bezeugen die Consccration/ Cohen, Description
historique des monnaies frappdes sous Tempire romain (mddailles im-
periales), Tome II, p. 97, vgl. p. 16, n. 88. Letztere zeigt auf der
Vorderseite die lorbeerbekränzte Büste Trajans mit der Legende IMP-
TRAIANVS AVG • GER • DAC • P • M • TR • P ■ C0§ • VI • P • P • , auf der
Rückseite den Vater Trajan, sitzend auf einem curulischen Sessel, eine
Patera und ein Scepter haltend, mit der Umschrift Dl WS PATER
TRAIAN • Sie ist nach dem Jahre 112, in welchem der Kaiser zum
sechsten Male Consul war, aber vor dem Jahre 1 14, in welchem er den
Beinamen Optimus annahm, geprägt worden. Dass der ältere Tr^an
aber nicht vor dem Jahre 112 theosirt wurde, beweist die Inschrift bei
Renier, Inscriptions romaines de TAlgdrie, n. 2524.
3) Spart. Hadr. c. 1.
4) Plin. Paneg. c. 84 erwähnt die Schwester des Kaisers, ohne sie
1. Tri^jans Aufkommoii und erste Regierung^jahre. 9
Ueber die Geschichte des Sohnes vor dem Jahre 07^ d. h.
vor seiner Erhebung zum Mitkaiser, sind wir sehr ungenügend
unterrichtet, und es ist sonderbar genug für eine so glän-
zende Erscheinung in der Reihe der römischen Imperatoren,
dass man auch beinahe für seine ganze Regierungszeit die
Kargheit der Quellen bedauern muss. Er wurde am 18. Sep-
tember 53 zu Italica in der Provinz Bätica geboren.') Früh
zu nemien. Wir kenneu ihren Namen aus Inschriflen, Orelli, n. 786,
791 etc. Sie starb etwa im Jahre 114, da de auf einer Inschrift des
Jahres 115 zum ersten Male Diva genannt wird, Orelli, n. 792.
1) Appian. a. a. 0. Eutrop. VIII, 2. Aurel. Vict. Cacs. 13. Aurel.
Victor Epit. 13, wo die Lesart 'ex urhe Tudetihm*, die auf Tuder in
Umbrien als Geburtsort Trajans führen könnte, in ' ex urhe Turdelana '
zu berichtigen ist, vgl. Tillemont, Histoire des empereurs romains,
Paris 1691, Tom. II, p. 646.
Der Geburtstag Trojans ist bestimmt der 18. September. Plin.
Paneg. 92: Nam quod ei nos potissimum mensi attribuisti, quetn tuus
natalis examat, qimm pulchrum nobis! (Plinius spricht von dem Con
sulate, das ihm und TertuUus am 1. Sept. 100 von Trojan übertragen
worden war) quibus edicto, quibus spectaculo celebrare continget diefii
ülum triplici gaudio Ifietum, qui principem abstulit pessimwn (Do-
mitianum, cf. Suet. Dom. c. 17), dedit Optimum (Nervam), meliorem
optima genuit (Traianum). Diese Stelle kann keinen Zweifel lassen;
es ist hier wirklich vom Geburtstage die Bede und nicht vom Jahres-
tage seiner Adoption, wie Schwartz (ad 1. c.) darzuthun suchte. Auch
der Geburtstag des Titus wurde durch circensische Spiele gefeiert, bis
Domitian sie aus vorgeblicher Trauer abschaffte (Dio Cass. LXVII, 2).
Zu vergleichen ist Plin. ad Traian. 17 ed. Keil, und eine Inschrift mit den
Natales Caesarum aus der Zeit Coustantius des Jüngeren, Orelli, n. 1 104.
Das Geburt^ahr Trajans lässt sich nicht mit dei'selben Sicherheit
bestimmen. Dio Gassius (LXVUI, 6) berichtet, T]:;ßjan habe im 42sten
Jahre zu regieren angefangen. Dem Zusammenhange nach ist hier die
selbständige Uebemahme der Regierung im Jahre 98 nach dem Tode
Nervals gemeint. Am 18. Sept. 97 hätte also Trajan sein 4l8tcB Jahr
zurückgelegt und wäre folglich im Jahre 56 geboren. Diese späte
Ansetznng kann nicht richtig sein. Trajan war vor dem Jahre 86
Prätor (Spart. Hadr. c. 1); zur Uebernahme der Prätur aber gehörte
gesetzlich ein Alter von 30 Jahren. Entweder hat also Dio Gassius
einen Irrthum beg^angen, oder jene Zahl, die sich übrigens auch bc-
Zonaras, AnnaL XI, 21, cd. Bonn. II, p. 507 wieder findet, ist uns
nicht genau überliefert. — Nach Eutropius lebte Trajan 63 Jahre,
Monate und 4 Tage. Da er Anfangs August 117 starb (Spart. Hadr.
^•4), so müaste er im November 53 geboren sein, eine Bestimmung,
<lie sich mit dem unzweifelhaft feststehenden Geburtstage nicht vcr-
10 Jubaunes Uierauer: Gebcbicht« Trajaui^.
scheint er mit seinem Vater iu den ürieut gekommen zu
sein, wo wir ihn bereits auf einem parthischeu Feldzuge
gefunden haben. Zehn Jaliro laug war er Militärtribuu und
diente als solcher auch im germanischen Heere am KheinJ)
einigen liUst. Eutrop scheint aber diese Nachricht, wie liberhaupt
Alle», was er über Trajan berichtet, einer unverdächtigen Quelle ent-
nommen zu haben und wir können nicht zweifeln, dass seine Zahlen
urBi)rüngUch richtig waren. Aurel. Victor a. a. 0. Hat für die Lebenis-
zeit Trajans summarisch 64 Jahre, was zu der Yermuthung führt, dieser
Autor habe 63 Jahre und eine grössei^e Zahl von Monaten (6 — 11) vor
Hieb gehabt. Die Zahl 63 bei Eutrop durfte also richtig überliefert
sein, während sich in den Monats- und Tageszahlen durch die Ab-
schriften wahrscheinlich schon früh Fehler eingeschhchen haben. Auf
alle Fälle, ob wir Eutropius oder Aurelius Victor folgen, gelangen wir auf
(bis Jahr 53, und so unterliegt die Prätur Trojans im Jahre 84 oder 85
keinen Schwierigkeiten. — Pagi, Critica in annales Baronii, saecul. II, p. 19
will bei Xiphilinus gefunden haben, dass Trajan 60 Jahre 10 Monate
24 Tage gelebt habe; vom 11. August 117, dem Begierungsantritte IIa-
driaus, rückwärts gezählt, würde man hiernach genau auf den 18. Sept. 56
gc'langen; aber diese Zahlen finden sich bei dem erwähnten Epitomator
nicht und sind aus Pagi's eigener Berechnung hervorgegangen.
Italica war damals noch ein Muni9ipium und wurde erst unter
liadrian zur Colonie erhoben (Aul. Gell. XVI, 3, cf. Orelli, n. 96). Es
(entspricht der Lage nach dem heutigen Santiponce, vgl. Cort^ y Lopez,
Uiccion. Googr.-histor. de la Espana antigua, t. III, p. 97 ff.
1) Wir verdanken die Nachrichten über Tr^ans Laufbahn vor
.seiner Erhebung beinahe ausschliesslich einer Episode des Plinius in
i^eineni Panegyricus, c. 14 — 15. Die Stelle, die mich zu der Annalimc
führt, Trojan sei schon als Mihtärtribun an den Rhein gekommen,
lautet c. 14: Non incunahula haec tibi, Caesar, et rudinienta, cum
inier admodum Parthica lauro (jloriam patris augeres nomenquc
Germanici tarn tum mererere, cum ferociam sujjcrbiamque barba-
rorum ex proximo auditus magno terrore cohiberes, Ehenumque H
Kuplu'atcn admiratiotu's tuae societate coninngerenY cum orbem tcrra-
rum non j^^'dibus magis quam laudibu« peragrarea, apud eos semper
maior et clarior quibiut })ostea amtigissesY Plinius spricht hier bestimmt
genug von einem Aufenthalte Trajans in Germanien nach dem parthi- >
bchen Feldzuge. Die Wahrheit dieser Ueberlieferung kann nicht näher
ge])rüfb werden; an und für sich liegt in einer solchen Versetzung
nichts Ungewöhnliches. Ohne genügende Gründe haben einige Com-
mentatoren den genau feststehenden Text ändern wollen (s. die An-
merkungen von Lipaius, Schwarz, Gesner u. A. in Amtzenius' Ausgabe
des Panegyricus, Amsterd. 1738); durch ihre Conjecturen gienge aber
die Einheit und klare Fassung der Periode verloren. Tillemont II, p. 151
1. Tnijaui4 Autliommoii und erste Uegieruugsjahre. 1 1
Su gewaiui er bei Zeiten die ausgedeliiitesfceu Localkeuutnisse.
Er besHSs eine unverwüstliche Gesundheit: das Lagerlebeii
unter verschiedenen Himmelsstrichen härtete seinen Körper
i^ogen Entbehrungen und klimatische Einflüsse bis zur Un-
enipfiudlichkeit ab.') Gründliche militärische Durchbildiuig
zu erwerben scheint sein Ehrgeiz gewesen zu sein.') So
i^euau machte er sich in dieser Zeit mit den römische» Ji
Kriegskraften vertraut, dass er noch als Kaiser ältere Sol-
daten bei ihrem Namen nennen und ihre Heldenthaten an-
fuhren konnte.'^)
Nach Ablauf seiner Legionstribunate wird er entsprechend
der regelmässigen Beamtencarriere eines Patriciers zum Qua-
xtor, hierauf ziun Aedil oder Volkstribun und endlich zum
Prator befördert worden sein. Wir wissen nur, dass er die
Prätur vor dem Jahre 8H verwaltete.^) In den folgenden
Jahren war er Legat in Spanien: wahrscheinlich stand er
)>emerkt annähernd richtig: II peut aroir fin8f<i commandc des ce tcmjis-lä
fun*' Ugionj duns Ja Gennmiie et y aruir (icquis de hi reputation. Eb
ist anzunehmen, dass er bei einer Legion in Untergermanien Tribun
war, da er später Obergermanien verwaltete: in der Kegel wurden die
kaiserlichen Legaten nicht in solche Provinzen gesandt, in denen 8i(!
fniher als Militärtribunen gedient hatten (Henzen, Annali dell' Instit.
i^^2, p. 114). Sein Milit-artribunat erwähnt auch loann. Lydus a. a. O.:
ouK €ÖT€voüC TUTX<ivujv cpa)üiiX(ac ' Tpißoövoc fäp t^v iipÖTepov rjfouv
(puXapxoc. Natürlich schliesst dieser Autor aus dem Tribunat mit Un-
recht auf niedrige Herkunft Trajans.
1) Plin. Paneg. c. 16. Cognovisti per stipendia decem mores gen-
tium, regionum sittui, opportunitates locorum, et diiersam (ifjuarum
melique tcmperiem lä patrios fotvtes patriumque sidiis f'erre consuesti.
Noch alt« 60 jähriger Greis durchwatete er ohne Schaden zu nehmen,
lUe mesopotamischen Flüsse. Dio Cass. LXVIII, c. 23.
2/ Plin. a. a. 0. Neque enim proapexisse caatra brevemque milUiam
qtmisi transisse content ns, itu egisti trihuntini nt ofse dux .stidim pos^ses
mhilque discendum haheres tempore docendi.
3} id. ibid.
4) Spart. Hadr. c. 1. ac di'cimo aetatis anno (d. h. im Jahre 86,
<h Hadrian im Jahre 76 geboren war) patre orbatus Ulpium Trauivum
praetorium tunc — et Caelium Attianum — tutores hahiiit. Ks ist nicht
<i'^ übersehen, dass Trajan damals praetorius, gewesener Prätor war;
«eine Prätur gehört also in das Jahr 85 oder 84, eher in das erstere
12 Johannes Dieuauer: Geschichte Trajaue.
unter dem Statthalter der tarracouensischen Provinz. *) Als
im Jahre 89 der Aufstand des Saturninus in Obergermanieii
ausbrach^ berief ihn Domitian mit der ersten Legion (Adiutrix)
an den Rhein. Man kann nicht annehmen^ dass er zur Unter-
drückung der Empörung wesentUch beigetragen habe, denn
über Erwarten schnell wurde Saturninus durch einen andern
Feldherrn Domitians, L. Appius Maximus Norbanus besiegt.^)
mit Rücksicht auf sein zohi^ ähriges Militärtribanat und die folgenden
civilon Aemter, die der Prätur vorausgehen mussten.
1) Der couBularische Statthalter von HiBpania Tarraconeuais oder
citerior hatte -3 prätx)ri8che Legaten unter sich (abgesehen von dem
praefectus pro legato, der die Insehi verwaltete). Becker - Marquardt,
Handbuch der röm. Alterthiimer , III, 1, p. 82. Es scheint mir, daes
Trojan nach seiner Prätur eine solche Legatenstelle erhielt; in ähn-
licher Weise war Q. Glitius Atilius Agricola, auf den wir später zurück-
kommen werden, Prätor, hierauf legatus citerioris Hispaniae (Uenzen,
n. 5449; Muratori, p. 310, 311). Plinius, der uns die Nachricht über
einen Aufenthalt Trajans in Spanien gibt (Paneg. c. 14), sagt nichts
Näheres über seine dortigen Functionen. Allerdings könnte er auch
Statthalter der Provinzen Baetica oder Luaitauia gewesen sein, die
beide prätorisch waren; aber dann Hesse sich schwer erklären, wie er von
Domitian mit einem Heere nach Obergermanien berufen werden konnte.
2) Tillemont, H, p. 94 setzt diesen Aufstand in's Jahr 88, Clinton
in*8 Jahr 91, Imhof, T. Flavius Domitianus, S. 64 f. (Halle 1857) in das
Frühjahr 93; ihm folgt Merivale, a history of the Romans under tho
cmpire, VoL VII, p. 112. Imhof nimmt mit Francke, zur Gesch. Trajans,
S. 46 und 50 an, dass ' Trajan im J. 92 Spanien als Proconsularprovinz
verwaltete*, und im folgenden Jahre beim Ausbruch der Empörung an
den Rhein kam, um hierauf die Verwaltung der Provinz Obergermanien
zu übernehmen. Aber ausser den Bedenken, die diese Chronologie für die
Geschichte Trajans erregt, sprechen einige besondere Gründe gegen eine
so späte Ansetzung des Aufstandes. Domitian triumphirte über die Dacior
im Jahre 91 (Clinton ad ann., Imhof, S. 65). Man vergleiche nun Stat.
Silv. I, 1 V. 5 sqq.; I, 4 v. 89 sqq., IV, 2 v. 66 und besonders l, 1 v. 78,
wo der Dichter den Geist des Curtius zu Domitian sprechen lässt:
Seniel auctor ego, invetUorque saJutis
Romuleae; tu hella lovis, tu proelia Rheni,
Tu civile nefas, tu tarduum in foedera montevi,
Longo Marie donias — —
so ist hier die chronologische Reihenfolge in den Kriegen Domitians
imzweifelhaft gegeben. Ueber die ^ hella lovis'' vgl. Suot. Dom. 1;
die ^proelia BlienV verweisen auf seinen chattischen Feldzug im Jahre 84;
dann folgte das ^civile nefas^ des Saturninus und endlich der Sieg über
1. Tni||an» Aufkonnneti und erste Itc>gieningHJ:ihro. 1«*{
Man erkennt aber, dass Domitian grosses Vertrauen auf ihn
setzte und dass er ihm die Schnelligkeit, mit der er die Trup-
die Dacier, die die 'steilen Berge' bewohnten. Der Bürgerkrieg gieng
also diesem Siege voraus, wie auch eine Vergleichung der andern
angeführten Stellen bei Statins erweist. Er gehört folglich vor das
Jahr 91 and vor das Consulat Trajans (das in das Jahr 91 fällt, s. S. 14),
geuau, wie er bei Dio Cassius (LXVIT, 11, vgl. 12) angemerkt ist.
Dass er aber erst nach dem Jahre 8C, in welchem der dacische
Kri^ begann (Clinton ad ann.), Statt fand, entnehme ich einer Inschrift
ans Icosium in Mauretania Caesariensis (Benier, Inscript. rom. de
TAlgerie, n. 4062), nach welcher ein Soldat der 13. Stadtcohorte zuerst
im dacischen, dann im germanischen, hierauf wieder im dacischen Kriege
Ehrengeschenke erhielt. Der dacische Krieg hatte also offenbar beim
Xosbrnchc der Empörung schon begonnen, ja es scheint, dass die erste
Episode desselben, die etwa die Jahre 86 und 87 umfasst (Imhof
S. 56. 57), damals bereits vorüber war. Es ist nun schwer zu sagen,
in welches Jahr (zwischen 86 und 91) die saturninischc Empörung ftlllt.
Ich entscheide mich für das .lalir 89, da Domitian in diesem Jahn»
mehrmals zum Imperator ausgerufen wurde (vgl. die Münzen bei Cohen, I,
Domitien, n. 90. 91. 92. 113. 128. 129. 130. 159 aus dem 8. und* 9. Tri-
bnnate, in denen die Imperatorszahlen von 16 auf 21 stiegen) imd da
man andererseits nach Dio Cassius nicht allzu weit hinter das Jahr 91
zurückgehen darf. — Ein Zusammenhang zwischen jener Empörung und
der Versetzung Trajans von Spanien nach Germanien kann deswegen
doch bestehen und wird auch durch Plinius in bestimmter Weise an-
gedeutet: nee dübito quin iJle qui te int er illa (rermaniae hella
nh IIi»pania usque ut validissimum praesidium excirerat, inern ipse
aiienisique rirttUibus tunc qiioque invidus imperaior, cum ope earum in-
digeret, tantam admirationetn tui fion sine quodam timore c(mce2>erit.
«Paneg. c. 14). In Eilmärschen zog Trajan mit seinen Truppen durch
Gallien: per hoc mnne spatium cum legiones duceres seu potins
(tanfo velocitas erat) r aper es, non vehicidum umquam, wo»?
fq»um rcJ^existi (ibid.). Diese That-sachen gehören vor das Jahr 91,
denn ein Legionschef hatte nur prätorischen Rang. Gesetzt, die Pro-
vinz üispania tarraconensis wäre Trajan nach Ausübung des Consu-
lates zugefallen, so konnte er von deren Verwaltung vor dem Jahre 95
füglich nicht abberufen werden; an eine Versetzung im Jahre 93 ist
nicht zu denken. Es ist also höchst wahrscheinhch , dass Trajan im
Jahre 89 von Domitian den Befehl erhielt, gegen L. Antonius Satur-
ninos zu ziehen; so erklärt sich die Eile, mit der er seine Mission aus-
Rihrte, und so begreifen wir überhaupt, warimi er an der Spitze von
Truppen nach Germanien zog. — Die Legion, die er führte (Plinius
«agt rhetorisch legiones) war ohne Zweifel die Leg. I Adiutrix. Asch-
^h, die römischen Legionen Prima und Secunda Adiutrix, Sitzungsber.
14 Johannes Dieraner: Geschichte Trajans.
pen von Spanien nach Germanien geführt hatte, als beson-
deres Verdienst anrechnete. In der That erhielt Trajan im
Jahre 91 das Consulat.*) Dio Cassius, der gerne nach Wun-
dem hascht, erzählt von gewissen Zeichen, die Trajan bei
der Uebernahme des Amtes den künftigen Thronbesitz un<l
seinem Collegen M'. Acilius Glabrio den baldigen Tod ver-
kündigt hätten.'^) Man sieht leicht, dass dieses Märchen
der philos. hist. Classe d. k. Akad. der Wissensch. Wien 1856, Bd. XX,
S. 290 ff. lässt sie schon unter Yespa^ian während des batavischen Auf-
standes an den Rhein kommen, indem er bei Tacitus (Hist. V, 19)
fiexta et prima statt se.rta et decima ex Hinpnnia accitae liest. Da-
gegen bemerkt Borghesi, Oeuvres completes, T. IV, p. 204: ma e in-
duhitato dorersi preferire la volgatn sexta et decima. Tuttavolta
non puö neyarai che sia f(i,ata auch' eJIa per qiinhlie tempo nella pro-
viucia superi^re (nach Inschriften und Ziegelstempeln). Laonde s;oapetto
che si facesse venire dalla Spagna sul Ueno un poco piit tardi , eioe ai
tempi delle guerre Germaniche di Domiziano o di Traiano.
In der That stand die Leg. I Adiutrix zu Nerva's Zeit an der Donau
(Uenzen, n. 5439), während sie noch im Anfange der Regierung Vespa-
sians in Spanien stationirt war (Tac. Hist. II, 77. III, 44). Ist es nun
nach Borghesi wahrscheinlich genug, dass si» erst nach dem batavischcn
Aufstande Spanien verliess, so darf man ohne Bedenken die Hinüber-
iührimg (wenigstens bis an den Rhein) Trajan vindiciren. — Mommsen,
zur Lebensgeschichte des Jüngern Plinius, im Hermes, Zeitschr. f. class.
Philol. III, S. 119 vermuthet, dass auch die VII Gemina von Trajan
herangeführt worden sei. Ich konnte diese wichtige und in die Ge-
schichte Trajans sehr wesentlich eingreifende Abhandlung leider erst
bei der Corrcctur der Druckbogen benutzen.
1) Vgl. die Consularfasten bei Clinton, ad ann. 91. Es war unter
Domitian, der das Consulat fast alljährlich übernahm, eine besondere
Ehre, comul Ordinarius zu sein. Plinius erwähnt dieses erste Consulat
nur einmal sehr gelegentlich, Paneg. c. 64: UUane saiis dignn pracdi-
cafio Cfit idem tcrtio couaidem^fecisse quod primo, idem principem quod
j>riratum, idem imperaiorem quod suh impcratore?
2) Dio Caas. LXVII, 12: TpaiavHJ U h^ tiü OuXiriui, Kai 'AwXiq) fXa-
ßp(u)vi, öiraTcOcaci tötc, rd aörd ctiMcia X^Y^Tai t^vkOar kcI dir'
aÖTdiv Ti?i iLi^v rXaßpiujvi öXeOpoc (cf. Suet. Domit. c. 10), ti|i hi Tpaiavui
1^ Tfjc aÖTOKpoTopiac dpxn irpoeppeGn. — Herr Prof. Löon Renier in
Paris hatte die Freundlichkeit, mir aus Borghesi's noch ungedruckten'
luiHti coiisulares eine Inschrift mitzutheilen, nach welcher das Pränomeu
dos Acilius Glabrio (Manius) festgestellt wird: ' Fragment um fantorum
nodal i um augustalium linriVia rt'pertum mense maio ann. js;:^.') , nunc
I. Trajanä Aufkommen und erste Ref^^ierungsjahrc. 1{)
erst nach dem Eintritt der Ereignisse entstanden ist: vor
dem Jahre 97 dachte Niemand an Tra-jans Erhebung^) lieber
die folgenden Jahre seines Lebens haben wir keine Nach-
richten. Vielleicht versah er gegen das Ende der Regierung
Domitians irgend ein consularisches Amt in Rom.'^) Erst als
ihm Nerva, wahrscheinlich im Jahre 97, die Verwaltung
von Obergerraanien übertrug, gewann sein Name gröasero
Romae in liortts Columfiensium in colle Qnirinali, quod ipfic cmituli
die primo meiutis lunii ann. 1842.
IMPCAESA/
T • CAKSARF • Ai
P • R . CJ an. DCCCXXXl (von Herrn Henier vor-
P VALER/"^ gesclilagene Ergänzung).
C 0/ optatuB
W.AC ILf
M • V LP
Gl ooptati
L . CEL
L • N
TS,
misit Braun.'
1) ßurnouf, p. 166 bezweifelt nicht, mit Berufung auf Tac. Agric. 4 i,
(lass es unter Domitian Leute gab, deren Wünsche und Ahuungeu sich
auf Tn^an als künftigen Imperator richteten. Tacitus sagt nämlich :
A'am Ricuii — (der Text ist hier lückenhaft, vgl. die Ausgabe von
Hahn, Leipzig 1864) durare in hac heatisshni «aeculi htce, ac principem
Trnianum videre, quodam augurio rotisque aptid fiosiras aures omina-
hatur. Jener Lücke wegen ist der Sinn dieses Satzes nicht ganz klar;
es Bchemt jedoch so viel daraus hervorzugehen, dass Agricola über-
haupt bessere Zeiten wünschte und voraussagte, ohne gerade in Trajan
den Träger dieser bessern Zukunft zu erkennen. Für Tacitus selbst
vai diese Zeit eben mit der Regierung Trajans gekommen; er schrieb
die Biographie seines Schwiegervaters, wie Mommsen im Hermes, III,
S- 106 A. 4 dargethan hat, zu Anfang der Alleinherrschaft Trajans.
2) Für den Aufenthalt Trajans in Rom während der letzten, für
die römische Aristocratie so peinlichen Regierungsjahre Domitians spricht
eine venig beachtete Stelle in Plin. Paneg. c. 44: Vixisti nohiscum,
l^iditntu« es, timuisti, quae tunc erat ifinocentium rt'ta. ^:>c^s et ex-
jmixin es quanio opere detestentur malos principes etiam qui malofi
ffidunt, Meministi quae optare nohiscmm (d. h. im Senate), quae sis
<iu€ri mlitus. Er btieb von den Verfolgungen Domitians unberührt,
va« tms Plinins ebenfalls berichtet, c. 94: Jw enim (der Redner wendet
sich am Schlüsse seiner gratiarum actio an Juppiter Capitolinus) iatn
'«»r tl/nw in tutelam recepisti, cum praedonin aridinRimi faucihufi eri-
putüfi Keque enim sine nuxilio fua, cum aUiaaimn quaeqmie quafereti-
16 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Bedeutung, denn bei dieser Stellung fiel ihm das wichtigste
Gommando des römischen Reiches in Europa zu. ^)
Die Folgen des saturninischen Aufstandes mochten sicli
in jener Zeit kaum mehr fühlbar machen, aber immerhin
tur, hie qui omnibus excelsior erat (in diesen Worten liegt offenbar
schmeichelhafte üebertreibung) inconcussiis stetit
1) Sehr schön hat Henzen im Anschlüsse an die vor einigen Jahren
zu Athen aufgefundene Ehreninschrift Hadrians dargethan, dass Trojan-
Legat von Germania superior war (Annali deir Instit. 1862, p. 146).
Die früher geläufige Ansicht, nach welcher sich Tra^jan zur Zeit d€*r
Adoption in Germania inferior befand, stützte sich auf eine Stelle bei
Eutropius, VIII, 2: Imperator autein apud Agrippinam in Gallis f actus
est, und bei Aurel. Vict. Epit. 13: Hie imperium apud Agrippinam
nobile)n Galliae coloniam suseepit. Diese Nachrichten beziehen »ich
aber auf die Uebemahme der Alleinherrschaft nach dem Tode Nerva's ;
damals war er wirklich in Köln, zur Zeit der Adoj)tion dagegen in
Obergermanien. Spart. Hadr. c. 2.
Francke, a. a. 0. lässt die Statthalterschaft Trajans schon im
Jahre 92, also noch unter Domitiau beginnen. Ich glaube von dieser
Chronologie abweichen zu müssen und suche im Folgenden meine An-
sotzung zu begründen.
Auf den ersten Blick ist es doch unwahrscheinlich, dass Trajan
vom Jahre 92 bis zum Jahre 97 (in welchem er adoptirt wurde), also
während 5 Jahren einer und derselben Provinz vorstand. Gewohnlich
erhielten die jeweiligen Candidaten die Provinzen auf drei Jahre, nach
deren Ablauf sie andern zur Pro vinzial Verwaltung berechtigten Prä-
toriern oder Consularen ihre Stellen räumen mussten. Es lässt sich
nicht einsehea, warum Trojan länger als ein Triennium in Germanien
verblieb, zumal unterdessen ein Regierungswechsel Statt fand. Die
römische Beamtenhierarchie war damals noch so straff, dass man sich
nur selten der legalen Bestimmungen entschlug.
Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, dass Trajan im Jahre 97
consularischer Legat (leg. Aug. pr. pr.) von Obergermanien war (Spart.
Hadr. c. 2, vgl. Ueiizen a. a. 0.), also muss er diese Stelle in den
allerletzten Jahren Domitians oder unter Nerva selbst, sei es im Jahre
96 oder 97 übernommen haben. Für die Zeit Nerva's finden sich positive
Zeugnisse. — Plinius, der in diesen Dingen genau unterrichtet war,
spricht zu wiederholten Malen von einem eigenthümlichen , nach seiner
wirklichen oder tingirten Ueberzeugung sehr bedeutsamen Zufalle, der
Trajans Abgang von Rom in die Provinz bezeichnete. Als er nämUch
vor seiner Abreise das Capitol bestieg, um der Uebung gemäss Gelübde
zu thtin und die vorgeschriebenen Opfer zu bringen (Becker-Marquardt,
Handb. d. röm. Alterth. III, 1, S. 285 fl.), rief die versammelte Volks-
menge plötzlich aus: '"GegrüsHt seist du, Imperator!' Der Zuruf galt
nicht ihm, wondorn dem 'siegreichen Juppitcr', dessen Standbild auf
I. Trajans Aufkommen und erste Regierung^ ahre. 1 7
war die militärische und civile Administration des Landes
schwierig, denn seit jenem Aufstande war den Legaten von
Obergermanien die Pflicht erwachsen, strenge Disciplin im
•
dem Gapitol aufgestellt war. Aber Plinius (Paneg. c. 6) beutet diesen
Voi^aog aus: illa (turba) quidem, ut ttmc arhitrabatur, deum,
crterum, ui docuit evenius, te ccm^salutavit imperatorenn. Nee aliter
n cunctis omen acceptum est. Nam ipse intellegere nolebas: reciisäbas
mim imperare; — igitur cogendus fuisti. Und nun folgt eine Andeu-
tung der UmsISjide, die ihn zur Uebemahme der Regierung zwangen:
Cogi porro non poteras nisi periculo patriae et nutatione rei publicae.
Obstinat um etiim tibi non suscipere imperium, nisi servandum futsset.
Quare ego illum ipsum furorem motumque castrensem reor
(xtitisse, quia magna ri magnoque terrore modestia tua tnncenda
erat. Es handelt sich hier um die Empörung der Prätorianer im Jahre 97
iOctober), die Nerva, wie unten genauer nachzuweisen ist, zur Adoption
Trajans beweg. Die Reihenfolge der Ereignisse nach Plinius ist also
folgende: Trajan ist im Begriffe, in die Provinz zu gehen (cum ad
ejrercitum proficiscereriH) ; er besteigt das Capitol, um zu opfern und
verlasst die Hauptstadt; während seines Aufenthaltes in Germanien ent-
stehen Unruhen in Rom; hierauf wird er von. Nerva zum Mitregenten
aufgenommen. Wir finden nicht die leiseste Andeutung von einem unter-
dessen erfolgten Regierungswechsel, und doch war mit dem Tode Domi-
tians auch eine nutatio rei publicae verbunden, die Trajan vermöge
seiner hohen Stellung zum Ergreifen der Herrschaft hätte bewegen
können, Plinius setzt also offenbar bei Erwähnung der Abreise Trajans
nach Germanien den Tod Domitians und die Erhebung Nerva's vor-
aaa. — Noch klarer ergibt sich dieses Verhältniss aus einer zum Theil
schon in anderm Zusammenhange verwertheten Stelle in c. 94 : Tu enim
iam tunc illum in tutelam recepisti, cum praedonis avidissimi faucibus eri-
pttisti. Neque enim sine auxilio tuo, cum altissima quaeque qtiaterentur, hie
qui atnnibus excelsior erat, inconcussus stetit. Praeter itus est a pessimo
principe qui praeteriri ab optimo non potuit (der Uebergang von Do-
mitian, der ihn vernachlässigte, zu Nerva, der ihn beförderte, ist hier
bestimmt angedeutet). Tu clara iudicii tui signa misisti, cum profi-
ciscenti ad exercitum tuo nomine, tuo honore cessisti (vgl. c. 6). Tu
roee imperatoris quid sentires loaitus, filium Uli, nobis par entern, tibi
pontificem maximi^in elegisti (denn Nerva sprach die Adoption auf dem
Capitol aus, vgl. c. 8}. Trajan erhielt also die Provinz nicht unter
Domitiau, sondern ab optimo principe, d h. von Nerva; der Satz Hu
clara iudicii — — cessisti^, in welchem auf seine Abreise nach Ger-
manien verwiesen wird, kann sich dem Zusammenhange nach nur auf
Kerva's Zeit beziehen. — Das gewichtigste Zeugniss fSr die Richtigkeit
dieser Chronologie liegt endlich in c. 9: An non obsequereris prin^ipi
ciris, legatus imperatori, filius patri? Quid enim, si provincias ex
prorinciis, ejr belliji hella mandaret? Eodem illum (sc. Nervam) uti iure,
Unlersoph. t. Rßm. Kaiscrpeseh. I. O
18 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Heere zu handhaben und zugleich die Provinz vor den Ein-
fällen der germanischen Stämme für alle Zukunft zu schützen.
Die Niederlage des L. Antonius Satutninus war vielleicht
nur eine Folge des Ausbleibens der Germanen ^ die durch
plötzlichen Eisgang des Bheins an der versprochenen Hülfe-
leistung gehindert wurden. Sie konnten in günstigeren Zeiten
den Uebergang aufs Neue versuchen und die am Rhein bei-
nahe traditionell gewordenen Empörungen der römischen
Legionen unterstützen. Eben nach dieser Seite hin ent-
wickelte Trajan zuerst als Legat; dann als Kaiser eine Thä-
tigkeit; die man nicht hoch genug anschlagen kann. Nach
eigentlichen Heldenthaten muss man hier nicht suchen: sein
Hauptverdienst besteht darin ^ dass er zwischen Donau und
Rhein eine weit vorgeschobene Befestigungslinie anlegte,
welche einerseits das hier schon unter Domitian gewonnene
Terrain deckte und andererseits für die cisrhenanischen Ge-
biete die Bedeutung einer zweiten Schutzwehr gegen die Ger-
manen erhielt. Denn man wird nicht mit Unrecht den Plan
der dauernden Occupation des sogenannten Decumatenlandes
durch Errichtung eines grossen befestigten Grenzwalles auf
Trajan zurückführen dürfen : die Absicht auf durchgreifende
Grenzcorrectionen leitete, wie noch oft hervorzuheben ist,
auch seine spätem kriegerischen Unternehmungen.^)
ctim ad Imperium revocet, qiio sit umia, cum ad ex er ci tum miaerit,
nihilque inieresse ire legatum an redire principem iubeat,
nisl quod maioi' sit ohsequit gloriu in eo quod quis miniM relit. —
(Mommsen, im Hermes III, S. 40 A. 2 spricht sich ebenfalls dahin aus
daes Trsy'an erst von Nerva zum Legaten von Obergermanien ernannt
worden sei).
Trajan kam nach den bisherigen Untersuchungen also dreimal nach
Germanien, zuerst als Militärtribun (nach Unt^rgermanien), dann alB
prätorischer Legionschef im Jahre 89, endlich als consularischer Legat,
ausgerüstet mit dem Obercommando über sämmtliche Legionen der
Provinz Obergermanien, im Jahre 97. Für dieses Jahr entscheide ich
mich mit Rücksicht auf den so viel sich erkennen lässt gewöhnlich im
Sommer erfolgten Wechsel der kaiserlichen Legaten, vgl. Mommsen im
Hermes, Jll, S. 81, A. 2.
1) Roth, im Schweiz. Museum für histor. Wissenschaften, 1838, Bd. II,
I. Tr^janR Aufkommen und erste Regieruugejahre. 19
Im Jahre 97 wurde Trajan von Nerva adoptirt^ und mit
diesem für seine Zukunft entscheidenden Ereignisse tritt seine
Geschichte in helleres Licht. Um den Zusammenhaug zu
erkennen, in welchem er vorerst zum Antheil an der Herr-
schaft gelangte, müssen wir einen kurzen Rückblick auf die
Regierung Nerva's werfen.
S. 30— 40 führte die Provinzialisirung Schwabens auf Domitians chat-
tischen Feldzug des Jahres 84 zurück. Ihm widerspricht mit guten
Gründen Imhof, S. 49, Anmerkg. 1. In der That Hesse sich die von den
Germanen beabsichtigte Unterstützung des saturninischen Au&tandes
nicht leicht erklären, wenn Schwaben schon damals römisches Provinz-
land gewesen wäre. Immerhin gehört aber die Occupation des Landes
noch in die Zeit Domitians. Roth hat hervorgehoben, dass der Name
einer schwäbischen Stadt, Arae Flaviae, des heutigen Rottweil am
Neckar, deutlich auf das flavische Regentenhaus hinweise; nach seiner
Ansicht dürfte sie die Stelle bezeichnen, an welcher die neu provinzia-
lisirten Stamme der Kelten und Germanen mit religiösen Weihungen dem
flanschen Kaiserhause Gehorsam gelobten. Während aber vor dem
Jahre 90 eine bleibende Erobenmg jenseit des Rheins sehr wahrschein-
lich nicht Statt fand, war sie im Jahre 98 bereits eine Thatsache
(Tac. Germ. c. 29: Proiulit enim magnitudo populi Bomani ultra Ehe-
num, ultraque veteres terminos, itnperii reverentiam. Mart. Epigr. X, 7,
wo noch während Trojans Aufenthalt in Germanien a. 98 vom Rheine
gesagt wird: Et Rofiianus eas utraque ripa). Man hatte diese Grenz-
erweiterung wahrscheinlich dem Vorgänger Trajans in der Statthalter-
schaft von Obergermanien zu verdanken. Trajan gebührt das Verdienst
der vöUigen Sicherung des erworbenen Gebietes. Schon Domitian hatte
jenseit des Rheins einen limes angelegt (Frontin. Strateg. I, 3, 10:
Imperator Caesar Domitianus Äugustus, cum Germani m<yre auo e sah
tibus et öbscuris latehris suhinde impugnarent nostros, tutumque regres-
»um in profunda silvarum hdberent, lim i tibus per centum viginti
millia passuum actis, nofi mutarit tantum statum belli, sed stibiecit
ditioni suae hostes, quorum refugia mtdaverat, vgl. II, II, 7. Die Con-
jectur Scrivers, Leydener Ausgabe 1644, p. 662, welcher *limitib%M^
etatt des durch die Codices gebotenen 'militibus^ liest, ist gewiss rich-
tig, trota der Bedenken ImhoFs a. a. 0.). Die vorliegende Stelle scheint
«ich aber auf Domitians chattischen Krieg zu beziehen , so dass jener
Limes sich nicht über das Chattenland hinaus erstreckte. In diesem
Falle wäre das Werk Trajans dessen südöstliche Fortsetzung. Ich
komme unten auf einige Thatsachen zurück, die seinen Anthejl an der
AüfPahrong des hmes transrhenanus näher begrilnden; dass der Wall
schon unter ihm die Ausdehnung erhielt^ die wir in seinen Ueberresten
erkennen (Ukert, Geogr. d. Griechen und Römer, Germania, S. 278 ff.),
i»t nicht wahrscheinlich.
2*
20 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Nerva war ein Mann von friedlichem Charakter, aber
ohne körperliche und geistige Energie. Die- Verschwomen
gegen das Leben seines Vorgängers hatten ihn in aller ICile
zum Kaiser ausgerufen, vielleicht nur in der Aussicht eines
baldigen Wechsels in weniger gefährlichen Umständen. Der
zu Erhebende sollte auf jeden Fall der herrschendeu Classe
angehören, und da man sich in einem weuig tugendhaften
Leben befand, so wollte die Mehrzahl, wie zur Zeit der piso-
nischen Verschwörung, kein scharf zufahrendes und strenges
Regiment. ^) Zwar griff Nerva zuweilen entschlossen in die
Dinge ein; er wagte es zum Beispiel, der wilden Leiden-
schaftlichkeit, mii der nach dem Tode Domitians die Delato-
ren verfolgt wurden, zu steuern und die gegen sie eingelei-
teten Processe zu unterdrücken. 2) Im Allgemeinen aber ver-
mied er es, von seiner Gewalt so ausgedehnten Gebrauch zu
machen ; er wollte sich durch Milde auszeichnen, durch weise
Mässigung und möglichste Schonung der Standesinteressen
Zutrauen gewinnen. Dabei versäumte er, die Prätorianer
zu versöhnen.
Domitian war der Liebling der Soldaten gewesen ; durch
Erhöhung des Soldes '^) und durch prunkvolle Triumphzüge
hatte er sie in gleicher Weise zu gewinnen gewusst. Es
kümmerte sie wenig, wenn jene Siegesfeste zum Theil offen-
bare Scheintriumphe waren, vorausgesetzt, dass ihre Interessen
und ihr Ehrgeiz glänzende Befriedigung fanden. Nach sei-
ner Ermordung konnten ihre Empörungsversuche nur mit
1) Tacit. Annal. XV, 48: Sed procul gravitas morum, et volupin-
tum parsimonia: lenitati ac ma(piificentiac et aliquftndo ht.rui indul-
gebat. Idqu€ phiribus j^roltahatur, qui, intania vitiorum duhedine, sum-
mtim imperium non restrictum nee per sec er um volunt. Vgl. Merivale, VII,
p. 194 mit uot. 3.
2) Dio Cass. LXVIII, 1 : Ueber die damalige Verfolgungswuth vgl.
Plin. Epist. Villi, 13, 4: Ac prhnis quidem diehua redditae lihertatis
pro se quisque inimicos mios, dumtaxat minores, incondito turhidoqne
clamore postidaverant mmü et oppresf^^erant.
3) Zonaras, XI, 19, ed. Bonn. II, p. 500.
I. Trajans Aufkommen und erste Regier uugsjabre. 21
Mühe zurückgehalten werden ^) : an der Donau drohte offener
Aufstand.^) Es gelang, die aufgeregten Gemüther für einen
Augenblick zu beschwichtigen, allein Nerva war nicht im
Falle, dem Beispiele seines Vorgängers in der Liberalität
gegen die Soldaten folgen zu können. Die Verwirrung in
den Finanzen und die ihm nach seiner Ansicht erwachsende
Pflicht, die Vorräthe des Fiscus zur Restitution der unter
Domitian eingezogenen Güter und zur Unterstützung armer
Bürger zu verwenden 3), nöthigten ihn zur Sparsamkeit,^)
So pflanzte sich die Unzufriedenheit im Heere fort und ein
fJahr nach seiner Erhebung brach der Sturm aus. Die Prä-
turiauer unter der Leitung des Präfecten Casperius Aelianus
belagerten den kaiserlichen Palast und verlangten mit wildem
Geschrei die Hinrichtung der Mörder Domitians. Nerva
weigerte sich mit Entschiedenheit, diejenigen zu bestrafen,
denen er seine Herrschaft verdankte. Da wurden die Schul-
digen hervorgeschleppt und vor seinen Augen mit roher Wuth
niedergemacht. So ohnmächtig war Nerva jn diesem Augen-
blicke, dass er sich auf Aelianus' Befehl herbeiliess, den
IVätorianem für diese That öfiPentlich zu danken,^)
So erscheint der Entschluss, den Nerva nach diesem
Ereignisse fasste, zunächst als ein Act der Verzweiflung.
1) AureL Vict. de Cae». 11: (jui cix uegreque per prudentes cohi-
hiÜ, iandem in gratiam optimatum concenere.
2) Philoätrat. Vita Sophist. I, 7.
3) Dio Cass. LXVIII, 2.
4i Was Tacitus (Hist. I, 18) von Galba sagt, gilt auch mit ßezug
auf Nerva: CansUd potuisse conciliari animos quantulacumquc parci
fenis Uberalitate.
5) Dio Cass. LXVIII , 3. Aurel. Vict. Epit. 12. Plinius (Paneg. 6,
vgl. c. 5; berührt diese Vorgänge in rhetorischer Form; thatsächlich
stimmen seine Andeutungen mit den Berichten der übrigen Quellen
überein: Magnum qnidein illud mecido dedecus, magnum rei publicae
'^uhus inpressum est: imperator et parem generis humani ohsessus capitis
indusiis, ahlata mitissimo seni servandorum hominum potestas, ereptum
principi illud in principatu beatissimiün, quod nihil cogitur. — jjostrenio
<^ctu8 prittceps quos nolebat occidere, nt daret principem qui cogi non
22 Johauoes Dierauer: Gebchichte Trajans.
Seine Kräfte reichten gegenüber der drückenden Gewalt der
Prätorianer nicht ans; seine Lage war eine unwürdige ^ sein
Ansehen untergraben. Entweder musste er der Herrschaft
entsagen oder Hülfe suchen, die ihm sichern Rückhalt bot.
Er wählte das Letztere und adoptirte Trajan.
Man kann sich fragen, warum Nerva gerade diese Wahl
traf. Bestanden zwischen ihm und dem Heerführer am Rhein
etwa private Beziehungen, die wir nicht kennen?') Oder
wurde er von seiner Umgebung auf diesen Mann aufmerksam
gemacht? Eines ist wol sicher, dass die Empfehlung des
L. Licinius Sura, eines Mannes aus den vornehmsten Ereiseu,
seine Entscheidung beeinflusst hat^): Sura wurde in der
That zeitlebens von Trajan in hohen Ehren gehalten. Dies
ist aber Alles, was wir von äusserer Einwirkung vernehmen.
Nerva, und eben hierin hegt das Bezeichnende seiner That,
handelte in freiem Entschlüsse, indem er in richtiger Wür-
digung der Verhältnisse mit Weisheit und Selbstverleugnung
den nach seiner Ansicht tüchtigsten Staatsbürger adoptirte.
* Keine Verwandtschaft, bemerkt Plinius, bestand zwischen
dem Adoptivvater und dem Adoptivsöhne. — Nerva ist sein
Vater geworden im gleichen Sinne wie er der Vater der
Römer ist. — Und in der That, sollte man den Erben der
höchsten Gewalt nur in der eigenen Familie suchen, und
nicht vielmehr sich im ganzen Staate umsehen und den als
den nächsten Verwandten betrachten, der sich als der Beste
und den Göttern Aehnlichste erweist? Wer Allen gebieten
1) Einen eigenthümlichen Grund kennt Joannes Lydus, de mensib.
IV, 18, ed. Bonn. p. 60 sq.: cuvaic6av6|Li€voc hi übe ^pacrrjc ^ctiv ö
Ncpßotc ö KaXoOjLievoc toO övtoc aÖT«|i irpoacTeiou (kqI xdp öjLiopoi ^&X-
Xov trepl Ti]v xTf^civ dXXiqXwv ^tOtxövov), cuytP^M'OC aÖTiKO ^ujp€äc
YpafifiaTclov ^irl xiji TrpoacTeiiu Tiji Ncpßd Trpoc€KÖjbiic€V ö bi dTOcGelc
Töv Tpaiavöv de ulo6€c(av ^Xaßev. Diese Ueberlieferung erscheint
mir als ein späterer vulgärer Erklärungsversuch für den etwas unge-
wöhnlichen Schritt Nerva's. •
2) Aurel. Vict. Epit. 13 : hie ob Itottorem Surae cuüis studio Imperium
arripuerat, valacra condidit.
1. Trojans Aufkomiueii und erste Kegierungsjahre. 23
soll; niuss aus Alleu gewählt werdeu!") So discutirte mau
1) Plin. Paneg. c. 7. In der Folge lässt sich Plinius durch seinen
Eifer zu weit fuhren: Superbuni istud et re(fium, nisi adoptes eum,
qf^m constef imperatururm fuisHe, etiamsi fwn adoptasses. Hierdurch
schmälert er unwillkürlich das Verdienst Nerva's. Die Ausführlichkeit
und der Nachdruck, mit denen er von der Nothwendigkeit einer guten
Wahl spricht, deutet darauf hin, dass er die Adoption, au der Stelle
ded erblichen Ueberganges der Herrschaft in Zukunft zur Norm erhoben
wissen wollte (vgl. Bumouf, p. 168). Es gewährt einiges Interesse,
Plinius' und Tacitus' Gesichtspunkte über diesen Gegenstand zu ver-
gleichen. Die Gedanken, die Plinius entwickelt, kehren in auffallender
Aehnlichkeit in einer ßede wieder, die der Verfasser der Historien
den Kaiser Galba bei Gelegenheit der Adoption Piao's halten lässt.
Wir stellen de einander gegenüber:
Plinius, Paneg. c. 7. 10 (ed. Keil). Tacit. Hist. I, 15. 16 (ed. Bekker).
e. 7. Summ<i€que potestatis here- I, 15. Augustus in domo succes-
(km tatUum intra domum tiMim soreni quaesivit; ego in re puhlica.
quaeras? Non toiam per civitcUem
circumferas octüos ?
'Sulla adoptati cum eo qui ado- I, 16. Suh Tiberio et Gaio et
ptahat, cogtuttio, nuUa necessitttdo, Claudio tmius familiae quasi here-
Hl« qiiod uterque optimuß erat, ditas fuimus: loco lihertatis erit
digmtsque alter eligi, alter eligere. quod eligi coepimus. Et finita
luliormn Claudiorumque domo Opti-
mum quemque adoptio inveniet.
Non enim serculis tuis dominum, Neque enim hie, ut gentibus quae
ut possis esse contentus quasi ne- regnantur, certa domi^norum domus
cessario herede, sed prindpem civi- et ceteri ser&i: sed imperaturus es
hus daturus es imperator. hominibus qui nee totam servitiUefn
pati possunt nee totam libertatefu,
Fedt hoc Nerva, nihil interesse Nam generari et nasci a prin-
arbitratus genueris an elegeris, si cipibus fortuitum, nee ultra aesti-
perinde sine iudicio adoptentur matur: adoptandi iudicium inte-
Liberi ac nascuntur; nisi quod ta- grum; et si velis eligere, consensu
wen aequiore animo ferunt homines monstratwr.
<mem princeps partim felidter ge-
n\ut quam quem male elegit.
c. 9. (Nerva) eo ipso earus omni- Nero a pessimo quoque semper de-
^ ac desiderandus quod prospexe- sideräbitur: mihi ac tibi providen-
Toi ne desideraretur. dum est ne etiam a bonis desideretur.
Ulan sieht, Tadtus hat die Bede seines Freundes gelesen. Plinius
meinerseits verweist auf die Adoption Piso's und ihre Folgen in c. 8:
OmUne sumus ut nuperpost adoptiofiem non desierit scditio, sed coepent?
24 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
damals im Hochgefühle der glücklichen Zeit, die mit Trajan
gekommen zu sein schien, den Entschluss Nerva's. An der
Legalität seines Vorgehens konnte Niemand zweifeln, denn
dem Träger der Souveränetät des römischen Volkes kam
auch die Bestimmung des Nachfolgers rechtlich zu. Aber
wenn die alten patricischen Familien auch keinen offenen
Widerspruch erhoben, so waren sie Anfangs doch schwerlieh
mit der getroffenen Wahl zufrieden. Wir werden sehen, wie
Trajan sie auszusöhnen verstand.
Unvergesslich blieb den Zeitgenossen der Tag, an wel-
chem Nerva das Capitol bestieg und mit feierlicher Stimme
der versammelten Menge verkündigte: *Möge es dem Senate
dem römischen Volke und mir selbst zum Glück und Segen
gereichen! Ich nehme den M. Ulpius Nerva Traianus an
Kindesstatt an!'*) Es schien ihnen, als handelte Nerva im
Namen einer höhern Macht, als hätte jener Aufstand sich
vollziehen müssen, damit der * erschütterte Staat' eben im
rechten Augenblicke an der Brust Trajans eine Zufluchts-
stätte finden konnte."^) Aus Pannonien war als Zeichen eines
vom dortigen Heere erfochtenen Sieges ein Lorbeerkranz an-
gelangt, der üblicherweise dem capitolinischen Juppiter ge-
1) Dio Cass. LXVllI, 3. Plimua legt ausserordentlichen Werth
darauf, dass die Adoption auf der geweihten Stelle des Capitols aus-
gesprochen wurde : nan enim occulta potestate fatorum sed ab love ipso
coram ac palam repertns est (c. 1). Itaque tui non in cuhiculo sed in
templo, nee ante genialetn tortiin sed ante pulvinar lavis optimi inaximi
adoptio peracta est (c. 8 ; vgl. c. 47. 94). Man darf nicht glauben, dass
Plinius diesen Umstand in schmeichlerischer Absicht hervorhob. Dio
äussere religiöse Weihe des Actes hatte doch auch in den Augen der
alten Aristokratie eine gewisse Bedeutimg, sie vertrat gleichsam das
Augurium augustum, welches demjenigen, der dessen theilhaftig gewor-
den war, das Ansehen eines von den Göttern Erkorenen verlieh. --
Die Adoption erfolgte etwa Ende Octoy:)er 97, drei Monate vor dem
Tode Nerva's, vgl. Aurel. Vict. Epit. VI.
2) Plin. Paneg. 6: Expectatum est tempus quo liqueret nwi tarn
accepisse te beneficiuvi quam dedinsc. Confugit in sinnm fuum concussa
res publica. Sehr prägnant sagt Eutropius VIII , 1 : JRei publicae diritm
provisione consuhiit Traianum adojHando.
I. Tnyans Aufkonimon untl ei-sto Kegicrungsjahro. 25
weiht werden musste. Eben .diese Gelegenheit benutzte Nerva
zur Adoptionserklärung. *So hatten es die Götter gefügt,
sagt der Lobredner Trajans, dass das Symbol des Sieges die
Erhebung eines unüberwindlichen Kaisers schmückte.'*)
Trajau empfieng die Nachricht von seiner Adoption durch
ein eigenhändiges Schreiben Nerva's. Mit den Worten des
beleidigten Priesters Chryses im Gebete an Apollo: *Lass
deine Pfeile meine Thränen an den Danaern rächen!' for-
derte ihn sein Adoptivvater zur Bestrafung der Prätorianer
auf.-) Es scheint, dass er Anfangs zögerte, die Entscheidung
1) Plin. Paneg. c. 8: Adiata erat ex Pannonia laurea, id agentibutf
düs ut inricti imperatoris exortum cictariae insi^ne decorarct. Hanc
imptraior Kerva in gremio lovts cordocarat; vgl. c. 16: ndoptimiis
tuae die dient n Capitolino Tori laurus. Plinius bringt mit der Adoption
eine Thatsache in Verbindung, die wir bei Dio Cassius nicht erwähnt
finden: eine Siegesnaöhricht aus Pannonien. Cedrenus, ed. Bonn. p. 433
schreibt diesen Sieg Trajan zu: *€k TTaiovCac bi dTT^XCa ^ttivikiwv
iXöoöca irapä Tpa'iavoO. Schwarz, in seiner Ausgabe dea Panegyricus
ad c. 8, hält diese Nachricht fest und erklärt den Widerspruch mit der
Thateache, dass Trajan zur Zeit seiner Adoption in Germanien war,
dnreh die Annahme einer schnellen Reise aus den Donauländern an
deu Rhein. Allein wie konnte Trajan noch als Statthalter von Ober-
grermanien an die Donau kommen und dort sogar ein Heer befehligen?
Die Stellen in Paneg. c. 12 und 16, auf die sich Schwarz beruft und
(lie uns wirklich von einem Aufenthalte Trajans an der Donau berichten,
«gehören in einen späteren Zusammenhang. Wäre wirklich Trajan der
Sieger in Pannonien gewesen, so hätte Plinius nicht versäumt, dies
hervorzuheben. Cedrenus' Angabe ist also unrichtig, wir kennen den
tarnen des Siegers nicht. Mommsen (im Hermes, 111, S. 116 if.) hat
gezeigt, dass es sich «hier um einen Krieg gegen die am Marchflussc
wohnenden Sueben handelt, die ohne Zweifel über die Donau in Pan
nonien eingebrochen waren, und dass eben damals, im Zusammenhang
mit diesen Ereignissen, Nerva und Trajan deu Titel Germanicus an-
nahmen. Das bellum Suebic um unter Nerva ist sonst nur in der
Inschrift bei Henzen n. 5439 erwähnt.
2) Dio Cass. 1. c. cl*. Hom. Iliad. I, 42. Sein Vetter Hadriau,
«Jamals Tribun der Leg. V. Macedonica (Henzen, Annali dell' Instit.
IB62, p. 139) überbrachte ihm die Gratulationen des mösischen Heeres
•Spart. Hadr. c. 2). Fröhner, la Colonne Trajane, p. 10 sagt unrich-
tig: Trajan sc trouvait ä Colofftie, quand son coimn Adrien innt lui
rmettre Vacte d'adoption. — Auf Münzen finden wir keine Andeu-
^g der Adoption. Die von Schwarz p. VI nach Tristan, Com-
26 Johaunes Dierauer: Geschichte Trajans.
Nerva's anzunehmen; er fühlte sich offenbar der Stimmung
in Rom nicht sicher, bevor die förmliche Bestätigung der
Adoption durch den Senat ihm zugekommen war.*)
Kraft der Adoption war Trajan weder formell noch ma-
teriell im vollen Besitze der Berechtigungen eines römischen
Staatsoberhauptes, wie sie sich seit der Entstehung der Mo-
narchie allmälig festgestellt hatten. Der Titel Augustus
konnte nach seiner ursprünglichen Bedeutung immer nur
einer, durch das Augurium augustum von den Göttern aus-
erwählten Person zukommen; und ebenso war der Ober-
pontificat ein untheilbares Amt, das erst mit dem Tode
Nerva's auf seinen Nachfolger übergieng. Dagegen erhielt
Trajan das Attribut Imperator, wodurch ihm neben Nerva
der Anspruch auf die höchste civile und militärische Gewalt
zuerkannt W9,r, und, was ihn im eminenten Sinne zum Mit-
regenten erhob, die tribunicische Gewalt. Ausserdem
nahm Trajan den Titel Caesar an^), der ohne weitere Be-
mentairea historiqueB, Paris 1657, I, p. 378 (vgl. MediobarbuB, Imperat.
liomanor. numismata, Mediol. 1730, p. 147) angeführte Münze mit der
Inschrift ADOPTIO auf der Rückseite, dem Kopfe Trojans und der
Legende NERVA TRAIAN • CAES • GERM • NER • AVG • F • P • TR • P •
COS • II • auf der Vorderseite ist entschieden unecht. Es gibt Münzen
aus dem zweiten und dritten Consulate JServa's, auf deren Rückseite
wir den Kaiser sehen, ihm gegenüber« einen Mann in der Toga, der
mit der Rechten eine Kugel hält; auf einer dieser Münzen lautet die
Umschrift PROVIDENTIA SENATVS SC. Man sieht hiemach, dass
sie sich auf das Verhältniss zwischen Senat und Kaiser bezieht und in
diesem Sinne erklärt Cohen die Darstellung (Tem. I, Nerva, n. 116),
während sie von Vaillant, Numismata imperat. romanor. praestant.
Rom. 1743, p. 52 auf die Adoption gedeutet wurde. Dieselbe Darstellung
wiederholt sich auf späteren Münzen Trajans. Cohen, II, Trajan, n. 538.
1) Paueg. c. 9: Ut vero ad te forttmae tuae mmtins venu, tnalebcts
quideiti hoc esse quod fueras, sed non erat Über um, Cf. c. 10: Äd hoc
axidiehas sencctus papulique consensum. Non unius Nervae iudicium
illudj illa electio fuit. Nam qui vhique sunt hotnines hoc idcfn votis
cxpetehafU.
2) Ueber diese Attribute vgl. Plin. Paneg. 8: Sitnul filius, simul
Caesar, mox Imperator et consors trihuniciae potestatis, et omnia pariter
et statim f actus es, quae proxime parens verus tatvtum in alterum filium
contuJit (cf. Suet. Tit. c. 6). Was ^mox^ hier zu bedeuten hat, ist nicht
I. Tr^aus Aufkommen und erste Regierungsjahre. 27
deatong war^ sowie endlich den Ehrennamen Germ an icusJ)
Für das Jahr 98 wurde, er zum Consul designirt.^)
Ungefähr drei Monate nach der Adoptionserklärung, am
27. Januar 98, starb Nerva.^) * Er sollte nach jener unsterb-
ganz klar. Es scheint, dass Flinius einer seite die Adoptionserklärung
Nerra's, andererseits die durch den Senat unmittelbar darauf erfolgte
Bestätigung des Actes (Dio Cass. LXVIII, 3), sowie die Uebertragung
eines Antheils der kaiserlichen Yollgewalt auf Trajau scheiden will.
Relativ geschah die Annahme der Titel Imperator imd Caesar doch
gleichzeitig, wie Plinius selbst wieder andeutet, c. 9: Inm Caesar, iam
huperatory iam Gennaniciis , ahsens et ignarus, et jmst tanta nominal
quantum ad te pertinet, privatufi (d. h. bevor die Nachricht in Ger-
manien anlangte). — Den Titel Censor, den noch Nerva getragen zu
haben scheint (Orelli, n. 780, sofern hier nicht GER statt GEN oder
CEN zu lesen ist) , und der sich besonders häufig auf Münzen und ^
Inschriften Doinitians findet (Cohen, T. I, Domitien, n. 2, 4*etc. Orelli,
IL 766, 768. Henzen, n. 5433; Domitiau nannte sich Censor perpetuus),
hat Trajan nicht angenommen. Plin. Paneg. c. 46: et ideo nmi cen-
suram ctdhuc, non praefecturam mor'um recepisti, quia tibi beneficiis
potius quam remediis ingenia nostra experiri placet.
1) Nerva nannte sich Germanicus erst gegen das Ende des Jahres 97 ;
denn einfach mit dem dritten Consulate verbunden (vom 1. Jan. 97 an)
erscheint der Titel nie, sondern entweder mit trib. pot. II. Cos. III.
des. IV noch für das Jahr 97, oder mit trib. pot. III. Cos. IUI fiir den
Anfang des Jahres 98 (Eckhel, Doctr. numor. T. VI, p. 409, Cohen, I,
Nerra, n. 35 — 42, 99. Henzen, n. 5438). Die Annahme dieses Titels fällt
nach Mommsen a. a. 0. in die Zeit der Adoptionserklärung, s. oben
S. 23. Trajan erhielt den Ehrennamen Germanicus iure adoptionis,
jedesfalls mit Rücksicht auf seine Verdienste in Germanien. Plinius
sagt uns sehr deutlich, dass er ihn nicht vorher getragen hat, c. 9:
Crtdentne posteri eidem, cum Germanide praesideret, Germanici
nomen^lUnc missum? Vgl. die in voriger Anmerkung angeführte Stelle
ans dem gleichen Capitel.
2) Plin. Paneg. c. 57: Nam secumdum (consulatum) Imperator qui-
dm, sub imperatare tarnen inisti, d. h. noch unter Nerva im Anfange
des Jahres 98, vgl. die Consularfasten bei Clinton, ad ann. 98. Trajan
war abwesend Consul. Paneg. c. 59: Gessisti alterum consulatum, scio:
»Tlttw exercitibus, illum provinciis, illum etiam exteris gentibiis poteris
inputare, non pot es nohia, vgl. c. 56, 4.
3) Dio CasB. LXVIII, 4: irpdEac [ö NepoOac] hi ToOra, ^€Tir|X\aH€v,
dpEac £t€i Ivi, Kai \xr\c\ T^ccapci, kuI f\\kipa\c hi^a (ed. Bekker). Aurel.
Victor Epit. 12: Imperavit menses sedecim, dies decem. Hiervon weichen
ab Eutropius, VIII, 1 : fnortuus est Mamae post annwn et quatiwr metises
iinperii sui ac dies octo, und das Chronicon Paschale, ed. Bonn. I, p. 469,
28 Johannes Dierauer: Geschichte Tr^ans.
Hellen That keine sterbliche mehr begehen.' Damit nvar
Trajan Alleinherrscher: er selbst betrachtete diesen Tag
als seinen eigentlichen Regierungsantritt. Die tribunicische
Gewalt hatte er sich schon mit dem Beginn des Jahres 98
zum zweiten Male übertragen lassen; er erneuerte sie in der
Folge alljährlich regelmässig am 1. Januar.^)
welches den 25. Januar als Todestag nennt (j\ KaXav6uiv qpcßpouapduv).
Ihnen folgt Clinton ad. ann. 98. Offenbar bildet in diesem Falle Die
Cassius die sicherste Autorität. Vom 18. Sept. 96 an gezählt, endigten
16 Monate mit dem 17. Jan. 98, und durch die Addition von 10 Tag'en
gelangen wir zum 27. Januar. Dieses Datum steht fest und widerspricht
den Nachrichten über die Dauer der Regierung Trajans (19 Jahre,
6 Monate^ 15 Tage, vgl. Dio Cass. LXVIU, 33, Eutrop. VllI, 5 ed. Dietsch)
nicht, denn Dio Cassius rechnet dieselbe offenbar bis zum 11. August 119,
an welchem Tage Hadrian die Herrschaft übernahm (Spart. Hadr. c. 4},
und nicht bis zum Todestage Trajans, den wir nur annähernd bestim-
men können. — Der Nachricht bei Aurelius Victor a. a. 0., nach wel-
cher am Todestage Nerva's eine Sonnenfinsterniss Statt fand, was nur
am 21. Januar möglich war (Tillemont, Hist. des empereurs, II, p. 544),
darf man kein Gewicht beilegen. Der Autor hebt es, Naturerscheinun-
gen aller Art, die während der Regierung eines Kaisers sich zeigten,
je weilen am Schlüsse seiner Biographieen anzuführen. Hier brachte
er willkürlich eine Sonnenfinsterniss mit dem Ausgange Nerva's in
Verbindung.
1) Eckhel, Doctr. num. VII, p. 456 sqq. hat diesem Punkte eine
eingehende Untersuchung gewidmet und den 19. October als den Tag
für die Erneuerung der tribunicischen Gewalt bestimmt, in dem Sinne,
dass sie Trajan am 19. October 98, ein Jahr nach seiner Adoption,
zum zweiten Male u. s. f. übernahm. Francke, S. 6 ni^unit als selbst-
verständlich an, Trajans Tribunat sei im Herbste, am Tage der Adoption,
erneuert worden, ebenso Clinton. Schon Eckhel konnte sich aber nicht
erklären, wie Trajan einigen Münzen und Inschrifben zufolge zum 21. Tri-
bunate gelangte (vgl. VII, p. 457; Orelli, n. 795; 796 = Mommsen,
Inscript. Regiü Neapolit. n. 5619). Borghesi, Annali deir Instit. 1846,
p. 330 f. hat diese Schwierigkeit durch eine genauere Vergleichung
zweier Militärdiplome Trajans (Henzen, n. 5442 und 5443) zu lösen
gesucht; nach dem Resultate seiner Forschungen hätte Tnyan die
tribunicische Gewalt am 28. Jan. 98, am Tjige nach dem Tode Nerva's,
zum zweiten Male übernommen und hierauf nach Jahrcsintervallen
erneuert. Nun zeigt aber Mommsen in seiner Untersuchung über die
ordentlichen Cousuln der Jahre 103 und 104 (Hermes IH, S. 126 ff.},
dass das von Borghesi bezogene Diplom n. 5442 nicht dem Jahre 104,
sondern dem vorhergehenden angehört. Da es vom 19. Jan. datirt
und bereits die VII. tribunicische Gewalt aufweist, so ergibt sich hier-
I. Trajand Auilcomnieii und erste Regier iingsjahro. 29
Trajan war in Köln, als er durch seinen Vetter Hadrian
die Kunde vom Tode Nerva's erhielt J) Er theosirte seinen
aus mit Evidenz, dasB Trajan seine Regierangsjahre vom 1. Jan. an
gezahlt hat. Am 1. Januar 117 begann daher das 21. Tribunat und
die Frage über die Möglichkeit desselben, die nach Eokhels Bestimmung
mit Rucksiebt auf den im August 117 erfolgten Tod Trajans sich auf-
Inmgen musste, bat hiermit (wie allerdings schon durch Borghesi) ihre
Erledigung gefunden.
Mommsen's Festsetzung bildet die Grundlage fiir die Chronologie
<icT Regierung Trajans. Ihre Richtigkeit wird durch mehrere andere
Militärdiplome bestätigt:
1. Diplom Yom 13. Mai 105, mit dem 9. Tribunate. Arneth, Zwölf
römische Militärdiplome, S. 43 ff. Tafel XV, XVI. Henzen, n. 6867,
der es irrthumlich dem Jahre 106 zuweist.
2. Diplom vom 1. Sept. 114, mit dem 18. Tribunate. Henzen 6857 a.
Wes veröffentlichte zuerst v. Sacken, über die neuesten Funde zu Car-
iiuntum, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. XI, S. 853, mit
Facäimile auf Tafel III. Auf der Aussenseite des Diptychons ist das
nte, im Texte der Innenseite dagegen das 18. Tribunat verzeichnet.
V. Sacken knüpft hieran den Beweis, dass um den Tag der Ausstellung
(ie$ Diploms die Erneuerung der tribunicischen Gewalt Statt fand. Er
verwechselt aber die beiden Seiten der Urkunde: was er die Aussen-
seite nennt, ist in der That die Innenseite und diese allein hat legale
Kraft (Henzen, Monumenti ed annali deir Inst. 1855, p. 23). Auch auf
andern Denkmälern erscheint die siebente Salutation als Imperator
nur in Verbindung mit dem 18. Tribunat. Orelli, n. 788. Mommsen,
1 B. X. u. 1408.
3. Diplom vom 8. September 116 mit dem 20. Tribunate, heraus-
?(^oben von K. Rössel, ein Militärdiplom Kaiser Trajans aus dem
K'''iDercafitelle in Wiesbaden, Wiesbaden, 1858, vgl. Brambach, Corp.
In^^cripi Rhenan. n. 1512:
l; Eutrop. VIII, 2. Aurel. Vict. Epit. 13. Spart. Hadr. c. 2.
Hadrian war zu jener Zeit Tribun der XXII. Legion in Obergermanien
Henzen^ Annali deir Inst. 1862, p. 139 if). Ex qwi (heisst es bei Spar-
^iau ftstinans ad Traianum, ut prhnus nuntiaret excessum Nervae,
^' ^raiano, sororis viro diu detentus fractoque consulte vehiculo
^'^TthAwSj pedibus Her facietis eiusdem Serviani beneftciarium antevenit.
^m diese Zeit war also die Statthalterschaft von Obergermanien bereits
u L. Julius Ursus Servianus, den Schwager Hadriana, übergegangen,
^giPlin. Epist. VIII, 23, 5. — Bemerkeuswerth ist das Gratulations-
ächreiben, daa Plinius nach 'dem Tode Nerva's an Trajan richtete
fidTraian. 1 ed. Keil). Hier zum ersten Male finden wir das Bewusst-
^ein von der hohen Bedeutung der trajauischen Zeit ausgCHprochen:
hmtr eryo ut tibi et per te gener i humnno profipera omnia, id ef<t
^^>!)nn naecnlo tuo cofit ingant.
30 Johannes DieratJer: CreBchichte Trajans.
Adoptivvater und liess ihm einen Tempel errichten, in -wel-
chem der Cult des Divus Nerva von nun an geübt wurde.')
Die Führer der Prätorianer strafte er durch Cabinetsbefehl.*)
Der Ergebenheit des Senates versicherte er sich, wie seiner
Zeit Titus und Nerva, durch das eidliche Versprechen, keinen
Römer von adeliger Geburt seiner Ehre oder seines Lebens
jemals berauben zu wollen.^) So konnte er ohne Bedenken
die Reise nach Rom noch einige Zeit verschieben, um seiner
vorgenommenen Sicherung der germanischen Grenze möglichst
dauernden Bestand zu verleihen.
Es ist unmöglich, Trajans Thätigkeit für Germanien in
den Jahren 98 und 99 von seiner früheren genau zu schei-
den. "*) Vielleicht fallt in diese Zeit die Anlage von Festimgs-
werken im Taunus^), die Erweiterung eines keltischen Ortes
1) Plin. Paneg. e. 11: Quem tu laci'imis primum, ita ut filium
decuit, mox templis Jionestasti. Tu sidei'ibus patrem intulisti, noft
ad jnetum civium, non in contumeliam numinum, noti in honorem tuuni,
sed quia deum credis. — Sed licet illum aris pulvinanbus ftnmine colas,
fiofi alio magis tarnen deum et faas et proba.% quam quod ipse tdlis es.
Eutrop. VIII, 1: (Nervaj int er Divos relatus est. Auf einer Restitu-
-tionsmedaille Trajans ißt die Theosirung Nervals erwähnt (Cohen, 1,
p. 480, 22. 126. 127).
2) Dio Cass. LXVIII, 5: AiXiavöv bi Kai toOc bopu(pöpouc toOc
KttTd NepoOa cTacidcavxac, tbc Kai xpncö|üi€vöc xi aörolc, )LleTa1T€^Hld|Lle-
voc, ^KiToöibv ^7roif|caTO.
3) Dio Cass. LXVlIf, 5 (sub init.): iJbc bi aöroKpdTUip lfiv€TOy
^TT^creiXe rfl ßouXf| aÖToxeipfqi äXXa t€, Kai iIjc odbiva ävbpa dYCx-
6ÖV dTTOC<pdHoi f\ dxi^dcoi. Kai Taöra Kai öpKOic ox) töt€ ^övov, dXXd
Kai öcrepov ^iriCTiiicaTo; cf. c. 2 undLXVII, 2. Dio Cassius legt grosses
Gewicht auf dieses Versprechen.. Man konnte es Domitian nicht ver-
zeihen, dass er einem Senatusconsult, welches dem Kaiser das Recht
genommen hätte, über einen Senator die Todesstrafe zu verhängen, die
Zustimmung versagte.
4) Es versteht sich Von selbst, dass Trajan nach seiner Erhebung
zum Mitregenten an keine bestimmte Provinz mehr gebunden war.
Ö) Ammian. Marcellin. XVI, 1. Hier ist von einem ' munimefitum
Traiani ' die Rede. Dieses Castell musste, nach Ammianus zu schUessen,
in der Nähe von Mainz jenseit des Rheines liegen. Francke, S. 58 (vgl.
Anmerkung 1—3) versetzt es in die Nähe von Höchst, au den Ausfluss
der Nidda in den Main, fs fehlen sichere Anhaltspunkte zu einer
genauen topographischen Bestimmung.
I. Trojans Aufkommen und erste Regierungsjahre. 31
an der Stelle des heutigen Ladenburg*), die Gründung von
Baden-Baden^) und von Colonia Traiana (Xanten) am Nieder-
rhein.') Wir finden Trajan aber auch mitten im Winter an
1) Der keltisclie Name dos Ortes war Lupodanum, der römisch-
kaiserliche Civitafl Ulpia, vgl. Fickler, im archäolog. Anzeiger, u. 217,
Jan. 1867, S. 7 f. Mommsen bemerkt jedoch, dass die Erhebung von
Lupodonnm durch Trajan zur Stadt keineswegs feststehe, indem die
Inschrift bei Brambach, G. I. Rhen. n. 1713 noch grossen Bedenken
unterliege.
2) Francke, S. 59, nach Leichtlen (Schriften der Gesellschaft zur
Beforderong der Geschichtskimde zu Freiburg, 1829), der die Bedeu-
tung der Thätigkeit Trajans am Rhein sehr richtig beurtheilt hat.
Eine in Baden-Baden aufgefundene Inschrift aus dem zweiten Con-
sulate Trajans (a. 98) weist nach, dass zu jeuer Zeit Abtheilungeu der
Leg. I. Adiutrix und XJ.* Claudia die Besatzung des Ortes bildeten
(Brambach. C. I. Rhen. n. 1666). — Bedeutsam für die Anlage und
Erweiterung transrhenanischer Städte durch Trajan ist eine Notiz des
Eutropios, VIII, 2: Urhes Irans EhetiHm in Germania reparavit; sowie
des Oroöius, VII, 12: (Traianusj mox Germanium trans Ehenum in
pristinum sUitum redtwit, das heisst wol in den Bestand, wie er zu
Drusns' Zeit gewesen war.
3) Eine römische Meile unterhalb der durch Claudius Civilis zer-
störten Festang Castra Vetera auf dem Fürstenberge bei Birteii
'Itinerar. Antonini, ed. Parthey et Finder, p. 176; unrichtig ist die
Zahl XL auf der Tabula Peutingeriana). Hier war das Standlager der
von Trojan gegründeten Legio XXX. Ulpia Victrix (Borghesi, Oeuvres
completes, IV, p. 258. 259). Das eigentliche Castell lag nördlich vom
jetzigen Xanten, auf beiden Seiten der Strasse nach Cleve. Südlich
von der Umfassungsmauer in den Feldern und Gärten gegen Xanten
zu hat man einen grossen Gräberplatz der erwähnten Legion und der
Einwohner von Colonia Traiana gefunden (F. W. Schmidt, Jahrbücher
des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheiulande, Bd. XXXI, S. 111.
Bonn 18G1). Ueber die Entstehung des Namens Xanten vgl. Francke,
S- 53. Es mu88 übrigens dahingestellt bleiben, ob die Gründung von
Colonia Traiana noch in das erste Jahrhundert fällt. Ich finde es
wahrscheinlich, da eben in den ersten Regierungsjahren Trajans diu
Strasse von Cöln nach Nimwegen neu vermessen wurde (Brambach,
C. I. Rhen. n. 1927).
Aof die berühmt gewordenen Nenniger Inschriften, die den Namen
Trajans (aus dem Jahre 97) an die Umgebung von Trier knüpfen woll-
ten, brauche ich hier nach der Verurtheilung, die sie dyrch Brambach
(Ueber die Inschriftenfälschung zu Trier, offener Brief an Dr. Janssen
in Leyden, Elberfeld 1866) und durch Hühner (Ueber die auf den fal-
schen Inschriften von Nennig bei Trier angewandten Schriftformel!,'
32 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
der Donau ^) und müssen annehmen ^ dass er damals eine
grosse Recognoscirung vornahm^ um die Verbindung zwischen
Germanien und den untern Donauländern zu sichern.^)
Aggressives Vordringen suchte er zu vermeiden; er begnügte
sich, die jenseit des Flusses wohnenden Völkerschaften durch
die Ostentation seiner Macht einzuschüchtern.^) Durchaus
friedlich, aber desto nachhaltiger vollzog sich diese nördliche
Grenzregulirung. *)
Monatsber. d. k. preuss. Akad. d. W. zu Berlin 1867, p. 62 ff.) erfahren
haben, nicht näher einzugehen.
1) Plin. Paneg. 12: An audeatit, qui sciant te adsedisse ferocissi-
mis populis eo ipso tempore quod amicissimum Ulis, difficilUmuni nobin,
ciim Damd)ius rip'as gelu iungit durafusque glacie ingentia tergo belja
transpoi'tat (nach dem Tode Nerva's, der in c. 10 und 11 erwähnt ist,
■wahrscheinlich im Winter 98/99).
2) Wahrscheinlich hieng dieser Aufenthalt Trajans an der Donau
mit den kriegerischen Vorgängen 4es Jahres 97 (gegen die Sueben)
zusampien. S. Mommsen, Hermes III, S. 117.
3) Plin. Paneg. c. 16: Non times hella, nee provocas. Magnum
est, Imperator Auguste, magnum est stare in Danuhii ripa, si transeas,
certum triumphi, nee deceiiare cupere cum recusantibus: quorum alterum
fortitudine, alterum moderatione efficitur. Plinius rühmt die Mässigimg,
die in der That Trajans Politik in Germanien bestimmte, ausiührlich.
Eine andere hierher gehörende Stelle (c. 56 s. f.) bezieht sich bestimmt
auf Trajans zweites Consulat, also auf das Frühjahr 98: Magnificnm
est civibus iura, quid hostihus reddere? sjjeciosum certam fori pacem,
quid inmanes campos sella curuii victorisque vestigio premere, inminere
mivacibus npis tutum quietumque, spernei'e barbaros fremitus, hostilem-
que terrorem non armorum magis quam togarum ostentatione conpescere'^
4) Mit dem Plane einer dauernden Gewinnmig von Grenzgebieten
jenseit des Rheins würde der Bau einer steinernen Brücke über diesen
Fluss stimmen.' Zwischen Mainz und Castel finden sich in der That
Ueberreste einer alten Brücke, die einige Aehiilichkeit mit den Kuinen
der Donaubrücke bei Tum-Severin zeigen, so dass Schaab, Geschichte
der Stadt Mainz, 1841, Bd. I, S. 93 — 103, und Francke, S. 60, nach
Mittheilungen Fiedlers, nicht anstehen, die Anlage derselben auf Trajan
zurückzuführen. Ein am Fusse eines Pfeilers aufgefundener Denkstein
der XXII. Legion schien überhaupt das Werk entschieden als ein alt-
römisches zu bezeichnen, und die gleichen Gründe, die Trajan veran-
lassten, einen festen Donauübergang zwischen Mösien und Dacien her-
zustellen, konnten auch hier zur üeberbrückung des Rheins ermuntern.
Dagegen lässt sich Folgendes einwenden:
1. Kein römischer Schriftsteller berichtet von einom Brückonbau
I. Trojans Aufkommen und erste Regierungen ahre. 33
Trajans am Rhein, und doch wäre das Werk, wenn auch dessen Dimen-
sionen geringer waren, als an der Donaubrücke, der Erwähnung würdig
gewesen. Jedesfalls müsste sich bei Plinius irgend eine Andeutung
finden, sofern (nach der Annahme Francke*s und Schaab's) der Bau
Tor dem Jahre 100 ausgeführt wurde.
2. Von Alexander Severus (Lamprid. Alex. Sev. 6) wird berichtet,
dass er allerorten die trajanischen Brücken wiederherstellen Hess. Bei
Mainz scheinf keine solche vorhanden gewesen zu sein, denn als Maxi-
minns im Jahre 235 einen Feldzug gegen die Chatten unternahm, musste
er eine Brücke über den Rhein schlagen (Capitolin. Maximin. c. 10. 12),
ebenso Julianus (Ammian. MarceUin. XXIX, 4).
3. Der erwähnte Stein bildet nur ein schwaches Argument für den
rumischen Ursprung der Brücke; er kann zufällig und in späterer Zeit
den römischen Ruinen in Castel als Baumaterial entnommen worden
sein (G. C. Braun^ Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinl. II,
S. 38 ff. Freudenberg, Anzeige von Schaab's Geschichte der Stadt
Mainz, Jahrbücher UI, S. 179).
4. Bestimmten Nachrichten zufolge baute Karl der Grosse eine
stehende Brücke bei Mainz über den Rhein. Einhard spricht in der
Vita Caroli Magni, c. 17 (Pertz, Mon. Germ. bist. SS. II, p. 452) von
den Werken Karls, die dem Lande zum Nutzen und zur Zierde gereich-
ten. Unter diesen erscheinen ihm als die vorzüglichsten die Kirche in
Aachen, et pons apud MogwKtiaewn in Beno quingefvtorum passuum
longütulinis, — Qui tarnen, so berichtet er weiter, uno antequam dece-
deret anno incendio confUigravit , nee refid potuit propter festinatum
illius decessum, qucmquam in ea meditatione esset, ut pro ligneo lapi-
rfeim restitueret. Und c. 32, p. 460; Item pons Hreni apud Mogun-
tiaeum quem ipse per decem annos ingenti läbore et opere mirabüi de
Ugno üa eonstruxit, ut perhenniter durare posse videretttr, ita tribus
horis fartuito incendio eonflagravit, ut praeter quod aqua tegebcUur, ne
una quidem hastula ex eo remaneret. Hiermit ist zu vergleichen Poet«
Saxo (Pertz, Mon. SS. I, p. 275, v. 443—462), der die mächtigen, aus
dem Wasser emporragenden Brückenpfeiler vielleicht selbst noch sah:
coUes ingentes flucttbus in niediis, und besonders v. 457 sq.: Virtutis
monimenta manent tarnen eius in aevum. In vastis stantes gurgitihus
tumuli; sowie Monachi Sangall. Gesta Karoli I, 30 (Pertz, Mon. SS. II,
p. 745). Da 10 Jahre für den Bau verwendet wurden, so kann es sich
unmöglich um eine ganz aus Holz construirte Brücke handeln. Gewiss
war der Unterbau (die Pfeiler) von Stein , wie durch den Poeta Saxo
and den Mönch von St. Gallen (cuius rei testes aMtui sunt arcae pontis
Magontiacensis) bestätigt wird. Eben auf eine solche Brücke weisen
die zwischen Mainz und Castel aufgefundenen Ueberreste hin. Im Jahre
i854 Hess sidi noch die Lage von 18 Pfeilern nachweisen (W. Heim,
ober die ehemalige stehende Rheinbrücke zwischen Mainz und Castel,
im 6. Hefte der Abbildungen von Mainzer Alterthümem, mit 2 Tafeln,
1855). Man wird daher mit Sicherheit annehmen dürfen, dass diese
UoliTsafh. z. Rom. KaiAort^rcscIi. I. 3
34 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Man sehnte sich in Rom nach ihm.*) Ein damaliger
Dichter forderte den Rheinstrom im Namen der Tiber auf,
Trajan seinem Volke und seiner Stadt zurückzugeben.') Noch
in seiner Abwesenheit schrieb Tacitus die Germania, eiue
politische Gelegenheitsschrift, die den Zweck hatte, die Be-
deutung der Thätigkeit Trajans ins rechte Licht zu stellen.
Man sieht aus dieser Schrift, die schnell genug entworfen
wurde, welch ausserordentliche üebung die Romer gewonnen
hatten^ fremder Völker Sitten und Natur auch ohne person-
liche Anschauung richtig zu fassen.^)
Rainen ihrem ganzen Umfange nach jener Brücke Karls des Grosaen
und nicht einem Bömerwerke angehören.
1) Plin. Epist. ad Traian. 10 ed. Keil: Olwiam ituma, quo miUurius,
domine, exoptatissimi adventus tut gaudw frui pos»im, rogo per-
mittas mihi quam longissiine occurrere tibi.
2) Martial. Epigr. X, 7. Äd Ehenuni:
Traianum populis suis et urhi,
Tibris te dominus rogat remittcis.
Mommsen (Hermes III, S. 121 f.) hat nachgewiesen, dass die zweit<^
Bearbeitang des zehnten Buches der Epigramme Martials im Jahre 98
vorgenommen wurde.
3) Die Germania wurde im Jahre 98, im zweiten Consulate Trajans
geschrieben (c. 37); jedesfalls erschien sie während seines Aufenthaltes
in Germanien, vor dem Einzüge in Rom. Die Ansichten über die Ent-
stehung dieser Schrift sind getheilt. Sehr verbreitet ist die Meinung,
Tacitus habe seinen entarteten Zeitgenossen in dem kräftigen und un-
verdorbenen germanischen Volke, bei welchem sich manche an das
frühere Römerthum erinnernde Züge finden Hessen, einen Sittenspiegel
vorhalten wollen. So sagt Merivale, VU, p. 298: l'he Germania pre-
sents an eldbornte co^ntrast between the vices of a polished age and tlie
inrtues of barbarisfn. It is an alarum rung in the ears of a careless
generation etc. Man kann nicht leugnen, dass in dem durch Tacitus
vorgelegten Gemälde ein indirecter moralisch - tendenziöser Mahnruf
liegt; aber seine Absicht war es nicht, eine Satire zu schreiben: 7a
legon nait du cont raste, et les allusions se prdsentetU d'elles-memes
(Bumouf, Oeuvres completes de Tacite, Introd. p. V). Er weist wie auf
die Tugenden der Germanen, so auch auf ihre Fehler hin. Für eine
Satire wäre die Aufnahme einer grossen Menge von Nachrichten, die
das ethische Gebiet nicht berühren, zwecklos gewesen. — • Unbefangener
Prüfung erscheint die Germania als eine politische Broschüre, hervor-
gegangen auK dem Interesse, das Tacitus als Staatsmann au den ger-
I. Tr^jana Aufkommen und erste Regiemngsjahre. 35
In der zweiten Hälfte des Jahres 99 hielt Trajan seinen
Einzag in Rom.*) Er wurde mit unendlichem Jubel begrüsst.
*Ihn wollten die Kinder kennen lernen ^ auf ihn zeigten die
Greise; Kranke sogar schlichen gegen der Aerzte Y.orschrift
herbei, als ob sie in seinem Anblick Heilung und Gesundheit
hatten finden können.' Der Kaiser aber schritt langsam
zirischen der zudrängenden Menge einher, zeigte sich freund-
lieh gegen Vornehme und Geringe , und bewahrte bei allen
maoiscben Angelegenheiten nahm, und veröffentlicht mit der deutlich
zu erkennenden Absicht, die Römer über die Noth-wendigkeit einer
dauernden Consolidirung der gegenseitigen Beziehungen in den rhena-
nischen Grenzgebieten aufzuklären. Es musste in Rom auffallen, dass
Trajan nicht unmittelbar nach dem Tode Nerra's aus Germanien zurück-
kehrte. Domitian hatte das Volk über das wahre Verhältniss zu den-
Germauen getäuscht (Agricola, c. 39). Man wurde ungeduldig (Mar-
tial. a. a. 0.; PUn. Faneg. c. 20: lam te civium desideria revocabant).
Da trat Tacitus auf und rechtfertigte durch eine seiner Absicht nach
wahrhafte Schilderung der deutschen Völkerschaften, durch Hervor-
hebung ihrer Gefährlichkeit als kriegerische Nation das Verhalten des
Kaisers. Gerade diese unmittelbare Beziehung auf Trajan (sie ist in
c. 37 ausgesprochen) erklärt überhaupt das Erscheinen einer solchen
Schrift in einer Zeit, in welcher mau das umfangreichere Werk des
älteren Plinius über den gleichen Gegenstand noch nicht vergessen
haben konnte. Es kam in jenem Augenblicke darauf an, in möglichst
scharfer und conciser Form das Wesentliche und Entscheidende aus
üem zar Verfugung stehenden Material dem Leser vorzulegen.
1) Die Zeit des Einzuges lässt sich nur annähernd festsetzen. Das
zweite Consulat bekleidete Trajan im Jahre 98, als er noch in Germa-
nien war, itixta barbaras g&ntes (FHn. Faneg. c. 66). Für das folgende
<fahr schlag er das Consulat aus, weil seine Abwesenheit fortdauerte:
pt^u« f<jpo mdeo proximo anno consulatus recusandi hanc praecipuam
fuiftse rationem, quod eum absens gerer e non poteras (c. 60). Im An-
fange des Jahres 99 befand er sich also noch ausserhalb Italien^
gegen Ende des Jahres aber war er sicher in Rom, denn er nahm
au den Comitien für die Consulwahlen des Jahres 100 Theil (Faneg.
c 63. 64). Es steht daher nichts der Annahme entgegen, dass er im
S^tsommer oder vielleicht erst im Herbste seinen Einzug in Rom
hielt. — Plinius (Paneg. c. 20) stellt die Reise Trajans nach Rom
^d sein bescheidenes Auftreten dem mit übermässigen Kosten ver-
Wdenen Rückzuge Domitians aus den Donauländern (nach dem Frie-
denBabschliisse mit Decebalus im Jahre 90) entgegen. Hieraus schliesst
tiurnoof, Fanägyrique de Tngan, p. 182 wol mit Recht, Trajan sei
flieht von Germanien, sondern von Paniionicii aus nach Italien geroist.
36 Johannes Dierauer: Geschichte Trajanf«.
Freudenbezeugungen, die seine Ankunft erregte, veürdigen
Ernst. Als er endlich das Gapitol bestieg, als bei den Römern
die Erinnerung an den Tag erwachte, an welchem Nerva
zwei Jahre früher von der gleichen Stelle aus die Adoption
verkündigt hatte: da verdoppelte sich der Jubel; * Alles "war
angefüllt mit Altaren, bedeckt mit Opfern; Aller Wünsche
vereinigten sich zur Wohlfahrt eines Einzigen, weil man
fühlte, dass im Glücke dieses Einzigen das Glück Aller lag/ *)
In der That war schon Trajans äussere Erscheinung
dazu angethan, den Romern Vertrauen einzuflossen. Seine
Gestalt gieng über die gewöhnliche Grösse. Seine Gesichts-
züge waren regelmässig, scharf ausgeprägt; es lag in ihnen
der charakteristische Ausdruck jeuer mit Besorgniss unter-
mischten Zuversicht, die der Gedanke an die überwältigende?
aber muthig getragene Verantwortlichkeit aufdrückt. Sein
reiches aber schlichtes Haar verdeckte den obern Theil der
Stime: die Mühen und Wechsel des Lebens hatten es bereits
gebleicht. Aber sonst war nichts Greisenhaftes an ihm. Er
stand damals noch in ungebeugter Manneskraft: seine Hal-
tung verrieth den Soldaten und zugleich den imponirenden
Herrscher. ^
1) Plin. Paneg. c. 22. 23. Trajan gieng zu Fusfee, was ihm Plinius
sehr hoch anrechnet (c. 24).
2) id. c. 22:- Tu sola corporis proceritate elatiar aliis et excelsior.
c. 4: lam firmitas, iam proceritas corporis, iam honor capitis et di(fni-
tas oris, ad hoc aetntis indeflexa matuntas nee sine quodam munere
deum festinatis senectutis insignihus ad augendam maiestatem ornatn,
caesaries, norme Jonge lateque principem ostentant? Im Feldzuge des
Jahres 117 (damals war er allerdings über 60 Jahre alt) kam er in
Lebensgefahr, weil die Feinde ihn au seinem weissen Haare und ehr-
würdigen Aussehen erkannten (Dio Cass. LXYIII, 31). Joannes Malalas,
ed. Bonn. p. 269 sagt: f|v bi jiiaKpöc, lr\p6c rd^ cid^ari, ^cXdrxpooc,
XcirToxapdKTTipoc, KovböOpi?, iroXiöc, ßaOctc €xujv ö<p6aXfio0c. Diese Züge
treffen nur zum Theil zu. Man darf sich überhaupt nicht auf Malalas*
Personalbeschreibungen verlassen. Nach ihm trug z. B. Nerva einen
dichten Bart, während notorisch Hadrian der erste Kaiser war, der
den Bart wachsen Hess (Dio Cass. LXVIII, 15). Sehr ungenau schreibt
Joannes Lydus, de mensib. IV, 18, cd. Bonn. p. 60: xai tö ^^v cüj)jia
T^v ßpaxOc. Die noch vorhandenen Büsten und Statuen geben in dieser
I. Tnyans Aufkommen und erste KegicrungBJahre. 37
Die Art und Weise, wie Trajan zum Throne gelangt
war, verlieh seiner Herrschaft hinreichende Legitimität.
Allein es lag am Tage, dass jeder andere römische Bürger
seines Standes, ja, nach den in der Adoption zum Ausdruck
gelangten Principien jeder Staatsbürger überhaupt, rechtlich
eben so viele Ansprüche auf den Thron hatte geltend machen
können, als Trajan selbst durch die freie Entscheidung Ner-
Fa's zugestanden ware^. Wie schon oben hervorgehoben
wurde, musste er daher vor allem darauf bedacht sein, sich
mit dem Adel in freundliches Yerhältniss zu setzen.
Wir finden, dass er in dieser Beziehung nichts versäumte.
Noch während seines Aufenthaltes in Germanien vermied er
es, die unter seinem unmittelbaren Befehle stehenden Offi-
ziere seiuen höheren Rang fühlen zu lassen: er verkehrte
mit ihnen im Tone scheinbarer Gleichstellung.') Bei seinem
ersten Auftreten in Rom kam er den Mitgliedern des Senates
mit ausnehmender Freundlichkeit entgegen : der derbe Soldat
beobachtete gewissenhaft die Forderungen der Etiquette.')
£s scheint, dass er damals aufs neue sein Wort für die
Beziehung die beste Auskauft. Das Antikenmuseum des Louvre besitzt
eine Büste von vorzüglicher Erhaltung, sowie drei Statuen, von denen
zwei den Kaiser stehend darstellen, angethan mit dem ßrustpanzer, auf
welchem dacische Trophäen in BeUef abgebildet sind, — die dritte
mtsend auf einer sella curulis mit einem Globus in der linken Hand.
Vgl. Mongez, Iconographie romaine, T. Hl, Planche 36, Paris 1826.
Merivale, VII, p. 270 f.
1) Plin. Paneg. c. 19: Tu tarnen maior amnibus quidem ercu, sed
sine uüius deminutione maior: eandeni auctoritatcffi pra^setite te quisque
quam absente retinebat, — sie imperatorem oommilitonemque miscueras
vA Studium omniufn laboremque et tamquam exactor itUenderes et tam-
quam particeps sociusque rdevares, c. 10 : Imperator tu tituiis et ima-
Sinibus et signis, ceterum modestia labore vigilantia dux et legatus
ä miles.
2) id. c. 23: Graium erat cunctis, quod senatum osctUo exciperes,
ut dimissus osctUo fueras (d. h. vor seinem Abgänge nach Germanien)^
graium quod equestris ordinis decora hofwre twminwm sine mmiüore
«ignares (cf. Suet. Nero, c. 10). In Plinius' Augen hat der feine An-
stand, mit dem sich Trajan zu benehmen wnsste, ganz besondern Werth
(vgl. c. 71, wo von der Begrüssnng der Gandidateu für das Consulat
die Eede ist).
38 JolianncB Dierauer: Geschichte Trajani*.
persöuliclie Sicherheit der Senatorier verpfändetet) Seitdem
der Seuatorenstand mit der Entwickelmig der absoluten
Monarchie factisch und rechtlich in die Stellung der alten
Nobilitäten eingetreten war, seitdem die ausgezeiclinetsteu
Männer aus allen Theilen des Reichs in denselben aufge-
nommen wurden, hatte er auch dem Kaiser gegenüber, ganz
abgesehen von dessen Persönlichkeit, eine viel höhere Be-
deutung gewonnen.^) Wenn schon Nero in seiner letzten
Zeit, und noch viel mehr die Fla vier auf den Senat Rück-
sieht nehmen mussten, so war Trajan, dessen Familie erst
in jüngster Zeit bekannt geworden war, am wenigsten im
Falle, sich über dessen formelle und materielle Ansjirüche
hinweg zu setzen. So viel wir zunächst aus seinen ersten
Regierungsjahren erfahren, entschlug er sich dieser Rück-
sichten keinen Augenblick : in der Curie benahm er sich wie
ein einfacher Stator. ^) Man bemerkt aber auch, und ein
Zeitgenosse hat diese Thatsache mit Genugthuung hervorge-
hoben, dass Trajan den Resten des alten Adels, ^enen Ab-
kömmlingen der Helden, jenen letzten Söhnen der Freiheit'
eine wohlbercchnete Aufmerksamkeit schenkte, indem er
junge Männer aus diesen Kreisen durch Verkürzung der Anits-
intervalle möglichst schnell zu höhern Magistraturen gelangen
Hess. ^) Man darf hiermit die Restitution zahlreicher Mün-
1) Dio Caas. LXVIIl, 5: Kai xaOxa koI öpKOic oö t6t€ ^övov, äWä
Kttl öcTcpov iiriCTcbcaTo, Kttl €pTuj dv€ii^&uice, Kaiirep ^irißouXeu-
Oeic; vgl. c. 16 über die Verschwörung des Calpurniiis CrassuK, dessen
Bestrafung er dem Senate übertrug. Die Schonung der Senatoren hebt
auch Eutropius (VIII, 4) hervor.
2) Priedländer, Darstellungen aus der Sittengeschicht« Roms, I,
S. 166 f.
3) Plin. Paneg. c. 65. 71. 76. Mart. Epigr. X, 72: Non est hie
Domhius, sed imperator, Sed iustissimus onuiium Senator. Als Consul
nannte er dio Prätoren seine Collegen (Paneg. c. 77). Er machte von sei
nem Intercessionsrechtc nur den beschränktesten Gebrauch (c. 4).
4) Plin. Paneg. 69: Tandem ergo wobilitas non obscuratur, sed in-
Instratur a principe: tafidem illos ingentium virorum nepotes, ilhs
postcros libertatis nee terret Caesar tiec pavet; quin immo festinatis
honorihus amplificat atque angei et maioribus suis reddit. Man braucht
I. TrajanH Aufkommen und crstü Ik'ffierungBJahrf. ol)
zea aus der republikanischen Zeit in Verbindung bringen,
die er etwas später , wahrscheinlich erst nach dem zweiten
dacischen Kriege vornahm J)
Während er die überkommenen Ansprüche des Senate»
sorgfältig beachtete, verlieh er ihm zugleich seine alte Würde ;
deim man wird nicht leugnen können, dass diese Versamm-
lung in den letzten Jahren Domitians, als sie der Willkiir
eines unsinnigen Regimentes preisgegeben war, sich bisweilen
zu Acten niedriger Schmeichelei herabliess.^) Trajan ge-
stattete volle Freiheit in den Verhandlungen, und erweckte
dadurch Aufrichtigkeit und gegenseitiges Zutrauen.^) So ge-
staltete sich gleich von Anfang das glücklichste Verhältuiss
zwischen der kaiserlichen und der im rechtlichen Sinne sou-
veränen Gewalt.
Bei den Wahlcomitien für das Consulat des Jahres 1(X) *)
nicht anzunehmen, dass durch diese Begiinstigungen die Annalgesctzo
verletzt wurden.
1) Eokhel, Doctr. numor. V, p. 108. Borghcöi, Oeuvres completes,
T.I,p. 215 f. Cohen (Mediiillcs consulaires, lutrod. p. XXVIIl fl ) kennt
43 Famüienmünzen , die von Tr^an restituirt wurden. Sie tragen die
alteu Typen mit der Umschrift IMPCAESTliAIANAVG GEliDAC
P PREST-, so dass auch hier die Kücksicht auf die Familien der ropubli-
kaoiüchen Nobilität nicht zu verkennen ist. Wir finden diese Hestitu-
tion auch bei Dio Cassius erwähnt, LXVIII, 15: tö T€ v6|biic|Lia irdv t6
^SiTi)\ov ^Scx^iveucc. Mommsen, (icschichte des röm. Münzwesons,
S. 158 glaubt, dass die VerschliiFenheit des Geprilges nur ein Vorwand
iiir die Umschmelzung war, indem sich bei der damaligen Verschlech-
(<'rung des SUberdenars trotz aller Abnutzung der Htiicke noch ein
»nsohnlicher üewinn ergab. Die Zahl der restituirten Typen ist aber
verhältniEsraässig gering und manche Exemplare sind ausserordentlich
An.
2) Hin. Paneg. c. 54. 76: Plinius übertreibt hier, wie überall, wo
^T auf die Zeit Domitians zurückgeht. Siehe den Excurs.
3) id. c. 76: Interroffavit qmsqiie quod plaaiit: dissentirc, discedere,
^^ copmm iudicii sui rei puhUcae f'acere ttUum fiiit: consuUi omnes
«^IfM« etiam dinumerati sumiis, vicitque sefUentia non prima sed melior.
f' 74: Vfüinde dabat vocihus nostria fidem apud Optimum principem
M apud fiuüos därahtbat; cf. Tacit. Agric. c. 3.
4) Sein Collega im Jahre 100 war Sex. Julius Frontinus, der bekannte
Verfa«wr der Strategemata und einer Schrift über die Wasserleitungen
<lw Stadt Uom, nun ebenfalls Cos. III. (Plin. Paneg. c. 60: rcccpisti enim
40 Johannes Dierauer: CicBchichte Trajan».
gab er recht eigentlich die Principien zu erkennen, die er in
seinem Regimente einzuhalten gedachte. Er unterzog sich
allen Förmlichkeiten, die in der republikanischeu Zeit be-
obachtet worden waren. Persönlich erschien er auf dem
Marsfelde, liess Auspicien anstellen, hörte das einleitende
Gebet an und legte feierlich nach erfolgter Bestätigung
seiner Wahl den Eid in die Hand des renuntiirenden Gonsuls
ab.^) Indem Trajan vor der versammelten Menge auf die
ehrwürdigen Gebräuche der Republik zurückgieng, bewies er
deutlich, dass er sich an die Grundlagen des römischen
Staatslebens halten wollte. In dem Schwüre, dass er sein
Leben und sein Haus dem Zorn der Götter preisgebe, wenn
er als Gonsul jemals wissentlich gegen den Staat sich ver- '
tertiwm consülatum ut dares). Clinton folgt den Gesnerschen Fasten (ad
Plin. Paneg. 00), die irrthümlich den zweiten Consul M. Cornelius Fronte
nennen, nach der Chronik des Cassiodor (vgl. Mommsen, in den Abhandl.
d. Bachs. Gesellsch. d. Wissensch. 1860, S. 635). Frontinus trat früher
zurück als Trajan; an seine Stelle wiurde wahrscheinlich Vestricius Spu-
rinna gewählt, der unter Nerva als Legat von Untergermanien einen
vertriebenen König der Bructerer in sein Reich zurückgeführt und vom
Senat die Triumphalstatue erhalten hatte (Mommsen, im Hermes III,
S. 39, vgl. S. 40, A. 1). Er war nach Plin. Paneg. c. 61 schon zweimal
Consul gewesen: Equideni illum antiquum senatum cofitua'i viddmr,
ctwi ter consüle adsidente tertio consulein designatum rogari setUentiam
cernerem, — Quid, quod duos pariter tertio consulatu, duos coUegas
tui sanctitate decorasti? ut sit nemini dvibium hanc tibi praecipuam
causam fuisse extendendi consulatvs tui, u^t duarum consulatus ample-
cteretur collegamque te non wii dar et. Uterque nuper consuieUum alte-
rum gesserat (i. e. Frontinus et Spurinna), a patre ttw, id est quanto
minus quam a te datum! In c. 60 ist von persönlichen Verpflichtungen
die Rede, die Trajan diesen beiden Consuln schuldete (utriusque eura,
utriusque vigilantia öbstrictiis es, Caesar). Sie würden einiges Licht
auf die frühere Geschichte Trajans werfen, wenn sie uns nSlier bekannt
wären.
1) Plin. Paneg. c. 63 — 65. Die Ausführlichkeit, mit welcher sich
Plinius über die Comitieu und das Zurückgehen Trajans auf die alten
Formen verbreitet, zeugt für die Bedeutung, die man diesen Dingen in
den senatorischen Kreisen beilegte. — Dass Trajan die Auspicien über-
haupt sorgföltig beobachtete, berichtet Plinius in c. 76. Er versäumte
nie, vor einer Senatssitzung nach dem Fluge der Vögel zu schauen:
una erat in limine mora, cmtsuUare aves revererique 7iuminum monitus.
I. TngaiiB Aufkommen und erste Regierung^t^ire. 41
gehen sollte^ lag die Absicht ausgesprochen, sich jedes ille-
galen Actes zu enthalten. Er wollte möglichst gewissen-
bafter oberster Beamter des Staates sein^ nicht ausser dem
(lesetze^ sondern im Gesetze stehen, den rechtlichen Formen
sich bis ins Einzelne unterziehen, aber auch consequent mit
der gleichen Straffheit, die er sich selbst vorschrieb, den
Staat regieren nach Recht und Gesetz.
So sehr hatten sich die Römer bereits in die Monarchie
eingelebt und sich gewöhnt, den Kaiser nach Willkür han-
deln zu sehen, dass ihnen diese Vorgänge trotz ihrer republi-
kanischen Erinnerungen beinahe unbegreiflich schienen.
Pliuius hört und lernt zum ersten Male, ^dass der Herrscher
nicht über dem Gesetze, sondern das Gesetz über dem Herr-
acher steht.'*)
Schon im Jahre 98 war Trajan vom Senate der Ehren-
name 'Vater jles Vaterlandes* ertheilt worden^); jetzt erhielt
1) id. c. 65. Sein Erstaunen ist besonders in c. 64 ausgedrückt:
Siupeo, patres conscripti, necdwn satis aut oaUis meis aut auribus credo,
atqwe identidem me an audierim, an viderim tnterrogo. Imperator ergo
et Caaar et Ängugttis et pontifex maximus stetit ante gremium con-
sulis et€. Wie nüchtern und zutreffend gegenüber dieser enthusiastischen
Geschwätzigkeit ist dagegen eine Stelle bei Aurelius Victor, Epit. 13:
fTraianus) iustitiae vero ac iuris humani divinique tarn repertor novi,
quam inveterati ciutos, Quae omnia eo maiora visebantur, quo-
Mam per muUos atque eUroces tyrannos perdito aJtque prostrato statu
Romano, in remediwn tantorwn mdhrum divinitus credeibatur oppor-
tune datus.
2) PUn. Paneg. c. 21: At tu etiam nomen patris patriae recusahas,
Quam hnga nobis cum modestia tua pugna! quam tarde vicimus! No-
men iüud, quod dlii pritno statim principatus die, tU imperatoris et
Caesaris, receperunt, tu usque eo distulisti, donec tu quoque, beneficio-
ncm tuorum parcissimus aestimator , iam te mereri fatereris. Itaque
9t^i omnium contigit tibi ut pater patriae esses ante quam fieres. Diesen
Worten zufolge muss man annehmen , Trajan habe sich anfongs aus
Bescheidenheit das Attribut Pater Patriae versagt. Auf einer Inschrift
aoB dem Jahre 98, da Tr^an zum zweiten Male Consul war, erscheint
dieser Beiname in der That noch nicht (Orelli, n. 278); ebenso fehlt er
aof einigen Münzen, die während des zweiten Consulates geprägt wur-
den (Eckhel, Doctr. numor. VI, p. 412; Cohen, II, Trajan, n. 3. 7.
182-197), jedoch nicht auf allen (vgl. Cohen, n. 2. 4. 6. 8. 324). Auch
usschriftUch ist die Verbindung von P. P. mit dem zweiten Consulate
42 Johanne^ DicTduer: <ie?cliichte Tnyaus. *
er den Beiuanieu *der Beste', den er jedoch erst viel später,
etwa vom Frühjahre 114 an, nach einem erneuerten Senats-
beschlusse als ofGciellen Titel trug.*)
nachweisbar (vgl. die von Kanitz mitgetheilte Inschrift auR Praovo in
Serbien, in d. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch., XXVI, S. 20O).
Von Ende 99 an (Orelli, n. 449, Meilenstein von Baden im Aargau auf
der Züricher StadtbibHothek: COS-II- DES HIPP) finden wir den
Titel regelmäusig. Man kann also fiir die Zeit der Uebemahme dessel-
ben zweifeln zwischen dem Jahre 98 und dem Anfang des folgenden.
Eine Stelle in Plinius* Panegyricus (c. 57) spricht ffir das Ende des
Jahres 98. Plinius berichtet hier, Trajan habe wegen seiner Abwesen-
heit von Rom das Consulat für das Jahr 99, das ihm der Senat über-
tragen wollte, nicht angenommen: in hac civitate tertium consulat utn
princeps genet'ia Jiumani ut praegravem reaisasti. Dann fügt er hinzu:
Tantone Papiriis etiam et Quintiis moderatiar Äugustus et Caesar et
pater lyatriae? Der Senat muss ihm eim'ge Zeit vor dem Beginne
des Jahres 99 das Consulat angetragen haben: damals war er also
bereits pater patriae.
1) Plin. Paneg. c. 2: lam quid tarn civile, tarn senatorium quam
illud additum a nobis oj^timi cognomen? qwod peculiare huius et
2>roprium adrogantia priorum principum fecit c. 88: lustisne de cau-
sis senatus populusque Bomanus optimi tibi cognomen ad-
iecit? — Hoc tibi tarn proprium quam paternum; nee tnagis distinctc
definiteque designat qui Traianum quam qui Optimum appellat. Trajuu
erhielt also den Namen UJptimus^ durch Senatsbeschluss noch vor dem
Jahre 100, oder genauer vor dem September des Jiüires 100, in welchem
Monat Plinius seine gratiarum actio vortrug, und zwar im Sinne eine»
eigentlichen Cognomeus, das in die Reihe seiner übrigen Namen ein-
treten sollte. Besonders die folgende Stelle (aus c. 88) lässt hionil>cr
keinen Zweifel: Merito tibi ergo post ceteras appellatioues Juice
est addita, ut maior. Mintis est enim imperatoi'cm et Caesarem et
Aiagiistum quam omnibus impcratoribus et Caesaribus et Äugustis esse
meliorcm. Plinius denkt sich also offenbar folgende Nameusverbin-
dung: IMP. CAESAR AVGVSTVS OPTIMVS. Aber in gleicher Linie
mit den übrigen Cognomina oder Agnomina Trajans erscheint Optimus.
erst auf einem Militärdiplom vom ersten September 114 (Henzen,
n. 6857 a): IMP- CAESAR DIVI NERVAE FNERVA TRAIANVS OCTI-
MVS AVG • GERM • DACIC • PONTIF • MAX TRIBVNIC • POTESTAT •
X Vi U . IMP • VII . COS . VI • P . P . cet. Noch auf der Inschrift der Trajans-
.«^ilule (1. Januar — 31. December 113) fehlt Optimus. Zu vergl. Orelli-
llenzen, n. 789. 800. 1696. 6769. 7070, und die Münzen n. 60—72, 99—105.
164—180 bei Cohen, T. II, Trajan.
Nicht dieses Cognomen Optimus, sondern die einfache Auszeichnung
'rrnjans als Ojitimus Princeps finden wir dagegen auf sehr zahlreichen
Münzen schon vom Jahre 103 au, d. h. in Verbindung mit dem 5. Con-
I. Tmjans Aufkommen und ersto Rügierungsjahre. 43
Ueber den Rücksichten, die Trajan den Senatorieru
schenkte; vergass er keineswegs die übrigen Stände. Wie
Julius Caesar wnsste er die Soldaten für seine Person einzu-
uehmen. Er ertrug Hunger und Durst mit ihnen und unter-
zog sich gleich einem gemeinen Krieger aJlen Mühen des
Dienstes. Den Ermatteten brachte er Trost, den Kranken
Hfilfe; väterlich sorgend für seine Untergebenen, war er
stets der Letzte, der sich zur Ruhe legte. Er übte sich mit
seinen Truppen im WaflFenspiele und freute sich, so oft sein
Helm oder Schild von einem stärkeren Schlage getroffen
wurde.') Solche Züge liefen damals von Mund zu Munde '^)
siilate. Diese Münzen, die übrigens für eine genauere Chronologie nur
wenige Anhaltspunkte bieten, da die folgende Erneuerung des Consu-
Utes erst im Jahre 112 Statt fand, zeigen auf der Rückseite gewöhnlich
folgende Legende:
S P • Q . R. OPTMO PRINCIPI S • C •
Die Inschriften stimmen mit den Münzen überein. Nur n. 6774 bei
üenzen, wo Tnyan im zweiten Consulat OptimuB Maximus Imperator
genannt wird, scheint hiervon eine Ausnahme zu machen. Da sie aber
sehr verdorben und die Interpolation unsicher ist, so kann sie hier
nicht in Betracht kommen. — Somit steht Folgendes fest: Schon vor
liem September des Jahres 100 bestand ein Senatsbeschluss, nach wel-
ibem Trajan das Cognomen Optimus in aller Form zuerkannt war, und
zwar im Sinne eines wesentlichen Bestaudtheües seines voUständigen
Nunieus, als dfriOvu^ov, titulum cognominis loco (Fabretti, de columna
itaiana Syntagma, Romae 1690, p. 293). Trajan gab diesem Beschlüsse,
»ie es scheint, keine officielle Folge. Erst vom Jahre 103 an (frühestens)
Wete er die Bezeichnung Optimus Princeps im Sinne eines beloben-
<len Ausdrucks von Seite des Senats (^iriecTov, titulum laudationis^
^'ab^e^ti a. a. ). Endlich erfolgte ein zweiter (oder dritter) Senate-
^chlüss, der im Grunde nur eine Wiederholung des ersten war, nun
•iWr wirklich ausgeführt wurde. Diesen Beschluss hebt Dio Cassius
LXVIll, 3 hervor: rd xe äXXa iy^rx^^iZ^to aÖTui noXXA i^ ßouXf| Kai
OuTinov, €iT* oöv äpiCTOv, diruivöjLiacev , aber er bringt ihn unrichtig
^^ der Ertheilung des Ehrennamens Parthicus in Verbindung, die
nach dem mesopotamischen Feldzuge des Jahres 115 erfolgte. Aus
einer Vergleichung des Militärdiploms bei Henzen, n. 6857 a, mit zwei
«uitiochenißchen Münzen aus dem 18. Tribunat bei Mionuct, V, p. 176,
H- 236, 237, von denen die eine den Namen APICTOC noch nicht zeigt,
?<'M Tiehnehr hervor, dass er zwischen dem 1. Januar und 1. September
^^^gefaest wurde.
1) Plin. Paneg. c. 13.
'^) Plinius selbst verdankt sie offenbar nn'iudlichen Mittheilungen
44 Johaono» Dierauer: GcHchichte Tri^ans.
und erzeugten im Heere eine Begeisterung für deu Kaiser^
die nicht wenig zu den Erfolgen seiner späteren Kriege bei-
getragen hat. Aber mit dieser Herabhissung^ aus der sich
erkennen lässt, v?ie hoch er den Soldaten achtete^ verbaud
er auch die strenge Zucht, die nach den bekannten Vor-
gängen im Jahre 97 doppelt nothwendig geworden war. Er
führte die Truppen zum Gehorsam zurück und erhöhte die
Autorität der Offiziere. Die Sicherheit seines Auftretens
und seine persönliche Ueberlegenheit Hessen keinem Wider-
spruche Raum^), so dass er sich in kürzester Zeit ein voll-
kommen ergebenes Heer geschaffen hatte.^) Mit Recht kouuie
ihn Plinius etwa zehn Jahre später den Gründer und Be-
festiger der militärischen Disciplin nennen.^)
Das Volk gewann Trajan durch Congiarien*) und Spiele.
Aus erklärlichen Rücksichten verbannte er anfangs die Pan-
von Augenzeugen. Sie gehören in die Zeit des Aufenthaltes in Ger-
manien nach dem Jahre 97.
1) Plin. Paneg. c. 18: Qtmm speciosiwi est enim qiu)d discijjUfiam
castrorum lapsam extinctamque refovisti depulso prioris saectdi ninlo,
inertia et contumacia et dedignatione parendi? Tutum est revererUtaiH ,
tiäum caritatem mereri, nee ducum quisquam aut non amari a müitibtts
aut amari timet. — Quippe non is princeps qui sibi inminere, stbi in-
tendi putet qnod in hostes paretur.
2) id c. 9: cum fortissimum ampUssimum amantissimum 5«»
exercitum regeret. — Sehr schön wird sein Verhältniss zu den Soldaten
durch eine Münze aus den Jahren 98 — 102 bezeichnet. Wir sehen auf
der Rückseite in der Mitte einen Altar, links Trajan, der einem Sol-
daten die Hand reicht; hinter diesem stehen 3 andere mit Feldzeichen.
Die Legende lautet: FIDES EXERCITSC- (Cohen, II, Triyan, n. 342).
3) Plin. ad Traian. 29 ed. Keil.
4) Plin. Paneg. c. 26. Cohen, T. II, Trajan, n. 324. Wir finden
hier auf der Rückseite die Legende COS • H • P • P • CONG - PR • S • C •
Diese Münze gehört in das Jahr 98 oder in den Anfang des folgenden.
Das erste Congiarium scheint also vor seiner Ankunft in Rom aus-
getheUt worden zu sein. Aus späterer Zeit ist ein zweites (Cohen,
n. 330) und ein drittes (n. 321) erwähnt. Sie bezeichnen vielleicht die
Liberalität des Kaisers nach dem Abschlüsse des ersten und zweiten
dadschen Krieges. — Trajan scheint auch Geld unter das Volk ver-
theilt zu haben (Plinius a a. 0.: nisi vero leviter attingi placet locu-
pletatas trihus).
I. Trojans Aufkommen und erste Regierungsjahre. 45
tomimen von der Bühne'); er liess sich aber schnell genug
bewegen ; sie wieder einzuführen.^) Er hatte eine ganz un-
geheoerliche Freude an der Befriedigung- der Massen. Die
Gladiatorenspiele; die Nerva sonderbarer Weise abgeschaflPt
hatte'); sowie die Thierhetzen nahmen unter ihm einen
eolossalen Umfang an.^) Ein späterer Schriftsteller äussert
<>ich trefflich über diese Neigungen Trajans. Es sei wol aus
der höchsten Staatsweisheit abzuleiten ; dass er nicht einmal
die Tänzer und die Übrigen Künstler der Bühne ; des Oircus
und der Arena yemachlässigt habe: *er wusste, dass das
romische Volk vorzüglich an zwei Dingen hält, an Brod und
spielen, dass es letztere sogar begieriger verlangt als Ge-
treidespenden und GeldvertheilungeU; dass die Congiarien
das Volk einzeln Mann fQr Mann beruhigen; die Schauspiele
aber die Masse in ihrer Gesammtheit.' ^)
Sein Privatleben erhöhte seine Popularität. Er huldigte
zwar der Knabenliebe und war ein starker Zecher.®) Aber
1) Domitian hatte das öffentliche Auftreten der Pantomimen ver-
boten (Säet. Dom. c. 7). Nerva führte sie wieder auf die Bühne; aufs
neue verwies sie anfangs Trajan. Die Art and Weise, wie Plinius
■Paneg. c 46) die Ordonnanz Trajans sowol Nerva als Domitian gegen-
über zQ rechtfertigen sacht, macht einen peinlichen Eindruck. S. meinen
Excora.
2] Dio Cass. LXyill, 10; nach dem ersten dacischen Kriege. Vgl.
Friedländer, Darstellnngen ans der Sittengeschichte Roms, II, S. d02.
B) loannes Malalas, ed. Bonn. p. 268.
4) Dio Cass. LXYIII, 15., Plin. Paneg. c. 33. Die Stelle bei Plinius
ist chaiakteristisch iiir römische Anschauung über die Gladiatorenspiele
und ron Friedländer, II, S. 242 gebührend hervorgehoben.
5) Fronto, Principia historiae, ed. Mai. Mediol. 1815, II, p. 345, 346;
^. Niebubr. Berol. 1816, p. 249, 260; vgl. Friedländer, II, S. 127.
Nach Plinius (Paneg. c 34) hess Trajan dem Volke auch monstruöse
Wnge zeigen: ingentia robora virorum et pares ammos, nunc inmani-
tatm ferarum, nunc mans^ietudinetn incognitam, ntm<: secretas illas et
arcaiMw oc 9vib te primum communes opes.
6) Dio Cassius (LXVIII, 7) hebt Beides sehr ausdrücklich hervor:
val oUa ^^v Srt xal irepl MCipdKia xal ircpl otvov ^citouMkci, fügt
aber hinzu: dXX* cl fi^v ti dK toOtujv f\ alcxpöv f^ koköv f\ dbcöpdKei
Mt€ir6vO€i, dirrixopiav Äv ctxc* vOv hk toO T€ oTvou biaKÖpuic ^irivc,
wi vr|<pu)y i^v, iv T€ Totc iTaibtKolc oöbdvQ dXOiniC€v, womit eine glaub-
würdige Notiz bei Aurelius Victor, Caes. 13 übereinstimmt: quin etinm
46 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
die damalige Zeit fand in diesen Fehlern um so ^weniger
etwas AnstössigeSy als sie sich nie zur Leidenschaft stei-
gerten. Er liebte es auf unruhigem Meere das Ruder zu
lenken, oder kühne Jagdpartien zu unternehmen^); nocli sind
Reliefs erhalten , die seine Eberjagden darstellen.^) E^aum
ist ein Kaiser leutseliger und zugänglicher gewesen. Es
war für ihn ein Vergnügen, mit wenigen Freunden spazieren
zu fahren ; oder unangemeldet und ohne Begleitung in
Privathäuser zu treten.^) Sein Palast stand Jedermann
vinoleMam, quo uti Nerva angebatur, prudentia molliverat, cu-
rari vetans iussa j^ost longiores epulas. Zu vergleichen ist, was
Dio Cass. LXVIII, 31 und ein Fragment (wahrscheinlich aus Arriaiis
Parthica) bei Suidas s. y. ^XX6ßia nber das Verhältnias Trojans zu
ArbanduB, dem Sohne des Osrhoenerkönigs Abgarus (Maanu) aas dem
Jahre 114 berichten. Diese Geschichte hat übrigens echt orientalisches
Gepräge und scheint früh ausgeschmückt worden zu sein. Mit beissen-
dem Spotte ergeht sich lulianus (Caesares, ed. Heusinger, Gotha, 1736,
p. 6) über die sittlichen Mängel Trajans. Sileu warnt den Juppiter bei
dessen Eintritt: O&pa vOv töi becirÖTij Au, ckottcIv, öitujc ö ravujLir|6i7C
aOTip (ppoupf)ceTat. . Zu wiederholten Malen wird angedeutet, dass er
den Wein liebte. Als den Cäsaren während einer durch die Klepsydra
bestimmten Zeit das Wort zur Rechtfertigung ihrer Thaten gegeben
wird, da ist es wieder Silen, der die Götter mahnt, ein wachsames Auge
auf Alexander und Trajan zu halten: sie könnten das Wasser mit dem
Nectar verwechseln (p. 13). üebertrieben ist die Bemerkung auf p. 23:
öirö bi Tf)c (piXoirocCac dfißXOrepoc ^auToO iroXXdKtc i^v. Ihr ist die
angeführte Stelle aus Dio Cassius (LXYIII, 7) entgegenzuhalten, sowie
eine Notiz des Joannes Lydus, die er sicher einer guten Quelle ent-
nommen hat: alc6ö^€voc bi öti bießdXXcTO dirl oivo(pXuT((2i , iravTcXüiic
olvoiroc(ac direixexo (de mensib. IV, 18, ed. Bonn. p. 61). — Plinius lobt
im Gegentheil die Massigkeit Trajans (Paneg. c. 3. 49, cf. Epist. VI, 31, 13)
und seine Sittenreinheit überhaupt (Paneg. c. 4. postremo adhuc nemo
exstitit CHtuü virtutes nullo vitiorum confinio laederefitur ; cf. c. 83, 2).
Ich denke nicht, dass man Plinius hier der Schmeichelei beschuldigen
könne ; die erwähnten Fehler mögen sich erst später auffallend gezeigt
haben.
1) Plin. Paneg. c. 81.
2) Auf dem Triumphbogen Constantins in Rom. Rossini, gli archi
trionfali onorarii e funebri degli antichi Romani, Roma, 1836, Tav. 7*2.
3) Dio Cass. LXVIII, 7. Eutrop. VIII, 4 (ed. Dietsch): amicoa
fifthttnndi ccnissft frequentayus rel aegrotantea rel cum fet<tos dies hahuis-
sent, cotn'iria cum iisdem hidiscretn rwisshn hfdtenHf mepe in rehiculis
eoruni sedetfu.
I. Tnyans Aufkommen und erste Regierungsjabre. 47
offen'); Jedermann durfte sich ihm nahen^ ihn begleiten und
anreden, wenn er sich öifentlich zeigte.^) Jeden Prunk, jede
Schranke, die den Herrscher von deinen Unterthanen trennen
kann, suchte er fem zu halten*^) Wäre er eigener Neigung nach-
gogaugen, so würde er überhaupt seine Majestät in sehr lässiger
Weise gezeigt haben. Aus Eutropius erfahren wir, dass ihm
seine staatskundige Umgebung Vorwürfe über seine allzu grosse
Herablassung machte. *Ich will,' erwiederte er, 'dem Privat-
manne gegenüber als Kaiser mich so zeigen, wie ich selbst
als Privatmann von Seite des Kaisers es wünschen würde.' ^)
Ersetzte einen gewissen Stolz darein, gleich von Anfang
mit der Sicherheit eines geübten Herrschers aufzutreten.^) So
übergab er dem Präfecten der Prätorianer das Schwert mit
den Worten: 'Gebrauche es für mich, wenn ich das Gute
wiD und gegen mich, wenn ich Unrecht thue.'*^) Eine über-
1) Plin. Faneg. c. 48 f. Seit Nerva trug er die Aufschrift 'aedes
j/uWica«', c 47.
2) id. c. 24: Liberum est ingrediente per publicum principe sub-
^i<ere, occurrere, comitari, praeterire: amhuHas inter noft, non quasi am-
tingas. — Haeret IcUeri tuo quisquis accessit, finemque sermonis suus
f^i^ pudor, non tua superbia facit.
3) Im CircoB entfernte er die^ kaiserliche Loge: visenda autem cum
c(tera ttpecie, tum quod aequatus plebis ac principis locus. — Licebit
frpo citxbus tuis te invicem cotüueri: dabitur non cuhiculum principis
^d ijmm principem cernere, inpublico, inpoptdo sedentem (Paneg. c. 61).
4) Eatrop. VIII, 6: Ämicis enim culpantibus, quod minis circa
'flNnö communis esset, respondit talem se imperaiorem esse privatis,
9«öles esse sibi imperatores privatus optasset. Aehnlich sagt von ihm
PÜDiua: ünum üle se ex nobis, et hoc magis exceUit (Uque esninet, quod
'"««n ßc nobis putat nee minus hominem se quam hominibus praeesse
»wwimt (Paneg. c. 2).
5) Hin. Paueg. c. 24: imixisti enim ac miscuisti res diversissima^s,
^^^ritatem olim impei'antis et incipientis pudorem, ein Satz, der in der
hm äoflallend mit dem bekannten Urtheile nbereiustinimt, das Tacitns
über Nena's Regierung fUUt: set quamquam primo statim beatissimi
^«ouii artu Nerva Caesar res olim/ dissocidbiles miscuerit, principatum
^libetiiUem cet. (Agric. c. 3 ed. Halm).
6)Dio Cass. LXVIII, 16. Aurel. Vict Caes. 13. Der Präfect hat
^abncheinlich Saburanus, nicht Subunarus geheissen. Auch Pliniiis
^f rweist auf diesen Ausspruch in c. 67: Nonne vobis, patres cmi-
*^"J^*, Imc diebus ac noctibus agitare seaim videiwr? * ego quidem
48 Johannes Dierauer: Geschichte Tri^jans.
aas freundliche Erscheinung war seine Gemahlin Poznpeia
Plotina.^) Man hatte ihre würdige Haltung beim Sin zage
in Rom bemerkt.^) Allen glaubwürdigen Nachrichten zufolge
war sie ein Muster weiblicher Tugend, ihrem Gemahl von
Herzen ergeben.') Auf ihr Zuthun wurde damals (um das
Jahr 100) eine Enkelin Marciana's mit P. Aelius Hadriauus^
dem künftigen Kaiser , yermähjt.'*)
in me, 8% omnium utüitas ita posceret, etiam praefecti manum artnaci — .
Noch in spätrömischer Zeit erinnerte man sich desselben. Sidouius
Apolliu. Carm. V. v. 560 sq. (ed. Sirmondi, Paris 1662, p. 327):
Vix habuit mores similes, cui, teste senatu.
In 86 etiam tractwm commisercU ülpius ensem.
1) Den Gentilnamen kennt nur Aurel. Victor, Epit. 12: Nanique
14* coteteras omittam, Pompeia Plotina incredibile dictu est, quanto
auxerit gloriam Traiani. Auf Inschriften und Münzen heisst sie nur
Plotina oder Plotina Augusta (Orelli, n. 792, 793. 3356. Eckhel, Doctr.
Num. VI, p. 465 sq. Cohen, II, p. 90—93). Wir wissen nichts über
ihre Herkunft. Plinius erwähnt ihres Namens einmal in seinen Briefen.
Epist. Vim, 28, 1.
2) Dio Cass. LXVm, 5.
3) Eine grosse goldene Medaille Plotina*s aus dem sechsten Con-
sulate Trcgans zeigt auf der Rückseite einen Altar mit der Inschrift
ÄRA PVDIC- (Cohen a. a. 0. n. 5), eine Bronzemedaille die Göttin
der Treue: FIDES AVG- (n. 10. 11). Plinius, der in seiner gratiarum '
actio vor dem Senate nicht von ihr sprach (s. den Excurs), hat ihr
nachträglich einen kurzen Abschnitt gewidmet, c. 83: Tibi uxor in
decus et gloriam cedit. Quid enim illa sanctius? (cf. Epist. Villi, 28)
quid antiguius? Nonne, si pontifici maximo eligetida sit coniunx, aut
hanc a%tt similem (ubi est autem similis?) elegerit? Er rühmt ihre Be-
scheidenheit: Eadeni quam modica cultu! quam parca comitatuf quam
civilis incessu! Dass sie Hadrian begünstigte, ist sicher (Spart. Hadr.
2 — 4), aber mit Unrecht hat man hieraus geschlossen (die Anschuldigung
findet sich bei Dio Cass. LXIX, 1), dass sie in unsittlichem Verhältnisse
zu ihm stand. — Es sind einige Büsten und Statuen von ihr erhalten.
Ein ungewöhnlicher Ernst liegt auf ihrem Gesichte, eine antike Strenge,
wie Plinius andeutet, vgl. Visconti, Museo Pio Clementino, Rom. 1792,
Tom. VI, Tav. XLIV (die hier abgebildete Colossalbüate gehört nach
Visconti in die Zeit Hadrians), imd Mongez, Iconographie romaine,
T. III, PI. 37. — Sie sowol als Marciana Hessen sich erst dann Augusta
nennen, als Trajan den Titel Pater Patriae angenommen hatte.
4) Spart. Hadr. c. 2. Die Vermählung ist vor der Quästur erwähnt,
die Hadrian im Jahre 101 erhielt (c. 3). Er trat durch diese Heirath
in doppelte Verwandtschaft zu Trajan. Er war nämlich der Enkel
I. Trojans Aufkommen und erste RegierungHJahre. 49
Die Gelehrten duldete Trajan^ schenkte ihnen gelegent-
lich auch seine besondere Gunst J) Ihm selbst fehlte eine
einer Tante Trojans und wurde nun der Gemahl einer seiner Gross-
iiiehten. Dieses Verhältniss erhellt aus folgender Zusammenstellung.
AeliuB MarylUnunf)
SC. Ulpius Traianus. Ulpia soror Aelitu quidara.
1
M. ripioi Traianns Imp. Mardana aoror.a) P. Aelim Hadrlanu« Afer.c)
(POmpeia Plotina) (Domitia Paalina)
Matidia I.b) (L. Vibioa
Sabinas)c) ,
Matidia IL d) Sabina.e) P. Aelim Hadrianui Imp. Paulina
^"^ Boror (L. luliui ITrsus Servianus).
a) Ihr Gemahl war ein sonst unbekannter C. Matidius Patruin us.
Borghesi, Oeuvres, III, p. 241.
b) Miutte bei Cohen, II, p. 96, n. 5: MATIDIA AVG • DI VAE MAB-
CIAKAE F- Boeckh,'Corp. luscript. Graec. 2265. Spart. Uadr. c.ö.
c) Hommsen, Inscript. Regni Neapol. n. 713S = Henzen, 5460, vgl.
Borghesi, III, p. 240.
d) MATIDIA AVG VST AE FILIA DIVAE MARCIANAE AVG VST AE
NEPTIS DIVAE SABINAE AVGVSTAl«] SOROtt. Oreili 836. 887.
6} Boeckh, I. c. Spart. Hadr. c. 2: tieptis per sororem Traiani,
f) Spart. Hadr. c. 1, ed. Feter: Hadriano atavus Maryllinu^.
g) Spart. I. c. : Hadriano pater Aelius Hadrianus Afer fuit, conso-
brinus Traiani imperatoris. Der Name seines Grossvaters
ist uns nicht überliefert. Dieser muss aber mit einer Schwester
des altem Trojan vermählt gewesen sein. Dass der Vater
Hadrians ebenfalls das Pranomen Publius trug, entnehmen wir
der athenischen Inschrift (Henzen, Annali dell' Inst. 1862, p. 139).
Die übrigen in der Zusammenstellung berührten Verhältnisse
ergeben sich ans Spart, c. 1.
1) Phn. Paneg. c. 47: QtLem honorem dicendi tnagistris, quam
iH^mtionem sapientiae doctorihwi hohes I ut suh te ftjnritum, et san-
yii/wm receperunt sttidia, quae priorum temporuin inmanitas eriliiA
]niHid)at. Völker, de imperat. M. Ulpii Nervae Traiani vita, p. 11
meht luvenaJ. Sat. Vü, v. 1 sqq. auf Trajan:
Et spes et ratio studiorum in Caesar e tatUum^
Salus enim tristes liac tetnpestate Camenas
Respexit,
IHese Beziehung ist nicht sicher, vielleicht geht sie auf Hadrian (vgl.
Jivenal. Sat. ed. Heinrich, Bonn 1839, p. 68). — Der besondem Gunst
Trajans erfreute sich der Rhetor Dio Chrysostomus. Er deutet dies
^Ibßt in einer seiner Reden an(XLV, 2, 3, ed. Emperii). Nach einem
l^nigment bei Suidas Hess ihn Trajan auf seinem Wagen bisweilen neben
äfh sitzen: bi^Tp€Hi€ TÖ irXciCTov irapd Tpaiavtp tu» Kaicapi, ibc kqI
luiiT%»fh. t. Rr»iii. KaihcrtTPHch. I. 4-
5() Johannes Dierauer: rrescliichte Trajan«*.
gründliche Bildung^); doch besass er Beweglichkeit des
Geistes genug , um ' sich die praktischen Ergebnisse der
cuTKoO^Zccöai iv Tiji ßaciXtK(D öxnMOTi (s. v. Alujv). Aus dieser glaub-
würdigen Thatsache hat aich das Mährchen entwickelt, daas Dio einst
auf dem Triumphwagen zur Seite Trajans in Rom eingezogen peri.
Philostrat. Vita Sophist, ed. Kayser, p. 10.
1) Nach Clinton, Fasti Romani ad ann. 98 war Plutarch der Lehrer
Trajans gewesen: ^That he tcas the preceptor of Trojan is attested hy
the epistle apud Sarisbur. Policraticon V, 1 (given in Fabricius BihJ.
Graeca tom. V, p. 192). For although that e2yistle is spurious,
yet it is founded an the fad. Trajan according to Dio was born Sept. IS.
A. D. 56 and would be ten years younger than his master Plutarch. '
Wenn aber jener Brief unecht ist, so wird man ihn in keiner Weise
für die Geschichte Trajans verwerthen dürfen. Wir finden ihn zuerst,
in lateinischer Fassung, in einem Buche des loannes Saresberienais
(t 1180 als Bischof von Chartres), betitelt: Policraticus , sive de nugis
curialium et vestigiis philosophorum libri VIII. In Lib. V, c. 1 (Ley-
dener Ausgabe 1596, p. 213) heisst es: Extat epistola Plutarchi Traia-
num iustituentis, quae cuiusdum poUticae constitutionis exprimit sensum.
Ea dicitur esse huius modi. Nun folgt der Brief. Plutarch macht sei-
nem Schüler zunächst ein Compliment; er weiss, dass Trajan in seiner
Bescheidenheit nicht nach der Herrschaft getrachtet hat; nun ist er
aber derselben um so würdiger, je weniger ihn der Vorwurf des Ehrgeizes
trüit. Beiden ist also zu gratuliren, vorausgesetzt, dass sich Trajan gut
hält. Alioquin (heisst es weiter) te periculis et ine detraltentium Unguis
subiectum iri non dubito, quum et ignaviam (!) imperatarum Borna non
ferat, et senno publicus delicta discipulorum re funder e soleat in prae-
ceptores. So haben Seneca, Quintilian imd Socrates an ihren Schülern
Schande erlebt. Trajan aber, dessen ist Plutarch überzeugt, wird sich
trefflich halten, und wenn er sich selbst nicht vergisst, wenn er sich
zusammennimmt (sie), wenn er seinen Sinn auf die Tugend richtet,
wird ihm Alles wol gelingen. Der Brief schliesst mit einem Hinweis
auf eine politische Schrift Plutarchs, die dem Kaiser für seine Regierung
zur Richtschnur dienen soll: Politicae Constitution is maiorum vires
tiJn e.rpressi, cui si oUemperas Plutarchum vivendi habes auctorem.
Alioquin praesentein epistolam testem invoco, quia in peniiciein imperii
"non pei'gis auctore Pluiarclw. Man sieht auf den ersten Blick, dass
dieser Brief, ganz abgesehen von seiner lateinischen Fassung (eine
griechische ist nicht bekannt), nach Form und Inhalt für Trajans Zeit
unmöglich ist. Er trägt alle Anzeichen einer schulmässigen Erfindimg
des Mittelalters, die keinen Anstand nahm, Plutarch mit dem Ansprüche
eines pedantischen Lehrmeisters gegenüber Trajan auftreten zu lassen.
Wie diese Fiction entstanden ist, erklärt sich aus einigen Bemerkmigen,
die der Verfasser des Policraticus an die jenem Briefe folgende ^nstitutio
Traiani' knüpft. Er behauptet nämlich, die erwähnte Schrift Plutarchs
I. Trajans Aiifkoiiimeii und erste Regierungsjahre. 51
Wissenschaft anzueignen J) Wir kennen aus einer Reihe
von Beseripten seinen Stil : sie sind ein Muster yon gedräng-
ter, schlichter Kürze und zutreffender Form.'^) Er war nicht
sehr beredt; aber ein wirksames Wort an seiner Stelle ver-
stand er zu sprechen.^)
zu kennen und theilt sie von c. 2 an, p. 213 sqq. im Auszuge mit:
Sfquuntur eiusdetn pöliiicae constiiutionis capitula in libelJo qui in-
üfTtbitur 'histitutio Traiani^, quae pro pcuie i)raesenti opusado curavi
\n$erere, ita tarnen %U sententiarum vestiffia potiiis imitarer quam j^as-
^<^ verborum. Aber diese Institution passt wieder nicht auf die traja-
nische Zeit; man erkennt bald, dass es dem Verfasser nicht um die
Wiedergabe einer plutarchischen Schrift, sondern um die Verwerthung
seiner eigenen politischen Doctrinen zu thun ist, dass er seinen Leser zu
täuschen sucht, indem er sich hinter Plntarch versteckt. Dieses Verhält-
niss ergibt sich klar genug aus folgender Stelle zu Anfang des 6. Buches:
Dum Plutarchi vestigia in Traiani itistitutione familiarius sequor, me
ip^um arbiträr hac hnagin^ compellan: eroqiie hidibrio omnium, nisi
(lüigtntius persequar quod incepi: me efiim in praesenti clientefn eitis
pTofessm sum. Sequor ego eum et a capüe reipublicae cum eo usque
nd pedes descendam^ ea tarnen conditione, ut, si his, quibus iura per-
mittitur igfiorare, mordacior in hac parte apparuero, i^ non mihi
»ed Plutarcho adscribant, aut Mi potitis qui regulam quam pro-
f^enlur, et qua vivendum est eis, ediscere noluerunt. Wahrscheinlich
hat also die Institutio Traiani vor dem Verfasser des Policraticus nicht
eiistirt; der gleiche Autor wird aber auch, um jeden Schein einer
blossen Fiction von sich abzuwenden, jenen Brief Plutarchs an Kaisei*
Trajan erfanden haben. — Gewiss hat Dübner mit Unrecht den Brief
sowol als Fragmente der Institutio unter die echten Schriften Plutarchs
aafgenommen. Vide Plutarchi Opera, Paris 1855, Vol. V, p. 59 sq.
1) Dio Cass. LXVIII, 7: itaxbeiac |li^v yäp ÄKpißoOc, 6cr\ iv Xötotc,
oö n€T^cx€' t6 t€ fA^v ^p^ov aÖTT^c Ktti rjnlcTaTo Kai ^ttoIci. Plin,
Paneg, c. 47 : Praestas enim quaequmque praecipiunt (artes).
2) C. Plini Caecili Secondi ad Traiannm imperatorem Traiani im-
l)eratoriB ad Plinium Epistularum liber, ed. Keil, Lips. 1865, p. 198—288.
Wir kommen auf diese Correspondeuz im Abschnitte über die Provin-
zial?erwaltung Tr^ans zurück.
3) Plin. Paneg. c. 67: Quae enim illa gravitas sententiarum! Quam
inadfectata veritas verborum! quae adseveratio in voce! quae adfirmatio
»H vuHu! quanta in oculis, habitu, gestu, toto denique corpore fides!
I^se Worte beziehen sich auf die Bede, die Trajan am 1. Jan. des
Jahres 100 zur Eröffnung des Senates hielt. ^ Eb liegt darin nicht etwa
Plinius' ürtheil über Trajans Beredsamkeit. Zu vergl. ist Plin. Epist.
^I^ 31, 11. Aurel. Victor Epit. 13 sagt wol mit zutreffendem Urtheil:
^f^gis üimpliciara ingenia aut eruditissimos, quamvis ipne parcae esset
4*
52 Johannes Dierauer: Geschichte Triyans.
Fasst man alle diese Züge zusammen ^ sein Privatleben;
seine Stellung zum Volke, zum Heere, zum Senate, ivie er
sie nach seiner Ankunft in Rom einhielt, und auch ferner
einzuhalten gedachte, so muss man erkennen, dass seine
Regierung zu glänzenden HoflFnungen berechtigte. Den da-
maligen Römern wurde er zum wahren Abgott^); in seiner
Person sahen sie ihre kühnsten Ideale von einem Herrscher
verwirklicht.^) Jeder Stand fand seine Interessen gesichert,
seine traditionellen Ansprüche zum Theil über Erwarten ge-
achtet. Nicht nur die Masse des Volkes, sondern auch die
einsichtigsten Männer jubelten ihm zu und erkannten in ihni
den Träger einer glücklichen Zeit^); es war ihnen im Ge-
nüsse eines weiten Masses politischer Freiheit wieder ver-
gönnt, *zu denken was sie wollten und zu sagen was sie
dachten.'^)
Bevor wir Trajan in den dacischen Krieg folgen, werfen
wir noch einen Blick auf seine administrative und legisla-
tx)rische Thätigkeit in Rom vom Herbste 99 bis zum Beginne
des Jahres 101. Wir sind über dieselbe durch die Lobrede
des jüngeren Plinius, die dieser im September 100 als (-on-
scientiae moderateque eloquena, (liligehnt. Damit »timmt auch
liberein» >vas Julianus sagt: ö bi, xaiTrep buvdjiicvoc X^t^^v (6itö ^aOuMiac
^TTiTp^TTCiv TÄp €l(ij6€i TÄ iToXXd* Tul Co\}pq. Tpd9€i öir^p auToO) qiGcYTo-
juevoc, f\ X^T^v, ^'m&€{KVU€v. — oöÖ^ y^P »^v ^^^ toö ÖuvacOai f>»jTO-
p€u€tv (ed. Heusinger, p. 22. 23). Das Wesentliche in diesen ironischen
Bemerkungen ist leicht zu erkennen.
1) Eutrop. VIII, 4: Oh haec per orhem terrarum Deo proxirMis nihil
iwn renerationis meruit et virus et mortuua.
2) Bezeichnend ist eine Stelle in Plinius' Panegyricus, c. 4: Saepe
e(fO meaim, patres cMiscripti, facitus agitavi qualem quantumque ««<»
ojiorteret ctiins ditiont niUuque miiria terrae pax hella regerentur; cum
interea fingeftti formantique mihi principem quem aeqxwta diis inmor-
talibus pctestas deceret numquam roto saJtem concipere sucairrit similem
huic quem videmus.
a) Tacit. Agric. c. 3. 44.
4) Tacit. Hist. I, 1 : rara tewporum felicitnte, uhi sentire qyae
relis, et qune setttias dicere licet.
I. Tnyans Aiiiltommeu und erste KegieruugHJahre. bli
»vi im Senate Tortrug und später überarbeitete '); in ziemlich
ausgedehnter Weise unterrichtet.
Vor Allem war er bemüht, Hemmnisse jeder Art, die
einer freien Entwickelung des öffentlichen Lebens entgegen-
stehen, zu entfernen. Der unselige Umschwung, der sich
in der Regierung Domitians etwa vom Jahre 93 an bemerken
lässt^}, verschaffte den Delatoren eine Macht, die zersetzend
in aUe bürgerlichen Verhältnisse eingriff, vorzüglich aber die
Interessen der herrschenden Classe tief verletzte. So selir
waren die Zeitgenossen über dieses Unwesen erbittert, dass
sie die Vorzüge der frühem Domitianischen Verwaltung ver-
giissen und sich mit einem Hasse gegen den letzten Flavier
erfüllten, dem sie nur in den bittersten Worten Ausdruck
gaben.^ Nerva enthielt sich eines strengen Einschreitens
gegen die Schuldigen, und er handelte klug: die leidenschaft-
hohe Aufregung hätte ohne seine Massregeln endlose Pro-
zesse herbeigeführt.*) Trajan nahni die Untersuchung in
ruhigerer Zeit wieder auf und verhängte über zahlreiche An-
geklagte die Strafe der Deportation. Nach einer grausamen
Sitte wurden ' sie * vor ihrer Einschiffung dem Volke zur
Augenweide durch den Circus geführt.*)
1) Vgl. meinen Ezcurs.
2) Tacitos Agric. c. 44: — tempus, quo Domitianus non iamper intev-
mlla ac spiramenta tempornm, sed conttnuo et relut tino ictu refft pitbli-
mm exhausit. cf. Plin. Paueg. c. 75. Imhof, T. Flavius Domitianus, S. 64.
3) So beeondera PliniuB in seinem Panegyricus (s. d. Excurs). Taci*
tuü, im Leben seines Schwiegervaters, ist doch zurückhaltender.
4) S. oben, S. 20, Anmerkung 2.
5) Plin. Paneg. c. 34. 35. Plinius kann seine Freude über das
Schicksal der Delatoren kaum verbergen; er nennt sie ein ^intestinum
»la/tti».' Sie wurden auf unwirthliche Inseln geführt (c. 34, cf. Tac.
Hist. I, 2). Diese Felseuinseln sind die bei Tacitus mehrfach erwähnten
Ügäischen Eilande Seijphos uud Gyaros (Aunal. II, 85. III, 68, 69. IV, 30).
Daas sie dem Volke zur Schau vorgeführt wurden, berichtet ebenfalls
Plinius a. a. 0.: Vidimus delatoruni iudichim (ed. Keil; Schwarz liest:
ddatorum agmen inductum), qwm grassatorum, quasi latronum. Trotz
dieser verschiedenen Lesarten kann man über den Vorgang nicht zwei-
feln. PUnins hat unmittelbar vorher von den Gladiatorenspielcn ge-
sprochen; er lobt nun Trajan für die Cicwährung dicECs neuen Schau-
54 Johauiies Dieraucr: Geschichte Trajans.
Die Anklagen auf Majestätsverbrechen, die den Confis-
cationen so oft zum Vorwande gedient hatten, wurden ver-
boten*), die Testamente vor den EingriflFen des Fiscus ge-
sichert.^) Er errichtete einen eigenen Gerichtshof für fiscalisclie
Prozesse, der ohne Rücksicht auf den Kaiser nach Recht und
Billigkeit zu entscheiden hatte. 3)
Einen höchst wichtigen Zweig der Verwaltung bildete
bei der -stets wachsenden Bevölkerung Italiens und Roms die
Ueberwachung der Getreidezufuhr. Trajan zuerst suchte
durch massenhafte Anhäufung von Getreidevorrätheii deji
Zufälligkeiten in der Productivität der Kornländer zu be-
gegnen."*) und so wirkungsvoll waren seine Massregelu, dass
Aegypten im Jahre 100, als dort in Folge von Miss wachs
eine Hungersnoth drohte, von Italien aus mit Getreide ver-
sehen werden konnte.^) Ohne Zweifel verlieh schon er den
SchiflFsrhedem und Getreidehändlern besondere Immunitäten^
Spieles; nichts sei des Jahrhunderts würdiger 'quam quod conti git
de super ifitueri delatorum supina ora retortasque cervices.* Sie
wurden 'super sanguinem noxiorunV durch die Arena gefiihrt. Ganz
ähnlich hatte schon Titus die Delatoren bestraft. Suet. Tit. c. 8 (ed.
Roth, p. 239, 36): Hos assiduc in foro flageUis ac fustihiis caesos, ac
noüissime truductos per anqihitheatri arenam, partim subici ac renire
imperacit, partim in asper rimas insiilas aceJii. Vgl. Martial. de spocta-
culis, ed. Leniaire, Paris 1825, I, p. 10: nee cepit arena noccntes; Et
delator habet, quod dahat, exsilium. Friedländer, DarstelL aus d. Sitteu-
gesch. Roms, III, S. 236, Anmerkung 5.
1) Plin. Paneg. c. 42: servile bellum sustulisti.
2) id. c. 43. Domitian hatte in seiner ersten Zeit ganz ähnliche
Verfügungen getroflen. Suet. Dom. c. 9.
3) id. c. 36: Nam tribunal. quoque excogitatum principatui est, par
ceteris nisi illud litujatons amplitudine met iuris. Sors et urna finco
iudicem adsignat Nerva hatte für solche Processe einen Prätor ernannt.
Pompon. de origin. iuris, § 32.
4) Ael. Lamprid. Heliogab. c. 27: Cum eo tempore iuuta 2^rocisio-
nem Severi ei Traiani Septem annorum canon frumentarius Bomae esset,
6) Plin. Paneg. c. 29—31. Der Fiscus kaufte das Getreide an und
verkaufte es wieder nach freier Uebereinkunft, ohne auf die Preise zu
drücken (c. 29). Plinius verschmäht nicht, sich bei dieser Gelegenheit
in geringschätzigen Ausdrücken gegen die Aegypter zu ergehen (s. deu
Excurs). Man musste sich aber damals sehr auf Aegypten verlassen,
vgl. Tac. Annal. XII, 43.
r
I. Trjjauis Aufkomiueii iiiul erste Kegiorungsjalire. 55
ilie zur Privatzufuhr ermunterten J) Wir vernehmen sogar
von einer Reorganisation der städtischen Bäckerzunft. '^) Um so
vreniger konnte er sich den umfassendsten Vorkehrungen für
die Versorgung der Stadtbevölkerung entziehen'^), als damals
mindestens 20^000 Bürger auf regelmässige Komspenden An-
spruch machten; abgesehen davon ^ dass bei gewissen Ver-
anlassungen ausserordentliche Geschenke an das Volk verab-
reicht werden mussten.
Eine nicht genug hervorzuhebende Bedeutung haben
Trajans Bemühmigen für die Alimentation unbemittelter
Kinder. Die Anfönge dieses Institutes gehen auf Nerva zu-
rück^), unter Trajan gewann es eine grossartige Ausdehnung.
In Rom selbst versorgte er 5000 Kinder durch Aufnahme in
die Zahl der Getreideempfänger.*) In den Städten Italiens
dagegen stiftete er aus dem Fiscus Gapitalien ^ die auf Com-
1) Becker-Marquardt, Handb. d. röra. Alterth. III, 2, S. 105. Von
Alexander Severus wissen wir dies bestimmt. Lamprid. Alex. Sever.
c. 2*2: Negottaton'bus , ut Romam volentes concurreretU , ma.vimam Im-
munität em dedit.
2) Aurel. Vict. de Caesar. 13: Annonae perpetuae mire cotisultum,
reperto finnatoqu^ pistorum coUef^io. Th. Mommsen, Fragm. Vatic. p. 74
§ 233: Sed fwn alios puto excusandog quam qiii intra ftumerum con-
Mituti centenarium pistrinum secunduin litteras divi Tmiani ad Stilpi-
dum Similem exerceant,
3) Sie sind im Panegyricus, ausser in c. 29 — 31 auch in c. 26 s. f.
augedentet: Magniflcum , Caesar, et tuuvi diminctissimas terras tnuni-
ficentiae ingenio velnt admavere, inmensaque sj)atia Uberalitate cantra-
htrt, intercedere camhus, occuvmre fartunae, atqiH omni ope adniti nc
quift e plehe Eomana dante congiarium te Imminem se magis senliret
fmse quam, civem,
4) Aurel. Vict. Epit. 12: Fuellas piierosquc natos parentihxis egesto-
«> sumpto pubUco per Italine oppida ali iussit. Eine Münze aus dem
dritten Consulate Nerva's (a. 97) zeigt auf der Rückseite eine bildliche
Darstellung, die sich auf diese Alimentationen bezieht: Nerva sitzt auf
einer Sella curulis und reicht seine Hand einem Knaben und einem
Mädchen. Die Legende heisst: TVTELA ITALIAE. Nach Marquardt,
ill, 2, 8, 112 dürfte hiermit die Erlaubniss zusammenhangen, welche
Xerva den Communen zur Annahme von Vermächtnissen gal).
5) Plin. Paneg. c. 28. Hieraus erklärt sich, warum man in Rom
keine Denkmäler der Alimentationen findet. Vgl.'Henzen, Tab. Aliment.
Baebian. Rom. 1845, p. 22.
5(3 Johaiines Dieraucr: (iescliichte Trajaiie.
luuiialgütem oder Grundstücken von Privaten hypothekarisch
versichert waren. Die Zinsen derselben wurden für monat-
liche Unterstützungen von Knaben und Mädchen verwendet^
in der Weise, dass diese entweder freies Getreide oder eine
bestimmte Geldsumme erhielten, lieber diese Verhältnisse
sind wir besonders durch eine zu Veleia bei dem alten Pla-
centia aufgefundene Erztafel unterrichtet, die zu den vunfang-
reichsten uns erhaltenen Urkunden des Alterthums gehört.')
1) Die Tafel wurde im Jahre 1747 aufgefunden und die Inschrift
in den folgenden Jahren mehrmals edirt. Vgl. Maffei, Museum Vero-
nense, Verona 1749, p. 381 — 398. Terrasson, Hist. de la Jurisprudence
Romaine, Paris 1750 (im Anhang: Veteris lurisprud. Roman, monum.j
p. 27—43. Sie findet sich abgedruckt bei Fr. Aug. Wolf, Von einer
milden Stiftung Trajans, Berlin 1808, S. 33-63; bei Francke, S. 381—407,
und Hänel, Corpus Legum, p. 72 — 78 ad ann. 103. — Der Zeit nach
gehört die veleiatische Urkunde in die Jahre 103 — 114: Trajan heisst
Dacicus, aber noch micht Parthicus, die Consulats - und Tribunatszahlen
fehlen. Doch dürfte der zweite Theil der Obligationen schon aus früherer
Zeit datiren, da hier der Name Dacicus fehlt (vgl. Henzen, Tab. alimeat.
Baebian. p. 13 sq.). Pomponius Bassus und Cornelius Gallicanus, die in
der Urkunde genannt werden, waren von Trajan mit der Leitung des
Alimentationsinstitutes beauftragt (Borghesi, Bullet, deir Instituto, 1844^
p. 126 fl.). In Veleia erhielten 246 legitime Knaben jeder monat-
lich 16 Sesterzeu (jährlich etwa 38 Fr.), 34 legitime Mädchen jedes
12 Sest. (28—29 Fr. jährl.), ein unehelicher Knabe jährlich 144 Sest.,
ein uneheliches Mädchen 120 Sest. Das erforderliche Capital betrug
1,044,000 Sesterzen oder 208,800 Fr., und war zu 6% auf Hypotheken
veleiatischer Grundstücke und Häuser angelegt: 46 Verschreibungen
sind der Reihe nach aufgeführt. Aus der Stiftung, die den zweiten
Theil des Monumentes bildet, wiurden mit den Zinsen eines Capitals
von 72,000 Sesterzen 18 eheliche Knaben und ein uneheliches Mädchen
imterstützt. — Wir besitzen femer ein bedeutendes Bruchstück einer
Urkunde aus dem Jahre 101 (Imp. Caes. NERVA TRAIANO AVG Ger-
manicO ilH Q. ARTICVLEIO PAETO COS), die in Ligures Baebiani
in der Nähe von Benevent ausgestellt wurde. Die Fonds betrugen hier
401,800 Sesterzen, die (wahrscheinlich halbjährlichen) Zinsen 10,045 Seat.
Vgl. die erwähnte Abhandlung Henzen'a. Mommsen, Inscr. Regn.
Neapolit. n. 1354. Orelli-Henzen, 6664. Hänel, Corp. Leg. p. 70, ann. 101.
Dio Cassius berührt die Alimentationen Trajans nur kurz, LXVUI, 5:
ic bi Tf|v 'Piij|Liriv kcXediv iroUd iitoUx irpöc t€ öiöpOuiciv tiI)v koi-
vuiv \bc Kttl Taic TiöXeci Tale dv *lTaXi<y Tip6c t^jv tOjv iraibwv
Tpo<pf|v TToXXd xopCcacOai koI toutouc eöepTCTuiv. Auf Münzen sind sie
mehrmals erwähnt und dargestellt (Eckhel, D. N. VI, p. 425. Cohen, II,
I. Tmjans Aufkommen und erste Kcgiorungsjalire. 57
Keimen wir aber auch die für Veleia verwendeten Summen
genau • so fehlen uns doch genügende Anhaltspunkte ^ nach
welchen wir die Ausdehnung der trajanischen Stiftung an-
uähemd bestimmen konnten. Nimmt man an, dass sie sicli
über ganz Italien gleichmässig erstreckt habe, so war das
erforderliche Grundcapital ungeheuer gross.*) Sie hielt sich
ohne Zweifel in bescheideneren Grenzen, war aber immerhin
so bewunderungswürdig, dass sicher nichts Aehnliches früher
im Alterthum bestand.^)
Trajans Beispiel der Wohlthätigkeit fand Nachahmung
bei reichen Privaten, die nach dem Muster seiner Stiftung
Tr^an, n. IS. 14. 299. 300—304). Die Typen auf der Rückäeitc zeigen
gewöhnlich Trajau, wie er die Kinder hülfreicli aufnimmt, und die
Umnchrift ALIM • ITAL • S • P ■ Q • R- OPTfflO PßINCIPI. Hierher gehört
ihrer hüdlichen Darstellung ^vegen auch eine Bronzemedaille aus dem
5. Consulat mit der Legende REST ITALI ASP- QßOFriMO PRIN-
CIPI-SC- (Cohen, II, Traj. n. 373, Trajan debout, teuant un aceptre,
sonnontä d'an aigle et relevant Tltalie ü. genoux qui tient un globe;
entre eox deux enfants tendant les mains). Ein Relief auf dem Trajans-
bogeu in Bene^ent zeigt vier mit Mauerkronen geschmückte Frauen
wahrscheinlich Symbole der italischen Municipien), welche Trajan Kinder
zufuhren (Henzen, Tab. alim. Baeb. p. 13, not 1. Rossini, gli archi
triönfaü degli antichi Romani, Tav. XXXVI II~XLI1I). — Plinius erwähnt
das Institut der Alimentation für die italienischen Städte in seinem
Panegyricus nicht; um so ausführlicher spricht er von den Alimen-
tationen in Rom. Nach seiner Darstellung kann man nicht zweifeln,
da88 die Kosten aus dem Fiscus bestritten wurden. Paneg. c. 26, 3:
cre^erait de tuo qui crescerenltibi, alimentisque tuis ad stipendia
im pervenirent. c. 26, 4: rede, Caemr, quod spem Romani nominis
^umptibus tuis tsuscipis, c. 27, 3: (^uod circa nihil magis in tua
Ma libtraUtate lauducerim quam quod congiarium *da8 de tuo, ali-
menta de tuo. Die gleiche Bedeutung hat auch der Ausdruck publi-
ca mmplihus aluntur in c. 28, 4. Vgl. Marquardt, Handb. d. röm.
Altertk III, 2, S. 112 fl.
1} FriUicke, der S. 413 diese Annahme vertritt, berechnet das ver-
wendete Capital auf über 54 Millionen Thaler. Es lässt sich kaum
erklären, wie diese Summe angelegt werden konnte; es war gegen die
Qnmd^tze Trajans, Capitalien aufzudrängen und eben damals liebte mau
^ nicht, vom Staate Geld auf JHypotheken anzunehmen (Plin. ad Traian.
W ed. Keil). Wahrscheinlich erstreckte sich die Anstalt nur auf eine
iHÄchiänktere Zahl von Orten, oder die Fundirung war uugleichmässig.
2) Dies ist das Urtheil Fr. Aug. Wolfs, in der angef. Abhandlung, S. 23.
58 Johiuuie» Dioraucr: Geschichte Trajaut«.
kleiuere Anstalten gründeten J) Hadrian und seiiie Nacli-
fülger beförderten und vergrösserten das Institut*^); es dauerte
fort bis auf Pertinax, der es nicht ^aus verhärtetem Zartge-
fühl', sondern aus finanziellen Gründen aufhob.*)
£s lässt sich erkennen, dass Trajan mit seinen Alimen-
tationen, an denen nur freigeborene Kinder^) und zumeist
Knaben Antheil hatten, zwei bestimmte Zwecke verfolg'te:
Vermehrung der Bürgerschaft und Rekrutirung des Heeres.
Die Neigung zum ehelosen Leben bildet eine eigenthümliehe
Erscheinung in dem socialen Leben der romischen Kaiserzeit.
Augustus hatte Gesetze erlassen, welche den verheiratheten
Bürgern civile und politische Privilegien gewährten, sie be-
standen immer noch^), aber damals so wenig als zur Zeit
ihrer Entstehung vermochten sie genügend zu wirken. Trajan
fasste nun einen grossmüthigen Entschluss: er setzte gegen
das tief eingewurzelte Uebel die Hülfskräfte des Staates ein ;
er erleichterte dürftigen Eltern die Aufgabe der Erziehung
ihrer Kinder und leistete dadurch der Schliessung von Ehen
unter den ärmeren Klassen grössern Vorschub, als durch
strenge Handhabung der julischen Gesetze.*^) An diesen
1) Eine Caelia Macrina in Terraciua dotirte eine Million SestiT-
zen, aus deren Zinsen 100 Kinder unterstützt werden sollten (Borgliobi,
löcrizione alimentaria di Terracina, Oeuvres completes, Tom. iV.
p. 269 ff.). Nach Mommsen (Hermes III, S. 101) gehört die für frei-
geborne Knaben und Mädchen in Comum bestimmte Alimentenstiftung
des jungem Plinius (oder wenigstens die Zusage der Schenkung, vgl.
Kpist. I, 8. VII, 18) noch in die Zeit Nerva's.
2) Spart. Hadr. c. 7r Fueria ac imeUix, quiOits etinm Traiamts
iilimeniu detulerat, tncrementum UbemUtntis adiecit. — Capitolin. Au-
tonin. Pius, c. 8: Puellas (dimentarim in honorem Faust inae Faust t-
nianas constituit, also eine getrennte Anstalt neben derjenigen, die
ofiiciell vom Staate unterhalten wurde. Sie ist durch ein Relief illustrirt,
vgl. Zoega, Bassorilievi, I, p. 154.
3) Capitolin. Pertinax, c. 9: alimentaria eiiam compcndia, qaac
novem annorum ex indituto Traiani debebantur, obdurata verecundia
fiHstidit. Die wahren Gründe ergeben sich aus dem Zusammenhange.
4) Plin. Paneg. 28.
5) id. c. 26: Locupletes ad tollendos liberos ingentia praemia H
pares poeitae cohortantur.
6) id. c. 26: Super omnia est tarnen, quod talia es, at aubte liberos
I. Trdjane Aufkomuieu und erste Kcgierungsjahi-c. 51)
Vortheil seines Institutes knüpfte sich unmittelbar ein weiterer
(.rewinu, auf welchen Trajan wie es scheint das Hauptge-
wicht legte: in den hülfsbedürftigen Knaben erzqg er sich
nicht nur Bürger, sondern vor Allem ergebene Soldaten, die
um so unbedingter an seine Person geknüpft waren, als sie
ihm gegenüber das Gefühl besonderer Verpflichtung für ihre
leibliche Existenz mit ins Lager brachten. 'Sie werden auf
Staatskosten erzogen, sagt Plinius^), um eine Stütze im
Kriege, eine Zierde im Frieden zu werden; sie lernen das
Vaterland lieben nicht als solches, sondern als eine Mutter,
die sie in ihrer Jugend ernährt hat. Aus ihnen werden einst
die Legionen, aus ihnen die Tribus ergänzt^); ihre Nach-
kommen bedürfen der öffentlichen Unterstützung nicht mehr.'
Von den Bauten, die Trajan vor dem dacischen Kriege
in Rom vornahm, ist wenig zu sagen. Er endigte die schon
Yon Domitian nach einem Brande vorgenommene Wiederher-
stellung und .Erweiterung des Circus Maximus, so dass die
Dedicationsinschrift melden konnte, Trajan habe ihn dem
'S.
romisehen Volke geziemend "jgrösser und prachtvoller aufge-
führt.') Durch die Entfernung der kaiserlichen Loge wurden
tofkre liheat expediat. c. 27: magiium quideni est educafidi incitamen-
tum tollere liberos in »pem alimentontm , in »xiem congiariorum ; inaius
tarnen in spem lihertatis, in apevi securitatis. Damit bringt Plinius die
Frage in Zusammenhang mit dem Regierungssyetem überliaupt, und
gewiss mit Recht. Unter eiaer gemässigten Herrschaft, bemerkt er,
werde es nie au Bürgern fehlen, welche Kinder zu haben wünschen;
unter einem Despoten trete dieser Wunsch zurück: ne ille etiam brevi
tempore effecerit ut amnes ivon poderorum modo sed sui parentumquc
IMteniteat, Er geht jedoch zu weit, wenn er c. 26 sagt: pauperibu^
ducandi nna ratio est bonus pnnceps,
1) c. 26, 3. 28.
2) Die in die Alimentationslisten aufgenommenen Kinder wurden
zugleich einer bestimmten Tribus zuertheilt. Henzen, Tab. aliment.
Baeb. p. 22.
3) Suet. Domit. c. 6. 7. Die Cass. LXVIII, 7: oütui Top ^ou xal
|ieTa^ö<ppuiv Kttl |Li€ToXoTViJÜfxu*v €cpu, üjct€ Kai Tiu ll^lro6p6^^) dirixpciipai,
ÖTi ^apKoOvTQ auTÖv TI4» Tttiv 'Pu)jLia(uiv örmqj itrolncev, ^ir€tÖf) 610960-
pcvra iri] Kai \xtiZ}X) xal ircpiKaXX^CTcpov ^EeipTdcaTO. Diesen Bau deutet
dsch Pliniiis (Paneg. 51) an: liinc inmensum latus drei templorum
puMritudinem provocat, digtia jjopulo Victore gentium sedes, nee minus
00 Johannes Dierauer: Geschichte Trojans.
5000 neue Sitze gewonnen J) Im Allgemeinen tritt schon in
dieser Zeit Trajans Baulust unverkennbar hervor. Plinius
erstaunt über die Pracht und den mächtigen Umfang des
CircuS; über die zauberhafte Schnelligkeit^ mit der sich vor
seinem Auge Säulenhallen und Tempel erhoben.*) Dies
waren öffentliche Bauten , für sich war er sparsam gleich .
seinem Adoptivvater.^) Er duldete nicht , dass man ihm
Statuen aus kostbarem Metall errichtete.^) Zahlreiche Güter
der alten Nobilität^ die allmälig in kaiserlichen Patrimonial-
ipsa riiienda quam quae ex illa spectahuntur. Im Herbste des Jahres 100
war 'also die Restauration noch nicht vollendet. Nach Friedländer,
Darstell, aus d. Sittengesch. Roms, II, S. 165, Anmerkmig 3 dürfte sich
auch Pausanias' Angabe, V, 12, 4 (olKob6|üir)|Lia kc Yttitujv Öpö^ouc irpo-
fjKOv Kai ^c bOo cxabiujv iif^KOC) auf Trajans Ausbau des Circus beziehen.
Auf einer Münze aus dem fünften Consulate (103 — 111) ist der Circus
abgebildet (Cohen, II, Trajan, n. 493); man sieht deutlich den grossen
Obelisken in der Mitte.
1) Plin. a. a. 0. Vgl. Hübner, Iscrizioni esistenti sui sedili di teatri
ed anfiteatri antichi, Monumenti ed annali delF Instit. 1856, p. 59: IJ
pulvinare imperiale fu tolto sotto Traiano affine di guadafffiare
spazlo per xin maggior numero di })oati. Damit ist eine Inschrift zu
vergleichen, welche die 35 Tribus im Jahre 103 Trajan widmeten:
gVOD LIBERALITATE || OPTIMl PRINGIPIS || COMMODA EARVM
ETJAM LOCORVM ADIECTIONE || AMPLIATA SINT. Orelli, n. 3065.
2) Plin. a. a. 0.: At quam magnificus in publicum es! Hinc por-
ticus, inde delubra occulta celeritate properantur, ut non consummatn
sed tantum conmuiata videantur.
3) Plin. a. a. ü.: Satis es tibi nimiumqiie, cum succeaserig fruga-
liasimo principi; magnum reicere aliquid et amputare ex iis quae prin-
ccps tamquam necessaria reliquit, Trajan suchte also Nerva noch zu
übertreffen.
4) id. c. 52. Vgl. dagegen Suet. Domit. c. 13. Einige Münzen
aus dem dritten Consulat (a. 100) zeigen auf der Rückseite die Dar-
stellung eines Triumphbogens (Cohen, II, Trajan, n. 528, 529). Damals
scheint aber in Rom noch kein solches Monument zu Ehren Trajans
bestanden zu haben (Plin. Paneg. c. 59: Cum arcus, cum tropaea,
cum 8tatuas deprecaris). Wie mir scheint, hat jene Abbildung Bezug
auf einen Triumphbogen, der in eben jener Zeit von der Colonie Tba-
mugas in Numidien Trajan gewidmet wurde (Renier, Inscriptions
romaines de TAlg^rie, n. 1479. Die Inschrift rührt von der Attica des
Bogens her und findet sich jelzt auf mehreren Fragmenten am Fusse
desselben } die Datirung aus dem dritten Consulate ist sicher).
I. Trajans Anfkouimen und erste Regierungsjahro. Ol
})eaitz übergegangen waren, liess er verkaufen.*) So finden
wir bei ihm Prachtliebe und Sparsamkeit unvermittelt neben
einander. Es hält schwer, sich einen richtigen Begriff von
iieiner finanziellen Verwaltung in diesen ersten Regierungs-
jahren zu bilden. Man begreift kaum, wie er nach der Geld-
noth, die auf Nerva gedrückt hatte ^), noch verschiedene
Steuern vermindern oder aufheben konnte.^) Und doch er-
liess er Italien und den Provinzen die Entrichtung des Kron-
geldes.*) Das Gesetz über die Erbschaftssteuer änderte er
in der Weise ab, dass die Bestimmungen über die Exemtion
von dieser drückenden Abgabe erweiterte Anwendung er-
hielten.'') Man darf zwar nicht verschweigen, dass Trajan
um das Jahr 100 anfieng, von der reellen Münzprägung
Domitiaus und Nerva's abzugehen, indem er die Legirung
1) Plin. Paneg. c. 50: Circumfertur aub nomine Caesaris tahula
ingena rerum renalium, d. h. der früher coiifiscirton Häuser und Güter. -
Tum exitialis trat apnd principem knie la.vior donins, Uli amoeninr
rilla; nunc pritweps in haec eadem dominoa quaerit, ipse inducit: ipHOs
iUfbt magni aliquando imperntoria Imffos, illud numquam nisi Caesaris
ifuhurhanum licetnur, einimits, inplemus. Diese Stellen verdienen hervor-
gehoben zu werden, denn ohne Zweifel trug der Verkauf jener Do-
mänen bedeutende Summen ein. Uebrigens verschenkte er auch einige
Villen: sed amoenisjfima quaeque largiris et doncis.
2) Nerva hatte nicht nur Kostbarkeiten aus dem kaiserlichen Palaste,
sondern auch Privateigenthum verkauft: (Dio Cass. LXVTII, 2. Plin.
c. 51 : Praeterea pater tuus tisitms mds detrah^lKit, quae foiiuna impeHi
tltderat). Der Senat hatte eine Commission niedergesetzt, welche ^de
minuendis publicift sumptibvs'' berathen sollte (c. 62, cf. Epist. II, 1, 9).
3) Auch Plinius legt sich diese Frage vor, Paneg. c. 41: Natu mihi
(Agiianti etmdent te collatiafie^s reniisisse, donativum reddidisae, congia-
rium obtuUsse, deJatares abegisse, vectigaJia ietnperasse, interrogandus
rideris satifme ccmputavefis imperii redittis. An tantas vires habet fru-
gaUtaa principis ut tot inpendiis, tot erogatiofiibus sola mfficiat ?
4) Plin. Paneg. c. 41. Trs^au ahmte hierin Titus nach. Vgl. Mar-
«loardt, Handb. d. röm. Alterth. III, 2, S. 211 fl.
5) id. c. 37—40. lieber die lex viceaima hereditatum vgl. Mar-
quardt, III, 2, S. 194 fl. Die neuen Bestimmungen Trajans hat nach
Plinios Hänel zusammengestellt, Corp. Leg. p. 68. Das Wesentliche
seiner Legislation über, die Erbschafts Verhältnisse liegt darin, dass das
Natarrecht grössere Berücksichtigimg fand. In diesem Sinne traten
Mwlificationen ein in Bezug auf Erbschaften zwischen Vater und Sohn,
62 Johannes Dierauer: rieschicbt« Trajans.
erheblich vermehrte^), aber jenen Thatsachen gegenüber
muss man doch annehmen ^ dass Trajan in der Benutzung
anderweitiger Hülfsquellen ausserordentlich glücklich war;
denn in dieser Zeit konnte er noch nicht über die reichen
dacischen Schätze verfügen.
Mit dem Jahre 101 beginnt die zweite Periode in der
Regierung Trajans. Er hatte seit seinem Regierungsantritte
den Staat nach innen hinreichend consolidirt. Nun konnte
er mit Zuversicht in den folgenden Jahren seine ganze Kraft
auf die Besiegung eines Feindes verwenden, der schon seit
mehreren Menschenaltern die Provinzen an der untern Donau
beunruhigt und in jüngster Zeit aufs neue eine drohende
Haltung angenommen hatte. Den dacischen Feldzügen Tra-
jans ist die folgende Untersuchung gewidmet.
Bruder und Schwester, Grosseltern und Knkeln. Plinius hebt diese
Bedeutung in seinem Excurse mehrmals hervor.
l) Mommsen, Geschichte des röm. Münzwesens, S. 764—768. Die
Legirung des Süberdenars steigerte sich von 10%, wie sie unter Do-
mitian und Nerva gewesen war, auf 20 Vo-
Zweiter Abschnitt.
Die dacischen Expeditionen.
Die Dacier sind ein Zweig jener Geten, die als ein ur-
sprünglich thracisches Volk zwischen dem Ister und dem Hämus-
gebirge, also in der heutigen Bulgarei wohnten. Die ent-
fernte Zeit, in welcher sie sich von dem gemeinsamen Stamme
trennten, lässt sich nicht mehr bestimmen.^) Ihr Name ist
1) Dass Geten und Dacier verwandte, zur thraciscben Yölkerfamilie
s^ehoreude Stämme sind, unterliegt Iteinem Zweifel (vgl. Zeuss, die
Dentscheu und die Nachbarstämme, S. 260). Die Geten werden zuerst
hti Herodot (IV, 93—96) als eine Völkerschaft auf der Nordseite des
Hamas bis zur Donau erwUhnt. Wahrscheinlich zur Zeit Philipps von
Macedonien gründeten sie ein Reich jenseit des Ister, indem sie sich
der Erbschaft des SkythenkÖuigs Ateas bemächtigten (339 v. Chr.).
Von da an finden wir sie durch mehr als zwei Jahrhunderte hindurch
auf beiden Seiten des Flusses. Doch kehrte mit der Auflösung des
Geteilreiches der Name zu dem Volke in den Stammessitzen am Hämus
iunlck. Während hier die thracisch-getische Bevölkerung nach Unter-
werfung Macedoniens durch die B>ömer im Jahre 168 ihre Selbständig-
keit allmälig verlor, erhoben sich, bisher kaum dem Namen nach
bekannt, im Gebirgslande jenseit der Donau die Dacier. Genaueres
ober ihre Trennung von den Geten oder von dem thracischen Stamme
kennen wir nicht. Strabon ist über das Verhältniss zwischen Geten
und Dacieru nur ungenügend unterrichtet. Er behauptet, dass die
Dacier mit den Geten, die Geten aber mit den Thraciern dieselbe
Sprache redeten (Geograph. VII, 3, § 10. 13, ed. Müller und Dübner,
Paria). Nun macht Müllenhoff (Ersch und Grubers Encyklopädie , Art.
Geten) mit Bccht darauf aufmerksam, dass Strabon dem Zusammen-
bange nach gar keine Geten südlich von der Donau kennt; verleitet
durch den Sprachgebrauch der Griechen hält er Geten und Dacier für
dasselbe Volk und lässt höchstens einen örtlichen Unterschied zu:
TtTac ]xi}f ToOc TTpöc Töv TTövTov k€kXi|ui^vo\jc Kol irpöc tV|V ^U), AdKOUC
^ ^ Touc €tc Tdvavria irpöc Tf|v fcp^avlav Kai tAc toO *'lcTpou irr^Ydc,
()4 Johannes Dierauer: CJeschichte Trajans.
alt und schwer zu deuten ^) ; er erscheint schon Jahrhunderte
früher als er politische Bedeutung gewinnt. Ihr erstes Auf-
treten in der Geschichte knüpft sich au eine interessante
Herrscherpersönlichkeit, Börebistes.*) In Verbindung mit
einem Priester^) gab dieser seiner Nation feste sittliche und
politische Ordnungen, stiirkjte dadurch ihre Macht und
konnte bald nach allen Seiten erobernd auftreten. Vom
siebenbürgischen Tlochlande aus, das schon damals als
der eigentliche dacische Stammessitz erscheint*), zog er
gegen die in Pannonien wohnenden Kelten und sehlug
sie vernichtend. Dann unternahm er verheerende Züge
nach Macedonien und Illyrien: 2(K),0(X) Mann stark soll
damals die dacische Heeresmacht gewesen sein. Walir-
oOc oT^ai Adouc KaX€tc6oH t6 iraXaiöv (§ 12). Diesem Irrthume tritt
T)io Cassius in fast polemischer Art entgegen : AaKoiic hi aCiTouc irpoc-
afopcijuj, üjcTTCp TTou Kai aÖTol ^auToOc Kai oi TuJ^aloi ccpac övofidZou-
civ, oÖK äfvoOuv ÖTi '€XXr]vu)v rivk f^xac aÖToOc X^towciv, €it* öpOwc
€iT€ Kai n)) X^TovT€c* i^w yop olba f^rac Toiic öir^p toO Ai'mou
Trapd TÖv "Icxpov oiKoOvTac. Es geht hieraus des bestimmtesten'
hervor, doss die Dacier nur missbränchlich und ftilschlieh Get^n hiesson,
dass daher der Unterschied zwischen beiden Völkerschaften kein so
geringer war, wie man etwa nach Strabon schliessen köimte. Seine
Behauptung über die Spracheinheit der Dacier, Gcten und Thracier ist
nur mit Vorsicht aufzunehmen; sie durfte nur für den. Beweis einer
allgemeinen Verwandtschaft dienen (vgl. Müllenhoff a. a. O., der auf
die Verscliiodenheit dacischer und thracischer Endungen bei Ortsnamen
hinweist).
1) Grimm, Geschichte der deutscheu Sprache, Thraker und Oeten,
S. 192, glaubt, die bei Thukydides, II, 96 erwähnte thracische Völker-
schaft der Atoi am Gebirge Rhodope sei mit den Adot, auf welche
Strabon zurückgehen will, identisch. Indem er dann das lateinische
Daci mit dem detitschen Dagai oder Dagos zusammenhält, gelangt er
auf den Begriff des Leuchtenden, Lichten, der dem Göttlichen
(AToi) nahe liege.
2) Strabon (VII, 3, § 11) nennt ihn einen Geteu, wol nur indem
er Geten und Dacier wieder verwechselt.
3) Er hiess Dekäneos, vgl. Strabon, a. a. 0.
4) Früher hatten die Dacier in der imgarischen Tiefebene zwischen
der Theiss und Donau gewohnt; durch die .Tazygen, ein sarmatisches
Volk, wurden sie nach Osten in das (iobirgsl.ind gednlngt. Plin. Nat.
Jlist. IV, 12; vgl. ZeuPS, S. 261, 282.
II. Die dacischen Expeditionen. 65
scheiolich regierte Börebistes noch im Jahre 45 oder 44.
C. Julius Gasar fasste den Plan zu einer Expedition nach
üacien, die aber in Folge seines schnellen Todes unterblieb.^)
Nach Börebistes' Sturz erlitt die Macht der Dacier durch
Parteiangen zwischen Theilfürsten eine Schwächung'^); aber
schon unter Octavianus Äugustus machten sie sich, geführt
Yon einem Könige Eotiso, aufs neue gefürchtet.^) Äugustus,
der den Gedanken einer Regulirung der Reichsgrenzeu zuerst
in bestimmter Weise gefasst hat, konnte sich der Aufgabe
nicht entziehen, den unruhigen Feind an der Donau zu be-
kämpfen. Er rühmt sich in seiner Autobiographie, dass unter
1] Die Epoche der höchsten Macht des BOrebistes lässt sich an-
nähernd bestimmen. Strabon a. a. 0. berichtet nämlich, dass Börebisces
die Taurisker vernichtet habe. Da nun Cäsar noch im Anfange der
Bürgerkriege von dem Könige der Noriker, d. h. der Taurisker (Zeuss,
S. 239) Unterstützung erhielt (Bell. Civ. I, 18) und er noch im Jahre 45
oder 44 einen Feldzug gegen Börebistes unternehmen wollte (Strabon
VII, 3, § 5 Kai bi] 6t€ BupeßiCTac i^pxc tüüv Pctcüv, i(p" ßv i\br] tcap-
«Keudcaro Katcap ö 0€6c cxparcöeiv, vgl. Liv. Epit. 107; Suet. Divus
InJiofl 44, August. 8; Appian. Bell. Civ. II, 110), so fällt wol die ver-
mchtende Niederlage der Taurisker und die Zeit der höchsten Macht-
eotfaltnng des Börebistes in die Jahre 49 — 44 (vgl. Müllenholf a. a. 0.).
Der damalige König der Taurisker hiess wahrscheinlich Yocio oder
Voccio, nicht Kritasiros, wie MüUenhoff mit Berufung auf Strabon § II
Amummt; letzterer war König der Bojer.
2) Strabon VII, 3, § 11: ö m^v oöv Boipcßicxac €<peii KOTaXuedc
kavacTdvTuiv aÖTiji tivujv, irplv f\ Twjiaiouc CT€Uai cxpareCav i-n"
aÖTÖv ol bk biabEldn€.vo\ Tf|v dpxi^v elc ttXciuj \iipr\ 6i^CTr)cav. Rösler,
das Yorrömische Dacien (Sitzungsberichte der k. Akad. d. Wissenschaf-
ten, Bd. XLV, S. 318), verlegt diese Theilung des Reiches in die Mitte
des Jahrhunderts, um 50 v. Chr., wie es scheint hauptsächlich bewogen
durch eine Datinmg des Jomandes (de reb. Get. 11), der Börebistes
einen Zeitgenossen Sulla's nennt; aber Strabons bestimmter Bericht
(§ 5, Tgl. oben Anmerkung 1 ) ist hier für die Chronologie entscheidend,
30 daag Börebistes* Sturz frühestens ins Jahr 44 zu setzen ist.
3) Flor. II, 28: Daci montiktis hihaeretit. Inde Cotismiis regis im-
ytrio, quotiens concretus gelu Danuvius iunxerat ripas, decurrere sole-
^mt d ticina populari. Ein 'Cotiso Getarum rex^ wird auch bei Suet.
Aug. 63 erwähnt. Die Dacier müssen damals in Rom Aufsehen erregt
haben, ihre Einfalle in Mösien bildeten das Tagesgespräch, vgl. Horat.
Sit. II, 6, 53: quicutnque ohvius est, me consuluü: Ü bmie — Num quid
de Bads audistiV
ÜDler»Q€h. z. Rüm. Kaiscrg^csch. I. 5
66 Johannes Dierauer: Geschichte Tr^ans.
seinen Auspicien ein dacisches Heer diesseit der Donau ge*
schlagen worden sei, und dass seine auf das jenseitige Ufer
geführte Streitmacht die Dacier gezwungen habe^ die Befehle
des römischen Volkes auszuführend)
Am empfindlichsten traf sie aber die Massregel, nach
welcher (etwa im ersten Jahrzehnt nach Chr. Geb.) ihrer
50,000 zur Uebersiedelung auf das rechte Donauufer gezwun-
gen wurden.^) Was sie wol zugleich für längere Zeit in
Ruhe hielt, war die formliche Unterwerfung Mosiens^ die
Ausgustus nach Bewältigung des pannonisehen Aufstandes
vom Jahre 9 vornahm. Grossere Truppenmassen ^ die von da
an in den Donauprovinzen lagerten, und eine Reihe von
Festungswerken , die längs des Flusses angelegt wurden^ hin-
derten sie an den gewohnten Einfällen in jene Gebiete.
Noch zu Nero's Zeit konnte der mösische Statthalter
Ti. Plautius Silvanus Aelianus freundschaftliche Beziehungen
zu den Daciern unterhalten.^) Aber sogleich mit dem Beginne
der Bürgerkriege wurde dieses Einvernehmen gestört. Als
1) Monunsen, Bes gestae divi Augusti, p. 86: Pannoniomm gentes,
quas antea me principem popuU Botnmii exei'citus nitsquam adit, deci-
ctas per Ti. Neronem, qui tum erat privignus et legatus meus, impen'o
populi Bomani subieci, protMque fines Illyrici ad ripam fluminis Da-
nuvti. Quod Dacorum transgressus exercitus meis auspiciis profligattis
victtisque est, et postea trans Danuvmm ductus exercitus mens Dacorum
gentes imperia populi Rofnani perferre coegit. Vgl. Strabon, VU, 3»
§11; Sueton. Aug. 21: Coercuit et Dacorum incursiones, trihus eotum
ducihus cum magna copiu caesis.
2) Strabon, VII, 3, § 10. Die Uebergesiedelten traten in die Reihe
der mösischen Völkerschaften und wurden von den Bömern hinfort
nicht mehr besonders unterschieden. Die Zeit dieser Uebersiedelung
kann nicht mehr genau bestimmt werden; sie geschah durch Aelius
Catus, der nach Vell. II, 103 im Jahre 1 n. Chr. Consul war.
3) Orelli, n. 750: REGIBVS | BASTARNARVM ET RHOXO-
LANORVM FILIOS ■ DACORVM FRATRVM (leg, FRATRES) | CAPTOS
AVT HOSTIBVS EREPTOS REMISIT. Diese Thatsachen gehören nicht
in die Zeit Vespasians, wie noch Fröhner (la Coloune Trajane, p. 4)
annimmt, sondern unter die Regierung Nerva's. Heuzen in seiner Ab-
handlung über eine Tessera gladiatoria (Annali deir Inst. 1859, p. 5 ii.,
vgl. p. 20) hat bewiesen, dass Ti. Plautius Silvanus Aelianus um das
Jahr 62 (bestimmt zwischen den Jahren 58 bis G9) Legat von Mösien war.
II. Die dacischen Expeditionen. G7
Vespasians und Vitellius' Legionen bei Cremona zum Ent-
scfaeidungskampfe einander gegenüberstanden^ rückten die
Dacier plötzlich über die Donau und brachten die romischen
Standlager in die äusserste Noth. Nur das zeitige Erscheinen
des C. Licinius Mucianus an der Spitze einer Legion rettete
die bedrängte Provinz.
Besonders schwierig gestalteten sich die dacischen Ver-
hältnisse unter Domitian. Schon im Anfange seiner Regie-
rung standen die Dacier wieder unter kräftiger einheitlicher
Leitung^ wie zur Zeit des Börebistes. Der Sage nach hatte
König Duras einem an kriegerischer Tüchtigkeit ^hm über-
Irenen Manne^ Namens Decebalus, die Herrschaft freiwillig
abgetreten. Diese Ueberlieferung ist gewiss so zu verstehen;
dass damals der mächtigste Stammesfürst (Decebalus) auch
die Oberleitung über die neben seinem Herrschergebiete be-
stehenden Theilfürstenthümer gewann.^)
1) Tacit. Hist. III, 46 : Mota et Bacorum gena nutnqtuum fida, tunc
^ine metu abducto e Moesia exercitu. — — lamqtie coifträ legionum
ejrcindere parahcmt, ni Mucianus sextam legioneni apposuisset, Cremo-
nensis Hctariae gnarus. Ueber das Pränomen des Licinius Mucianus
?gL BoTghesi, Oeuvres, IV, p. 862.
2) Imhof, T. FlaviuB Domitianus, S. 55 hat diese Vorgänge zuerst
in das richtige Licht gestellt Man kann bei Duras nicht an eine frei-
willige Abtretung der Herrcchaft, ako an einen Act reiner Selbstver-
leognung, wie Dio Cass. LXVII, 6 erzählt, sondern höchstens an freiwil-
lige Fügung unter die stärkere Macht eines andern Fürsten denken. Dass
vor den dacischen Kriegen Domitians in Dacien mehrere Theüfürsten-
thümer bestanden, ist sehr wahrscheinlich. Wie Strabon VII, 3, § 11
belichtet, zerfiel nach Börebistes das Reich in 4, später in 5 kleinere
Henschaffcen ; ohne Zweifel waren daher Duras und Decebalus ursprüng-
lich zwei von einander unabhängige Fürsten. — Der Name Decebalus
wird bald als Personenname, bald als allgemeines Appellativ der daci-
schen Könige gefasst (vgl. die verschiedenen etymologischen Erkläruugs-
veisache bei Rösler, S. 353). Im letzteren Falle wäre nach Orosius
Vn, 10 und Jomandes, de reb. Get. 13 Diurpaneus oder Dorpaneus
der eigentliche Name des gegen Domitian und Trajan kämpfenden
Eonigg gewesen. Dagegen kennen die Zeitgenossen nur den Namen
Decebalus und gebrauchen ihn nie als Appellativ (Plin. ad Traian. 74
ed. Keil; Henzen, n. 5448; in dieser Inschrift heisst es ausdrücklich:
[Traianua] GENTEM • DACOR • ET • REGEM DECEBALVM BELLO
5*
68 Johannes Dieraner: Geechiclite Trajans.
Um das Jahr 86 überschritt Decebalus die Donau ') und
drang verheerend in Mösien ein. Der Statthalter dieser Pro-
vinz^ Oppius Sabinus, ward geschlagen und getödtet^ das
Land erbarmungslos ausgeplündert. Domitian sammelte ein
bedeutendes Heer; er scheute aber ernstliche Änstreng^uugen^
und während er selbst unthätig in einer mösiscben Stadt ver-
weilte, erlitten seine Legionen unter Anführung des Präfecten
der Leibwache, Cornelius Fuscus, eines zwar gedienten^ aber
an ein behagliches Lagerleben gewöhnten Offiziers^ eine
zweite Niederlage unter grossem Verluste an Kriegsmaterial.
Die Leitung eines erneuerten Angriffes übernahm hierauf Ter-
tius Julianus^ der sich schon unter Otho und Yespasian in
Mosien ausgezeichnet hatte. Ihm gelang es, die Dacier in
ihren Bergen bei einem Orte Tapä, dessen Lage sich nicht
mehr bestimmen lässt, völlig zu besiegen. An der Einnahme
ihrer Hauptstadt hinderte ihn nicht, wie eine damals g'ang-
bare Anekdote meldet, eine Kriegslist des Decebalus 2), son-
dern vielmehr die gleichzeitig mit jenem Siege erfolg'te
Niederlage Domitians durch die Quaden und Marcomannen,
nach welcher dieser darauf bedacht war, den Krieg an
der Donau eiligst zu beendigen. Nach dem gegen das
Endo des Jahres 90 abgeschlossenen Vertrage wurde Dece-
balus wenigstens zum Scheine römischer Vasall, während
Domitian sich zu sofortiger Bezahlung einer bedeuten-
den Geldsumme und zur Erlegung eines fortlaufenden jähr-
lichen Tributes verpflichtete.^) Ausserdem gewährte er dem
Könige der Dacier eine Anzahl geschickter Arbeiter für
Kriegs- und Friedenszwecke, wodurch es diesem möglich
SVPEEAVIT). Hätte wirklich ein Personenname, wie etwa Diurpaneus,
bestanden, so wäre er hier verwendet worden.
1) Clinton, Fasti Romani, ad ann. 86.
2) Es heisst, Decebalus habe zur Täuschung der Römer Baum-
stumpfe bewaffnet (Dio Cass. LXVII, 10). Diese Anekdote bildet ein
Seitenstück zu den übrigen unwahren Berichten, die Domitian während
des Krieges selbst verbreitete oder verbreiten liess (vgl. Dio Cass. LXVII, 7,
wo von einem unterschobenen Briefe des Decebalus die Rede istl.
8) In der Darstellung der dacischen Kriege liess sich noch Francke,
^m
II. Die dacischen Expeditionen. 69
wurde, den Römern in Zukunft nicht nur mit der natürlichen
Macht seines Volkes, sondern auch mit den Mitteln einer
ausgebildeten strategischen Technik entgegenzutreten. Man
ist erstaunt, Domitian zu Anfang des Jahres 91 einen Triumph
feiern zu sehen, dem doch nur Misserfolge vorangegangen
waren J)
Es lag am Tage, dass das durch den erwähnten Vertrag
festgestellte Verhältniss zwischen Rom und Dacien auf die
Dauer nicht bestehen konnte. t)ie Unsicherheit desselben ent-
gieng Decebalus am wenigsten. Wir erkennen, dass er in dem
folgenden Jahre mit Hülfe der gewonnenen Werkmeister sein
Land durch Anlage von Festungswerken in Vertheidigungs-
zostand setzte, um auf alle Fälle gegen einen neuen Angriff sei
es von Seite Domitians oder eines seiner Nachfolger gerüstet
ru sein.^) So erhob er sich zu einem immer gefährlicheren
Nachbar der Donauprovinzen. Er war ein geübter Feldherr,
der alle Schwächen eines Feindes zu benutzen verstand, uner-
schöpflich, zuweilen aber auch nicht wählerisch in seinen
Mitteln.'*) Und nicht etwa ein rohes Barbarenvolk beherrschte
er: die Dacier waren wie die Geten seit Jahrhunderten von
grieehischen, neuerdings auch von römischen Culturelementen
S. 79—83 durch die ungeschickt auseinander geworfenen Nachrichten des
l)io Cassios, wie sie in Xiphilinus' Auszuge uns vorliegen, beirren. Ini-
hof, S. 56—61 nnd nach ihm Bösler haben die Berichte geordnet und
gezeigt, dass der Epitomator die Ereignisse des dritten, von Julianus
geleiteten Feldzuges erst in c. 10 nachholt, statt sie in c. 6 oder 7 (Lib.
LXVII) einzufügen. — Die Bedingungen jenes Vertrages erwähnt Dio
Cassiuß LXVII, 7 (vgl. LXVIII, 6). Plinius spottet mehrmals über das
unwürdige Verhältniss, Paneg. c. 11: ac ne indutias quidem nisi aequis
conditionib^us inibant (hostesj, legesque ut acciperent, däbatU. c. 12:
Aeeipimtts obsides ergo (d. h. jetzt unter Trajan), non emimus (vgL Tac.
Agric. 39), nee ingentibus damnis inviensisquei muneribtis paciscimur
«* tieerimus.
1) Der Triumph wurde im Januar 91, nicht wie Rösler S. 341 be-
iiaaptet, im December 90 gefeiert (Mart. Epigr. VIII, 8). Ueber die
Scheiutriamphe Domitians vgl. PHn. Paneg. 16.
3) Die grossartigen dacischen Festungswerke, die auf der Trajans-
Bäole dargestellt sind, lassen auf jahrelange Rüstungen schliessen.
3) Dio Cass. LXVII, 6, vgl. LXVIU, 12.
70 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
durchdrangen; straffe politisch -theokratische Ordnungen hiel-
ten sie zusammen; in ihren uralt-getischen Beligionsanschau-
ungen trat als bestimmteres Dogma der ünsterblichkeits-
glaube hervor, der ihnen jene Lebensverachtung, jenen
Todesmuth und jene Kühnheit im Kampfe verlieh, die ihren
Feinden Bewunderung abnöthigtenJ) üeber ihre Zahl am
Ende des ersten Jahrhunderts wissen wir nichts Bestimmtes ;
sie war wol trotz der erlittenen Einbusse seit ihrer Berüh-
rung mit den Römern kaum geringer als zu Borebistes" Zeit,
während ihre reelle Macht in Folge der neuen, von Decebalus
eingeführten einheitlichen Organisation sich verstärkt hatte.
Immer noch bewohnten sie ein Land, das nach seiner Lage
jenseit der Donau und nach seiner orographischen Beschaffen-
heit dem Eindringen eines Feindes Hindernisse entgegen-
setzte, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen war.
Beachtet man alle diese Momente, so muss man erkennen,
dass die Forderung eines Feldzuges gegen die Dacier unab-
weisbar an Trajan herantrat. Man darf auf jenen unehren-
vollen Vertrag Domitians nicht allzu grosses Gewicht legen,
er bildete höchstens ein äusseres Motiv zu einem Kriege. Dio
Gassius sagt ganz einfach: 'Trajan zog gegen die Dacier,
weil er ihnen anrechnete, was sie gethan hatten, weil er sich
beschwert fühlte durch den Tribut, den sie Jahr für Jahr
beanspruchten, weil er die fortwährende Vermehrung ihrer
Streitkräfte und ihren Uebermuth sah.' ^) Gewiss ist vorzüg-
lich der letzte der hier angeführten Gründe zu betonen.
Wir wissen, wie sehr sich Trajan während seines Aufent-
haltes am Rhein bemüht hatte, die Reichsgrenzen gegen die
1) Der Unsterblichkeitaglaube wird zwar nur den Getan ausdrück-
lich zugeschrieben (Herod. IV, 94—96). Aber sicher gieng eine Lehre
von so eminenter Bedeutung für die sittlich religiöse Entwicklung der
(leten auch auf die Dacier über. Julianus i^Caesares, ed Heusinger, p.
23) lässt Trajan zu seiner Vertheidigung sagen : koI t6 Fctiöv (sc. Ad-
KUJv) fevoc ^£€tXov, ot Tuiv inj(iiTOT€ |uiaxt|üiuiTaTot T^TÖvaciv, oöx frirö
dvöpciac ^6vov toO ciiiimaToc, dXXä koI div Irretccv oOtouc ö Tt]Liu(ifi€voc
Ttop' aOxotc Zd^oXEtc. oö jap diro6vncK€iv, dXXd MCToiKiJCcceai voiniZIov-
T€C, ^Toi|ui6T€pov ouTÖ TToioöciv , f\ xdc diToöimiac uiroim^vouav.
2) Dio CasB. LXVIll, 6.
II. Die dacischen Expeditionen. 71
germanischen Völkerschaften dauernd zu sichern. Im Jahre
98 oder 99 recognoscirte er die Donauländer ^) 5 sehr wahr-
scheinlich hat er damals den Plan zu einer dacischen Expe-
dition gefasst. Die pannonischen und mösischen Landschaften
waren seit ungefähr 150 Jahren mit grösserer oder geringerer
Unterbrechung von den Einfallen der Dacier bedroht; Trajan
musste nach glücklicher Regulirung der politischen Bezieh-
ungen 'ZU Germanien dem unsichern Zustande an der Grenz-
linie des untern Donaugebietes auf alle Falle ein Ende
machen.^) Die Frage war nur, ob es fflr den beabsichtigten
Zweck genüge, Decebalus einfach zu factischer Anerkennung
römischer Oberhoheit zu bringen, oder ob nicht vielmehr die
pohtische Existenz des dacischen Volkes gänzlich aufgehoben
und das Land als Provinz in römische Ordnungen eingefügt
werden müsse. Es scheint, dass Trajan erst im Verlaufe
seiner Unternehmung hierüber zu einer bestimmten Entschei-
dung gekommen ist.')
1) Plin. Paneg. 12, 16.
2i Francke, S. 9t hat die Gründe für einen Feldzug Trajans gegen
Decebalus zum Theil richtig hervorgehoben. Den Krieg aber als ein
Mittel znr Ableitung des Gährungsstoffes zu betrachten, der sich wäh-
rend der Uebergangszeit des Reichs aus den republikanischen in die
mouarchischen Formen unter dem römischen Volke erzeugt hatte, und
zugleich als ein Mittel, dem Kaiser Achtung bei dem eifersüchtigen (!)
Senate zu verschaffen, sind wir entfernt nicht gezwungen. Rösler, S.
342 und Fröhner, la Colonne Trajane p. 11 kennen nur die äussere
Veranlassung mit Bezug auf den domitianischen Vertrag. Merivale, A
histoty of the Romans under the empire, vol. VII, p. 222 unterschiebt
Trajan ganz persönliche Motive: BiU the flattery of the Senate, even
in the polished phrases of Fliny, — must have been irksome to a man
of Trajan's piain sense. We can well believe, that he soon began to frei
under the restraiTtts of deference to a society by which he must have been
frequently mortißed, and longed to fling himself into tJie stir and wo-
rment of the milüary career. Aber nach Allem, was wir über Tra-
jaiis Privatleben wissen, vertrug er sich sehr leicht mit den Sitten der
damaligen Gesellschaft. Wenn ihm Pliuius in seiner gratiarum actio
zuweilen mit bewusster Absicht schmeichelte, so darf man den Senat
nicht des gleichen Fehlers zeihen; seine Beifallsbezeugungen waren auf-
richtig, und wie sehr Trajan durch dieselben gerührt wurde, bezeugt
Flmiaä selbst an mehreren Stellen (Paneg. 2, 8. 73, 4).
3) Die Provinzialisirimg Daciens wäre schon nach dem ersten daci-
72 Johannes Dierauer: Geschichte Tn^ans.
Schon im Jahre 100 wurden Vorbereitungen für den
mit dem folgenden Frühling zu erö£Pnenden Feldzug ge-
troflfen. *) Zunächst sorgte Trajan für die Weiterführung
der schon von Tiberius begonnenen Militärstrasse längs des
rechten Donauufers. ^) Eine in den Felsen eingehauene
sehen Kriege Trajans möglich gewesen, erst nach Beendigunc^ des zwei-
ten wurde sie ausgeführt.
1) Die dacischen Kriege dauerten 5 Jahre. Julian. Caes. a. a. 0:
^trpdxÖr] bi jioi t6 ^pfov toOto ^v ^vioutoIc ctcui nou rr^vTe. Der zweite
endigte, wie unten nachgewiesen werden soll, im Jahre 106. Francke,
S. 15, benutzt für die chronologische Bestimmung der dacischen Kriege
eine Stelle bei Spartianus (Hadr. c. 3): Qttaesturam gessit (Hadrianus)
TraiafW quater et ÄHiculeio cotisulibiis. post quaesturam acta
senattis curavtt atque ad bellum Dacicum Traianum famüiarius pro-
secutua est. Das hier genannte Consulat WXi allerdings in das Jahr 1 Ol ;
wenn nun aber gesagt wird, Hadrian sei nach Verrichtung der Quästur-
geschäfte und nach der cura actorum senatus (letztere Angabe beruht
auf einem Irrthume) dem Kaiser in den dacischen Krieg gefolg^t (als
comes, wie aus der Ehreninschrift Hadrians hervorgeht), so ergibt edch
hieraus kein fester Anhaltspunkt für die Chronologie, da über die Daner
der Quästur nähere Bestimmungen fehlen. Die offizielle Aufzeichnung
seiner Beamtencarriere lässt nur vermuthen, dass er im gleichen Jahre
^quaestor imperatoris Traiani' und ^ comes expeditionis Dacicae' war
(vgl. Henzen, Iscrizione onoraria d'Adriano, Annali dell' Inst. 1862, p. 149).
Die Abreise Trajans setzt Francke a. a. 0. schon in den Herbst des
Jahres 100, gestützt auf eine Münze bei Mediobarbus (Imperatorum
Romanorum numismata, Mediol. 1730, p. 150, nach Occo, Imp, Kern.
Num., Aug. Vindelic. 2601, p. 197): DIVO NERVAE TRAIANO AVG •
P . M . TR . PL • COS in . P • P . II PROFECTIO AVG • GERMANIAE S • C ■
Offenbar ist dieses Zeugniss seiner Form nach sehr verdächtig und
raüsste mit Vorsicht benutzt werden, auch wenn es nicht die zweifel-
hafte Autorität Occo*8 gegen sich hätte. Die von Aschbach (Uieber Tra-
jans steinerne Donaubrücke, S. 3) vorgeschlagene Restitution der Legende
ist willkürlich. Trajan war vielmehr in den ersten Monaten des Jahres
101 sicher noch in Rom, er übernahm mit dem 1. Januar das Consulat
zum vierten Male, was bei all^lliger Abwesenheit nicht geschehen
wäre, denn eben wegen seiner Entfernung von Rom hatte er im Jahre 99
die vom Senat ihm angetragene Consulwürde abgelehnt (Plin. Paneg. 60).
Dass man aber schon gegen Ende 100 ernstlich an einen Krieg gegen
Decebalus dachte, beweist eine bei der TJeberarbeitimg eingeschobene
Stelle in Plinius' Panegyricus c. 16, 5 (vgl. meinen Excurs).
2) Eine Felseninschrifb bei dem serbischen Dorfe Herum gegenüber
dem Orte Kozlamare im Temeswarer Banat lässt erkennen, dass unter
Tiberius im Jahre 33 oder 34 (es ist zu lesen TR • POT • SXV) die
n. Die dacischen Expeditionei). 73
Inschrift, Ogradina gegenüber, gibt noch heute von diesem
Werke Zengniss. Sie besagt nach einer freilich unsicheni
Erklärung, Trajan habe dort die Felsen des Gebirges durch-
brochen und einen Weg gebahnt.^)
Die Herbeiziehung der für den Feldzug erforderlichen
Truppen unterlag nach der damaligen topographischen Yer-
theflnng der Legionen keinen besondem Schwierigkeiten.
Leg. mi Scyihica und Leg. Y. Macedonica am Bau der Strasse thäüg
waren. Vgl. Griselini, Versach einer Geschichte des Temeswarer Banats,
S. 237, der zugleich (S. 286) die merkwiirdigeu Ueberreste des in das
feste Gestein eingehauenen Weges beschreibt; nach ihm Neigebaur,
Daden, S. 7 und Aschbach, 8. 3. Genau ist die Inschrift, die sich
l'/t Standen stromabwärts wiederholt, erst von Arneth gegeben wor-
den, in den Sitzungsberichten d. k. Akad. d. Wiss. Bd. XL, S. 358.
1) Marsigli, Danubius-Paunonico-Mjsicus, tom. II, tab. 53 und
Griselini zu S. 289 gaben ungenaue Abbildungen von dieser Inschrift.
Eine zuTCrlässige Publication verdanken wir Arneth in seiner Abhand-
lang: Die Trajansinschrift in der Nähe des eisernen Thores (Jahrbuch
der k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltimg der Bau-
denkmale, 1856, S. 83). Nach den auf seine Veranstaltung angefertig-
ten Papierabdrücken ist noch Folgendes von ihr' erhalten:
IMP CAESAE DIVINERVAE-t^.
NEBVA TRAIANVS AVQGERM.
PONTIP . MAXIMVS • TßlB • POT • lUr
PATER PATRIAE COS IUI
MONTI L AN....BVS
S VP . . A T E
Die l)eiden letzten Zeilen sind sehr verstümmelt, so dass man auf eine
richtige Herstellung wahrscheinlich verzichten muss. Arneth ergänzt
äe folgendermassen:
MÜNTIS ET FLWII ANFRACTIBVS
SVPERATIS VIAM PATEFECIT.
.\8chbach a. a. 0. liest in der fünften Zeile:
M0NTI8 ET FLWI DANVBI RVPIBVS.
Vielleicht ist hinter MONTIS der Name des Berges ausgefallen, wie
Fröhner, la Colonne Trajane, p. 15 annimmt (vgl. Freudenberg, Jahrb.
i Ver. V. Alterthumsfr. in Rheinl. DoppeDieft XXXIX und XL, S. 343).
Jedesfalls gehört die Inschrift in das Jahr 100 (statt des vierten Con-
tolates, welches Arneth nach einer Andeutung in den Abdrücken her-
stellte, muss sicher das dritte gelesen werden). Die entsprechenden
Strasaenbauten , von denen sich ebenfalls noch Ueberreste erkennen
lassen, wurden daher wahrscheinlich schon damals in Angriff genommen.
74 Johannes Dicrauer: Geschichte Trajans.
Schon Yespasian hatte nach Bewältigung des batavischen
Aufstandes das Besatzungsheer in den Donauländem bedeu-
tend vermehrt; während dort noch im Anfange seiner Regie-
rung nur sechs Legionen stationirt waren ^), brachte er später
deren Zahl auf acht.*) So viel man sieht, blieb dieser Be-
stand unter Domitian unverändert: seine Misserfolge gegen
die Dacier und Marcomannen hätten eine Verminderung der
Truppen in jenen Provinzen nicht gestattet. Die Legionen,
die beim Beginne der dacischen Kriege Trajans die Provinzen
Pannonien und Mösien besetzt hielten, waren: die X. Gemina
und XIV. Gemina zu Vindobona und Carnuntum, die XIII.
Gemina in Poetovio, die IL Adiutrix zu Acinquum^), die
1) Mit Hinzuziehung von Dalmatien; s. die Zusammenstellung Bor-
ghesi's, Iscrizioni del Reno, Oeuvres compl^tes tom. IV, p. 240 not. 2.
Die in sein Verzeichniss aufgenommenen Leg. III. Gallica, die beim
Beginne der Bürgerkriege von Mucianus nach Mösien geführt wurde
(Tac. Hist II, 86), hielt sich nur sehr kurze Zeit an der Donan auf;
wir finden sie vor- und nachher im Orient (Marquardt, Handb. d. röm.
Alterth. III, 2, S. 352. 356).
2) Sie hiesseu: l' Italica, V. Macedonica, VII. Claudia, IV. Flavia,
XV. Apollinaris, X., XIIL, und XIV. Geminae. Aschbach, die römi-
schen Legionen prima und secunda Adiutrix (Sitzungsber. d. k. Akad.
d. Wissenach. Bd. XX, S. 319) weist statt der V. Macedonica der V. Alau-
dae ein Standlager an der untern Donau zu. Es ist aber nicht zu
erweisen, dass letztere jemals in den Donauländem stationirt war.
Höchst wahrscheinlich gieng sie schon im Anfange der Regierung
Vespasians ein (Borghesi, Oeuvres t. IV, p. 217).
3) Aschbach, S. 323, vgl. S. 324 Anmerkung 1. Wir erkennen
nicht mit voller Sicherheit, wann die IL Adiutrix nach Pannonien kam;
Aschbach nimmt an, dass es jedesfalls noch unter Vespasian geschehen
sei (S. 320, Anm. 3). Nach Grotefend (Jahrb. d. Ver. v. Alterthumsfr.
im Rheinl. XXXII, S. 77) hielt sich aber diese Legion einige Zeit in
Britannien auf; sie stand noch dort im Jahre 94 oder 95, als Hadrian
ihr Tribun war (Henzen, Iscrizione ouoraria d'Adriano, Annali delF
Inst. 186'^, p. 145). Ihre Versetzung nach Pannonien fUllt also in die
letzte Zeit Domitians. — In Bezug auf die Leg. I. Adiutrix bleibt die
Versetzung aus Obergermanien nach Pannonien (Bregetio) mit dem
Beginne der dacischen Kriege (dies ist die Ansicht Aschbach's, S. 322}
sehr zweifelhaft. Kein einziges Zeugniss beweist uns ihre Mitwirkung
an den dacischen Feldzügen Trajans. Wir wissen nur, dass de zu
Anfang seiner Regierung noch in Obergermanien war (Brambach, Corp.
Inscript. Rhenan. n. 1666), zu Ptolemäus' Zeit aber in Pannonien (vgl.
\
IL Die dacischen Expeditionen. 75
YQ. Claudia zu Virninacium^ die IIIL Flavia zu Singidununi;
die I. Italica und V. Macedonica zu Durosturum und Troes-
mis.^) Im ersten dacischen Kriege verwendete Trajan aus-
schliesslich einige Legionen aus diesem mosischen und pan-
nonischen Heere 2); erst im zweiten Kriege berief er aus
Untergermanien die Legio I. Minervia.') Wie gross die je-
weilen ausgehobene Truppenmacht war^ lässt sich nicht ein-
mal annähernd bestimmen. Nach der gangbaren Ansicht^
dass mit geringer Ausnahme alle damals verfügbaren ^ d. h.
acht bis zehn Legionen in den Feldzügen gegen Decebalus
verwendet wurden, war das operirende Heer gegen 80,000
^tann stark.^) Diese Zahl ist aber sicher zu hoch, indem
BoTgbed, Oeuvres IV, p. 204). Sie kam in das Standlager der Leg. XIII.
Gemina (Aschbach, S. 323), die nach dem Kriege als Besatzung in
Daden verwendet wurde (Borghesi, p. 234). Dieser Umstand lässt mit
dniger Wahrscheinlichkeit eine Dislocatiou um das Jahr 106 vermuthen.
Brambach, Corp. Inscr. Rhen. praef. p. IX verlängert ihren Aufenthalt
in Germanien bis in die Begierung Hadrians.
1) Aschbach, Trajans steinerne Douaubrücke, S. 3.
2) Die Belege folgen unten, S. 77 ff.
3) ürlichs, Jahrbücher d. Ver. v. Alterthumsfr. im Rheinl. XXXVI,
S. 102 fl. hat bewiesen, dass diese Legion während des ersten dacischen
Krieges die Provinz üntergermanieu nicht verUess. Ihre Betheiligung
am zweiten Shriege beweisen die Inschriften bei Benzen, n. 6930,
Fröhner, Append. n. 24, und besonders die Ehreninschrift Hadrians
(Henzen, Annali dell' Inst. 1862, p. 139 = Fröhner, Append. n. 2),
ans welcher wir in Uebereinstimmung mit Spart. Hadr. c. 3 erfahren,
dass sie durch Hadrian commandirt wurde. Hadrian war aber damals
nicht Gouverneur von Nieder -Pannonicn, wie Fröhner, p. 25 nach
unrichtiger Interpretation dieser Inschrift geschlossen hat, sondern
PrÄtor (^Benzen, p. 154, vgl. C. de la Berge, Revue critique, 1866, n. 7,
p. 118) und wahrscheinlich coincidirte sogar sein Volkstribunat einige
Zeit mit diesem Commando, denn die entscheidende Stelle des Docu-
mentes heisst: PRAETORI • EODEMQVE • TEMPORE • LEG • LEG • I •
MINERVIAE . P • P . BELLO DACICO • ITEM • TRIB ■ PLEB • (s. Henzen,
P- 152). Nach dem dacischen Kriege war die Leg. I. Min. wieder in
Germania inferior. Ein ihr angehörender Soldat entledigte sich nach
winei Rückkehr eines Gelübdes, das er AD ALVTVM FLVMEN SECYS
MONI CAVCASI gethan hatte (Henzen 5930 = Fröhner, Append. n. 14,
^gl. Urlichs, Jahrbücher a. a. 0.).
4) Die römischen Legionen waren im Beginne des zweiten Jahrhun-
<i€rt8, unmittelbar vor den dacischen Kriegen, folgendermassen vertheilt.
76
Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
uns durch inschriftliche Zeugnisse nur die Mitwirkung von
5 Legionen unzweifelhaft verbürgt wird, nämlich der I. Italica,
Nordafrica:
Spanien:
Britannien :
Unter- Germanien :
Ober-Germanien :
Pannonien:
Mösien:
Orient:
m. Augusta.
VII. Gemina (Borghesi, Oeuvres, tom. TV, p. 220).
II. Augusta (Borghesi, p. 206); XX. Valeria Vic-
trix (p. 246); IX Hispana (Borghesi, p. 114 iT).
I. Minervia (vgl. vor. Anmerkung); VT. Victrix
(Borghesi, p. 21, vgl. p. 115; erst unter Hadrian
kam sie nach Britannien, Orelli 3186); XXX. Ul-
pia (Victrix). Dass sie wirklich schon dajnals
bestand, erkennen wir aus Orelli, 3176 = Fröhner,
Appendix n. 8. Sie war von Trajan gegrtiiidet
worden (Dio Cass. LV, 24). Den Beinamen Victrix
trug sie mit oder sehr bald nach ihrer Entstehung
(Borghesi, p. 258; Henzen 6769 = Kenier, Inscri-
ptions rom. de TAlgörie, n. 1480, 1481).
VIII. Augusta (Borghesi p. 223); XXII. Primi-
gen ia (Borghesi p. 254 mit der Anmerkung [6j
von W. Henzen); XI. Claudia (Borghesi, p. 227).
Von der XXI. Rapax lässt sich für die Zeit Nerva s
und Tr^^'ans keine Spur mehr entdecken, ihre letz-
ten Monumente gehören unter die Regierung Do-
mitians (Borghesi, p. 247; Meyer, Mittheilungen
der antiquar. Gesellschaft in Zürich, Bd. VII,
S. 125 ff.;; I. Adiutrix (s. oben S. 74, Anmer-
kung 3).
X., XIII., XIV. Geminae, II. Adiu^
trix
IV. Flavia, VII. Claudia, I. Ita-
lica, V. Macedonica . . .
XU. Fulminata und XV. Apolli-
naris in Cappadocien ....
III. Gallica (Phoeuiden) ....
IUI. Scythica und XVI. Flavia (Sy-
rien)
VI. Ferrata und X. Fretensis
(Judaa)
IL Traiana (Aegypten). Sie wurde wie die XXX. Ul-
pia von Trojan errichtet, wann, wissen wir nicht
genau. EbenfaUs in Aegypten stand zu dieser
Zeit noch die
XXII. Deiotariana (Borghesi, IV, p. 252 mit An-
merkung 7 von Henzen), sowie die
III. Cyrenaica (Grotefend, in Pauly's Realeucyklo-
pädie, Bd. IV, S. 876).
8. oben S.74fl.
8. die Zusam-
menstellung
Borghesi's, IV,
p. 263 fl.
II. Die daciBchen Expeditionen. 77
MI. Clandia ^ IUI. Fla via, XIII. Gemina und der schon er-
wähnten I. Minervia.^) Diesen Legionen standen allerdings
Es existirten also damals 30 Legionen. Der Orient war verhBJtniss-
massig stark besetzt, aber eine Schwächung des dortigen Heerres wäre
wegen der feindlichen Haltung der Parther nicht rathsam gewesen.
Yon den übrigen Provinzen konnte allein Germanien in Folge der
dnrchgefiüirten Grenzsicherung einen Theil des Besatzungsheeres zeit-
weise entbehren. 'Aschbach, der die Legio I. Adiutriz zu Anfang des
dacischen Krieges nach Pannonien kommen lässt, findet nun (Tra-
jaiis steinerne Donaubrücke, S. 3), dass acht Legionen für denselben
verwendet werden konnten, die I. und IL Adiutrix, die I. Italica,
IV. Flavia, Vn. Claudia, V. Macedonica, I. Minenria, XIII. Gemina;
er Bcbätzt demnach unter Berücksichtigung der AuxiUartruppen die gegen
I>ecebalu8 geführte Streitmacht auf 80,000 Mann, ebenso Frdhner, p. 14,
der jedoch zu den genannjben Legionen noch die X. Gemina und XII. Ful-
minata hinzufügt (p. 13 und 14). Francke, S. 100 berechnete 60,000 Mann;
seioe Ausführungen über die Legionen der Kaiserzeit (S. 96 — 99) sind
osdcher, da er die grundlegende Arbelt Borghesi^s über die rheinlän-
dischen Inschriften bei Abfassung seines Buches noch nicht kannte.
1) Für die I. Italic a vgl. Henzen, 5659. Orelli, 3454. Nach Renier
(zu Borghesi, IV, p. 126, not 3) muss hier statt PROMOTVS • IN •
LEG V - MAC . PHAL • DONIS • D etc. gelesen werden: PROMOTVS •
ex LEG . V • MAC • in • leg • I • ITAL • DONIS • D • etc.
Für die VII. Claudia: Orelli, 3049. Henzen, 6853. Letztere In-
schrift dient nur als secundäres Document, indem nicht genau zu be-
stimmen ist, welche Chargen der hier genannte Ofßzier im dadschen,
und welche er später im parthischen Kriege einnahm. Sehr wahr-
scheinlich gehören aber die Centuriate, die er successive in der Leg. I.
Miner?ia, Leg. VII. Claudia und Leg. XIII. Gemina bekleidete, in die
Zeit der dacischen Kriege.
Für die IIIL Flavia: Orelli, 3049 (genauer bei Henzen, Vol. III,
p. 265 nach Borghesi's Mittheilnng). Dieser Inschrift zufolge erhielt
L. Aconios Statura, Centurio LEG • XT- C • P • F • LEG • IIÜ • F • F •
LEG V- MACED • LEG • VII • C • P • F- dona militaria von Trajan wegen
^^ dadschen und von ^den frühern Kaisern' wegen des germanischen
ond Eannatischen Krieges. Wahrscheinlich kämpfte er in Germanien
igegen Satuminus) als Centurio der XL Legion , nahm hierauf in der
ini. Legion an den sarmatischen Kriegen Domitians, und in der V. und
VII. an den dacischen Expeditionen Trajans Theil. Aber auch die
^Jöialime ist nach Borghesi (Oeuvres, IV, p. 209) gestattet, dass er in
seiner Eigenschaft als Centurio der IV. Legion bowoI die sarmatischen
a^ dacischen Feldzüge mitmachte. Die Verwendung dieser Legion in
beiden dacischen Kriegen Tr%jans wird übrigens durch ein Fragment
WiMuratori, p. 768, 8 (vgl. Bullet, dell' Inst. 1845, p. 132, n. 10 mit
Fragment n. 9) evident bewiesen.
78 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
zahlreiche Auxiliartruppen zur Seite, wie wir besonders aus
der bildlichen Darstellung der Feldzüge auf der Trajaussaule
Für die XIII. Gemina: Henzen 6853.
Für die I. Min er via s. oben S. 75 Anmerkung 3. Da sie am
ersten dacischen Kriege nicht Theil nahm, so konnte sie damals auch
nicht unter dem Befehle des L. Licinius Sura gestanden haben, wie
Aschbach (Donaubrücke S. 3) imd nach ihm FrÖhner, p. 14 annehmen.
Sein Commando der Leg. I. Min. gehört in eine viel frühere Zeit, vgl.
Henzen, n. 5448.
Für die Leg. I. Adiutrix verweist Fröhner auf Append. n. 15 =
Henzen 6490 (Borghesi, Oeuvres IV, p. 214). Zeile 4—8 dieser einem
T. lulius Maximus gewidmeten Inschrift lauten:
LEGAVGLEGmFLÄVIAELfiG.AVGLEG.I.ADIVT) ricis • leg
itRIDICO ■ HISP . CITERIOR • TARRACÖNfiNS • PR • A.^ ed corq
PRÖVINCIAE . HISP • VLTERIÖRIS • BAETICAE • DONKisdonato
BELLO . DACICO • CORONlS • MVRALI • ET • VALLÄRI • I f tem - arg
VfiXILLO . TRIB . MIL • LEG • V • MACEDONIC • SfiVIRO V equitum
Offenbar hat T. lulius Maximus die hier erwähnten Ehrengeschenke
nach einem dacischen Kriege nicht als Legat der I. Adiutrix, sondern
als Militärtribun der V. Macedonica verdient; die Form des corsus
bonorum lässt hierüber keinen Zweifel.
Was die V. Macedonica betrifft, so wird ihre Herbeiziehung zum
dacischen Kriege Trojans von Aschbach und Fröhner, a. a. 0. ange-
nommen; aber die eben angeführte Inschrift bietet keineswegs einen
sichern Beweis, da der Kaiser, durch welchen T. lulius Maximus belohnt
wurde, nicht genannt ist; möglicherweise geschah es unter Domitiau
(C. de la Berge, Revue Critique, 1866, n. 4, p. 52). Genauem Aufschluss
könnte uns die Inschrift bei Henzen, n. 5451 geben, wenn sie nicht an
der entscheidenden Stelle verstümmelt wäre.
Für die Leg. II. Adiutrix beruft sich Borghesi (Oeuvres IV, p. 206)
auf die Inschrift Orelli 799 = 3048, die sehr verdächtig ist, vgl. Hen-
zen, Annali delP Inst. 1862, p. 144 und seine Anmerkung zu Borghesi
a. a. 0. (11).
Für die Verwendung der Leg. XI. Claudia fehlt jedes Zeugniss.
Uebrigens hätte sie unmöglich von L. Minicius Natalis, dem Sohne,
befehügt werden können, wie Fröhner p. 14 vermuthet; dieser war
nur Tribun der XI. Claudia gewesen (Henzen, n. 6498) und zwar nach
dem dacischen Kriege (n. 5450).
Das Gleiche gilt mit Bezug auf die Leg. X. Gemina Die Inschrift
bei Gruter, p. 437, 7 = Fröhner, Append. n. 21 besagt, dass Q. Pri-
feruus Paetus als Praefect der ala I. Asturum, nicht als Tribun der
Leg. X. Gemina nach der expeditio Dacica von Trsyan decorirt wurde:
-- — PRAEF . COH • III . BREVC • TRIB- Leg- X- | GEMPRAEF- ALAE-
I . ASTVRVM DONIS | MILIT • DONATO IN EXPED ■ DAC • AB • IMP • |
n. Die dacischen Expeditionen. 79
erkennen. Wir finden hier Germanen^ die mit Keule oder
Schleuder bewaffnet sind^), Sarmaten^), mauretanische Reiter^)
Tind andere Hülfs Völker^ dereuHerkunft schwer zu erkennen ist.*)
Unter den hohen Offizieren^ die Trajan in seinen General-
siab berief, erscheinen die Statthalter von Pannonien und
CAESTßAIANO HASTA PVRA VEXILLO | CORONA MVRALI PßOC •
PROVINC . SICILIAE.
Fröhner, p. 14, läset endlich auch die Leg. XII. Fulminata
laofl dem Orient) herbeikommen, zafolge der Inschrift bei Henzen, n.
6777 = Fröhner, Appendix, n. 22: Q RAECIO Q F | GL RVFO | P P
LEG XÜFVLM | TRECENARIO i DONISDON AB IMPE | VESPASIAN
ET TITO IMP I BELL IVD AB IMP TRAI , BELL DAC PRINC PRAET |
TREBIA MF- PROCVL | MARITO | T P I. Aus diesem Docamente
geht hervor, dass Q. Raecius Rufus unter Vespasian Primipilus der 12.
Legion war, im dacischen Kriege Trajans dagegen Anführer eines prae-
toriachen Corps. — Ein entscheidendes Argument fttr die Verwendung
der XIL Legion erblickt Fröhner in dem Emblem eines geflügelten
Blitzes, das auffallend häufig auf den Schildern an der Trajanssäule
wiederkehrt. Aber gerade diese Wiederholung, sei sie eine absichtliche
oder zufäJlige, beweist, dass nicht die Soldaten der XII. Legion allein
I wenigstens zur Zeit Trajans) dieses Abzeichen trugen; den Bas -Reliefs
zafolge hätte sie sonst im dacischen Kriege die bedeutendste Rolle ge-
spielt, wobei nicht zu erklären wäre, wie eine solche Aufzeichnung in
ihren Denkmälern spurlos vorübergegangen sein sollte, üeber ihren
griechischen Namen tö Kcpauvoqpöpov (Dio Cass. LV, 23) vgl. Borghesi,
IV, p. 233 und die Anmerkung von Uenzen.
1) Santi Bartoli, la Colonna Traiana, Tav. 27. 49. Fröhner, Descri-
ption n. 86, p. 138.
2) Bartoli, Tav. 46. Sie tragen Heim mit Schuppenpanzer.
3) Eine Gruppe derselben erscheint schon im ersten dacischen Kriege:
Bartoli, Tav. 43, Fröhner, p. 112, 113. Die Darstellung entspricht genau
der Beschreibung Strabons, XYII, 3 §. 7. Ihr Haupthaar ist sorgsam
gekiÄuselt; sie sitzen auf ungesattelten Pferden, und lenken dieselben
mit einem Zaum aus Stricken, der um den Hals geschlungen ist. Cia-
eonias, dem wir die erste, sehr verdienstliche Beschreibung der Bas-
Heliefs auf der Trajanssäule verdanken (Historia utriusque belli Dacici
& Traiauo Caesare gesti, ex simulachris quae in columna eiusdem Romae
visantar collecta, anctore F. Alfonso Ciacono Hispano, Romae 1576,
11—42), erkannte in dieser Gruppe germanische Reiter (u. 198, p. 27),
irregeleitet- durch die ungenaue Zeichnung Muziano's.
4) In den Bogenschützen bei Bartoli, Tav. 49, 50, 82, 83 erkannte
Ciaconius, n. 275 Pannonier, Illyrier und Dalmaten, Fröhner, p. 138 da-
gegen Parther. Nach der Kleidung zu schliessen, sind es wol ebenfalls
Sannaten.
80 Johannes Dierauer: Geschichte Tr^ans.
MösieO; Q. Glitius Atilius Agricola ') und M\ Laberius Maxi-
mus ^); sie wurden unmittelbar nach dem ersten Feldzn^e im
Jahre 103 für ihre Verdienste mit dem üonsulate belohnt^);
wahrscheinlich führte jeder den Oberbefehl über mehrere
Legionen. L. Licinius Sura^ dessen Einfluss auf die £nt-
schliessungen Nervals bei der Wahl eines Nachfolgers wir be-
rührt haben^ war Generaladjutant des Kaisers ohne bestimmtes
Commando.^) L. Minicius Natalis^ Consul wahrscheinlich im
Jahre 107; befehligte eine nicht mehr näher zu bestimmende
Legion^). P. Aelius Hadrianus stand im zweiten Krieg^e an
1) Zahlreiche Turiner Inschriften geben uns über die Geschichte dieses
Mannes Aufschluss (Marmora Taurinensia, I, p. 185 [griechisch]; 11, p.
25—29, die jüngste auf S. 27, denn dort ist seine praefectnra urbis er-
-wähnt; Henzen, n. 5449). Unter Nerva war er Legat yon Belgien und
als solcher vielleicht der unmittelbare Vorgänger Sura's, vgl. Henzen,
n. 5448. Ohne Zweifel war er der letzte Statthalter der imgetheilten
Provinz Pannonien; denn schon im Jahre 107 lässt sich die Theilung
in Pannonia inferior und Pannonia superior mit prätorischen Legaten
bestimmt nachweisen (Ilenzen, Iscriz. onor. d^Adriano, Annali deü*
Inst. 1862, p. 155).
2) Plin. ad Traian. 74 ed. Keü. Dio Cass. LXVIII, 9. Wir wissen
nicht, welche der beiden mösischen Provinzen er verwaltete. Borghesi,
Oeuvres III, p. 185 glaubt, dass die Theilung von Mösien entweder noch
unter Domitian oder im Anfange der Regierung Trojans erfolgte.
Ersteres ist nach Henzen, Annali dell' Inst. 1857, p. 19 wahrscheinlicher.
3) Orelli, n. 4115. Henzen, n. 5442, vgl. Mommsen im Hermes, III,
S. 126 ff.
4) Henzen, n. 5448. Borghesi, Annali dell'Inst. 1846, p. 343, hat
bewiesen, dass sich dieses Fragment (der Name fehlt) auf L. Licinius
Sura bezieht. Die eigeuthümliche Stellung, die er in den dacischen
Kriegen einnahm, wird angedeutet durch die Worte: SVBEODEM-
DVCE (sc. Traiano) • LEG • PßOPR • Die doppelte Zahl seiner Decora-
tionen (AB EODEM . DONATO • HASTIS • PVRIS • VIII ■ VEXILLIS •
VIII . CORONIS MVRALIB • II • VALLARIB • H ■ CLASSICIS II • AVRA-
TIS • II •) beweist, dass er Trajan in beiden Kriegen begleitete (die
Zahlen sind z. B. bei Q. Glitius Atilius Agricola [Henzen, n. 5449], der
so viel man sieht, sich nur am ersten Kriege beüieiligte, nur halb so
gross: hastis puris iül • VEXILLIS • IUI • CORONA vallari etc.).
5) In der fragmentarischen Inschrift bei Henzen, n. 5450 fehlt der
Name der betreffenden Legion. Ueber sein Consulat im Jahre 106
oder 107, vgl. Mommsen, Inscr. Regni Neapel, n. 4496 = Henzen,
n. 7081, und Hermes, HI, S. 46 A. 6. Sein Gollega war Q. Lici-
nius Silvanus Granianus, ohne Zweifel dieselbe Person, die wir mit
II. Die dacischen Expeditionen. 81
der Spitze der Legio I. Minervia.^) Unter den übrigen
Führern sind Claudius IdvianuS; der Chef des kaiserlichen
Gardecorps ^^ und besonders der Mauretanier Lusius Quietus
za nennen. Nach einer glaubwürdigen Ueberlieferung stellte
üich dieser mit einem mauretanischen Eeitergeschwader frei-
willig ein ; er hatte schon früher im romischen Heere gedient,
aber wegen eines unbekannten Fehlers seine Entlassung ver-
wirkt: im dacischen Kriege gedachte er seine Schuld durch
Heldenthaten zu sühnen.^)
Ausgangspunkt der Expedition war ohne Zweifel das
Standlager der Leg. VII. Claudia , Viminacium, einige Stunden
unterhalb der Einmündung der Morava in die Donau, wo
gegenwäiüg Kostolac liegt. In der Nähe dieses Ortes, bei
dem heutigen Rama, setzte Trajan mit einem Theile seines
Heeres auf einer Schiffbrücke über die Donau, während eine
andere Abtheilung, so viel sich vermuthen lässt, den Lauf des
Hasses rechts weiter verfolgend bei Kolumbina, dem alten
Taliatis, ihn überschritt und gegen Alt-Orsova (Tierna) vor-
drang. Die beiden von Lederata (ßama gegenüber) und von
fiuem zweiten Cognomen, '(iranianus*, auf verschiedenen spanis('hen
Inächöflen finden. Mommscn, Bull, deir Inst. 1846, p. 45, not. 1.
J) Siehe oben S. 75, Anmerkung .3.
2.1 Dio Caas. LXVIIl, 9: KXaubtoc Aißmvöc ö ^irapxoc.
.H) Ein werthvoUes Fragment des Dio Cassius (LXVJII, 32) gibt uns
rilj«r diese Dinge Aufdchluss: 6ti KufjToc AoOctoc (so Bekker; Keimar:
KOvToc Aoucioc; Euaebius, Histor. Eccles. IV, c. 2: AoOkioc Kuf|Toc;
Euseb. Chronic. Can. ed. Alfr. Schöne: Auciac Kövtoc; nach Spart.
Hadr. c. 5, 8 ed. Peter moss man sich für die Form Lusius Quietus ent-
scheiden) Maöpoc }iiv f\v, xal aÖTÖc tuiv MaOpuiv dpxuiv, Kai iv linrcO-
civ iXi]c dHr|CTaTo, KaraTvujcOclc h^ ini ttov^piq. töt€ h^v Tf\c crparefac
<iirT)XXdTri xal /|Tl^ul01l, (tcTcpov bi toO Z^qkikoO itoX^^ou 4vcTdvToc xal
Toö TpaiavoO Tf4c täiv Maupwv cumnaxtoc b€ii9^vToc t^XG^ t€ irp6c aO-
Töv aÖTcirdTT^XToc kgI fütCTdXa ipya dircbciSaTO. Das folgende ti^itiGcIc
^ ^iri T0ÖT141 voki) irXctui koI ixeHiu kv Ttli beuT^pip iroX^jLiifj ^HcipydcaTO
Wzieht sich auf den parthischen, nicht mehr auf den dacischen Krieg.
Themigtius, Oration. XVI, ed. Dindorf, Lips. 1832, pag. 250, versichert
üQsdrücklich, dass Lusius Quietus einem den Römern nicht unterwor-
fenen afrikanischen Districte angehörte: dXX* oi)hi *Puj)iaTov övra
Töv fivöpa, dXX' oöö^ Aißuv U xfjc öittiköou AißOric, dXX* kl dööHou Kai
'nlpreuch. z. Rom. Ka58erg<»sch. I. ß
82 Johannes Dierauer: (teschichte Trsyans.
Tiema ausgehenden Strassen zogen sich zum Eisernen Thor-
Pass hinauf^ und vereinigten sich bei Tibiscum, das am Zu-
sammenflusse der Temes und der Bisztra zu suchen istJ)
Dass Trajan für sich die erstere Richtung wählte, ist mit
Sicherheit aus einem bei Priscian erhaltenen Fragmente seiner
Memoiren über den dacischen Krieg zu entnehmen-, die darin
erwähnten Stationen Berzobis und Aizi entsprechen oflFenbar
1) Ich folge im Allgemeinen Aschbach, Donaubrücke, S. 4 und S. 9 — 12,
sowie Fröhner, der p. 17 die von Viminacium ausgehenden Strassen-
züge nach der Tabula Peutingeriana, dem Itinerarium Antonini, Ptole-
mäus und Procopius übersichtlich zusammengestellt hat. Dass eine
Schiffbrücke in der Nähe von Viminacium über die Donau gebaut wurde,
ist sicher, sie ist auf der Trajanssäule abgebildet (Bartoli, Tav. 4. 5.
Fröhner, p. 71). Ueber den Ort herrscht nicht volle Klarheit. Jedes-
falld kann sie aber nicht, wie Aschbach glaubt, bei Viminaciuizi selbst
geschlagen worden sein. Der directe Strassenzug von Virninacium nach
Tibiscum führte zunächst nach Lederata, das auf der Tab. Peuting.
noch auf dem rechten Ufer der Donau angegeben ist, unzweifelhaft aber
auf das linke gehört. Es lag an der Stelle des heutigen Uj>PalaDka
(Böcking, annotat. ad. Not. Dignit. I, p. 481, Aschbach, S. 11, Fröhner,
a. a. 0.). Nach Procopius (de aedific. p. 287, ed. Dindorf; Bonn 1838)
war auf dem diesseitigen Ufer, Lederata gegenüber, das Fort Noßai
(Tab. Peut.: ad Novas; Itin. Anton.: Novas); diese Angabe ist entweder
ein Irrthum oder muss vielleicht nicht im strengen Sinne genonunen
werden (Böcking, a. a. 0.), denn die Entfernung von Yiminaciuns^ nach
Lederata beträgt X M. P. , nach Ad Novas dagegen XXXVI M. P.
Genauer würde Pincum (auf der Tab. Peut. irrthümlich Punicum) zu-
treffen (Entfernung von Viminacium XIII M. P.); in der That verlegt
Böcking diesen Ort an die Stelle des jetzigen Rama, gegenüber Uj-Pa-
lanka, ungefähr 3 geographische Meilen unterhalb Eostolac (p. 475 fi.)-
Wäre diese Ansetzung richtig, so müsste die Entfernung nach Lederata
grösser sein, als die nach Pincum, sie ist aber nach der Peut. Tafel
umgekehrt kleiner. Es scheint mir daher, dass uns der Name des römi-
schen Forts, das der Lage nach dem heutigen Rama entsprechen würde
und bei welchem Trajan zur Verbindung mit Lederata eine Schiff-
brücke bauen liess, nicht überliefert ist. Pincum lag an der Strasse,
die von Viminacium dem Laufe der Donau auf dem rechten Ufer abwärts
folgte; wahrscheinlich zog sie sich nicht um den langgestreckten Hügel
herum,, der den Fluss nöthigt, zwischen Kostolac und GradiSte eine
weite Biegung nach Norden zu machen. Vgl. Eanitz, die römischen
Funde in Serbien, Sitzungsber. d. k. Akad. d. W. Bd. XXXVI, p. 196 fl.
und das zur Orientinnig beigegebene Kärtchen, aus welchem ersicht-
lich ist, dass Rama auf dem nördlichsten Punkte joner Halbinsel liegt.
In seinen neuesten Untersuchungen (Mittheil. d. k. k. Centralcommiaaio«
IL Die dacischen Expeditiofien. 83
den auf derPeutmgerschen Karte im Srassenzuge von Lederata
nach Tibiflcum angeführten Orten Berzovia und Ahihis.^)
Decebalus hatte unterdessen^ wie es scheint^ Verbindungen
mit sarmatischen^) und germanischen Stammen angeknüpft.
Eine Anzahl solcher Stamme, die Burer an der Spitze^
liesseu Trajan eine formliche Warnung zukommen und ihn
zum Rückzuge mahnen.'^) £r war natürlich nicht in der
XII, 8. 49 ff. ] verlegt Kanitz das alte Lederata ohne genägende Gründe
aaf das rechte Donaunfer.
1; PriBciani Institationum gramraaticarum Lib. VI, 13, ed. Hertz
p. 206; Traiamut in I Dctcicor^im: inde Berzdbim, deinde Aizi pro-
cessimus.
2) Auf der Trajansaäule sehen wir za wiederholten Malen sarma-
tische Reiter (Ciacouius, n. 147, 161; Bartoli, Tav. 22, 27). Sie tragen
einen Helm und sind im üebrigen, gleich ihren Pferden durch einen
Schappenpanzer geschützt, den sie ans Pferdehnfen verfertigten, vgl. Paa-
aan. 1, c. 21, §. 6, ed. Dindorf^ Paris 1845: CuXXcHdM^voi bi läc öiiXäc iKKa-
6i^)pavr^c T€ xai fticXdvTcc iroioOciv dir ' aöruiv ^^fpepf) bpaKÖvrwv <poX{-
civ. TaOra ftiarp/^cavTcc xal vcupotc Yttitutv koI ßouiv cuppdipavTCc
Xpwvrat edipaHtv oürc ci^TrpcTrcfqL tuiv *€XXr]viKdiv dTroö^ouciv oÜtc dcOc-
vccT^poic. Pröhner weicht ?on Ciaconius' Ansicht, die durch Fabretti,
de Colomna Traiaui Sjmtagna, Rom. 1683, p. 109 sqq. eingehend be-
gründet wurde, ab und erklärt jene Reitergruppen für Parther (p. 96, 101).
Aber schon Fabretti, p. 111, hat mit Berufung auf Plutarch. Lucullus,
28 geieigt, dass das Costflm der parthischen Reiter sehr wenig mit dem
auf der Trajanssäule dargestellten übereinstimmt. Allerdings bestanden
in jeuer Zeit freundschaftliche Beziehungen zwischen Decebalus und
Pacoms (Plin. ad Traian. 74) : von Hülfeleistung des Partherkönigs aber
▼emehmen wir nichts. Allem Anscheine nach wurde Trajan nicht vor
dem Jahre 113 oder 114 zu einem Kriege gegen die Parther herausge-
fordert, denn Julianus, Caesares, p. 23, lässt ihn sagen: irpöc TTap6ua(-
ouc ö^, irptv niv döiKclcOai irap' a(jTUL»v, oOk di6^iiv &elv xP^c9ai toIc
ovXoic dbtKoOciv bi ^ncEt^XOov, o^biv öit6 tt^c r|XiK{ac KUjXueeic xai-
Toi btbövTuiv ^ot Tuiv vöfiuiv TÖ jif| CTpaTcOcceai. Mit Recht verweist
C. de la Berge, Revue Critique 1866, n. 4, p. 55 auf diese Stelle.
3; Dio Cassius, LXVIII, 8: CTparcOcavTi bi rw Tpaiavu) Kard xiuv
doLKfSiy Kai Tctic Tdnatc £v6a £cTpaToir^&€uov ol ßdpßapoi, iiXr)CidcavTi jitu-
«TC pitfüc 1^poc€Ko^lc8T] , ypd)i|üiaci Aarivoic X^t^Jv öti dXXoi t€ tüjv
c\l^^dxulv Kai BoOppot napaivoOci Tpaiaviü Ö7r(cu) diti^vai Kai €lpnvf)cai.
IHese Nachricht klingt so sonderbar, dass ich sie nicht ihrem ganzen
Cmfange nach aufzunehmen wage. Kann ein Schwamm überhaupt als
Sehreibmaterial dienen? Man denkt an eine Form mit breitem Dache,
aber gerade solche Schwämme erhalten sich nur kurze Zeit. Zwar be-
deutet pOkt)C auch 'die metallene Spitze oder Kappe einer Degenscheide»
84 Johannes Dieraner: Geschichte Trajans.
Lage, ihre Vorstellungen zu berücksichtigen; und wies auch
die Friedensanträge ab, die eine dacische Gesandtschaft ihm
(Thesauros linguae graecae, s. v.); dass man Tri^'an unter dieser Form
eine Botschaft überbrachte, ist ebenso unwahrscheinlich, und I>io
Cassius denkt offenbar, nach dem beigefügten ^iyac zu achliessen,
an einen Schwamm. Vielleicht liegt aber ein Irrthum vor; mög-
licher Weise schrieb Dio Cassius 'XuKfi', das unter der Hand ein^s
Copisten in '^üktic' übergieng, worauf Xiphilinus, um die auiTallendo
Nachricht wahrscheinlicher zu machen, 'fui^yac' hinzufügte. Eigenihüm-
lich ist auch der Umstand, dass die Warnung in lateinischer Sx>rache,
oder wenigstens mit lateinischen Buchstaben geschrieben war. Dio
Stelle bildet ein völliges Räthsel. — Fröhner, p. 79, glaubt, dass die
Gesandtfichafb der Burer auf der Trajanssäule dargestellt sei (bei liar-
toli, Tav. 8; galvano - plastische Nachbildung der Säule im Loiivn»
[Pavillon Denen], erste Trommel, 2. Undauf): Un Germain, relu d'une
chcmise grossiere et arme d'une vutssue (man erkennt diese nicht deut
lieh), est alle ä la rencontre de Vanpereur. Ä Vaspect de Trajan et dt
ses licute^nants, ... «7 tmnhe de son imilet, soit par acddetit, soit par fray-
eur. Ce Gemmin est le viessager des Eures, luition voisine de la IJacie;
il apporte une missive ecrite en caracteres latins sur un grand Cham-
pignon poreiix^ et par laqueUe an cmiseille ä Trfj^jan de faire la jmix
et de retirer prompt ement ses troupcs. Fröhner hält also den runden
Gegenstand, der den Rücken des Thieres zum Theil bedeckt, für einen
Schwamm. Diese Erklärung, die schon Fabretti, Syntagma. p. 17 gab
(gegenüber Ciaconius, der an ein 'Sieb' dachte, n. 85), ist gewiss un-
richtig. Jener Gegenstand stellt eine kreisrunde, flache Scheibe dar,
die auf der linken Seite noch ganz sichtbar von einem erhabenen liande
begrenzt ist; rechts und oben ist der Rand in Folge der Verwitterung
weggefallen. Fast mitten über die Fläche der mit kleinen, runden und
ungeordneten Verüefimgen versehenen Scheibe läuft der ausgestreckte
Arm des am Boden liegenden Mannes, in der Weise, dass der Zeige-
finger der Hand bis an den Rand derselben reicht Wahrscheinlich ist
die Scheibe am Rücken des Thieres befestigt; wenigstens lässt sich von
einer Verbindung mit dem Arme, wie sie z. B. auf' einer Nachbildung
dieser Scene in Gyps im antiquar. Museum zu Leyden willkürlich durch
Hinzufügung von Schildriemeu dargestellt wurde, keine Spur entdecken.
Verglichen mit den Dimensionen des Pferdes oder Maulthiers hat der
Gegenstand einen Durchmesser von 2 — 27^ Fuss. — Es erhellt nach
dieser Beschreibung, dass hier von der Abbildung eines Schwammes
nicht die Rede sein kann; der Künstler hätte einen solchen nicht als
ebene Fläche, sondern als gewölbten Gegenstand, vor Allem ohne erha-
benen Rand dargestellt. Vielmehr dürfte es sich um einen Schild han-
deln, wobei die erwähnten Vertiefungen als Verzierungen der Auaseu-
seite zu betrachten sind. Wir finden in der That diese Art der Ver-
zierung auf der Trajanssäule noch einmal, am Schilde eines Daders
11. Die diuji>*chen Expeditionen. 85
vorlegtet) Es begaun also der blutige Kampf. »Sicher kam
{Lonvre, 2. Trommel, 2. Umlauf). E» betrifit den Schild des obcreien
der auf Ta?. 30 bei Bartoli dargestellten Dacier; die Abbildung ist
ungenau.
1) Excerpta e Petri Patricii Uist. 4, Bonn, 1829, p. 123: öti Ac-
K^ßoXoc irpöc Tpatavöv irp^cßcic £1re^^l€ inXo96pouc* oOtoi ydp cki irap'
aCrrok ol TifuudiTcpoi. TTpÖTcpov yäp KOjiifiTac lirc^ircv, cötcXcct^-
pouc öoKoOvrac irap* aÖToIc elvai. 4k€1voi bi ^XGövtcc ^rri toO Tpa'ia-
voO {ppiHiav Kai tä öirXa , xal rdc x^pcLC öiticScv &i^cavT€C ^v alx^aXtii-
Tuiv TdSet ^b^ovTo ToO Tpa'iavoO clc X6touc dXOetv A€K€ß<iXip. Hier sind
ako Kwei Gesandtschaften deutlich auseinander gehalten; zuerst schickte
Decebalus ^comati', d. h. Männer von geringerem Stande, dann 'pilo-
phori', Angesehene, die in demüthiger Form Trajan baten, mit Dece-
baloB sich über eine persönliche Zusammenkunft zu vereinigen. Im
Anazuge des Xiphiünus sind diese Verhältnisse verwirrt. Hierheisst es:
Ti]viKaOTa 6 AcK^ßaXoc irpkßeic fircfi^ic (LXVIU, 8 s. fin.). *67r€iT6^q>€i
fliv KUl irpö TffC 1\lTr\C np^CßCtC, OÖK £tI TUIV K0^T1TUIV, ÜJCITCp
irpörepov, dXXd TiSkvniXocpöpiuv toCic dpicTouc xal ^KCtvoi rd t€ örrXa
j^ii|pavT€c, Kai touroOc €ic Tf|v yi^v KaTaßoXövrec, £6€f)6ncav toO Tpa'iavoO,
MdXtcTa niy aijrCjt ti|i AcxcßdXiu xal ^c öhjiv koI ic Xöyouc aOroO dX6€lv,
tiic Kai irdvra Td K€XeucOr|c6Meva iroirjcovri, ^iriTpairf^vai (c. 9, ed. Tauch-
nitz, Lips. 1829). Auch hier ist von zwei Gesandtschaften die Rede,
aber man erkennt nicht genau, welche von denselben vor oder nach
der Niederlage (bei Tapae, vgl c. 8) erschien. Doch lässt sich aus den
Worten: oOx in tuiv xojiiiiTüiv, UJCTrep itpÖTCpov schliessen, dass Dio
Cassius früher die Gesandtschaft der comati als die erste erwähnt haben
wird; erst nach der Niederlage entschloss sich Decebalus zur Absen-
dung vornehmer Unterhändler. Dieses Verhältniss wird durch eine Ver-
gleichung mit dem angeführten Ezcerpte des Petrus Patricius klar. Um
den richtigen Sinn bei Dio Cassius herzustellen, müssen wir den Satz:
^ic€iröfi<p€i )i^ xal npö tt^c fjTTiic irp^cßcic in Parenthese setzen, wo-
durch oux Iti Tütv xo)inTiXiv unmittelbar auf TiivtxaOTa ö Acx^ßaXoc
iipkßeic £ii€)uiipe bezogen wird. — Nun ist aber zu bemerken, dass nach
einem Ezcerpte des Ursinus, das Bekker aufgenommen hat, der Schluss
von c. 8 wesentlich von der angeführten Form abweicht Er lautet: rr^vi-
Kaura ö Aex^ßoXoc irp^cßcic tiiiit^ac touc dpicTouc tuiv triXotpöpuiv, xal
öl' aÖTvliv ToO aÖTOxpdTOpoc &€nO€ic, oOb^v ö Ti oöx ^Toijiwc tOjv irpoc-
TaxB^VTUiv äcx€ cuv0^c6ai. Dieser Passus besagt mit Ausschluss der von
mir vorgeschlagenen Parenthese das Gleiche wie der Anfang des fol-
genden Capitels ; um also die Verwirrung nicht noch grösser zu machen,
darf er nicht als integrirender Bestandtheil des Xiphiliuischen Textes
betrachtet werden. Ob der Satz: oöft^v ö ti oOx ^to(|L(Uic tul»v irpocTa-
xO^vTurv fcxe cuvO^cBai hierher gehöre, ist zu bezweifeln: er wiederholt
«ich wörtlich in c. 9. — Die ersten dacischen Gesandten erscheinen auf
der Säule wirklich noch während des ersten Feldzuges im Jahre 101
86 Johanne» Dierauer: Goschiclito Trajans.
es noch im Jahre 101 zu einem Gefechte ^ das aber iiiclit
von entscheidender Bedeutung war. Es wurde sehr viel Zeit
auf die Anlage von Strassen und Festungswerken verwendet,
und dabei ein ZusammentreflFeu mit dem Feinde vermieden.
Dieser Feldzug trug also den Charakter umsichtiger Vorbe-
reitung für die grossem Unternehmungen des nächsten Jahres.
Allem Anscheine nach gelangte Trajan vorerst nicht über den
Eisernen Thorpass hinaus^ aber dafür hatte er jenseit der
Donau eine gesicherte, ziemlich weit vorgeschobene Operations-
basis gewonnen.*) Er liess also sein Heer in dem eroberten
Gebiete die Winterlager beziehen.')
Im Frühling des Jahres 102, nachdem für neue Zufuhr
gesorgt war, wurde der Angriff mit grösserer Nachhaltigkeit
wieder aufgenommen.^) Bei Tapae, an der gleichen Stelle,
(Bartoli, Tav. 20; Fröhner, p. 94, 96); sie tragen lange mit Fransen
besetzte Mäntel und haben keine Kopn)edeckung.
1) üeber jenes Gefecht vgl. Bartoli, Tav. 17; Ciaconius, n. I3i?;
Fröhner, p. 89. Fröhner halt dasselbe für die bei Dio Cassius, LXVIll,
8 erwähnte Schlacht bei Tapae ; ich gehe auf diese Ansicht unten näher
ein. — Eine Reihe von DarsteUungeu beziehen sich auf die Festungs-
banten; s. Bartoli, Tav. 9—14.
2) Wir sehen auf der Säule, wie ein solches Winterlager von den
Daciern angegriÖen wird (Bartoli, Tav. 22. 28). Die Ansicht FrÖhners
(p. 96), dass in einer Scene am Schlüsse des ersten Feldzuges (bei Bar-
toli Tav. 22) dargestellt sei, wie dac. Eeiter bei einem beabsichtigien
Ueberfalle der mösischen Lager auf der überfromen Donau durch
den Bruch des Eises umkamen, ist wol iiiolit zutreffend. An einen
Rückzug des römischen Heeres nach Mösien beim Einbrechen des Win-
ters, also an ein Preisgeben des bereits eroberten Gebietes, kann man
füglich picht denken; gewiss blieb dasselbe, wenigstens soweit die Be-
hauptung der angelegten Forts es erforderte, jenseit der Donau. In
beiden Fällen bleibt ein Versuch der Dacier, den Fluss au überschreiten,
gleich unwahrscheinlich. Der Vorfall geschah also in Dacien selbst.
Die Art der Darstellung, besonders ihre Einschiebung zwischen Scenen,
die unzweifelhaft auf dacischem Boden vorfielen, dürfte jeden Zweifel
heben. Welch anderer Fluss statt der Donau bezeichnet ist, können
wir nicht bestimmen; Ciaconius, n. 146, dachte an die Theiss, welcher
Ansicht ich eben so wenig beizupflichten vermag.
3) Gewiss hat Fröhner richtig erkannt, dass nach jenem Kampfe
um das Winterlager auf der Säule ein neuer Cjclus von Darstellungeo
beginnt, die sich auf den Feldzug des Jahres 102 beziehen. In der
II. Die docitjchen Expeditionen. 87
wo 12 Jahre früher Tertius Julianus einen erfolglosen Sieg
erfochten hatte , erlitten die Dacier eine blutige Niederlage.
Nähe einer Stadt, neben welcher sich ein Amphitheater erhebt, werden
Lebensmittel auf Schiffe verladen. Tr%jan steht mit zahlreicher Be-
gleitong am Ufer und scheint sich einschifiPen zu wollen (Ciaconius, n.
151 sqq.; Bartoli, Tav. 33; Fröhner, p. 97). Dann folgt, durch einen
Bogen mit Quadriga getrennt, die Darstellung der SchifiPfahrt selbst
Bartoli, Tav. 24), endlich (Tav. 25) Landung und Ausladen der Fracht.
Nach Fröhner hielt sich Trajan im Winter von 101 auf 102 in Rom
auf und schiffte sich im folgenden Frühling in Ariminum wieder ein,
60 das8 wir also hier die Fahrt auf dem adriatischen Meere zu erkennen
hatten. Mehrere Grande veranlassen mich, von dieser Coi\jectur, so
annehmbar sie auch scheint, abzugehen und Ciaconius' Ansicht: 'Traia-
nns Augustus per Istrum libumicis vectus' (n. 162) festzuhalten.
I) Von einem Aufenthalte Trajans in Rom während der genannten Zwi-
acbenaeit liegen keine Beweise vor; erst nach dem Friedensschlüsse im
Jahre 102 erwähnt Dio Cassius dessen Rückkehr nach Italien (LXYIII, 9).
i\ Hätte es überhaupt in der Absicht des Künstlers gelegen, Be-
gebenheiten darzustellen, die ausserhalb des Kriegsschauplatzes oder
dessen unmittelbarer Nähe vorfielen, also z. B. die Reise Tr%jans von
Rom nach Mösien, so würde er eine Andeutung derselben am aller*
wenigsten zu Anfang versäumt haben. Wir werden aber sogleich (Tav.
4) an die Donau versetzt. 3) Allerdings hatte Rimiiii ein Amphitheater;
(lies hindert aber nicht, auf Tav. 23 an eine Donaustadt zu denken (vgl.
auf Tav. 75 das Amphitheater neben der Donau- Brücke). 4) Jener
Bogen, den Fröhner für den Triumphbogen des Augustus in Rimini
erklart, hat nur die Bedeutung eines Trennungszeichens für die vor
nnd hinter demselben dargestellten Scenen der Einschiffung und der
Fahrt. Gewöhnlich hat der Künstler seine Scenen durch Zeichnung
eines Baumes geschieden, der den Plan von unten nach oben durch-
schneidet (vgl. BartoU, Tav. 8, 19, 21, 23, 27, 28 etc.; es lassen sich
^5 — 30 Stellen nachweisen); aber oft verwendete er da, wo ein Baum
anpassend schien, einen Bogen (Bartoli, Tav. 4, 34, 62, 67, 76/76). Eben
dies war hier der Fall, wo zwei Bildergruppen auf einer Wasserfläche
getrennt werden mussten. 5) Unter den Schiffen bemerken wir Biremon,
aber auch solche mit nur einer Ruderreihe, endlich ganz einfache
Fluaskähne, die man zu einer Fahrt über das Meer unmöglich hätte
benaUen können. 6) Trajan landet nicht, wie Fröhner p. 100 vermuthen
mdchie, bei einer Stadt in Istrien, sondern auf dacischem Gebiete, denn
onmittelbar nachher (Bartoli, Tav. 26 fl.) sehen wir den erneuerten
Kampf beginnen; so erklärt es sich, warum bei der Landungsstelle
ein Trennungszeichen fehlt: wir müssten uns wundern, wenn der Künstler
ohne jede Andeutung einen plötzlichen Sprung von der adriatischen
Küste nach Dacieu gewagt hätte. 7) Auf Tav. 33 und 34 wiederholen
«äch ganz ähnliche Vorgänge (noch im ersten Kriege); wir erkennen
88 Johannes Dierauer: Geschichie Trojans.
Aber auch für die Romer müssen die Verluste bedeutend ge-
wesen sein. Es wird erzählt; dass Trajan sein eigenes Ge-
wand in Streifen schnitt^ da es an Verband für die zahlreichen
Verwundeten fehltet)
Decebalus schickte hierauf Gesandte aus dem Stande der
Edlen ; die sich durch eine mützenartige Kopfbedeckung vor
den Nicht -Adeligen auszeichneten.^) Er liess Trajan bitten.
eine Bireme, dann ein einfaches Flassschiff, aus welchem Lebensmittol
ans Land geschafR; werden. Hier kann man um so weniger an das
Meer denken (FrÖhner, p. 107, sagt ausweichend: Trsg'an s'embarque
de nouveau), als gleich darauf eine Schiffbrücke folgt. — Nach dicson
Erwägungen (auf die Uferscenen zu Anfang des zweiten dacischen Krie-
ges komme ich zurück) dürfte es entschieden sein, dass bei Bari.oli,
Tav. 23 fl. die Fahrt auf der Donau dargestellt ist. Trajan verblieb
also im Winter 101/102 in der Nähe des Kriegsschauplatzes, wahr-
scheinlich in Mösien und erreichte von dort aus im folgenden Früh-
ling das Heer, das er jenseit der Donau zurückgelassen hatte.
1) Im Jahre 101 fiel keine grössere Schlacht vor (vgl. oben, S. 86).
Zu entscheidenden Kämpfen kam es erst im folgenden Feldzuge (vgl.
Bartoli, Tav. 26—28 und besonders Tav. 30. 31; Fröhner p. 101 fl.);
nach einer dieser Schlachten wurde Trajan zum Imperator ausgerufen
(Bart., Tav. 32), hierauf vertheilte er Donati ve an seine Soldaten (Tav.
33). Jene Salutation ist auf einer Inschrift des Jahres 102 angemerkt:
TRIB - PÜT • vT . IMP . li ■ COS . Uli • P . P . (OrelH , 786). Die Schlacht
bei Tapä, die nach Dio Dassius (L XVI II, 8) mit einer blutigen Nieder-
lage der Dacier endigte, gehört also eher in das Jahr 102, als in das
vorhergehende. Mit dieser Annahme lässt sich auch sehr wol der Bo
rieht des Dio Cassius verbinden, dass die dacische Gesandtschaft der
comati 'vor der Niederlage' bei Tapä erschien (vgl. Petrus Patric.
a. a. 0.): in der That triflt dies auf der Säule zu (vgl. S. 85 An-
merkung 1). — Dass der Sieg auch für die llömer von grossen Ver-
lusten begleitet war, sagt Dio Cassius LXVIII, 9: tcoXXoOc |uiiv tüiv
oiK€{uiv Tpau^ariac dircTöc, der auch den erwähnton aufopfernden Zug
Trajans mittheilt. Auf der Säule finden wir überall nur Siege ohne
Verluste; mit Aengstlichkeit ist hier Alles vermieden, was auf die Er-
folge der Römer ein imgünstigcs Licht werfen könnte; nur ein ein-
ziges Mal sind Verwundete auf ihrer Seite dargestellt (Bartoli, Tav. 29).
2) Dio Cass. LXVIII, 9, vgl oben S. 85 Anmerkung 1; dazu Jor-
nandes, de reb. Getic. ed. Lindenbrog. Hambg. 1611, p. 86, wo von
den Geten gesagt wird: (rraecisque consimiles, ut refert Dio. — Qui
dixit primum Tarabosteos, deinde vocitatos Pileatos (wol die latini-
airto Form von TnXo96poi) lios, qui inter eos generosi eartabant: ex qui-
bus eis et reges et sacerdotes arditiabantur. Wir sehen auf der Säule
II. Die dacischen Expeditionen. 89
ilim eiue persönliche Zusammenkunft zu gewähren oder seiner-
seits einen Legaten zur Einleitung von Friedensunterhand-
luBgeo in das dacische Lager zu senden J) Wir wissen nicht,
was Trajan bewog, den ersteren Vorschlag abzulehnen : L. Li-
einius Sara und Claudius Livianus erhielten den Auftrag, ein
Ueberein kommen mit Decebalus zu versuchen; es zeigte sich
jedoch, dass er durch solche Manöver nur hatte Zeit gewinnen
wollen: er liess sich in eine Besprechung mit den römischen
Gesandten nicht ein.^)
Auf die grosse Schlacht bei Tapae folgten in diesem
ersten Kriege noch eine Reihe von Gefechten. 3) Die Dacier
führten den Kampf mit einer Erbitterung, die sich bis zur
Barbarei steigerte. Ein Relief der Trajanssäule stellt dar,
wie sie den Leichnam eines Römers über ein Wagenrad
spannten, um ihn zerdrücken zu lassen')*, ihre Frauen quälten
entkleidete Gefangene, naciidem ihnen Hände und Füsse zu-
sammengebunden worden, mit brennenden Fackeln.'') Dece-
balus vertheidigte sich mit allen Hülfsmitteln der römischen
Kriegskunst; aber Trajan hatte nachhaltige Kräfte genug,
um dem Widerstände des Feindes zu begegnen. Er verdrängte
ilin aus seinen festen Stellungen im Gebirge und schwächte
ihn durch Erbeutung von Waffen und Kriegsmaschinen: aus-
drückUch wird bemerkt, dass er den Legionsadler, den das
Heer des Fuscus zur Zeit Domitians verloren hatte, wieder
aach Dacier, die nicht eine weiche Mütze, sondern steife Hüte von ab-
gestumpfter Kegelform tragen.
!) Wo wir diese zweite Gesandtßchaft auf der Säule zu suchen
haben, ist nicht ganz klar, vielleicht bei Bartoli, Tav. 29, wahrschein-
licher aber auf Tav. 41 nach den grossen Schlachten (vor. S. Anm. 1).
Hier erscheint ein vornehmer Dacier vor Trajan, er hat den Schild
ihm zu Füssen gelegt (Dio Cass. a. a. 0. : xal ^kcIvoi rd t€ önXa /^ii|iav-
T6C Kai ^(xuToOc €lc T^ T*)v KaTOtßaXövTCC d&€/|8iicav ToO Tpaiavoö) und
kniet vor ihm nieder.
2) Dio Cass. a. a. O.
3) Bartoli, Tav. 43, 44; 46, 47; 49—53. Piinf verschiedene Gefechte
lasen sich unterscheiden.
4) Bartoli, Tav. 28; Pröhner, p. 103.
5) id. Tav. 33; Fröhner, p. 106.
IK) Johannes Dierauer: Greschichte Trsyans.
eroberte J) Jetzt überschritt er den Eisernen Thor-Pass*)
und drang ins Hatszeger Thal vor^ wo die dacische Königs-
stadt Sarmizegethusa (etwa an der Stelle des heutigen Dorfes
Varhely) lag.^) Die Einahme eines wichtigen Festungswerkes ^),
die für Trajan günstige Entscheidung einer letzten Schlacht
in unmittelbarer Nähe jener Stadt ^); endlich die zu gleicher
Zeit erfolgte Gefangennebmung einer Schwester des feind-
liehen Königs durch M'. Laberius Maximua machten diesem
Feldzuge und damit dem ersten dacischen Kriege ein Ziel.^)
1) Dio Gass. LXVIII, 9: 6 6iTpa*iav6c öpi^ t€ Ivt€T€ixic^^ va ^aßc,
Kttl ^v aÖTolc Td T€ ÖirXa xd t€ ^T^xavninaTa xal rd alxiidXujTa , xö t€
ci^nctov t6 irt\ ToO 4>oöckou &X6v eöpc. — Auf der ersten Schiffbrücke
über die Donau (Bartoli, Tav. 5) sehen wir einen signifer, der das Feld-
zeichen einer Legion trägt, auf welchem jedoch der Adler fehlt. Hieran
scliliesst FrÖhner (p. 72) die Bemerkung: Un autre soldat ne tient que
le Support d*une aigle, perdue sous Je regne de Domüien, lors de Ja
defaite du prüfet des prdtoriefhs Cofm^itis FaseiLS. Gieng aber nur
der Adler allein, und nicht auch der Fahnenschaft verloren? Bei ersterer
Voraussetzung wäre die Idee doch höchst sonderbar gewesen, nur den
Schaft darzustellen. Täusche ich mich nicht, so hat ursprünglich auf
dem latemenartigen Untersatze (Giaconius^ n. 50, dachte wirklich an
eine Laterne, vgl. auch Francke S. 195) noch irgend ein Feldzeichen ge-
standen; es zeigt sich bei genauer Betrachtung (Louvre, 1. Trommel,
1. Umlauf), dass dasselbe entweder in Folge der Verwitterung oder
wahrscheinlich schon früh in Folge eines Zufalls weggefallen ist.
2) Bartoli, Tav. 35, vgl. Ciaconius, n. 183 fl.; Francke, S. 114. Die
Erklärungen sind aber alle unsicher. Durch die Darstellung eines stei-
len Weges und eines Gebirgsgrates, hinter welchem sich die Soldaten
hervordrängen, ist indessen das Ueberschreiten einer Passhöhe ziemlich
anschaulich bestimmt.
3) Die dacische Hauptstadt heisst bei Dio Cassius (c. 9) Z€p|üit2l€T€-
6o0ca, auf der Tab. Peut. Sarmategete; die Inschriften nennen sie
Sarmizegethusa (vgl. den Index bei Ackner und Müller, die römiticli.
Inschriften in Daden, S. 206, 207). Ueber die Localität haben wir Mit-
theilungen von Ackner, Jahrb. der k. k. Central -Commission, Wien,
1856, S. 7 fl. 1857, S. 74 fl.
4) Dio Gau. a. a. 0.: xal xu'piov ti Icxupöv clx^v. Es läset sich
Bartoli, Tav. 60. 51 (FrÖhner, p. 117) vergleichen.
5) Bartoli, Tav. 52. 53.
6) Wir finden auf der Säule keine Scene, die an die Gefangen-
nehmung einer dacischen Prinzessin erinnern könnte. Was FrÖhner
n. 20, p. 95 (vgl. Bartoh, Tav. 21) bemerkt, beruht auf einer Täuschung;
dort sind dacische Frauen dargestellt, dio mit ihren Kindern, wie es
II. Die dacischen Expeditionen. Dl
ßecebalus sah sich geooihigt; die ihm vorgeschlagenen Frie-
(lensbedingungen anzunehmen. Er musste Trajan sein Kriegs*
material fibergeben, die Festungen schleifen , das von den
Bränem in Besitz genommene Land räumen, alle Romer, die
in seiner Haft oder in seinem Dienste waren ausliefern, und
Tersprechen, dass er keinen romischen Soldaten je wieder in
sdnen Dienst aufnehmen wolle. ^) Dacien erhielt nunmehr
eine ähnliche Stellung, wie sie Judäa vor dem Tode des
Herodes Agrippa im Jahre 44 gehabt hatte: es ward ein ab-
hängiges Königreich, ohne Zweifel mit der Verpflichtung zu
bestmimten, uns nicht bekannten Leistungen.^) Decebalus
ersehien selbst vor Trajan, um sich seinen Befehlen zu unter-
werfen.**).
lichemt, die Gnade Trajans erflehen; die erste dieser Frauen, die Fröh-
Der für Decebalus' Schwester halt, zeichnet sich durch nichts von den
übfigen aus.
1) Diese Uebereinkunft wurde zunächst mit einer dacischen Gesandt-
«ehaft abgeschlossen, der dritten, von der wir schriftliche Kunde haben:
Excerpta e Petr. Patrie. Hist. 5, p. 123: ön irdXiv 6 Aex^ßaXoc irpc-
c^iav fir€fii|r£ irpöc Tpamvöv, tiSiv irap6vTUJV dvaKUJxnv Ko^12!6;-
|i€voc* ömcxvclTo öi Td T€ öirXa irdvra Kai rä )uirix<xvi^MaTa nopa-
bt66vat T<|) Tp<nav(4). — npocebHato odv Tf|v irpecßetav 6 Tpcnavöc
^iri Tuuratc rcClc cuveif)Kaic. Im Auszuge des Xiphilinns (LXVIII , 9)
haben sich nur undeutliche Spuren von dieser Gesandtschaft erhalten.
Nachdem hier erwähnt ist, dass Trajan den L. Lidnius Sura und Clau-
ilioB LivianuB ins dacische Lager schickte und dass diese bei Decebalus
oichts ausrichteten, heisst es weiter: £1^c^^le (ö Acx^ßaXoc) hi xal
t6t6 Tivdc. Wir vernehmen aber nicht sogleich, welchen Auftrag diese
(leföndten hatten ; zuerst wird erzählt, wie Trojan in das höhere Berg-
land vordrang, feste Plätze eroberte, wie Mazimus die Schwester dcH
Königs gefangen nahm u. s. f.; dann erst kommt ein Bruchstück, das
mit der Erwähnung jener Gesandschaft in Verbindung zu bringen ist:
oö6ev 6 Ti oöx itiApoiK tuiv TrpocraxO^VTWV ic%i cuvedcOai. Aus dem
folgenden: oi>x öti xal ^mii^vetv airrote f^eXXev, dXX' W* ^xTi&virap-
övTttiv dvairvcöcij. tA yäp ÖirXa xal t4 junixav/mara touc t€ jüiixo-
voicoioöc «apoteO'yat etc. erkennen wir leicht, dass das oben angeführte
viel klarere £xcerpt wirklich in diesen Zusammenhang gehört.
2) Marquardt, Handb. d. röm. Alterth. 111,1, S. 184 fl. Dieses Ver-
hatiniss wird vorzüglich durch einen Passus in den Friedensbestimmungen
beleochtet, nach welchem Decebalus versprechen musste toOc tc uOtouc
^xOpouc Koi <piXouc Totc *Pu>Ma(oic vo\iit€iy.
3) Dio Cass. a. a. 0. : irp6c tc t6v Tpaiiav6v clccXOdiv, xal ic Tf|v
92 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Nachdem Trajan 8armizegethuBa und mehrere andere
dacische Städte mit römischen Garnisonen versehen hatte ,
kehrte er nach Italien zurück ^); begleitet von den Gesandten
des besiegten Königs ^ die vom Senate die Bestätigung des
zwischen Trajan und Decebalus geschlossenen Vertrages er-
bitten mussten.^)
Noch im Jahre 102 feierte Trajan den ersten dacischeii
Triumph. Dreimal hatten ihn seine Legionen während den
Krieges zum Imperator ausgerufen: jetzt ertheilte ihm der
Senat den Ehrennamen DacicuS; der von nun an immer
seinen übrigen offiziellen Titeln beigefügt wird. Im Anschluss
an den Triumph unterhielt er das Volk durch Gladiatoren-
spiele und die bei dieser Gelegenheit auf die Bühne wieder
zurückgeführten Pantomimen. ^)
Xnv necidv, xal irpocKUv^jCac aOri^, koI t& önXa dTroppi^iac. Die Unter-
werfungsscene auf der Säule (Bartoli, Tay. 54 — 56) gehört zu den weni-
gen Darstellungen, die eine schriftliche Nachricht iünstriren. Den
Römern muss sich die bei den Daciem gebräuchliche Form der Demü-
thigung tief eingeprägt haben; Dio Cassius hat sie mehrmals erwähnt
(s. d. Anfang von c. 10, und Excerpta e Petr. Patric. Hist. 4, p. 123).
1) Dio Cass. a. a. 0.: TaOxa cuvO^fuievoc xai CTpoTÖircÖGV iv Zcp-
liiZeTcOoucq KaraXiirdiv, ti^v T€ dXXnv x^P^^ qppoupalc ^laXaßtbv, ^c
MTuXCav dv€K0^(ce1l. Man kann nach dieser Stelle nicht annehmen,
dass schon damals eine römische Colonie in Sarmizegethusa gegründet
wurde.
2) Dio Cass. LXVIII, 9. 10.
3) id. c. 10: Tpa'iavdc bk rd T€ viKirnfipia fijacfe Kai AaKiKÖc ^iruivo-
\i&cQr\f (y T€ Tip OedTpip |uiovo|uidxouc cuv^ßoXc (xai t^P ^X^^ipcv aOrolc),
Kul ToOc öpxncTÄc de TÖ O^aTpov diravi^TaT€; cf. Zonaras, XI, 21, ed.
Bonn. II, p. 508.
Für die Chronologie des ersten dacischen Krieges ist vor Allem
entscheidend, dass nach den Untersuchungen Mommsen^s (Hermes, III,
S. 126 if.) das fönfte Consulat Trajans auf das Jahr 103 fällt und nicht,
wie seit Noris und Fabretti (de Gol. Traiana Syntagma, p. 274) allge-
mein nach der Autorität von einigen wenn nicht gefälschten, so doch
ungenau redigirten Münzen, entgegen den handschriftlichen Listen an-
genommen wird, auf das Jahr 104. Trajan war also zu Anfang des
Jahres 103 in Rom, da er sonst das Consulat nicht übernommen hätte
(vgl. oben S. 36, Anm. 1 und S. 72, Anm. 1). Der erste dacische Krieg
muss folglich noch im vorhergehenden Jahre abgeschlossen worden sein,
wie schon C. de la Berge (Revue critique, 1868, n. 4, p. 53) gegenüber
IL Die daciscben Expeditionen. 93
Nach dem ersten dacischen Kriege hielt sich Trajan wieder
einige Zeit in Born auf. Er yertheilte^ ähnlich wie nach sei-
ner Rückkehr aus Germanien im Jahre 99; ein ausserordent-
liches Congiarium an das Volk^) und beeilte sich^ seine
Generale durch militärische Decorationen und die Ertheiluug
der Consul würde auszuzeichnen.^) Mit dem 1. Januar 103
FrOhoer ausgesprochen hat, der alle anf der Säule zwischen der zweiten
Schiffbrücke (p. 107, vgl. BartoU, Tav. 33, 34) und der Victoria zwi-
K'hen dacischen Trophäen (p. 120, Bartoli, Tav. 58) dargefi teilten Be-
gebenheiten, d. h. vier grössere Gefechte mit einem Sturmangriite auf
eine F^tung dem Jahre 103 zuweist. — Diese Chronologie wird durch
die namismatischen Documente bestätigt. Vor Allem iüt festzuhalten,
dass die vierte Salutation als Imperator zugleich die letzte im ersten
Kriege war (vgl. die Inschriften bei Henzen, n. 5440. 5442); sie findet
sieh schon auf Münzen aus der zweiten Hälfte des Jahres 102: IMP-
<;äES . NERVA TRAIAN - AVG • GERM • P • M • TR • P . VI • || IMP - IUI .
COS . im . DES . V . P . P . S • C . (Cohen , II , p. 57 , n. 352 , '353). Ohne
Bedenken lässt sich auch n. 354 bei Cohen herbeiziehen, denn wenn
KHch das Pariser Exemplar, wie ich mich selbst überzeugt habe, un-
zwcifelhail TR-PVIl hat, so gibt es doch andere Exemplare der glei-
chen Varietät mit dem 6ten Tribunate (Mommsen, S. 128, Anm. 1). —
l>arf man aber mit gutem Grunde annehmen, dass in n. 354 bei Monst
isutreffender Form ein Stenipelfehler in den Tribunafszuhlen (Vll statt VI)
vorliege, so wird man das Gleiche auch mit Bezug auf n. 355 und 539
^a^n dürfen, wo die Aufschrift lautet: IMP • CAES NKltVA TRAIAN ■
AVO GERM . DACICVS • P M • TR • P • VIMMP Uli • COS IUI. DES
Y P • P - Eben hier treuen wir zum ersten Male den Ehrennamen
DacicuB, ein Beweis, dass er Trajan noch vor dem Schlüsse detf
Jahres 102 ertheilt worden ist. In der That treffen wir diesen Titel
noch auf Silbermüuzen aus dem vierten Consulate (Cohen, II, p. 15,
n. 78, 79 nach Wiczay und Eckhel), die Cohen mit Recht dem Jahre 102
zugewiesen hat. Allerdings fehlt hier die Angabe der Designirung zum
fuliften Consulate, aber es ist zu beachten, dass auf den Gold- und
äilbermünzen Tn^jans immer nur die Zahl der wirklich angenommenen
Consulate, nie zugleich des für das folgende Jahr zu übernehmenden
vermerkt ist. Eine kaiserliche Münze mit COS • IUI • kann den Jahren
101 oder 102 angehören; das letztere Jahr ist da mit G'ewisshcit auf-
iuaehmen, wo zugleich der Titel DACICVS gefunden wird. Wir sind
nicht genöthigt, die Echtheit dieser Münzen zu bezweifeln. — Noch zu
Anfang des Jahres 103 sind Münzen geschlagen worden, welche an den
ersten dacischen Triumph erinnerten (Vaillant, Numism. Imperat. Ro-
man, praestant Rom. 1743, p. 63).
1) Cohen, n. 330.
2) S. oben S. 80, Anmerkung 3—4.
94 Johannes Dierauer: GeBchichie Trajans.
übernahm er das Consulat zum fünften Male in Gencieinschaft
mit M'. Laberius Maximus ^ dem gewesenen Commandanten
der mösischen Armee ^); aber schon nach wenigen Tagen
überliess er seine Stelle dem Q. Glitius AtiKus Agricola^ der
wie wir wissen ^ als Statthalter von Pannonien am Kriege
Theil genommen hatte.*)
Der jenseit der Donau nach mehrjähriger Anstren^ng
errungene Erfolg mochte Trajan für einmal befriedigen.
Allein es musste sich bald genug zeigen, dass das durch
den Friedensschluss festgestellte Verh'altniss zwischen Rom
und Dacien auf die Dauer nicht bestehen konnte. Wie hät-
ten auch Decebalus und sein auf die bisherige Unabhängig-
keit stolzes Volk die drückende Oberhoheit der Römer, deren
Augriffe sie noch unter Domitian mehrmals zurückgeschlagen,
deren Eindringen unter der Leitung Trajans sie neuerdings
längere Zeit hindurch abgewehrt hatten, ruhig ertragen
wollen? In der That vernahm man in Rom sehr bald, daes
sich Decebalus an die von Trajan ihm abgezwungenen Zu-
geständnisse nicht halte. Er stellte seine Festungen wieder
her, nahm romische Ueberläufer auf, trat in Verbindung mit
benachbarten Völkerschaften und entriss sogar den zwischen
der Donau und Theiss wohnenden Jazygen, die zu den Römern
in freundlichem Verhältnisse standen, einen Theil ihres Ge-
bietes.') Angesichts dieser drohenden und durch den Angriff
auf römische Bundesgenossen zugleich aggressiven Haltung,
die den Friedensschluss des Jahres 102 in offenbarer Weise
verletzte, erklärte ihm der Senat aufs neue den Krieg, und
Trajan übernahm wieder persönlich dessen Leitung.*) Er soll
1) Orelli, 4915. Mommsen, im Hermes, ITI, S. 126 if.
2) Schon am 19. Januar hatte Trajan das Consulat niedergelegt,
wie wir aus einem von diesem Tage datirten Militärdiplom ersehen.
Henzen, n. 5442.
3) Dio Cass. LXVIII, 10. Trajan gab den Jazygen dieses Gebiet
nicht wieder zurück.
4) Dio Cass. a. a. 0.: oörw bi\ Kai aööic iroX^^iov aÖTÖv f[ ßouXf)
^HiilcpicaTO- Kai d Tpaiavöc b\" ^auToO Kai aOOic, ä\\" oö b\* Iri-
pUJv CTpaTiiYoiv, TÖv Trpoc 4K€tvov ii6X€)Liov ^iroiriCüTo.
II. Die dacischen Expeditionen. 95
sich damals oft der Betheuerung bedient haben: *So mögen
mir die Ootter beistehen; Daeien in eine romische Provinz
zu verwandeln!*^) Erst jetzt gieng er also mit der ausge-
sprochenen Absicht an die Donau , das dacische Volk seiner
politischen Existenz nach zu vernichten und das Land zu
provinzialisiren.
Noch vor Eröffnung des Krieges hatte Trajan eine mit
Bücksicht auf dieses Ziel entscheidende Massregel getroffen.
Er überzeugte sich, dass wenn auch nicht für einen erneuer-
ten Angriff; so doch für die gesicherte Beibehaltung der ein-
zurichtenden Provinz die Erstellung einer festen Brücke über
die Donau unerlässlich war. Gelang die vollige Eroberung
Daciens (und wer hätte daran zweifeln wollen !), so lag in
der Sorge für sichere und bequeme Communication mit Mosien
das wirksamste Mittel zur Beförderung römischer Cultur im
transdanubischen Lande. Ohne Zweifel noch im Jahre 104,
ak) bald nach dem Abschlüsse des ersten Krieges, wurde
wirklich ein solcher Bau begonnen. Für die Anlage wählte
man die geeignetste Stelle, sowol mit Bezug auf das Fluss-
terrain als auf die Configuration der dacischen Pässe; sie
fand sich unterhalb der Stromschnellen von Orsova zwischen
dem heutigen wallachischen Orte Tum Severin in der Nähe
der Stadt Czernetz und dem serbischen Orte Fetislan oder
tladova. Man baute zunächst am linken Ufer der Donau
auf einer vorspringenden Landzunge eine Anzahl Pfeiler und
grub hierauf zwischen denselben einen Kanal, durch welchen
die Hauptstromung des Flusses abgeleitet werden konnte.
Die Ausführung der eigentlichen Wasserbauten unterlag dem-
nach geringern Schwierigkeiten, aber immerhin zeugt das
Werk von einer ungemeinen Ausbildung der damaligen Hydro-
technik, denn in ungefähr anderthalb Jahren war es vollendet.
1) Ämmian. Marceil. XXIV, 3: Traianus fertur dliquoties iuramlo
ffida eowmestse firtnare: 'Sic in provinciarum speciem rediictam videmn
Ihciam.' Vgl. Francke, S. 124. Man darf diese Worte unbedenk-
lieh anf die Zeit zwischen dem ersten und zweiten dacischen Krief^e
Wiehen.
96 Johannes Dierauer: Geschichte Tri^jans.
Die Brücke ruhte auf 20 Pfeilern aus gemischtem Mauerwerk
mit massiver Quaderverkleidung und hatte eine Lange von
3570 Fuss römisch. Die Bogen mit einer Spannweite von
110 Fuss waren von Holzconstruction: noch jetzt kann man
in dem Mauerwerk der zum Theil erhaltenen Brückenköpfe die
Vertiefungen beobachten, in welche die eichenen Balken ein-
gelassen wurden. Hadrian Hess später den obem Theil der
Brücke unter nichtigem Vorwande abwerfen, so dass nur noch
die hoch über den Wasserspiegel aufstrebenden Pfeiler übrig
blieben. Diese mochten noch im dritten Jahrhundert, als
üio Cassius schrieb, einen imposanten Anblick gewähren,
und wahrscheinlich im Anschluss an die Ueberreste, verbun-
den mit dem unbegrenzten Erstaunen, welches der Bau bei
den Alten erregt hatte, bildete sich sehr bald der Mythus^
dass auch die Bogen von Stein gewesen seien. ^) Baumeister
1 ) Wir haben über die Donaubrücke die schon mehrmak erwähnte*
ausffihrlichc und gründliche Untersuchung JoBei)h ABchbach's (Mitthei-
hnig«»n der k k. Centralcomraission zur Erforschung und Erhaltung d. Bau-
deukmalc, Wien, 1858, August- Heft, 24 S., mit 2 Tafeln, auch als Separat-
ausgabe). Er hat Francke's Ansicht von einem Brückenbau unterhalb
der Aluta- Mündimg bei Gieli (Zur Geschichte Trajan's S. 127 — J34
widerlegt, und auf das überzeugendste dargothan, daäs, wie schon
Mai*sigli (Dauubius Pannonico-Mysicue, U, 26) gefunden, die Brücke bei
Turn Severin angelegt wurde. Seine Beweisführung, die sich auf die
quellenmässigen Nachrichten und auf die liesultate einer im Frühjalir
1858 durch die Donauingenieure vorgenommenen Vermessung der Ueber-
reste stützt, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Ich folge auch
seinen Bestimmungen über die Dimensionen, nur scheint es mir unge-
rechtfertigt, die Breite der Pfeiler, die Dio Cassius (c. 13) auf 60 Fuss be-
stimmt, um 10 FusB zu reduciren, indem in der That mitten im Strombett
noch ein Pfeiler mit einer Breite von 10 Klaftern gemessen wurde (vgl.
den Brief von F. Deuster, Bau -Assistent, bei Aschbach, S. 24). Noch
in einem Punkte muss ich Aschbach entgegentreten. Er hält es (S. 18)
für mehr als wahrscheinlich, 'dass die Brücke mit steinernen Bogen
versehen war und einen steinernen Uebergaugsweg hatte', obgleich er
zugibt , Ulass die Gallerien und manches Beiwerk an der obersten
Brückenbedeckung von Holz gewesen sein können.» Dio Cassius aller-
dings sagt a. a. 0.: Tpaiavöc hk fiq>\)pav XiBiviiv ^irl toO "Icxpou
KttTecKCudcaTO. Auf diese Worte beruft sich Aschbach. Wir vdssen
aber, dass Dio Cassius, wenn er an Ort und Stelle war (was nicht er-
wiesen ist), nur noch die Pfeiler sehen konnte, da der Brückenweg
II. Die daciachen Expeditionen. 97
der Brücke war der berühmte Architekt Trajans, Apollodorus
von Damaskus; ein Mann von ausserordentlichen Kenntnissen,
hemU abgebrochen war (Dio Cass. a. a. 0.: 'Abpiav6c 6^ . . . q>oßr)6€lc,
^ Koi Toic ßapßdpotc toOc <ppoupoOc aörf^c ßioJIoM^voic tiqbia öidßacic
^c T?|v Muciav fj, dq)€tX€ ii\y ^miroXf^c KaTacKeufjv). Es fehlte ihm also
«ue klare Anschauung von der ursprünglichen Gestalt des Werkes;
er scheint dasselbe überhaupt für ein wahres Wunder gehalten zu haben ;
»eioe AeuBserungen über die Schwierigkeiten der Anlage sind er¥ne8ener'
maesen übertrieben. Vollkommen zuverlässigen Aufschluss über die
Constradion gibt uns allein das betreffende Relief auf der Trt^'ans-
säule (BartoK, Tav. 74, Fröhner, p. 132). Der gleiche Architekt, der
die Bonaubrücke baute, leitete auch die Anlage des trajanischen Fo-
rams mit der Säule ; gewiss ist unter seiner Aufsicht die Brücke iu einer
«lern Originalwerke wenigstens den Haupttheilen nach entsprechenden
Weise dargestellt worden. Betrachtet mau diese Darstellung unbe-
fangen, so erkennt man leicht, dass mit Ausnahme weniger Bogen am
mösiBchen oder dacischen Ufer nur die Pfeiler von Stein waren, die
Verbindungen aber von Holzwerk. So hat auch Canina geurtheilt
lÄrchitettura B.omana, Rom. 1832, I, p. 116): Si vedono ivi i piloni
(kliere statt fannati coli* opera qtMdrata e le arcuazioni con legnami
btn cciligati tra loro. — Le stesse arcuazioni sono disposte tm curvature
depresse (vgl Tav. CLXXXII); ähnlich Fröhner, p. 133. Der Künstler
fahrte das Holzwerk sehr genau aus : er vergass nicht, die Nägel anzu-
deuten, die zur Befestigung von sich kreuzenden Balken dienten. Dazu
kommt die Abbildung eines Bogens auf einer Bronzemünze (Cohen,
n. 490—492, vgl. Fröhner, p. 133), die auch ihrerseits keinen Zweifel
über die Art der Pfeilerverbindung lässt.
Ueber die Zeit des Baues fehlen bestimmte Nachrichten. Begonnen
^orde er wahrscheinlicli im Jahre 104 oder im Winter 103^104, gewiss
(Tst nach dem Abschluss des ersten dacischen Krieges. Wenn Noöl
des Vergers (Comptes rendus de TAcad. des Inscript. et Belles-Lettres,
1S66, p. 79) sich für den Anfang des ersten dacischen Krieges ausspricht,
so beruht diese Festsetzung auf einem Irrthume. Die Inschrift bei
(jfuter, p. 163, 1 ist von Ameth viel vollständiger mitgetheilt worden;
sie bezieht sich nicht auf die Brücke, sondern auf die Donaustrasso und
gehört allerdings, wie wir wissen, in das Jahr 100. Aschbach, S. 6,
glaubt, dass die Brücke schon im Jahre 104, vor dem Beginne des
zweiten Krieges vollendet war. Allein gegen die Echtheit der von
ibm angefahrten Münze bei Mediobarbus (Numism. Imp. Rom. praest.
p. 154: IMP- CAES . NERVAE TRAIANO AVG • GER. DAC • P • M TR.
PCOSTOSPQR OPTIMü PRINCTPI SCPONS TRAIANI DANV-
nVS) sind schon von Eckhel, Doctr. Num. VI, p. 419 gegründete ße.
denken erhoben worden, und die Angabe des 5. Consulats ist anderer-
«•its nicht entscheidend für dio Annahme des Jahros 104, da Kioh Trajan
latefsiicli. z. Riiiii. Kaisorgrsc'h. I. 7
98 Johannes Dieraner: Geschichte TrcTJans.
der gleich Trajan eine jinverkennbare Vorliebe für grossartige
Werke besass. ^)
Es scheint, dass sich Trajan noch im Spätjahr 104 an
die Donau begab und während des Winters 104/105 in Mosien
verweilte.') Es war eitel Täuschung, wenn Decebalus nach
erst im Jahre 112 das Consnlat erneuern Hess; in der ganzen Z^i^ischen-
zeit von 104 — 111 (oiler nach unserer Rechnung von 103 — 111) heiast
er auf Münzen und Inschriften Cos. V. — Für Dio Casaiua verstand
es sich von selbst, dass Trsyan sein Heer zur Eröffnung des zweiten
dacischen Krieges über die fertige Brücke führte: Tpdiavöc 6^ biä
TttOTqc Tf\c ye(p()pac töv "IcTpov irepaiuiOeic (LXVIII, 14). Diese Mei-
nung ist aber sicher unrichtig.. Zufolge der Darstellung auf der
Säule fielen eine Anzahl von Kriegsbegebenheiten in dadschem Jjatide
unter persönlicher Leitung Trojans (er ist immer leicht kenntlich , wo
die Bas -Reliefs nicht beschädigt sind) noch vor der feierlichen Ein-
weihung der Brücke vor (vgl. Bartoli, Tav. G7— 73, Fröhner, p. 129 fl.;
das grosse Opfer bei der Einweihung: Bartoli, Tav. 74, Fröhner, p. 131);
Hie muss also erst einige Zeit nach dem Beginne des Krieges vollendet
werden sein. Fröhner hat sich einer Täuschung hingegeben, wenn er
(p. 136, n. 79) behauptet, dass der Künstler den Marsch des Heeres
über die Brücke (bei Bartoli, Tav. 76, 76) angedeutet habe. Diese
Brücke hier, die allerdings fast unmittelbar auf die Darstellung jenes
grossen Baues über die Donau folgt (dazwischen liegt die Empfangs-
scene einer dacischen oder sarmatischeu Deputation), ist eine einfache
hölzerne Bockbrücke über einen. dacischen Fluss mit offenbar unbedeu-
tenden Dimensionen. Der Bogen, unter welchem die Soldaten hervor-
treten, dient nur zur Trennung der Scenen und die auf demselben
stehenden Trophäen sind willkürliche Zuthat des Künstlers. Da der
zweite Krieg wahrscheinlich im Frühjahr 105 begann, so ist nach die-
sen Erörterungen die Donaubrücke im Sommer des gleichen Jahres
dem Verkehre übergeben worden.
1) Procopius, de aedeficüs, ed. Bonn. IlT, p. 288: öiruic jn^v ouv
Ti)v Y^cpupav ^TTi^iHaTo xauTiiv, ^|uioi fi^v oök öv ^v ciroubfl t^voito, *AnoX-
Aö&ujpoc b^ 6 Aa^acK1lv6c, ö xal TtavTÖc TCYovihc dpxiT^KTUJV toO ?pYou,
fppaZ^Tu*. ApoUodoros hat also die Construction der Brücke selbst be-
schrieben; seinem Werke hat vielleicht Dio Cassius die Massangaben
entnommen. Wir besitzen es nicht mehr, dagegen sind seine TToXiop-
KriTiKd erhalten (Thevenot, Opera vet. mathemat., Paris 1693, p. 13—48).
Auf seine Bedeutung als Architekt werden wir zurückkommen, wenn
wir von der Anlage des trajanischen Forums sprechen.
2) Eine Untersuchung über die Chronologie des zweiten dacisclien
Krieges lasse ich weiter unten folgen und beschränke mich hier auf
die Kritik der Fröhner'schen Ansicht über die Bedeutung einer Reihe
von Bil^« Reliefs (Bartoli, Tav. 59 — 65), die auf der Säule unmittelbar
IL Die daciBchen Expeditionen. 99
ÄUem was geschehen war noch einei^ annehmbaren Frieden
zu erlangen hoffte : die Forderung, die an ihn gestellt wurde,
konnte keine andere sein als unbedingte Unterwerfung. Jetzt
nach dem Abschluas des ersten dacischen Krieges (Tav. 58) folgen.
Frohner hält auch hier an einer Fahrt auf dem adriatischen Meere fest
fuach Ciaconiüs' Erklärung, n. 234 fl. würde es sich um die Tiberfahrt
bei der Rückkehr Tr^ans aus Daden handeln); er erkennt Ancona als
den Hafenplatz, in welchem sich Trajan einschiffte (p. 123 fi.); er lässt
ihn zunächst etwa bei Bavenna (p. 125), dann bei einer Stadt im eis -
alpinischen Gallien (p. 127) und endlich in Istrien landen (p. 128).
Zwingende Gründe zu dieser Annahme liegen nicht vor. Im Allgemei-
nen verweise ich auf die Argumente, die ich oben S. 8G, Anmerkung 3
mit Bezog auf eine Reihe von Darstellungen zu Anfang des zweiten
Ft'ldznges (im ersten dacischen Kriege) gegen Fröhner angeführt habe.
Aach hier landet Trajan am dacischen Ufer (Bartoli, Tav. 65, 66): ein
ilacischcr Stamm kommt ihm entgegen und bittet ihn um Gnade (Tav. 67).
Wir können an einen unvermittelten Uebergang vom adriatischen Meere
an die Uferlandschaft jenseit der Donau nicht denken. Dass der Künst-
ler sich möglichst wenig von dem eigentlichen Kriegsschauplatze ent-
fernen wollte, beweist er durch den Abschluss des zweiten Krieges,
liier hätte eine Andeutung der Rückkehr des Siegers oder seines Trium-
phes in Rom vor Allem nahe gelegen; statt dessen hat er bescheiden
^e Auswanderung des besiegten Volkes dargestellt (Bartoli, Tav. 113 fl.).
— Grosse Bedenken erregt es, wenn Fröhner den Ausgangspunkt der
Fahrt für den Hafen von Ancona erkjärt. Angenommen, der gleich
nach den Trophäen erscheinende Tempel (Bartoli, Tav. 69) sei wirklich
(in Venustempel, was mit Catull. XXXVI, 13 zutreffen würde, so kann
üer am Ufer stehende Bogen doch unmöglich der Trajansbogen von
Ancona sein. Die Inschrift auf demselben sagt deutlich, dass er im
Jahre 115 (TR-POTXVlmiMP.VllII.COS.Vl) errichtet wurde (Orelli,
u- 792), 10 Jahre nach dem Beginne des zweiten dacischen Krieges und
twei Jahre nach der Aufstellung der Säule. Auf dem Bogen standen
nicht die Statuen von Juppiter, Mercur und Mars, sondern die bronzene
fieiterstatue Trajans (Rossini, Gli archi trionfali degli antichi Ro-
mani, Rom. 1836, p. 8, Tav. XLIV— XLVI) mit den Standbildern der
Plotina und Marciana zur Seite (vgl. die Inschrift a. a. 0.). Es filUt
folglich auch die Stütze dahin, die Fröhner in einer von Carlo Nolli
(l'Arco eretto all' Imp. Nerva Trajano nel Porto d'Ancona; das Werk
^ar mir nicht zugänglich) publicirten Münze für seine Ansicht zu finden
giauhte (p. 124, not. 1). Entweder bezieht sich der Bogen auf eine
mösische Stadt, oder er ist nach früher angeführten Analogien freie
Zathat des Künstlers. Alles zusammengehalten, müssen wir von einer
Meerfahrt absehen : Tnijan fahr zur Eröffnung des zweiten Krieges eine
Strecke weit auf der Donau uud besuchte bei dieser Gelegenheit ver-
schiedene mösische Städt<^».
100 Johannes Dierauer: Geschichte Trojans.
begann er seine Streitkräfte offen zu sammeln und die um-
wohnenden Stämme zum Mitkampfe aufzurufen. Er stellte
ihnen mit gutem Grunde vor, dass sie selbst in Gefahr kom-
men würden, sofern sie ihn im Stiche liessen, leichter und
sicherer könnten sie in Verbindung mit ihm ihre IVeiheit
behaupten. Wahrscheinlich hatte dieser Aufruf wenig Erfolg
und so sehen wir ihn zum ersten Male zu unrühmliclien
Mitteln schreiten. Er schickte einige Ueberläufer nach Mö-
sien, welche sich Zutritt zu Trajan verschaffen und ihn um-
bringen sollten. Einer der Beauftragten wurde ergriffen und
bekannte den Mordanschlag. Hierauf lockte er unter dem
Vorwande weitere Unterhandlungen anknüpfen zu wollen,
den Longinus, einen persönlichen Freund Trajans, zu sich.
Er forderte von ihm Auskunft über den römischen Kriegs-
plan, Hess ihn, als er sich des Verrathes weigerte, festneh-
men und verlangte von Trajan Kriegsentschädigung und Her-
stellung seines Gebietes bis zur Donau gegen Loslassung. Da
nahm Longinus in grossherzigem Entschlüsse Gift, um seinem
Kaiser die peinliche Alternative zu ersparen.')
Der Krieg begann noch im Jahre 105. Man darf mit
Sicherheit annehmen, dass Trajan von Westen und Süden,
am Eisernen Thor- und Vulkanpass, vielleicht auch weiter
gegen Osten am Rothen Thurm in das feindliche Land vor-
zudringen suchte. 2) Die Schwierigkeiten des nun folgenden
1) Dio Casß. LXVIII, 11. 12. Von beiden Vorgängen, dem Mord-
unschlage imd der grossherzigen That des Longinus, finden wir auf
der Säule keine Andeutung. Es möchte scheinen, als ob sich die Sagt»
an Longinus' Schicksal geknüpft und dasselbe nach ihrer Weise aus-
geschmückt hätte. Die Geschichte ist mit auffallender Umständlichkeit
erzählt, ähnlich wie die Entdeckung der dacischen Schätze. Xiphilinus,
dem sie gefiel, hat sie offenbar unverkürzt wiedergegeben, Zonaras
übergieng sie. •
2) Dieses Eindringen von mehreren Seiten ist auf der Säule sehr
anschaulich dargestellt (vgl. besonders Bartoli, Tav. 80, 81, 82, 85,
wo zwischen zwei verschiedenen Heeresabtheilungen sich ein Gebirge
hinzieht). Für eine Invasion am rothen Thurm-Pasa dürfte die bekannte»
Inschrift eines Soldaten der Leg. I. Min., der AD ALVTVM FLVMEN
SKCVR MONT • CAVCASI (Henzen, n. 5930) ein Gelübde fasste, bewei-
II. Die dacischcn Expeditionen. 10]
Kampfes müssen diejenigen des ersten Krieges weit über-
troffen haben; wir ersehen dies sowol aus den darüber erhal-
tenen schriftliehen Nachrichten, als aus den Darstellungen
auf der Trajanssäule. Mit unglaublicher Rührigkeit hatten
sich die Dacier in der Zwischenzeit zu einem neuen Kriege
gerüstet; mit mächtigen Verschanzungen die Eingänge in
ihre Thäler gesperrt.^) Sie benutzten alle Mittel, die die
Gunst des Terrains ihnen bot; eine ihrer schönsten Städte
legten sie in Brand, um deren Vortheile dem Feinde zu ent-
ziehen.^) Die Romer ihrerseits stritten mit wahrem Helden-
muth, Trajan selbst zeichnete sich durch persönliche Tapfer-
keit aus.^) Ein Ritter wurde schwer verwundet aus der
Schlacht getragen; als es sich zeigte, dass er unrettbar ver-
loren seiy sprang er aus dem Zelte, stellte sich wieder in die
Linie und kämpfte noch so lange, bis seine Kräfte ihn ver-
liessen.^) Ein Stamm der Dacier nach dem andern musste
send sein. Die Bömerstrasse , die, an der Aluta- Mundung beginnend,
sich am rechten Ufer des Flusses über den Rothen Thurm-Pass nach
Siebenbürgen hinaufzog, hat von jeher den Namen Trajansstrasse (Kalea
Tnyanului, vgl. Francke, S. 149; FrÖhner, p, 27) geführt. Sie mag in
der That von Trajan gebaut worden sein, obwol die walachische Tra-
dition, die ihn so zu sagen zur Personification der römischen Cultur
jenseit der Donau erhoben hat, sonst wenig entscheidend ist.
1) Bartoli, Tav. 86—89. Fröhner, p. 140. Wir sehen hier eine
lange, aus unregelmässig behauenen Blöcken aufgeführte Mauer, die
von Zeit zu Zeit durch Thürme gestützt wird. Vor derselben liegen
räthsclhafte Kriegsmaschinen (Tav. 87, 88), eine Art dreirädriger Wa-
gen, die an den £nden der Achsen mit Sicheln versehen sind. Wahr-
scheinlich hatten sie den Zweck, durch ihren Anprall auf abschüssige ui
Terrain Verheerungen unter dem Feinde anzurichten, ähnlich wie die
Wagen der Thracier, von denen Arrian (Exped. Alexandri, I, 1 § 2)
spricht, nur mit dem unterschiede, dass diese Wagen keine eigentlichen
Kriegsmaschinen waren, sondern nur zufällig deren Dienst versahen. —
Die Schwierigkeiten des zweiten dacischen Krieges hebt Dio Cassius
»ehr ausdrücklich hervor: Kai fti* dcqpaXeiac ^äXXov f\ b\ä ciroubflc töv
KÖXc^ov froioOfxevoc, cdv xp^^vip kqI iliöXic ^KpdTrice tuiv AckOjv (LXVIIl,
14, Tgl. Joannes Zonaras, ed. Bonn. II, p. 510).
2) Bartoli, Tav. 92. Fröhner, p. 142.
3) Dio Cass. a. a. 0.: iroXXdi fui^v aCiTÖc CTparriT^^c ^9f^ kuI dv-
^ioc iiriöciSdfxevoc.
4) id. ibid.
|()2 Johannes Dierauer: Geschichto Trflijans.
sich unterwerfen •, zur Verzweiflung getrieben, gaben sich die
Edelsten den Tod durch Gift. *) Decebalus selbst endigte
nicht unwürdig: alö er sich auf dem Schlachtfelde von römi-
schen Reitern umringt sah, zog er den Tod einer schirapf-
lichen Gefangenschaft vor und durchbohrte sich mit seinem
Schwerte/-^) Sein Kopf wurde nach Rom gebracht**) und als
blutiges Siegeszeichen beim folgenden Triumphe aufgeftilirt.
Mit Decebalus' Untergänge war die Kraft des Wider-
standes gebrochen und nach wenigen Kämpfen das Schicksal
Daciens entschieden. Trajan machte unermessliche Beute;
die reichen Schätze des dacischen Königs^ die dieser der Sage
nach unter dem Bette eines Flusses und in Berghohlen ver-
borgen hattC; geriethen in seine Hände.^) Dacien ward eine
1) Bartoli, Tav. 93. Fröhner, p. 143. Diese Scene ist ergreifend
dargestellt. Leider habeu die obersten Umläufe auf der Säule sehr
gelitten; manche Partien sind bis zur Unkenntlichkeit verwittert.
2) Dio Cass. a. a. 0. Bartoli, Tav. 108. Fröhner, p. 147. Ciaco-
nius, n. 310 irrte sich über die Stelle, an der Decebalus' Tod darg-e-
stellt ist.
3) Dio Cass. a. a. 0. Bartoli, Tav. 109.
4) Man kann nicht bezweifeln, dass Decebalus seine Schätze irgend
wie verborgen hatte. Aber die bei Dio Cassius ausführlich erzählte
Geschichte von der Ableitung eines Flusses (Sargetia) und von dem
Bau eines Gewölbes unter dem Bette desselben trägt unverkennbar den
Charakter der Sage. Decebalus, heisst es, Hess die Arbeit durch Ge-
fangene ausführen, die er nachher umbringen Hess, damit dcis Geheim*
niss gewahrt bleibe. Natürlich durften nur Gold- und Silberwaaren,
überhaupt solche Gegenstände in dem Gewölbe untergebracht werden,
welche dio Feuchtigkeit ertragen komiten. Aber trotz der angewandten
Vorsicht wurden die Schätze entdeckt; Decebalus' Vertrauter (wie sonder-
bar, dass wir seinen Namen, Bikilis, erfahren!) gerieth in römische Ge-
fangenschaft und übte Verrath. Der Kern der Sage ist wahrscheinlich
sehr alt; sie erscheint in auffallender Aehnlichkeit später wieder bei
den Gothen. — Auf der Trajanssäule (Bartoli, Tav. 103, 104; Fröhner,
p. 145) sieht man einige Maulthiere, die mit kostbaren Gefässen grie-
chischer Arbeit beladen sind. Ueber den Umfang der Beute finden wir
merkwürdige Nachrichten bei Joannes Laurentius Lydus, de magistra-
tibus, II, 28, ed. Fuss, Paris 1812, p. 142: irpOlToc ikwv cuv AcKcßdXqj
Tuiv rexuiv i^tncaiLi^vijj , Tpaiavöc ö iroXüc, irevTaxocCac )Liupidbac xpu-
c(ou XtrpOjv, ^itrXadac bi dpYupou (^Kuui|uidTUJv dveu kqI CKeudiv ti/litJc
öpov dKßcßiiKÖTUJV, dTcXüJv bi Kai öirXwv), kqI dvöpiliv |üiaxiMUJTdTuiv
(iTT^p irevrrjKovra ^upidöac ciiv Totc öirXotc 'Pwfuiaioic elc/iTütev, die ö
II. Die dacischon Exi)oditioncn. 103
kaiserliche Provinz und erhielt einen prätorischen Statthalter
mit dem Titel Legatus Augusti pro praetore.*) Viele der
bisherigen Einwohner wanderten mit ihrer Habe aus'^); ein-
heimische Sprache und Sitte verschwanden und römische Co-
lonisten bevölkerten auf Trajans Anordnung das Land.^) Die
bedeutendste unter den von ihm gegründeten Colonien war
Ulpia Traiana Sarmizegethusa, die sehr bald zu hoher Blüthe
gelangte.*) Die Goldlager, die man entdeckte, lockten zahl-
KpiTUJV irapuiv Tii> iroX^juiip bucx^picaro. Diese Zahlen sind aber offenbar
sehr übertriebeu. Uebrigens ist sicher, dass das trajanische Forum
seinen Glanz zum Theil den dacischen Schätzen verdankte, indem
Gellios, Noct. Attic. XIII, 24 bemerkt: In fcistigm fori Traiani simu-
hcra sunt sita circumundique inaurata equorum atqtM signorum milita-
rium; subscriptum est: EX MANVBIIS. Einige der erbeuteten Gefilsse
weihte Trajan dem Juppiter Easios in Pelusium: ^vOa Tpaiavöc dvd-
6t)K€ KpaTflpac dptupoOc, Kai xdpac ßoöc Tta\xnir(€Q^c Kcxpucujjyidvou, dKpo-
Öivia Tf)c Korä tuiv feToiv viKric (Suidas s. v. Kdciov öpoc).
1) Dass Daden vorerst eine praetorische Provinz war, beweisen
mehrere Inschriften. M. Statius Priscus verwaltete sie unter Antonin us
Pins, bevor er das Consulat erlangt hatte (Miüler und Ackner, die
ri)m. Inschriften in Dacien, n. 314; Anhang, p. 244, n. 37 = Henzen,
n. 5480). Ebenso war Sex. Julius Severus, der Besieger des jüdischen
AofstandeB unter Hadrian (ich verdanke die Kenntniss seines von Th.
Mommsen entdeckten, noch unedirten cursus bonorum der gütigen Mit-
theflnng des Herrn Prof. L^on Renier) zuerst LEG • PR • PR • M> • "RA-
lANI HADRIANI AVG • PROVINCIAE DACIAE, erst unmittelbar nach-
her Consal. Als kaiserliche Provinz wird sie zudem ausdrücklich dojrch
Manien aus Trajans Zeit bezeichnet: IMP- CAES -NERVAE TRAIANO
AVG ■ GERM • DAC • P • M • TR • P • COS • VI • P • P- || DACIA AVGVST •
PRüVlNCIA . S • C- (Cohen, U, Trajan, n. 332-334). Von Marcus
Aiirelius an erhielt sie consularische Statthalter (Ackner und Müller,
Anhang, S. 243, n. 33 = Henzen, n. 5478; vgl. Borghesi, Annali dell'
Inat. 1855, p. 31 fl.)-
2) Bartoli, Tav. 113. 114. Fröhner, p. 147.
3) Eatrop. VIII, 6: Traianus, victa Dada, ex toto orbe Bomano
'H/i«to €0 copias hominum tratistulerat ad agros et urbes colcndas.
Dada enim diuturno hello Decehdli viris fuerat exhattsta.
4) Vgl. Ackner und Müller, Iudex, S. 206. 207. A. W. Zi/ftipt,
Comment. cpigraph. I, p. 404. Es scheint, dass der erste dacische
Statthalter, D. Terentius Scaurianus, mit der Gründung der Colonio
beauftragt war. Es gibt eine stark interpolirto Inschrift (Ackner
und Müller, n. 65), von welcher ein Theil nach Borghesi (a. a. 0.
Anmerkung 1} wirklich echt ist und wahrscheinlich so gelautet hat:
104 Johannetj Dieraiier: Geschichte Trajans.
reiche Einwanderer herbei. Ein eigenthümlicher HaixdeLs-
und Rechtsverkehr entwickelte sich, von welchem werthvolle
Spuren auf uns gekommen sind. In den Bergwerken Sieben-
bürgens haben sich notarielle, in Cursivschrift geschriebene
Urkunden erhalten, die in merkwürdiger Weise die festen
Verkehrsformen im römisch-dacischen Lande illustriren. ')
Die neue Provinz war westwärts durch die Theiss be-
grenzt (das von den Jazygen bewohnte Land blieb unbesetzt) ;
im Süden reichte sie bis zur Donau, gegen Norden und Osten
wurden die Grenzen wol niemals fest bestimmt.*) Vielleicht
bestand von Anfang an eine wenigstens unter Hadrian nach-
weisbare Theilung der Provinz in Ober- und Unter-Dacien.^)
Ihre Bewachung wurde der XIIL Legion übergeben, die ihr
bisheriges Standlager in Pannonien gegen Apulum (Earls-
burg) vertauschte.'*)
imp. II caeSARIS DIVI • NERVae f. j] nervae TRAIANI- AVGVST || CON-
DITA • COLONIA • DACICA • PER [] terentiVM • SCAVRIANVM ....
Es gab noch drei andere Colonien Trajans in Dacien: Apulum (Karls-
burg), Napcca, und Zerna oder Dierna (Zumpt, a. a. 0.; Marquardt,
Handb. d. röm. Alterth. III, 1, S. 108).
1) Es sind dies die Urkunden von Verespatak, veröffentlicht durch
Massmann, Libellus aurarius, Lipsiae 1840, und Detlefsen, Sitzungs-
berichte d. k. Akad. d. W. XXIII, 603 f.; 625 f.; 636 f. (vgl. Ackner
und Müller, n. 623—630). Sie stammen aus den Jahren 139—167.
2) Ptolemäus (Geogr. III, 8) nennt als nördliche Grenze Daciens
die Karpathen, als östliche den Fluss Tyras.
3) Diese Zweitheilung wird durch eine Stelle in dem Militärdiplom
vom 22. März 129 bezeugt:- ET SVNT IN DACIA INFERIORE SVB
PLAVTIO CAESIANO (Ackner und Müller, n. 832). Sarmizegethusa lag
in Dacia superior (n. 844). Borghesi (Annali dell' Inst. 1855, p. 34)
findet es wahrscheinlich, dass die Theilung schon durch Trajan vorge-
nommen wurde. Bestinmite Beweise für diese Ansicht fehlen uns. Jedes-
ialls hatte sie nicht die Bedeutung, wie z. B. die Theilung der benach-
barten Provinzen Mösien und Pannonien: Dacien bliebe auch nachdem
imter Antoninus Pius 3 Verwaltungsbezirke eingerichtet wurden (Ackner
imd Müller, n. 169; über die Zeit vgl. Borghesi a. a. 0.), immer unter
der Leitung eines einzigen kaiserlichen Legaten. L. Aemilius Carus
(um das Jahr 173) heisst z. B. : LEG • AVG • PR • PR • III • DACIARVM.
4) Ihre dortigen Denkmäler sind sehr zahlreich (Ackner und Müller,
n. 275 fl.). Einzelne Detachements scheinen sich auch in Sarmizegc-
IL Die dacischen Expeditionen. 105
Der zweite dacische Krieg endigte im Jahre 106 J) Der
die Unternehmung krönende Triumph gehörte wol zu den
thusa aufgehalten zu haben, vielleicht zeitweise die ganze Legion,
n. no. 175). — Die Leg. V. Macedonica kam erst unter der Regierung
des Septimios Severus nach Daden (Mommsen, zu Borghed, Oeuvres
rompl^tes, IV, p. 260, not. 2, vgl. Bullet, dell' Instituto, 1864, p. 262;
Kollier, InBcriptions de Troesmis [extrait des Comptes rendua des sdan-
ceä de TAcademie, Paris 1865], p. 10). Sie blieb dort, bis AureUan dap
transdanubische Dacien aufgab.
1) Es hält schwer, die Chronologie dieses Krieges genau zu bestim-
men. Mit Sicherheit lässt sich nur sagen, dass er nicht vor dem Jahre
105 begann; denn Hadrian, der als Legat der Leg. I. Minervia an dem-
selben Theil nahm, war im Anfange dieses Jahres^ wenn auch vielleicht
nur für einige Monate Tribun: tnbimus plebis (actus est Candido et
(^mdrato Herum coss. (Spart. Hadr. c. 3, ed. Peter, vgl. den cursus
hooomm, Henzen, Annali dcU* Instituto, 1862, p. 139). Nach der bei
Spartianus folgenden Stelle: secunda expeditiove Dacica Traianus
nm pritnae leffioni Minerviae praeposuit, secumque duxit könnte es
scheinen, als habe sich Trajan zugleich mit Hadrian an die Donau be-
geben. AUeiu einen längern Aufenthalt des Kaisers in Mösien vor
dem Beginne des Krieges anzunehmen, nöthigt uns die Darstellung des
Dio Gassius. Er erzählt, dass die von Decebalus abgesandten Meuchel-
mörder Trajan erreichen sollten, als er noch in Mösien war; die Gc-
Kluchte des Longinus, die complicirte Unterhandlungen in sich schHesst,
trag sich ungefähr um dieselbe Zeit zu, dem Zusammenhange nach
ebenfalls bevor Trojan die Donau überschritt. Er hat daher sehr wahr-
scheinlich schon gegen den Schluss des Jahres 104 Rom verlassen, um
persönlich die Vorbereitungen für die zweite Expedition zu leiten ; jedes -
falb mass die Kriegserklärung des Senates noch in diesem Jahre erfolgt
äein (vgl Henzen, Iscriz. onor. d'Adriano, Annali dell' Inst. 1862, p. 152;
Nocl des Yergers, Comptes rendus, 1866, p. 81). Mit Bezug auf den
Abschlags des Krieges haben sich die eben erwähnten Autoren dahin
äusgeBprochen, dass er gegen Ende 105 entschieden war, mit Rücksicht
auf die Inschrift bei Orelli, n. 161: IMPCAESAßl DIVI NERVAE F-
NERVAE 11 TRAIANO AVG • GERM • DACICO • PONTIP • MAX- 11 TRIB
POTEST . Villi . IMP . V • COS • V • P • P • In der That würde die An-
gäbe Imp. V in Verbindung mit Trib. Pot. Villi, dafür sprechen, dasn
im Jahre 105 Trajan einen Sieg in Dacien davontrug; die Been-
digung des Krieges vor dem 31. December 105 erfolgt daraus keines-
vegB mit Nothwendigkeit. Nun hat sich aber neuerdings durch
^e Vergleichungen Hübners an Ort und Stelle gezeigt, dass auf dem
Bogen der Brücke zu Alcäntara, von welchem jene Inschrift stammt,
nicht das neunte Tribunat, wie fast alle bisherigen Abschriften besa-
gen, sondern daa achte steht (E. Hübner, II ponte d' Alcäntara, Annali
106 Jobannes Dicrauur: Geschichto Trajun.^.
glänzendsten y die Rom je gesehen hatte. Gesandtschaf teu
aus allen Gegenden der Welt; selbst aus Indien ^ trafen iu
Rom eiu; um Trajan ihre Glückwünsche und Huldigungen
darzubringen. Er selbst scheint die Eroberung Daciens bocii
angeschlagen zu haben: 123 Tage hinter einander gab er
Schauspiele; 10,000 Gladiatoren traten auf und gegen 11,000
dell' Inet. XXXV, 1863, p. 171 ff., vgl. Monumenti dell* Inst. vol. VI, VII,
tav. LXXIII— LXXV). Mit dem 8. Tribunat ist aber die fünfte Salotii-
tion schlechterdings anvereinbar, da vfir auf authentischen Inschriften
das 9. Tribunat noch in Verbindung mit Imperator IUI finden (Hcn-
zen, n. 6857 [Militärdiplom vom 13. Mai 105]; Mommsen, Inscr. Regii-
Neap. n. 6253; Üruter, p. CCXLVII, 1 [nach Smetius]). Folglich ist
die Inschrift von Alcäntara unrichtig redigirt und als chronologisches
Erweisraittel nicht zu gebrauchen (vgl. Renier zu Borgheai, Oeuvres, IV,
j). 122, not. 8). Die übereinstimmende Form der angeführten Inschrif-
ten bei Henzen, Mommsen und Gruter dürfte vielmehr beweisen,
dass es im Jahre 105 zu keiner Entscheidung kam. Aber noch
andere Gründe lassen mit grosser Wahrscheinlichkeit, ja mit Sicher-
heit vermutheu, dass der Krieg (vielleicht immerhin mit kurzem
Unterbruch während des Winters, wobei jedoch die von Clinton
angeführte Stelle aus Pluturch irepl toO irpu(iTU)c vjiuxpoO, ed. Paris.
13*11, II, p. 1162, 13 nicht entscheidend idt) bis weit iu das Jahr 106
hinein dauerte. Dio Cassius sagt (LXVIII, 14), Trajan habe den Krieg
mit mehr Bedachtsamkeit als Eile ausgeführt (5i* dcq)aXeiac lidXXov f\
biä CTTOUÖflc TÖv iTÖXeiLiov iroioiIi|Li€Voc); mit einer Dauer von nur 9 — 10
Monaten würde diese Angabe wenig stimmen. Auf der Säule sehen
wir nach zahlreichen vorbereitenden Operationen und nach der Ein-
weihung der Donaubrücke eine Anzahl Soldaten dargestellt, welche rei-
fes Getreide schneiden (Bartoli, Tav. 83; Fröhner, p. 139). Damals
war es also Sommer, Ende JuU oder Anfangs August; die mächtigen
Schanzen, die die Dacier gebaut hatten, waren noch nicht erstürmt;
der Hauptkampf begann also frühestens im August 105 und nach Allem,
was auf der Säule noch folgt, kann er unmöglich noch im gleichen
Jahre abgeschlossen worden sein. Femer wissen wir, dass Hadrian im
Jahre 106 Prätor war (Henzen, p. 154); zu gleicher Zeit befehligte er
aber in Dacien die Leg. I. Minervia: PRAETORI • EODEMQVE TEM-
PORE . LEG . LEG . I . MINER VIAE PF. BELLO DACICO • Diese
Nachricht einer ofßciellen Urkunde stellt die Frage ausser allen
Zweifel. Andererseits war der Krieg bestimmt vor dem Beginne des
Jahres 107 abgeschlossen, denn L. Licinius Sura, der sich an beiden
Expeditionen betheihgt hatte, war in diesem Jahre (mit Q. Sosius Se-
nccio; über den Namen vgl. Renier, Inscript rom. de TAlgdrie, n. 1816)
Consul Ordinarius (Henzen, p. 154). Man wird also sagen müssen: der
zweite dacische Krieg begann im Frühjahre 105 und endigte im Jahre 106.
II. Die tlacisthcn Expeditionen. 107
wilde und zahme Thiere wurden getödtet. Die fremden Ge-
sandten durften den Vorstellungen auf den Sitzen der Seua-
toren beiwohnen. Die Kosten dieser Spiele müssen erstaunlich
gross gewesen sein^ aber ohne Zweifel wurden sie grössten-
theils ans der dacischen Beute bestritten.^) Noch Jahre lang
Hess Trajan Münzen schlagen, welche in ihren bildlichen
Darstellungen . an seine siegreichen Feldzüge erinnerten'^),
und bleibend sollte der Name einer von ihm gegründeten '
1) Ueber den Triumph und die Spiele vgl. Dio Cass. EXYIII, 15.
Ohne Zweifel mossten auch dacische Kriegsgefangene in der Arena
kämpfen. Irrthümlich bezieht FrÖbner, p. 26, die Inschrift bei Orelli,
n. 2581 aof den dacischen Triumph; der tiiumphus divi Traiaui wurde
im Anfang der Aegierung Hadrians gefeiert (Spart. Hadr. c. C). —
Eine Münze aus dem 5. Consulat zeigt Trajan auf dem Triumphwagen :
IM? • CAES . NEEVA TRAIAN • AVG • GERM [| DACIC VS COS • V • P ■ P •
I.Cohen, II, Trojan, n. 80, vgl. 162. 285). Ich wage die Vermuthung
iU)ssaq[>rechen, dass diejenigen Münzen aus dem 5. Consulat (a. 103—111),
velche den Namen Dacicus ausgeschrieben und nicht wie gewöhnlich
in der abgekürzten Form DAC. enthalten, in das Jahr 106 gehören.
Auf Münzen, die im Jahre 102 nach dem ersten dacischeu Triumphe,
oder im Jahre 103 geprägt wurden , erscheint ebenfalls die volle Form
(Cohen, n. 78, 79, 354, 355, 539—645); hier ohne Zweifel deswegen,
weil der Titel neu war, im Jahre 106 aber, weil man auch den zwei-
ten Sieg hervorheben wollte.
f) Cohen, II, Trajan, n. 75—77 (auf dem Revers ist zu lesen DAC •
GAP), 155, 160, 163, 268, 269, 284. Hier sind dacische Gefangene dar-
gestellt. — Die gefesselte Dada auf n. 74 (la Dacio, les main^ liees
deni^re le dos, assise ä droite sur trois ou quatre boucliers; dcrriöro
eile deox fancilies, devant deux hastes ou javelots), 81, 332 — 334. —
Ein Dader in flehentlicher Stellung zu den Fflssen der Friedensgöttin,
n. 235. — Ein vor Trajan knieender Dacier, n. 267, 414—418. — Trajan
setzt den Fuss auf den Kopf eines Daciers, n. 264; ebenso die Roma,
n. 419-421, die Pax, 422—426. — Dacische Trophäen, n. 51-53, 270. —
Auf dem Revers einer Münze aus dem 5. Consulate sehen wir eine
Victoria, die die Worte DACI • CA auf einen Schild schreibt. Wol mag
iwischen dieser Münze und einem ReUef der Trajansailulo eine gewisse
Beziehimg bestehen, hier werden nämlich die Abbildungen aus dem
ersten dacischen Kriege durch eine zwischen Trophäen stehende Victoria
geschlossen, welche die dacischen Siege auf einem lorbeerumkränzten
Schilde einzeichnet; die kleine Erhöhung, aufweiche sie nach der Münze
den Fun setzt, erscheint hier deutlich als ein Helm (Bartoli, Tav. 58,
Fr5hner, p. 120). — Auf seinem Brustpanzer trug Trajan ebenfalls da-
dsche Siegeszeichen, wie man an zwei Statuen im liouvre ersieht.
108 Johannes Dierauer: Geschieh t43 Traijans.
Stadt an der Donau, Nikopolis, das Andenken an die Er-
oberung der benachbarten Provinz sichern.^)
Man kann nicht zweifeln , dass sich an die dacischeu
Kriege eine umfangreiche Literatur knüpfte. Trajan selbst
verfasste Commentarien: bis auf ein dürftiges Bruchstück,
dessen wir oben gedacht haben , sind sie verloren. Ueber-
haupt hat uns ein eigenthümliches Geschick beinahe aller zeit-
genössischen Nachrichten beraubt.^) Apollodorus' technische
Beschreibung der Donaubrücke ^) und Appians ^dacische
Geschichten'*) besitzen wir nicht mehr, eben so wenig die
1) Ammiau. Marcellin. XXVU, 4, 12: Nicapolis quam ifidicium
victoriae contra Daco8 Traianns condidit imperator. Vgl. Böcking.
Annotationes ad Not. Dignit. p. 462. Eckhcl, Doetr. Num. II, p. 16.
2) Fröhner, naehdem er von den grossen Verdiensten Trojans
gesprochen hat, urtheilt (p. 11) über die Literatur semer Zeit:
Aussi les historiens seraient-üs unanimes ä le placer au premier
rang dans cette longue aerie de souverains, si son epoqiie, veritable dge
de fer, acait äe iUustree par Veclat d'une grande litterature. Le gou-
vei'nement qui oublie de s^ennoblir par le prestige des lettres, ne laissc
ä Vhistoire que de faihles Souvenirs. Etwas günstiger, obwol immerhin
sehr reservirt, spricht sich J. G. Hullemann aus (Oratio de literarum
praesertim latinarum apud Romanos studiis Nerva Traiano Imperatore,
Lugd. Batay. 1868, p. 16): Prohant utique haec exempJa nonadeo
tum refrixisse literarum studia ut Ofnni vita et calore destituta atU paene
intermortua esse viderentur. Eine Untersuchung über die Literatur unter
Trajan wäre sehr einladend, liegt aber ausser dem Zwecke dieser Ar-
beit. Im Allgemeinen ist zu bemerken, dass man aus der jetzigen
Quellenarmuth keineswegs auf die Dürftigkeit der zeitgenössischen Lite-
ratur schliessen darf. Unmöglich kann das Zeitalter, in welchem ein
Tadtus und ein Plinius schrieben, ein 'eisernes' genannt werden. Man
war damals ausserordentlich schreibselig, auch auf Seite der Griecheu,
und das literarische Leben zeigt sich so bewegt, wie unter Augustus: Pli-
nius' Briefe würden in dieser Beziehung eine reiche Ausbeute gewähren.
Vollends steht ausser Zweifel, dass über die Thaten Trajans authen-
tische Aufzeichnungen in Menge bestanden, die von späteren Historikern
benutzt wurden. Kein Geringerer als Marius Maximus hat sein Leben
beschrieben, und noch zu Aelius Lampridius' Zeit waren drei andere
lateinische Biographien von ihm vorhanden (Ael. Lamprid. Alex. Sever.
c. 48, ed. Peter, I, p. 163).
3) Procop., de aedific. IV, 6, ed. Bonn. p. 288.
4) Die Dacica bildeten das 23stc Buch seiner römischen Geschichten.
Phot. Bibl. Cod. 57, ed. Colon. 1611, p. 49.
II. Die (lacischen Expeditionen. 109
poetische Beschreibung der Kriegsbegebenheiten durch Cani-
uius Rufus^ von dem wir wenigstens wissen^ dass ein solches
Werk in seiner Absicht lag. PliniuS; das Erstaunen theilend^
das Trajans Ejriegsthaten in der Hauptstadt hervorriefen und
selbst noch begeistert von dem eben geschauten zweiten
Triumphe, lobte Cauinius wegen seines Vorhabens, *denn',
schrieb er ihm'), *wo ist ein StoflF so neu, so reich, so um-
fassend, wo endlich so poetisch und bei der strengsten Wahr-
heit so abenteuerlich! Du wirst erzählen von neuen über
das Land geführten Flüssen^), von neuen, über die Flüsse
geschlagenen Brücken, von Lagern, auf steilen Höhen errich-
tet, von einem Könige, der Herrschersitz und Leben, nicht
aber den Muth verloren hat; dazu von zwei Triumphen, von
denen der eine über ein bisher unbesiegtes Volk der erste,
der andere aber auch der letzte war.' — Dio Cassius scheint
den Krieg ausführlich beschrieben zu haben. Die authen-
tischen Quellen, die ihm noch zu Gebote stehen mussten,
sowie seine als Statthalter von Pannonien gewonnenen Lokal-
kenntnisse beföhigtcn ihn in vorzüglicher Weise zum Ge-
sehichtschreiber des Krieges. Bei ihm würden wir sicher
die werthvollsten Aufschlüsse über einen bisher noch so wenig
gelichteten Abschnitt römischer Geschichte finden; allein der
uns erhaltene Auszug seiner Arbeit ist ohne Verständnis»
für das Wesentliche der Ereignisse angefertigt.^)
1) Epist. VIII, 4.
2) Die Bedentang dieser Stelle ist nicht klar; vielleicht meint
PHnios die Ableitung der Donau beim Bau der Brücke.
3) Dio Cassius scheint die Geschichte Trajans zuerst als ein für
sich bestehendes Werk geschrieben und dann, sei es in gleicher oder
veränderter Form in seine grosse römische Geschichte aufgenommen
za haben (Reimar, ad Dion. Cass. II, p. 1538). Wie gut er über
die dacischen Kriege unterrichtet war, zeigt sich an verschiedenen
Stellen der uns vorliegenden Bruchstücke. Er kennt genau die Friedens-
bedingungen des Jahres 102, die Form, in der die dacischen Gesandten
vor Trajan und vor den Senat traten, den Aufruf, den Decebalus vor
dem Beginne des zweiten Krieges an die Nachbarvölker ergehen Hess,
die Gescluchte des Longinus, die im Anschluss an den zweiten Triumph
Teranstalteten Spiele, die Dimensionen der Donaubrücke. Letztere hat
er ohne Zweifel diroct dem Werke des Apollodorus entlehnt. Die
110 Johannes Dieraiier: Geschichte Traj ans.
Die Trajanssäule veranschaulicht die Vorgänge im All-
gemeinen in trefflicher Weise. Sehr wahrscheinlich wm-den
die Reliefs auf Grund schriftlicher Aufzeichnungen ausgeführt^
vielleicht in vorzugsweiser Benutzung der Memoiren Tra-
jans^): die Opferhandlungen, die der Kaiser personlich
vornahm, ebenso seine Ansprachen an das Heer, sind niit
liusserster Gewissenhaftigkeit verzeichnet.^) Aber trotz ihrer
Ausführlichkeit und Genauigkeit ist die Darstellung einseitige
insofern alle für die Römer peinlichen Momente darin unter-
drückt sind. Wir können hier nicht finden, dass die Schlacht
bei Tapae auch den Siegern grosse Verluste brachte-, von der
odeln Selbstaufopferung des Longinus fehlt jede Andeutung*),
vielleicht auch deswegen, weil diese Geschichte ausser dem
Zusammenhang der eigentlichen Kriegsbegebenheiten steht.
Was immer dagegen zur Verherrlichung des Siegers dient,
ist aufgenommen. Die Römer unterliegen nie, sie behalten
stets die Oberhand, und es mag als charakteristisch für die
parteiische Behandlung des Stoffes hervorgehoben werden,
dass man auf ihrer Seite nicht einen einzigen Soldaten fallen
sieht. Die historische Erklärung der Reliefs *ist in Erman-
gelung eines authentischen Commentars äusserst schwierig
und wird wol nie in befriedigender Weise gelingen; in ihnen
liegt eine in sich scharf begrenzte Geschichte von wesentlich
übrigen Nachrichten sind auf eine andere zeitgenössische Quelle, wahr-
Bcheinlich auf Appian zurückzuführen.
1) Dieser Ansicht ist auch Fröhner, p. ö3: Ces scülptures rappel-
Jent les commentaires de Trojan, dont elles n'^taient pour aiasi
dire que Vidition illustrie.
2) Acht Opfer und neun oder zehn Adlocutionen sind dargestellt.
Sie beruhen durchaus nicht auf willkürlicher Erfindung des Künstlers;
in diesem Falle wären sie wol mit einer gewissen Kegelmässigkeit ver-
theilt. An zwei Stellen sehen wir eine Reihe von Opfern fast unmittel-
bar aufeinander folgen (Bartoli, Tav. 63, 64, 67 und Tav. 74, 77, 78).
Gewiss hat Niemand diese Dinge der Aufzeichnung werth gefunden, als
Trajan selbst oder seine nächste Umgebung. So erklärt sich, warum
auf der Säule Alles fehlt, was ihm zum Nachtheil gereichen wurde.
Die Beschreibung, die Dio Cassius vorlag, trug einen historisch wahr-
hafteren Charakter.
X) Vgl. S. 100, Anm. 1.
II. Die (lacischen Expoditionen. 111
officiellem Gehalt; sie tritt, so viel scheint sicher, local nicht
über den Kriegsschauplatz und seine nächste Umgebung hin-
aus und ignorirt die Ereignisse zwischen der ersten und
zweiten Expedition.
Während Trajan die Grenzen des romischen Reiches
über die Donau hinaus erweiterte, vrurden auch im Oriente
Eroberungen gemacht. Eben damals, vom Jahre 105 an unter-
warf der Statthalter von Syrien, Au. Cornelius Palma, das
idumäische Arabien, d. h. den Landstrich, der sich vom rothen
Meere ostlich von Palästina bis gegen Damascus hinaufzieht
imd zwei reiche Städte, Bostra und Petra enthielt. Seitdem
gab es eine Provinz Arabia^), die wenigstens anfangs unter
1) Dio Cii88. LXVIII, 14: KQTä W t6v qötöv toOtov xP<ivov (er hat
unmittelbar vorher die Ereignisse des zweiten dacischen Krieges be-
>chrieben, aber diese chronologische Bestimmung hat wenig Werth)
Kai TTd[A^ac rnc Cup(ac öpxuiv Tf)v *Apaß{av Tf)v irpöc xfl TT^rpcji ix^x-
fHlKOTo Kai 'PuifiaCtJv ÖTrf)Koov iiroii^caTO. Ammian. Marceil. XIV, 8:
i/aec quogue (Arabia) civitates Iwhet tnter oppida quaedam ingentes,
Bostram et Gerasam atque Phüadelphiam , murorum finnitate cautissi-
»o*. Uanc pr&vinciae imposito twmine rectoreque attribtUo dUemperare
legibus nostris Traiani*8 compulit imperator. Den vollständigen Namen
des damaligen syrischen Statthalters überliefert uns eine Inschrift,
^initer, p. .^5, 2; er war im Jahre 109 zum zweiten Male Consul
■Uorghesi, I, p. 459). Mehrere Münzen erinnern an die Eroberung
Arabiens; auf dem Kevers ist gewöhnlich die Arabia dargestellt,
ihr zu Füssen ein Strauss oder ein Kameel, dabei die Legende:
AHAB . ADQ. oder ARAB • ADQVIS. (Eckhel, Doctr. Num. VI, p. 420;
Cohen, II, Trajan, n. 15, 309). — Ueber die Zeit der Eroberung
•iibt das Chronicon Paschale, ed. Bonn. I, p. 472 die sicher8t<»
Notiz. Dort heiast es zum Jahre 105 (Candido et Quadrato coss.):
HcTpaloi Kai BocTpr]vol ^vtcOGcv toOc ^auTuiv xP<^vouc dple^oOclv.
i'hne Zweifel begann der Krieg in diesem Jahre und endigte etwa
im folgenden; wir sehen nämlich, dass Trajan im Jahre 107 (bereits
zum sechsten Mal Imperator war (Renier, Inscript. rom. de TAlgerie,
u. 2157 = Uenzen, n. 5441). Von der 5. und 6. Salntation muss sich
^^e eine anf den dacischen Krieg, die andere auf die Erfolge Palma's
beziehen; da uns die fünfte auf keinem Monumente unzweifelhaft sicher
überliefert ist, so scheinen beide, gleich der dritten und vierten, sehr
l^ald aufeinander gefolgt zu sein und also dem Jahre 106 anzugehören. —
We Stadt Bostra nahm den Namen N€A TPAIANH BOCTPA an
Eckhel, D. Num. III, p. 500 sq.; Mionnet, Description des niedaillce
fintiqnos, tora. V, p. 579 fl.).
112 Johannes Dierauer: Geschichto Tn^ans.
einem prätorischen Legaten stand. ^) Die Stadt Damascus,
schon seit Pompejus den Römern factisch unterthänig; wurde
bei dieser Gelegenheit der Provinz Syrien einverleibt.^) Die
Unterwerfung Arabiens war von grosser Bedeutung ^ sowol
für den syrischen Verkehr als auch für die Handelsverbin-
dungen mit Indien über das rothe Meer. Trajan unterliess
auch nicht, seinen Legaten gebührend zu belohnen : Au. Cor-
nelius Palma erhielt vom Senate auf den Antrag des Kaisers
die Triumphinsignien und war somit einer der Letzten, dem
diese Ehre überhaupt zu Theil wurde. ^)
Die erste Kriegsepoche in der Regierung Trajans ist
hiermit abgeschlossen. Es folgen eine Reihe von Friedens-
jahren, in denen er seine ganze Kraft der Administration
des Reiches und grossartigen Bauten in Rom und in den
Provinzen zuwandte, üeber diese Glanzzeit seiner Regierung
soll im folgenden Abschnitte gehandelt werden.
1) Becker -Marquardt, Handbuch d. röm. Alterth. III, 1, S. 202.
2) Eckhel, Doctr. Num. III, p. 330, vgl. Marquardt, S. 184.
3) OreUi, 3187 (Muratori, p. 232, 2): SENATVS SVPPLICA-
TIONES DIS IMMORT ALIBVS . . . auctore || IMPCAESNERVA TRA-
lANO AVG . GERM ■ DACIC • SENATVS ORNAMENT • || TRIVMPHAL
DECR . STATVAMQ • IN FORO ■ AVG • PONENDAM • CENSVIT. Das8
sich dieses Fragment nur auf Palma beziehen kann, hat Borghesi dar-
gethan (Annal*. delV Inst. 1846, p. 342 fl.). Die Ehrenstatue erwähnt auch
Dio Cassius, LXVIII, 16. Borghesi glaubte, nach Trajan sei die Erthei-
lung der ornamenta triumphalia nicht mehr üblich gewesen; diese An-
sicht muss nach der neuentdeckten Inschrift des Sex. lulius Severus
modificirt werden.
Dritter Abschnitt.
Proyinzialyerwaltnng und Bauten.
Im Jahre 111 wurde der jüngere Plinius als ausser-
ordeutlicher Legat des Kaisers in die bisher senatorische
Provinz Bithynien und Pontus gesandt*), um die dortigen
1) Clinton (Fasti Romani] setzt die Statthalterschaft des Plinius in
<lie Jahre 103 und 104, zwischen den ersten und zweiten dacischen
Krieg, nach einer fragmentarisch erhaltenen Inschrift (v. ad ann. 103,
col 4), die seine testamentarischen Verfügungen enthält und auf welcher
wir den Namen Dacicus unter den Titeln Trajans nicht finden. Diese
Inschrift gehört offenbar in spätere Zeit, jedesfalls wurde sie nach der
iiithynischen Legation angefertigt und der Name Dacicus kann ursprüng-
lich nicht gefehlt haben. In diesem Sinne hat Mommsen die Urkimde
restituirt (Annali deir Inst. 1854, p. 42; vgl Henzen, Supplem. III,
P- 124; Elenier zu Borghesi, Oeuvres, IV, p. 119, n. 1; Hermes, III,
S 112). Würde mm seine Sendung dennoch in die Jahre 103 — 104
gehören, so müssten wir in seinen Privatbriefen, von denen eine An-
^hl nach dem Jahre 104 geschrieben sind, irgend eine Andeutung
^OD derselben finden. Aber wir entdecken nicht die leiseste Spur,
wahrend er doch seine früheren Magistraturen geflissentlich hervor-
hebt. Wir erfahren zu wiederholten Malen, dass er praefectus aerarii
'Satarai (Epist. V, 14; VIII. 11; ad Traian. 3), ferner dass er Consul
'^Jl, 18; IV, 9), Augur (IV, 9, ad Traian. 13), curator alvei Tiberis
^Vni, 17) gewesen sei — wie sollte er seine Freunde nicht auch gern
^ die Statthalterschaft erinnert haben, die er gewiss als das Ziel
»einer Wünsche betrachtete? Nun befand er sich im Jahre 105,
alä der Consul Cn. Alranius Dexter starb, in Rom (VIII, 14, 12 ed.
^^h vgl Henzen, n. 6867, wo auf p. 376 A. 106 statt A. 106 zu
lesen igt); ebenso im Jahre 106, als Trajan vom dacischen Kriege zurück-
^e^irtc (VI, 31 vgl. VIII, 4) und im Jahre 107, d. h. 10 Jahre nach dem
Tode des Verginius Rufns (VI, 10). 8o woit liisst «ich seine Privntcorre-
^nlersacli. z. Rüni. Kaisertresch. I. W
114 .lohannes Dierauer: Geschichte Tr^ans.
durch die Schuld früherer Statthalter in Verwirrung gerathe-
nen Verhältnisse neu zu ordnen.^) Seine Correspondenz mit
Trajan aus der Zeit dieser Legation ist noch erhalten unJ
hat einen um so grössern Werth, als in den Rescripten die
eigenen Worte Trajans vorliegen. Sie liefert uns sehr schätz-
bare Documente über die damalige Verwaltung der Provinzen ;
sie zeigt uns aber auch den im eminenten Sinne administra-
tiven Geist des Kaisers. Nach beiden Richtungen verdient
sie eingehende Würdigung.
Sein Hauptaugenmerk richtete Trajan auf die Finanzen
der Provinz und wie es scheint^ hatte er Plinius zu beson-
derer Sorgfalt in Bezug auf deren Ueberwachung verpflichtet.
Dieser schreibt ihm schon in dem ersten Briefe, den er nach
seiner Ankunft in Bithynien absendet, dass er die Rechnun-
8pondenz chronologißch bestimmt verfolgen. Da bis zum Jahre 107
jener Statthalterschaft keine Erwähnung geschieht, so muss sie in die
nächstfolgenden Jahre gehören, jedoch vor den parthischen Krieg,
ßorghesi, der sie früher mit Clinton zwischen den ersten und zweiten
dticisehen Krieg setzte, ist neuerdings, veranlasst durch die unterdessen
bekannt gewordene Thatsache, dass Cn. Afranius Dexter erst im Jahre
105 Consul war, von dieser Ansicht zurückgekommen. Er sagt: //
ritardo del consoluto di Afranio Destro, ch*e uno dei cardini della cra-
nologia Pliniana, vietando che la legazione Bitinica piü s'interponga
fra le due guerre Daciche, secondo Vopinione ch'io pure aveva seguita
fiel mio Burhuleio, esige che qiiesta si procrastini o sino all* 860 col
Miizoechi, o meglio sino cdV 863 (110) col Noris (vgl. dessen säm ratliche
Werke, Verona 1729, II, p. 930: circa Septembrein anni 109 aut sequen-
tis), essendo poi certo, che infin che Plinio fu in Borna o nella provincia,
Traiano no ando nelV Oriente (Oeuvres, IV, p. 121, n. l; vgl. die An-
merkung Mommsen's an dieser Stelle). Neuerdings lässt Mommsen die
Legation des Plinius mit Rücksicht auf eine dem Jahre 112 angehörende
Inschrift des niedermösischen Statthalters P. Calpurnius Macer Caulius
Rufus, der gleichzeitig mit Plinius fungirte (ad Traian. 42. 61. 62) im
Jahre 111 beginnen (Hermes, III, S. 65, vgl. Anm. 4).
1) Trajan schreibt an Plinius (32 ed. Keil): Metninerimus id-
Circo te in iMam provinciam missum, qxwniam multa in ea emendandu
apparuerint Aehnlich 117: Sed ego' ideo prudentiam tuam elegi ut
formandis istius prorinciae morilms ipse moderareris et ea consti-
tueres quae ad perpetiutm eitis provinciam quietem essent profutura.
lieber die frühern Wirren in dieser Provinz vgl. Epist. IV, 9; V, 20;
Vir, G.
ni. Provinzialverwraltung und Bauten.. 115
gen der Stadt Pnisa geprüft und in bedauerlicher Unordnung
gefunden habe. Er verlangt einen Ingenieur zur Verifieirung
von Defraudationen der Bauunternehmer.^) — Nach den Vor-
schlägen^ die Plinius Trajan unterbreitet, billigt dieser den
Bau eines neuen Bades in Prusa, sofern keine neue Steuer
erforderlich ist und das Nothwendige nicht darunter leidet.^) —
Wenn die Stadt Sinope die Kosten einer Wasserleitung be-
zahlen kann, so darf man den Bau gestatten.^) — Die gleiche
Erlaubniss wird auch Nicomedia ertheilt, aber Trajan will
genau wissen, durch wessen Schuld zwei frühere Unterneh-
mungen, die der Stadt sehr bedeutende Sunmien gekostet
haben, nicht zur Ausführung gekommen sind.*) — Er ge-
stattet den Ausbau eines Theaters in Nicäa ; man soll aber
die Arbeiten überwachen und ja nicht vergessen , die Privat-
personen, welche Beiträge für die Decoration zugesagt haben,
znr Erfüllung ihres Versprechens anzuhalten.^) — In Bezug
auf die Bäder, die Claudiopolis erstellen will, wird Plinius
genau untersuchen, ob die verfügbaren Gelder für diesen
Zweck mit Rücksicht auf die gewählte Localität gut ange-
wendet seien.®) — Wie in Prusa, so nimmt Plinius auch in
zahlreichen andern Städten eine Revision der •finanziellen Ver-
waltung vor^); sie werden überall zu weiser Sparsamkeit ver-
pflichtet; dafür ist Trajan auch bemüht, sie so wenig als
möglich für den Staat ökonomisch in Anspruch zu nehmen.
Er ist sehr damit einverstanden, dass die Stadt Byzanz nicht
mehr wegen eines einfachen Huldigungsdecretes alljährlich
einen Boten nach Rom sende, dessen Mission mit bedeuten-
den Auslagen verbunden war. Es genügt in Zukunft, wenn
ihm Plinius das Decret der Byzantiner übermittelt, und auch
1) Ad Traian. 17.
2) 23 und 24.
3) 90 and 91.
4) 37 und 38.
5) 39 und 40.
6) id. ibid.
7) 43 (in Byzanz); 47 (Apamoa); 92 (Amisiis).
8
116 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
der Gouverneur von Mösien dürfte sich mit einer wohlfeileren
Form der Aufwartung von Seite dieser Stadt zufrieden gebend)
Plinius ertheilt deswegen auch nur mit ausserordentlicher
Zurückhaltung die Erlaubniss für die Benutzung der Staats-
post, deren Beförderung den Provinzen oblag und immer -als
eine grosse Last betrachtet wurde. Er entschuldigt sich bei
Trajan, dass er dem Courier eines sarmatischen Königs sei-
ner dringenden Botschaft wegen einen Postschein gegeben
habe, sowie seiner Frau, die durch den Tod ihres Grossvaters
nach Rom gerufen wurde. ^)
Selbstverständlich beschäftigen den Kaiser auch die Trup-
pen, die über die Provinz zerstreut die Polizei derselben bil-
den: Plinius beeilt sich jedesmal beim Beginne eines neuen
Jahres zu berichten, dass die Soldaten und das Volk ihre
Huldigungen erneuert haben. ^) Der Soldat war damals in
den Provinzen, in denen kein eigentliches Besatzungsheer
lag, gesucht. Byzanz war eine wichtige Handelsstadt: Trajau
hatte ihr, dem Beispiele seiner Vorgänger folgend, einen
Oenturio gegeben ; aber Juliopolis braucht kein Militär, andere
Städte könnten ebenfalls solches verlangen und in dem Masse
ihre Forderungen erhöhen, je schwächer sie sind.^) — Der
Präfect der pontischen Küste muss sich mit 13 Soldaten be-
gnügen. Trajan bemerkt, dass es Leute gäbe, die ihr CAmx-
1) 43 und 44: Ignoscet Ulis et Moesiae praeses, si minus ilhtm
sumpttwse coluerint. •
2) 64. 120. Bis auf Ncrva warcfi Italien sowol als die Provinzen
zur Beförderung der Stoatspost verpflichtet; dieser Kaiser sah sich
j^onöthigt, die Bewohner Italiens von diesem Servitut zu befreien (vgl.
die Münzen bei Eckhel, VI, p. 408, Cohen, Mdd. Imperiales, I, Ncrva,
n. 122, aus dorn Jahre 97). Ich finde nicht, wie Hudemann, nach unrich-
tiger Interpretation einer Stelle bei Aurel. Victor, Caes. 13 (vgl. dessen
Abhandhing : das l'ostwesen der röm. Kaiserzeit, Programm der Ploener
Gelehrtenschule, ISßC), dass Trajan auf den frühem Modus zurückkam.
Wol ist sicher, dass er das Postwesen verbesserte (Aurel. Vict. 1. c.)
und genaue Bestimmungen über die Benutzung von Reisepässen (diplo-
mata) erliess.
3) 100; vgl. 35, 52, 102.
4) 77 und 78.
ni. Provinzialvcrwaltung und Bauten. 117
mando gerne ausdehnen mochten und sehreibt in dieser Be-
ziehung Zurückhaltung vorJ) — Er findet es in der Ordnung,
dass einem seiner Procuratoren für die ausserordentliche Mis-
sion des Getreideankaufs in Paphlagonien einige Fusssoldaten
und zwei Reiter beigegeben wurden^); nach seiner Rückkehr
aber darf er nur 4 Soldaten behalten.'*) — Er gibt nicht zu,
dass die Truppen den Dienst mit öiFentlichen Sclaven thei-
len, die wie Plinius glaubt; zur Bewachung der Gefangnisse
nicht genügen. Aus dieser Berührung könnte gegenseitige
Nachlässigkeit entstehen; aber besonders muss man den Sol-
daten so wenig als möglich von seiner Fahne entfernen. Diese
Maxime legt er Plinius später noch einmal nahe. Man sieht,
wie sehr er darauf bedacht ist, die Würde des Soldaten zu
wahren. *)
lieber die geheimen Gesellschaften ist Trajan besorgt.
Es war in Bithynien gebräuchlich, bei Familienfesten, bei
der Uebernahme eines Amtes oder bei der Einweihung eines
Monumentes zahlreiche Gäste einzuladen und sogar Geld
unter sie zu vertheilen. Trajan sieht Gefahr in solchen Fest-
versammlungen, an denen sich bisweilen gegen tausend Per-
sonen betheiligten; sie könnten sehr leicht einen aufrühreri-
schen Charakter annehmen. *Ich habe', schreibt er seinem
Legaten sehr bedeutsam, ^dich ausersehen, damit du gemäss
deiner Einsicht die Missbräuche in der Provinz hebest, und
bestimmest, was zu ihrem dauernden Frieden dient. '^) —
Eine Feuersbrunst hatte arge Verheerungen in Nicomedia an-
gerichtet. Plinius möchte eine Handwerkergesellschaft grün-
den, die den Zweck hätte, bei künftigen Unglücksfällen durch
vereinte Thätigkeit ein weiteres Umsichgreifen des Feuers zu
verhindern; leicht wäre eine solche, nicht über 150 Mann
1) 21 und 22.
2) 28: rede militibua instruxisti. Ftmgebatiir enim et ipse extra-
»rdinario munere.
3) ibid.
4) 20: Sed et iUud haereat nobis, quam paucissimos milües a signia
(tvocandos esse; vgl. 22.
5) 116 und 117.
118 Johannes Dierauer : Geacliichte Trajans.
starke Association zu überwachen.^) Aber nach Trajan haben
gerade * solche Factionen' Unruhe und Verwirrung in den
Städten erzeugt; unter welchem Namen und in welcher Ab-
sicht man auch eine Corporation bilden möge, so entstehe
alsbald; wenn auch nur vorübergehend, eine Hetärie*, es sei
besser für die nothigen Loschapparate zu sorgen und den
Hausbesitzer zur Vorsicht zu mahnen.^) — In der That ver-
nehmen wir später, dass Plinius jede corporative Versamm-
lung verbot.^)
Religiöse Schwierigkeiten entscheidet Trajan sehr rasch.
Man kann einen Tempel der Cybele in Nicomedia versetzen,
ohne bei der Dedication des Bodens die besondern Formalitä-
ten zu beobachten, die in Rom gebräuchlich sind.*) — Man
kann auch die Ruinen eines Hauses, das seiner Zeit dem
Kaiser Claudius geschenkt wurde, zum Bau von Bädern be-
nutzen; wenn aber das im Peristyl dieses Hauses projectirte
Heiligthum wirklich eingeweiht worden ist, so bleibt der
Boden geheiligt.^) — Wegen einfacher Translation eines
Grabes braucht man sich nicht an die römischen Pontifices
zu wenden-, solche Umständlichkeit wäre unbillig. Plinius
mag also mit Rücksicht auf die von frühern Proconsuln in
solchen Angelegenheiten erlassenen Bestimmungen das Ge-
ziemende verfügen.*^) — Etwas länger verweilt er doch bei
einer Anfrage über das Verfahren, das man gegen die Chri-
sten einzuhalten habe. In Bithynien waren die Anhänger
des Christenthums im Anfange des zweiten Jahrhunderts
schon zahlreich. Plinius fand bei seiner Ankunft die Tempel
1) 33.
2) 34: Quodcunique nomen ex quacumque causa dederimus iis (lui
in tsdem contracti fuerint . . . hetaeriaeque hrevi fient. Im Text ist
eine Lücke.
8) 96, 7: — quod ipsum facere desisse post edictum mewn, quo
sectmdum mandata tua hetaerias esse vetueram.
4) 49 und 50.
5) 70 und 71.
6) 68 und 69: Durum est iniungere necessitatem provincialüm
pontifkum adeundarum.
in. Provinzial Verwaltung und Bauten. 111)
?erl&sseu, die heidnischen Feste wurden nicht mehr in ge-
wohnter Weise begangen^ die Opferthiere fanden keine Käu-
fer mehr. Es leuchtet ein^ dass von ihm^ der den Kreisen
der Senatorier angehörte und sich von Amtswegen zur Hebimg
der Staatsreligion verpflichtet glaubte^ die heidnische Reaction
ausgehen musste. Er verfuhr nun so^ dass er die als Christen
angeklagten Personen inquirirte^ und wenn sie nach drei-
maliger Warnung bei ihrem Glauben beharrten ^ hinrichten
liess. Wie er überhaupt ein Mensch von kleinlichem Sinne
war, 80 hielt er sich überzeugt , dass ihr Ungehorsam und
ihre Hartnäckigkeit ganz abgesehen vom Inhalte ihrer Ge-
standnisse die schwerste Strafe verdienten. Nun wurde er
von Leuten, die vom Chnstenthume abgekommen waren, über
die Zwecke der Gemeinde unterrichtet; um die Wahrheit
genau zu erforschen, brachte er zwei Sciavinnen auf die
Folter; zu seinem Erstaunen fand er aber nichts als eine
falsche und dazu enthusiastische Anschauung von göttlichen
Dingen.') Er erfuhr, dass in den Christenversammluugen
nichts Strafbares vorgehe, dass sogar jeder Theilnehmer die
eidliche Verpflichtung übernehme, kein gemeines Verbrechen
zu begehen. Diesen Erscheinungen gegenüber war Plinius
rathlos; er schob die weitere Untersuchung auf, um Trajans
Befehle zu vernehmen.
Bisher war zur Fixirung des Verhältnisses zwischen
Christenthum und Heidenthum durchaus keine Verordnung
erlassen worden, die einen legalen Charakter gehabt hätte;
denn das Einschreiten Nero's war ein Gewaltact ohne gesetz-
liche Form^), und die angebliche Christenverfolgung unter
Domitian löst sich bei näherem Zusehen in eine Verfolgung
der Juden und Philosophen auf, die in spätem christlichen
Kreisen zu irrthümlichen Combinationen Veranlassung gab.^)
1) 96: Nihil (Uiud invetii quam superstitionefii pravam inmodicam.
2) Aubd, de la legalite du Christianisme dans Venipire ramain pen-
dant U Premier siäele (Comptes rendus de VAcad. des Inscr. et BeUes-
LeUres 1866), p. 185 fl. ; vgl. Rossi, Bull, archeol. crist. Dec. 1865, p. 93.
3) Aub^, p. 194 fl. Diese YerhältnisBe sind hier scharfsinnig erörtert.
120 Johannes Dierauer: Geschichte Tnyans.
Trajans Antwort war daher von entscheidender Bedeutung.
Er billigte das Verfahren seines Statthalters^ sagte aber,
eine allgemeine Regel lasse sich nicht aufstellen. Er will
nicht ^ dass man die Christen aufsuche, anonyme Anklagen
sollen unberücksichtigt bleiben, weil dies das übelste Beispiel
gebe und dem Geiste des Jahrhunderts entgegen sei. Wenu
aber Schuldige öffentlich angeklagt und überwiesen werden,
so müsse man sie natürlich bestrafen, so zwar, dass diejeni-
gen, welche sich thatsächlich durch Opferung vor den Staats-
göttern als Nichtchristen erweisen, Verzeihung erhalten, so
verdächtig sie auch in Hinsicht ihrer Vergangenheit sein
mögen. *)
Nach dem Massstabe der Zeit gemessen, ist Trajans Ent-
scheidung eine äusserst humane und dennoch der Anfang
der principiellen Christen Verfolgungen ; denn hier zuerst wird
dem Christenthume die rechtliche Existenz im römischen
Staate abgesprochen und das christliche Bekenntniss schlecht-
hin als ein die Staatsgewalt gegen sich hervorrufendes, straf-
würdiges Verbrechen betrachtet.^) In der That wurde bald
genug diese legale Handhabe zu masslosen Verfolgungen be-
nutzt, und es lässt sich begreifen, wenn die christlichen Apo-
logeten vom Standpunkte innerster Selbstberechtigung ihres
religiösen Dogmas gegenüber den Forderungen des römischen
Rechtsstaates mit äusserster Erbitterung sich gegen das tra-
janische Edict aussprachen.^)
Bemerkenswerth sind die Verfügungen Trajans in einigen
Fällen von mehr rechtlicher Natur. Plinius schreibt ihm,
dass Leute, die seit längerer Zeit zu deii Minen und zu
Aubd kommt zu dem Schlüsse: Dans les deux cos (sous Neron et sous
Domitien) ce furent des coups d'atäaritc frajjpes en dehors de tmitc
prdoccupation politique ou religietise, sur des individus plutöt que sur
une secte, et qui n'etaient pas de nature ä fonder une tradition ei ä
fixer la jwrisprudtnce de Vempire au sujet du christianisme.
1) ad Traian. 97.
2) Vgl. Baur, das Christenthum und die christliche Kirche der drei
ersten Jahrhunderte, S. 436 — 440.
3) Tertullian. Apol. c. 2.
in. Provinzialverwaltung und Bauten. 121
Kämpfen in der Arena verurtheilt worden, ihre Strafe nicht
erdulden, sondern unter den öffentlichen Sclaven leben und
deren Sold gemessen; die meisten seien aber alt und gebrech-
lich und es treffe sie weiter kein Vorwurf.^) Hier waren
Humanität und Gesetz im Spiele. Trajan ist streng in seiner
Antwort, aber nicht ohne auch der Milde Baum zu geben.
Eben deswegen habe er Plinius in die Provinz gesandt, weil
Vieles darin zu verbessern war, und gerade mit Bezug auf
die Ausführung der Strafurtheile scheinen die meisten Miss-
brauche vorgekommen zu sein. Die Urtheile, die in den letz-
ten zehn Jahren gefallt worden sind, müssen also exequirt
werden; finden sich aber Leute, deren Verurtheilung auf
mehr als zehn Jahre zurückgeht, so sind sie bei Arbeiten zu
verwenden, die annähernd ihrer Strafe entsprechen.'^) — Der
Senat hatte die Acte des Julius Bassus, der unter Nerva Pro-
consul von Bithynien gewesen war, cassirt und allen durch
ihn verurtheilten Personen zwei Jahre Zeit zur Appellation
gegeben. Ein Verbannter des Bassus war in. der Provinz
geblieben ohne zu appelliren. Was soll mit ihm geschehen?
Man soll ihn fesseln und dem Präfecten des Prätoriums über-
senden, erwiedert Trajan, denn die einfache Ausführung der
Strafe genügt nicht für den, der ein Spiel damit getrieben
hat.') — Unter den Kecruten haben sich Sclaven gefunden;
sie sind schon eidlich verpflichtet aber noch nicht incorporirt.
Wie hat man bei diesem Disciplinarvergehen zu verfahren?
Sind sie geworbeA, worden, lautet die Antwort, so liegt der
Fehler auf Seite des Werbeoffiziers; sind sie als Vicarii ein-
getreten, so muss man sich an ihre Mandatoren halte]) ;
haben sie sich fi'eiwillig und im vollen Bewusstsein ihres un-
freien Standes eingestellt, so sind sie selbst zu bestrafen.
Nicht die wirkliche Incorporation ist in dieser Hinsicht ent-
scheidend, sondern die Eidesleistung, vor welcher sich jeder
1) ad Traian. 31.
2) 32: distribuamus illos in ea ministeria quae non lange apoena sint.
3) 56 und 67: fieqiie enim suf fielt cum poenae ftuae restitui, quam
contumacia dttsü.
122 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
der Wahrheit gemäss über seine Herkunft erklären muss.*)
— Bisweilen finden wir aber doch, dass Trajan den allzu
grossen Eifer seines Legaten zu dämpfen sucht. Plinius
möchte im Nothfalle die Decurionen zwingen, offentliche Gel-
der, für die man keine Verwendung findet, gegen 12 Pro-
cent zu übernehmen; aber Trajan weist dieses Auskunftsmittel
zurück und empfiehlt eine Herabsetzung des Zinsfusses; es
entspreche nicht den Rechts begrifien der Zeit, Jemanden zur
Annahme von Capitalien zu zwingen, die ihm nichts nützen.^)
— Ebenso vdll er nicht, dass man in strenger Ausübung
eines jüngst erlassenen Edictes auf Schenkungen zurück-
komme, die von den Städten vor mehr als zwanzig Jahren
an einzelne Privaten gemacht worden sind. Gute Finanzen
sind ihm zwar lieb, aber eben so sehr liegt ihm die Euhe
der Bürger am Herzen.*) — Die gleiche versöhnliche Stimmung
dringt durch, wenn es sich darum handelt, über den Senat
der bithynischen Städte zu entscheiden, dessen Zusammen-
setzung durch Pompejus regulirt, aber im Laufe der Zeit durch
das Eindringen illegaler Gewohnheiten verändert worden war.
Wollte man rücksichtslos einschreiten, so würde man allzu
viele Interessen verletzen^); rühren wir also das Vergangene
nicht an, belassen wir die Männer, die gesetzwidrig in den
Senat aufgenommen worden sind, in ihren Stellen, aber be-
obachten wir in Zukunft gewissenhaft die pompejischen Ver-
ordnungen. — Den Philosophen Flavius Archippus soll
Plinius wegen eines Verdachtes, der aus früherer Zeit auf
ihm lastet, nicht verfolgen*, hat es ja nach den vorliegenden
Documenten doch allen Anschein, dass er von Domitian
rehabilitirt worden ist. Dies hindert jedoch nicht, eine Unter-
suchung einzuleiten, sofern neue Klagen über ihn erhoben
1) ad. Traian. 29 und 30.
2) 64 und 65: Invitos ad accipiendum conpdlere, quod fartassui
ipsis otiomm ftUurum sit, non est ex iustitia nostroruni teniporum.
3) 110 und 1,11: Non minm enim hominilms cuitisque loci qt^am
pecuniae publicae consiUtum volo,
4) 115: cuius vim si retro qmque velimus custodire, multa necem
est pertw'bari.
j
in. Provinzial Verwaltung und Bauten. 123
werden.') — Nach der Lex Pompeia ist für die Ueberiiahme
einer städtischen Magistratur oder den Eintritt in den Senat
das dreissigste Altersjahr erforderlich^ uiid gewesene Magistrate
haben senatorisches Recht. Aber Augustus hat die niedrigeren
Magistraturen schon mit dem 22. Jahre erlaubt. Können
nun gewesene Magistrate noch vor dem dreissigsten Jahre
in den Senat gewählt werden? Und wenn ja: ist dann der
Eintritt in den Senat auch ohne vorausgegangene Magistratur
gestattet? Die erste Frage hat Plinius vor den stadtischen
Gensoren bereits in bejahendem Sinne entschieden; seine Inter-
pretation des augusteischen Gesetzes wird von Trajan gebil-
ligt, der jedoch keinen Augenblick schwankt; die andere Frage
zu verneinen.^)
Einen ganz eigenthümlichen Zug in Trajans Gorrespon-
denz bildet die Abneigung gegen den Erlass allgemein gül-
tiger Bestimmungen. Der Schematismus in Bechtsangelegen-
heiten widerspricht seinem innersten Wesen. Er will jedem
Volke seine Eigenart, jeder Stadt ihre überkommenen Rechte
und Privilegien lassen, und so oft Plinius auf allgemeine
Regeln dringt, lehnt sich sein romischer Geist gegen
diese Tendenzen auf. Plinius findet über die ausgesetzten
Kinder weder besondere noch allgemeine Verordnungen, die
sich auf Bithynien beziehen. Trajan antwortet, diese Ange-
legenheit sei schon oft behandelt worden, aber es bestehe
kein für alle Provinzen gültiges Gesetz. Er gibt seine Ent-
scheidung im Anschluss an einige Briefe Domitians und er-
ledigt damit die vorgelegte Frage, jedoch nur mit Rücksicht
auf Bithynien. ') — In dem Decret über die Christen erklärt
er zum Voraus, dass man eine allgemeine und sichere Form
in solchen Processen nicht aufstellen könne.'*) — Plinius
wünscht eine für alle Städte Bithyniens verbindliche Verfügung
1) 58. 59. 60.
2) 79 und 80.
3) 66 und 66.
4) 97: Neque enim in tmiverBum dliqiUd quod qua9i certam for-
mam habeat cangtitui potest. Vgl. S. 120.
124 Johannes Dieraucr: Geschichte Trajans.
in Bezug auf die Investiturgebühren der Decuriouen. Der
Kaiser antwortet, man könne keine allgemeine BestimmuDg
erlassen, das Sicherste sei nach seiner Ansicht, sich an die
Gebräuche jeder einzelnen Stadt zu halten. ') — Die Rechte
der Städte auf das Besitzthum ihrer Schuldner sind nicht g'e-
nau festgestellt. Nach Trajan müssen die Gesetze jeder Stadt
beobachtet werden ; hat sie ein Privilegium, das ihr den Vor-
rang vor den Privatcreditoren zusichert, so soll man es
wahren, wenn nicht, so darf ihr kein solches zum Naeh-
theil von Privaten ausgestellt werden.^) — Die Nicäer
beanspruchen nach einem von Augustus ihnen ertheilten
Privilegium das Recht, über die Hinterlassenschaft ihrer
ohne Testament verstorbenen Bürger verfügen zu dürfen.
Man muss untersuchen, sagt Trajan, ob ihre Ansprüche be-
gründet sind und dann entscheiden was Rechtens ist.*) —
Die Stadt Apamea willigt ein, dass Plinius ihre Rechnungen
prüfe, obwol sie das alte Vorrecht besitzt, keiner Controle von
Seite des jeweiligen Legaten unterworfen zu sein. — Mau
benutzt ihre Einwilligung und lässt ihre Privilegien bestehen. *)
— Die freie Stadt Amisus wünscht eine CoUecte zu veran-
stalten. — Wenn sie sich für das Recht ausserordentlicher
Geldsammlungen auf Gesetze berufen kann, die wir nach
unserm Allianzvertrage ehren müssen, so steht keinHinder-
niss im Wege, besonders, fügt Trajan hinzu, wenn der Er-
trag nicht für Cabalen und illegale Zusammenkünfte sondern
für die Unterstützung der Armen verwendet wird.*)
Dies ist der Hauptinhalt der öffentlichen (Korrespondenz
zwischen Plinius und Trajan. Die Mittheilungen und An-
fragen des Plinius sind im Allgemeinen unbedeutend und ent-
halten sprechende Beweise von theils persönlicher, theils mit
1) 112 und 113: Id ergo quod semper ttUissimum cM, seqitendam
cuiiisque civitatis legem puto,
2) 108 und 109.
3) 84 und 85.
4) 47 und 48: sciant hoc quod inspecturus es ex mea voluntate so/-
vis qtMe Jiabent privilegiis esse facturum.
6) 92 und 93.
III. Provinzialverwaltimg und Bauten. 125
seiner amtiiichen Stellung schlechterdings verbundener Un-
selbständigkeit. Er muss sich zuweilen eine ironische oder
sogar eine zurechtweisende Antwort gefallen, lassen. Wenn
er z. B. wegen jeder Kleinigkeit einen Architecten von Rom
verlangt, 80 schreibt ihm Trajan: ^Architecten können dir
gewiss nicht fehlen; es gibt keine Provinz, in der sich nicht
kundige nnd geschickte Leute finden; du müsstest denn
glauben, es sei einfacher sie von Rom nach Bithynien zu
senden , ^ während sie doch gewöhnlich aus Griechenland zu
uns kommen.' ^) Oder er erhält auf eine müssige Anfrage in
einem Rechtsfalle die Antwort: *Mein lieber Plinius, du hät-
test in der Angelegenheit, die du meiner Entscheidung unter-
breiten zu müssen glaubtest, nicht zweifeln sollen; du weisst
ja sehr wol, dass es nicht meine Absicht ist, durch Furcht
und Schrecken oder durch Klagen auf Majestätsverbrechen
meinem Namen Achtung zu verschaifen.'^) Trajans Rescripte
sind nach Form und Inhalt von wahrhaft antiker Concision.
Sie sind immer der Sache entsprechend imd zeugen von einer
merkwürdigen Fähigkeit, sich aus jedem gegebenen Momente
heraus in die Lage des Anfragenden zu versetzen. Er gibt
seine Entscheidung jeweilen nur nach sorgfältigen Erwägun-
gen und nachdem er, sei es in den vorgelegten Actenstücken,
sei es in den Commentarien früherer Kaiser sich auf das
genaueste nach dem Recht erkundigt hat. 3) Daher diese
Ueberlegenheit, diese Klarheit und Sicherheit des Blickes.
Man ist erstaunt über seine bis ins Einzelne gehende Sorge
1)40.
2)82.
3) PHnius übersendet ihm in vielen Fällen die Rechtstitel (vgl. 47.
56. 58. 59. 70. 79. 83. 92. 96, 114). Oder er verweist Trajan auf die
römischen Archive: quae ideo titn non misi, quia et parum e^nendata
^ qmedam fion certae fidei videbantur et quia vera et emefidata in
<cTiww tuis esse credebam (66). Wo Plinius d&s Actenstück beizulegen
veigiast, da verlangt es Trajan ausdrücklich: Si mihi senatus canstil-
tum miseris, quod haesitationem tibi fecit, aestimdbo an debeas cogtio-
^^cere (73). Wie gewissenhaft er sich über einzelne Fälle erkundigt,
ersieht man besonders aus Epist. 66: nee quicquam invenitur in com-
taentariifi eorutn princijmm qui ante me fiierrmt.
126 JohanneB Dierauor: Geschichte Trajans«
für eine so entfernte Provinz,*) und doch scheut er jede Ver-
einfachung der Arbeit durch Einführung allgemeiner Normen.
Man kann sich hieraus einen annähernden Begriff von der
Geschäftslast bilden, der er sich persönlich unierzog; denn
wenn auch entfernt nicht anzunehmen ist, dass alle Legaten
sich mit der Geschäftigkeit des Plinius in jedem zweifelhaften
Falle an die kaiserliche Instanz wendeten, so waren doch bei
der ungeheuren Ausdehnung des Reiches fortwährend zahl-
lose Anfragen zu erledigen. Eben aus der uns vorliegenden
Correspondenz ersehen wir am deutlichsten, dass er befähigt
und geneigt war, die Staatsgewalt nach gerechten und hu-
manen Grundsätzen zu führen. Er war von seiner hohen
Aufgabe tief durchdrungen: er betrachtete sich als den Ver-
treter einer gebildeten Zeit, mit deren Würde sich ein ge-
setzwidriger oder unbiUiger Act nicht vertragen hätte.^
Es kann nach Plinius' Correspondenz doch nicht bezwei-
felt werden, dass damals in den Provinzen ein auffallender
Mangel an technisch gebildeten Leuten war. Die grossartigen
Bauten, die zu gleicher Zeit in Italien und besonders in Rom
1) Wie sehr er sich z. B. um das physische Wohl der Provinzialeii
bekümmert, beweisen die Briefe 38: curandum est ut aqua in Nico-
medensem civitatem perducatur; 91: neque enim dtibitanduvi puto quin
aqua perducenda sit in cöloniam Sinopensem — — cum plurimum eit
res et saiuhritati et voluptati eius conJatura sit; vgl. auch 99.
2) 56: Invitos ad accipiendum conpellere — non est ex iustitia
nostrorum temporum. 97: nam et pessimi exempli nee nostri saeculi
est. Auch Plinius schreibt bisweüen in diesem Sinne, 37: Ego illud
unum adfirmo et utilitatem operis et pulchritudinem saeculo tuo esse
dignissimam , vgl. Epist. 1, ein Gratulationsschreiben aus dem Anfang
des Jahres 98.
Die chronologische Folge der Correspondenz hat neuerdings H. Keil
gesichtet. Halten wir fest, dass Plinius* Legation im Jahre 111 begann,
so kam er am 17. September 111 in Bithynien an (17). Wir haben
nun Briefe vom 1. Jan. il2 (35); vom 27. Jan. 112 (52); vom 18. Sept.
112 (88, Tr^'ans Geburtstag); vom 1. Jfli. 113 (100) und vom 27. Jan.
113 (102). Die Briefe 102—121 sind nach dem 27. Jan. 113, etwa bis
Ende Juni, der gewöhnlichen Zeit des Amtswechsels geschrieben; die
officielle Correspondenz umfasst also einen Zeitraum von ungefiUir
22 Monaten.
in. Provinzialverwaltung und Bauten. 127
vorgenommen wurden, absorbirten wie es scheint alle her-
vorragenden Ingenieare und Arehitecten.^) Zwischen dem
(heischen und parihischen Kriege liegt die eigentliche Bau-
periode der trajanischen Regierung; es entstanden innerhalb
weniger Jahre eine Reihe von Werken, die schon im Alter-
thome Bewunderung erregten und in ihren Trümmern noch
jetzt den Glanz jener Epoche ahnen lassen. Strassen, See-
hafen, Wasserleitungen wurden angelegt, endlich ein neues
Forum, das an Pracht und Ausdehnung alle früheren über-
traf. Wir können es uns nicht versagen, auf diesem zum
Theil der Kunstgeschichte angehörenden Oebiete einige Zeit
zu verweilen.
Vor Allem bemerken wir Trajans steigende Sorge für die
Erleichterung des Verkehrs in Italien, lieber seine Strassen-
anlagen berichtet ein Schriftsteller aus der zweiten Hälfte
des zweiten Jahrhunderts: ^Trajan versah die morastigen
und versumpften Stellen mit einem Steinpflaster, nachdem
sie vorher durch aufgeworfene Erddämme erhöht worden;
er reinigte die domigten und rauhen Wege, überbrückte die
Flüsse, die sonst nicht zu passiren waren, kürzte allzu weite
Krümmungen durch Einschnitte ab, umgieng schroffe Hügel
Jurch Ausbiegung auf sanfter ansteigendem Terrain, füllte
Vertiefungen des Bodens aus, vermied unsichere und öde
Strecken und leitete die Strassen durch bewohnte Gegenden.'^)
In jedem Punkte entsprechen diese Anlagen den Forderungen
modemer Technik. Im Einzelnen lassen sich Trajans Strassen-
baoten nicht mehr verfolgen. Bestimmt ist uns überliefert,
(lass er die appische Strasse durch die pontinischen Sümpfe
in der erwähnten Weise verbesserte; einzelne Stellen erhiel-
ten wie es scheiiit ein gemauertes Fundament; Stationsge-
bäude wurden längs des Weges zur Bequemlichkeit der
1) üebrigens beklagt sich Trtgan einmal, daas er selbst für die
Arbeiten in Born und Umgebung zu wenig Techniker habe (ad Traiun. 18) ;
gelegentlich wendet sich Pliuius auch an den Statthalter von Mösien,
um von üun einen Nivelenr zu erhalten (61).
2) Galen, de method. medendi, IX, 8, Basil. 1661, Tom. IV, p. 116.
128 Johannes Dierauer: Geschichte Trajane.
Keisenden errichtet J) Hieran reihte sich der Bau einer neuen
Strasse von Benevent nach Brundisium; sie war im Jahre
109 vollendet und erhielt den Namen Via Traiana.') Schon
während des zweiten dacischen Krieges hatte er die zerfallene
Brücke bei Fregellae über den Liris wieder herstellen lassen.')
An die Spitze der von Trajan neu erbauten oder restau-
rirten Provinzialstrassen ist jener Heerweg längs des rechten
Donauufers in Mösien zu stellen, den er bei Gelegenheit der
dacischen Kriege ausführen liess. Noch durch ihn wurde,
im engsten Zusammenhange mit seiner Absicht nach einer
wahrhaften Grenzregulirung im Norden und Nordosten des
Reiches, der Strassenzug längs der Donau derart erweitert,
dass man ohne Unterbrechung vom schwarzen Meere bis nach
1) Dio Cass. LXVIIT, 16: Kai kotä touc aÖToOc xp<^vouc (d. h. nach
dem dacischen Kriege) xd xe ^X^ xd TTovxtva d»öoiTo()iC€ X(9ui, xal rdc
ö6oöc irapoiKo^o^fifiaci Kai Y^^P^pct^c jueTaXoirpcTrecxdxaic £EeiToi?)cev.
Nach einer zu Terracina aufgefundenen Inschrift gehört diese Restau-
ration in das Jahr 1 10 (TRIB • POT ■ XIIII • IMP - VI • COS • V). Eckhel,
Doctr. num. VI, p. 421.
2) Mommsen, Inscript. regni Neapel, n. 6290, vgl. Henzen, n. 5169:
TRIß.POTXIIMMP.VICOSVP.P.VIAM ET PONTES
BENEVENTO BRVNDISIVM PECVNIA SVA. Der Name Via Traiana
kommt auf Münzen theils aus dem fünften, theils aus dem sechsten
Konsulate vor: IMP • CAES • NERVAE TRAIANO AVG GERDAC .P•
M • TR . P • COS . V [VI] . P . P . II VIA TRAIANA • S • P • Q • R • OPTIMO
PRINCIPI . S . C . (Eckhel, Doctr. numor. IV, p. 121. Cavedoni, Bullet,
archeol. Neapolit. 1855, p. 59. Cohen, Medaüles impi^riales, II, Trajan,
n. 289, 290. 546—548). Das Bild auf der Rückseite zeigt eine ätzende
Frau, die sich an ein Felsstück lehnt. Sie hält mit der Linken
einen Zweig, mit der Rechten ein auf ihren Knieen stehendes Rad.
3) Mommsen, Inscript. regni Neapolit. n. 6253 (TRIB • POT Villi •
IMP • IUI • COS • V •). — Es lässt sich annehmen, dass Trajan in
Italien noch andere Strassen neu bauen oder värbessern liess, aber
ein specieller Nachweis ist nicht möglich. Die Orelli'schen Inschriften
n. 822 und n. 3306, die Francke, S. 578 und 579 anfuhrt, besagen nur,
dass die hier genannten Beamten seiner Zeit auch curatores vianim
Traianarum gewesen seien, nicht aber, dass Auximum in Picenum und
Aquileia Ausgangspunkte trajanischcr Ilcerstrassen bildeten. Zwei
andere Inschriften, auf denen Strassen Trajans genannt werden (Prelli,
n. 150. 143, vgl. Francke, S. 580, 581) sind verdächtig (Henzen, Supplero.
Vol. 111, p. 6, 7).
in. Provinzialverwaltung und Bauton. 129
«Pallien fahren konnte J) Ausgezeichnete Werke für die Er-
Ifr'ichterung des Verkehrs entstanden damals auch in Spanien.
IHe prachtvolle Brücke über den Tagus bei dem heutigen
Ak-antara wurde im Jahre 1()4 oder 105 erstellt.^) Sie ist
noch vorhanden, sowie eine ähnliche Baute von kleinerem
Imfang über den Tomago bei Chaves, dem früheren Aquae
Haviae in üalhiecia.^)
Damals hat Trajan an der Westküste Italiens auch zwei
neue Seehäfen bauen lassen. Der eine wurde in Ostia hinter
dem claudischen Hafen angelegt.. Die vorhandenen Ueber-
reste und die Abbildungen auf iMünzen lassen erkennen, dass
or von hexagonaler Form und ringsum mit Gebäuden um-
j(pben war, die als Magazine, wol hauptsächlich zur Auf-
nahme des Getreides dienten. Es scheint, dass sich an diese
Anlage ein neuer Verbindungscanal mit der l'iber schloss.^) —
1} Aurel. Victor Caos. 1.'): et inter ca Her coiulitum per feras gen-
l*v. f/MO facile ab uJique Pontico mari in Oalliam permeatur. Diese
Vnj?abe bezieht sich wol hauptsächlich auf die Vcrlänfjjerung der
StrdÄse im untern Douaugebiete. Es ist niclit unwahrscli(;inlich , dass
die Strasse f[uer durch die Dobrudscha führte, aber mit Unrecht
schreibt die Tradition die Aufführung der römischen Schanzwerke zwi-
•^chen Tschemawada an der Donau und Kustendje am schwarzen Meere
Trajan zu. Vgl. Jules Michel, les travaux de defense des Romains dans
la Dobroudcha (Memoires de la societe des antiquaires de France,
:i^'*- s*irie, Tome V, Paria 1862), p. 215 ff.
2) Die hischrift auf der Attika des Votivbogens (auf beiden Seiten)
wt zu lesen : IMP • CAESARI • DIVl • NERVAE F • NERVAE || TRAI ANO
AVG - GERM . DACICO • PONTIF • MAX || TRTB • POTES • VIII • IMP • V •
COS • V ■ P - P. Eine andere Inschrift in Versen findet sich an einem
kleinen Tempel, der vor dem Zugange etwas zur Seite steht; sie nennt
'l«.'n Baumeister der ßriicke, Lacer (die Vornamen C. Julius, die Francke,
S. 5S4 nach Gruter p. 161, 1 aufgenommen hat, sind spätere Interpo-
lation). Au den Seitenpfeilern des Bogens werden auch die Municipion
i?enannt, die sich durch ihre Beiträge an dem Baue betheiligten (Orelli,
n. 162). Vgl. E. Hühner, 11 pontc d'Alcfintara, Annali dell' Inst. 1803,
p. 173 ff.; dazu die Zeichnungen in den Momimenti deir Institute, Vol.
VI und VIl, Tav. LXXIII-LXXV.
3) Orelli, n. 1G3.
4) Canina, Architettara romana, Roma 183*2, III, p. 182, vgl.
Tav. CLVII. Hierher gehören die Münzen bei Cohen , II , Trajan,
»• 3G5. 366 aus dem 5. und 0. Consulat, auf der Rückseite mit einer
l'nt^Tsurh. I. Rriin. Kaiscry-pirh. 1. \)
130 Johannes Dierauer: Geschichte Tnyans.
Während die claudischeii und trajanischen Bauten in Ostia
schon längst versandet und weit von der jetzigen Meeresküste?
entfernt sind, hat hingegen der Hafen von Centum Cellae
(Civitavecchia) bis auf heute seine Bedeutung bewahrt. Wir
besitzen über seine Entstehung den Bericht eines Augen-
zeugen. Das Meer bildete dort eine natürliche Bucht von
hinreichender Tiefe. Auf beiden Seiten wurden nun feste
Dämme gebaut, die den Eingang bogenförmig schlössen
und nur in der Mitte eine schmale Durchfahrt oflFen liesseu.
Vor derselben führte man in einiger Entfernung, ähnlich
wie beim claudischen Hafen, einen starken Querdamm auf,
der die Brandung abhielt.*) ' Die ganze Anlage muss nach
ihrer Vollendung einen stattlichen Eindruck gemacht haben:
Leuchtthürme erhoben sich zu beiden Seiten der Einfahrt;
die Landschaft im Hintergrunde stieg amphitheatralisch auf
Darstellung des Hafens (die nicht den Hafen von Centum Cellae be-
zeichnen kann, vgl. Cavedoni, Bullet, archeol. Napolit. 1855, |>. C»'2]
und der Inschrift PORTVM TRAIANISC. Canina a. a. O. bezieht
auf den trajanischen Hafen in Ostia eine Stelle Juvenals (Sat. XII, 75 s«jfj);
Tandem intrat positas in^liisa per aequora moles
Tyrrhenamque Pliaron, 2>orrectaque hraehia rursum
Quae pelago occurrmvt medio longeque reUnqmmt
Italiam ,
wie mir scheint mit Unrecht, da diese Anlage keineswegs ins Meer hin-
aus gebaut wurde; Juvenals Worte lassen vielmehr an den claudischeu
Hafen und an Centum Cellae denken, und wahrscheinlich hat sich auch
der Scholiast in der Bedeutimg der Stelle geirrt, als er zu ^rumum^
die übrigens werthvolle Notiz fügte: 'quin Traianiis jwrtum August i
(d. h. Claudii) reparwvit in melius et interius tut vor em sui nominis fecii.^
— Der neue Verbindungscanal mit der Tiber, den Canina in dem canale
di Fiumicino wieder erkannt hat (p. 183), ist vielleicht die fossa quam
providentissimus imperator fedt, von der Plinius spricht (Epist. VHI, 17;.
1) Plin. Epist. VI, 31, 15—17, vgl. Suet. Claud. c. 20. Auch der
Hafen von Centum Cellae wurde nach Trajan benannt: hahebit hicpor-
tuH, sagt Plinius, et iam Jmbet tiomen auctoris. Der Bau wurde wahr-
scheinlich unmittelbar nach dem zweiten dacischen Kriege begonnen,
denn Trajan hielt die Gerichtssitzung in Centum Cellae, von der Plinius
a. a. O. spricht, kurze Zeit nach seiner Rückkehr ausDacien (VI, 31, 8',
d. h. nach seiner Rückkehr im Jahre 106 (Mommsen, im Hermes, III,
S. 49).
III. PVovinzialvei'waltung und Bauten. 131
and war mit einer herrlichen Villa Trajans gekrönt J) — In
etwas spatere Zeit gehört der Neubau des Hafens von Ancona.
Der Senat und das römische Volk widmeten dort Trajan,
■dem für Alles sorgenden Kaiser/ einen Votivbogen, Ma er
durch die Erstellung dieses Hafens aus eigenen Mitteln den
Zugang zu Italien für die Seefahrer sicherer gemacht hatte. '^)
Auch im fernen Aegypten knüpft sich der Name Trajans an
die Erhaltung und Verbesserung der Verkehrswege. Er er-
Ivannte die eminente Bedeutung des ^ptolemäischen Flusses',
der das rothe Meer mit dem mittelländischen verband. So
viel wir sehen, war dieser Kanal während des ganzen ersten
Jahrhunderts schiflFbar, aber vielleicht hatten ihm die letzten
Kaiser nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die seine leicht
der Versandung ausgesetzte Lage erforderte. Immerhin bleibt
es sicher, dass Trajan schon vor dem Jahre 109 den östlichen
Theil des Kanals von Bubastis nach Arsinoe umfassend re-
stauriren und zugleich eine Verzweigung nach Babylon bei
dem heutigen Cairo hinauf bauen liess, die den Zweck hatte,
dem Hauptkanal eine grössere Wassermenge zuzuführen.
Diese Arbeiten waren für den damaligen Weltverkehr unge-
mein wichtig; sie standen aber auch in directem Zusammen-
1) Plin. Epist. VI, 31,15: villa pulcherrima cingitur viridissimia agris,
mminet litori. Vgl. Canina, Architettura roiuana, I, p. 115, lU, p. 185,
Tav. CLX, mit dessen ADfuhnmg aus Butilius, Itiner. I, 240 sqq.
2) OreJii, n. 792: QVOD • ACCESS VM || ITALIAEHOCETIAM.
AÜDITÜEXPECVNIA SVA || POETVTVTIÜREMNAVIGANTIBVS-
UEDDIDEKIT. In ^hoc etiam addito portu^ liegt eine deutliche
Heziehtmg auf die beiden trajaniaclien Häfen an der Westküste Italiens.
Der Bogen stammt aus dem Jahre 115 und ist im Wesentlichen fast
onversehrt erbalten. Die ausserordentlich girassen Steinmassen, aus
ilenen er zusammengefügt ist, charakterisiren Trajans Zeit. Er entbehrt
jedes besonderen Schmuckes, aber, wie Rossini sich ausdrückt, er
erhebt sich in eleganten und stolzen Formen. Auf der Höhe stan-
<ien die Keitcrstatue Trajans (unter Innocenz XI. ist beim Bau einer
neuen Treppe zum Durchgang ein bronzener Pferdefuss gefunden wor-
den) und zur Seite die Staudbilder der Plotina und der damals schon
Terstorbenen Schwester Tr^ans Marciana. Diese Anordnung beweisen
«lie Inschriften (Orelli, a. a. O. Rossini, gli archi trionfali onorarii e
fnnebri degli antichi Romani, Rom. 1836, p. 8, Tav. XLIV— XLVI).
9*^
132 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
hange mit der Entdeckung von Granitlagern in dem soge-
nannten 'claudischen Berge', d. h. einem Höhenzug zwischen
dem Nilthale und dem rothen Meere in der Nähe der beiden
Hafenplätze Myoshormos und Philotera. Die Säulenschäfte,
die man in den dortigen Steinbrüchen ausmeisselte, konnten
auf diese Weise von jenen Uferstationen nach Italien geschafft
werden, ohne dass unterwegs eine Umladung uöthig Tvar. ')
Es lässt sich erwarten, dass Trajan auch für die Wasser-
leitungen Sorge trug. In Bezug auf die Aqua Marcia wanl
das von Nerva begonnene Werk einer getrennten Leitung
trüber und klarer Zuflüsse durch ihn vollendet-, ihm wahr-
scheinlich blieb die Ausführung eines schon von Nerva in
Aussicht genommenen Bassins vorbehalten , welches • das
Wasser eines Anio-Arms zur Abklärung aufnehmen sollte. '•)
Dazu kam ein neues grosses Werk, die Aqua Traiaua, die
das Wasser des Sabatinersees bis zum Janiculus führte inul
die noch heute zu den bestversehenen Leitungen gehört,
welche Rom alimentiren.^) Wie Trajan zur Anlage von
1) Ueber diese Verhältnisse hat Letronno zuerst Licht verbreitert in
seinem Recueil des inscriptions grecqucs et romaines de TEgypte, tome 1,
p. 195 ii., p. 240 fl. Er knüpft seine Untersuchung an eine Stelle d« j^
(Jcographen Ptolemäus IV, 6, nach welcher der Kanal, der noch z"
Plinius des Aelteren Zeit 'Ptolemaeus amnis' hiess, unter Antoninus Pi".^
seineu Namen bereits in Tpaiavöc iroTaiJiöc verändert hatte. Gewiss wiir
den erst nach der Vollendung der Canalarbeiten die Granitsteinbrüche im
östlichen Aegypten ausgebeutet. Diese Ausbeutung begann aber im
Jahre 109, wie wir einer Inschrift entnehmen können, die uns zuglei<'li
den Namen der neuen Niederlassung auf dem jiions Claudianus (DjflM'i
Fateereh): YAP€YMA €YTYX€CTATON TPAIANON AAKIKON, FONS
PELICISSIMVS TRAIANVS DACICVS überhefert (Letronne, I, p. 4'M
iJoeckh, Corp. inscript. graec. III, n. 4713 c).
2) Frontin. de aquaeduct. p. 191 (ed. Bipot. 1788).
3) Jetzt Acqua Paola. Vgl. Fea, Bullet. delF Inst. 1830, p. 219,
welcher folgende bei der Leitung aufgefundene Inschrift verötFent lichte:
IMP ■ CAESAßDIVI II NERVAE FNERVA || TRAIANVS AVG B GFAiM
DACICVS II PONT • MAX • TR • POT • XIII || IMP • VI • COS • VI • F
P • II AQVAM TRAIANAM || PECVNIA SVA || IN VRBEM PERDVXH^
EMPTJS LOCIS||PER LATITVD • P XXX (a. 109). Sie ist auch auf
Münzen erwiihnt (Cavodoni, Bullet, archeol. Napolit. 1855, p. 59; Cohen. H.
Trajan, n. ;}05— 308).
III. Provinzialverwaltung und Bauten. 133
Wasserleitungen in Bithynien ermunterte, entnehmen wir
aus seiner Correspondenz mit Plinius. ^Untersuche sorgfaltig',
sehreibt er einmal seinem Legaten, der ihm von dem Wasser-
mangel in Sinope und von dem Plane einer neuen Leitung
Wrichtet hat, *ob der Boden die Last eines Aquaeducts
tragen kann, denn darüber habe ich keinen Zweifel, dass
Wasser in die Colonie Sinope, besonders wenn sie es mit
Hgnen Mitteln erreichen kann, geführt werden muss, da
dieses zu ihrer Gesundheit und zu ihrem Vergnügen sehr viel
Witragen wird.' Gewiss beförderte er ähnliche Bestrebungen
iiuch in anderen Provinzen.
Die Hrajanischen Thermen* waren auf dem Esquilin ii|
unmittelbarer Nähe der Titusthermen, wol weniger bedeutend
als diese und für Frauenbäder bestimmt-, wahrscheinlich er-
fulu-en die durch Titus in Eile aufgeführten Anlagen unter
Trajan eine Restauration.^)
Alle Bauten Trajans in Rom und in den Provinzen
werden durch das neue Forum übertroflfen, das er während
seiner Regierung, den Haupttheilen nach wol in der Zeit
zwischen dem dacischen und parthischeri Kriege (107 — 113),
ausführen liess. Sein Streben nach grossartiger Pracht gi-
pfelte sich in dieser. Anlage, und man darf hinzufügen, dass
in derselben römische Kunst und Architectur überhaupt ihren
Höhepunkt erreichten. Als der Kaiser Constantius im Jahre
%7 Rom besuchte, hielt er voll Erstaunen vor dem trajani-
sehen Forum an und liess seine Augen mit Ehrfurcht durch
den Verein so riesenhafter Werke schweifen. Daraals hielt
man sich überzeugt, dass die Nachahmung eines solchen
Werkes durch die Hand sterblicher Menschen unmöglich sei.-^)
1) Plin. ad Traian. 90, 91, vgl. 70, 71, ed. Keü.
2) Ich folge über die 'thermae Traianae' den Untersuchungen Nie-
l"ibr'8 (Beschreibung der Stadt Rom, III, 2, S. 221 fF.) und ßecker's
Haüdbuch d. röm. Alterthiimer, I, S. 687—689).
3) Ammian. Marceil. XVI, 16: Veruvi cum ad Traiani forum
ren««*, siinffuJarem sttb omni caelo strticturam. , ut opinamur, etiavt
K«wmuOT adsensiotie mirabilem, haerelmt attonitus, per gigantcos con-
i^^us circumferens mentem, nee relatu effahiles, nee rursus mor-
134 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Zeit und Barbarei haben beinahe die ganze Anlage zerstört
und nur mit Mühe lässt sich aus den wenigen Ueberrest^u
in Verbindung mit den quellenmässigen Nachrichten der ur-
sprüngliche Plan wieder erkennen.
Trajan wich in der Anlage seines Forums wesentlich von den
bisherigen Kaiserforen ab. Er wollte einen geräumigen Platz
für den öffentlichen Verkehr, für richterliche, wissenschaft-
liche und religiöse Zwecke schaffen. Ihm genügte nicht ein
Tempel mit grösserem oder kleinerem Temenos, das mit einer
einfachen Mauer umfriedet war: die Durchführung seiner
Absicht erforderte die Erstellung einer ganzen Gruppe von
Gebäuden. Der Idee nach finden wir im trajanischen Forunj
eine Annäherung an das Fojrum Romanum, aber auch von
diesem unterscheidet es sich durch die strenge Regelmassig-
keit des Grundplanes, der in seiner Längenrichtung zu beiden
Seiten einer Mittellinie die vollkommenste Symmetrie auf-
weist. Oertlich schloss es sich unmittelbar an das juHsche
und augusteische Forum an und zog sich nordwestlich in der
Richtung des weiter zurückstehenden Friedenstempels zwischen
dem Capitolinus und Quirinalis hindurch. Es bestand aus
sieben Haupttheilen: dem Triumphbogen, der Area oder dem
Forum im engern Sinne des Wortes, der ulpischen Basilica,
der Trajanssäule , den beiden ulpischen Bibliotheken und
einem Tempel, durch welchen die Anlage im Hintergrunde,
jedoch erst unter Hadrian, ihren Abschluss fand.
Der Triumphbogen bildete den Eingang von der Seite
des augusteischen Forums. Wir haben von ihm keine schrift-
liche Kunde, aber die Abbildung auf einer Münze gibt uns
von seiner ursprünglichen Existenz und Gestalt hinreichen-
den Aufschluss. ^) Die Frontseite des Monumentes, der die
talihus adpetendos. Omni itaque spe huiuswodi quidquiam conandi
deptdsa, Traiani equum solwn locatum in atrii medio, qui i2)fttim |>n«-
cipem vchit, imiiari sc velle dicebat, et posse. Die folgende ErzUhlunp
klingt anekdotenhaft.
1) Cohen, II, Trajan, n. 95; unter der Abbildung auf der Rück-
seite steht die Inschrift: FORVM TRAIAN. Sie gehört in das sechste
Consulat Trojans (112—113; der Name Optimus fehlt noch).
III. Pro vinzial Verwaltung und Hauten. 135
Ijineiiseüie gegea das Forum offeubar entsprach^ war durch
sechs Säulen gegliedert und zeigte in der Mitte einen breiten
Durchgang. Zwischen den Säulen befanden sich Nischen,
welche Statuen enthielten, darüber vier Rundreliefs , ähnlich
wie wir solche am Constantinsbogen über den beiden Seiten-
gangen sehen. Die Fünftheilung in diesem Unterbau setzte
sich auf der Attika fort;') wahrscheinlich enthielt das gros-
sere Feld in der Mitte die Inschrift, während die anderen
mit Reliefs besetzt waren. Auf der Plate-forme stand zwischen
Victorien und Trophäen ein von zwei Soldaten geführtes
Sechsgespann mit dem Triumphwagen, in welchem Trajan
aufTohr, von einer Siegesgöttin gekrönt. Ueberreste diesem
Bogens sind schon zu wiederholten Malen seit dem Ende des
sechszehnten Jahrhunderts bis in die neueste Zeit aufgefunden
worden^); sie sind derart, dass man an eine Zerstörung des-
selben durch Const^ntin nicht denken kann, obschon anderer-
seits sicher genug ist, dass dieser Kaiser zahlreiche Sculp-
turen aus der Zeit Trajans, sei es unter Plünderung eines
gleichartigen Denkmals oder eines anderen Prachtgebäudas, zur
Verzierung seines Triumphbogens verwendete.^)
1) Reber, die Ruinen Roms, Leipzig 1863, S. 188 hält die Attika
für siebeugliedrig, irre geleitet durch die Darstellung auf den Münzen;
die beiden äossersten Säolen rechts und links gehören nicht zur Front,
sondern zn den Schmalseiten.
2) Flaminio Yacca, Memorie die varie antichita, Roma 1594^ n. 0.
Pellegrini, Arco di Trajano, Bullet, dell* Instit. 1863, p. 78--80. Die
Nachforschungen im Jahre 1863 wurden durch den Abbruch der Kirche
S. jiaria in Campo Carleo (der Spolia Christi, von welcher Flaminio
Vacca spricht) und durch den Bau eines Hauses an derselben Stelle er-
möglicht Beim Graben des Fundamentes stiess man auf die Substruc-
tiooen des Triumphbogens und fand 33 architectonische Fragmente,
die alle der gleichen Epoche angehören und von vorzüglicher Schönheit
sind. Zwei grössere Stücke stammen vom Friese unter der Attika. Zu-
gleich wurden Ornamente, Basreliefs und endlich ein Torso eines daci-
schen Gefangenen entdeckt. Auch Flaminio Vacca berichtet von der
Auffindung dadscher Statuen.
3) Die trojanischen Relief^ am Bogen des Constantin lassen sich
durch ihren vollendeten Stil sehr leicht von den rohen Arbeiten aus
dem Anfange des vierton Jahrhunderts unterscheiden. Der trajanischen
Zdt g^ören an: 1) die Reliefs im Innern des Hauptdurchganges rechts
136 Johannes Dieraiier: Geschichte Trs^ans.
Das eigentliche Forum war ein freier, von einer öüulen-
halle umgebener Raum, rechts und links mit halbkreisfomii
und links, mit welchen nach Rossini (Gli archi trionfiili, Tav. 73) dif
Reliefs auf den beiden Schmalseiten der Attika zu verbinden sind. Diew^
vier Stücke bildeten ursprünglich ein zusammenhängendes, erst unt4T
Constantin nach den Bedürfnissen der Dimensionen getheiltes Kelit-f
von ungefähr 1-2 "»Länge. Es enthält Scenen aus dem dacischen Krieg^e,
deren Ausführung vielleicht zu dem Vollendetsten gehört, was in jener Zeit
geschaffen worden ist. La mischia e si grande e si viva (urtheilt Rossini,
p. 11), die nuHa puo vedersi di piü esjyressivo per una smiguhiosa k
dccisiva battaglia (vgl. Kugler, Kunstgeschichte, Stuttgart 1856, I, S. Sin i
2) Acht Rimdreliefs, nämlich je zwei über den beiden Seitenbogen
(Rossini, Tav. 72), mit Darstellungen aus dem Privatleben Trajans:
Eber-, Bären- und Löwenjagd, Opfer zu Ehren des Hercules Victor,
des Apollo und der Diana, Jagdzug. Die beiden Medaillons aiif den
Schmalseiten des Bogens sind constantinische Arbeit. 3) Die Reliefe an
der Attika (Rossini, Tav. 71): Suovetaurilia; Adlocutio; ein dacischer
Gefangener wird vor Trajan geschleppt; der Kaiser auf einem Sug
gestum; ein vornehmer Dacier, von einem Jüngling geführt, erscheint
vor Trajan; Vertheilung eines Congiars; Symbolisirung der Via Traiana
durch eine am Boden liegende Frau, die sich mit der Linken auf ein
Rad stützt; der Kaiser wird von einer schwebenden Victoria gekrönt.
— Aus der Zeit Tr^'ans sind endlich auch die Statuen von gefangenen
Daciem zwischen den Feldern der Attika auf den Gebälkvorsprüngen
der acht Säulen; sie gleichen denjenigen, welche bei den Ausgra-
bungen am Forum Traianum gefunden wurden, zeigen aber etwas
grössere Dimensionen (vgl. Reber, die Rainen Roms, S. 428; Pollü-
grini, a. a. 0.). Die Köpfe dieser Statuen sind modern und nach dem
Muster eines im Jahre 1733 im Schutte neben dem Monument aufge-
fundenen Originales ausgeführt. Ein antiker Dacierkopf, früher im
Museum Campana, jetzt in Petersburg, rührt wahrscheinlich ebenfalls
von einer solchen Statue her; man erkennt darin den dacischen Typus.
Fröhner, der in der Einleitung zur Beschreibung der Trajanssäule nach
H. d'Escamps, Description des marbres autiques du mu3(3e Campana
a Rome, Paris 1856 eine Zeichnung davon gibt, erklärt ihn willkür-
lich für den Kopf des Decebalus. — Dass Constantin den Triumph-
bogen Trajans am Eingange des Foriuns zur Ausschmückung des scini-
gen plündern oder abtragen liess, ist sehr unwahrscheinlich. Das tra-
janische Forum war im Anfange des vierten Jahrhunderts in seiner Gc-
sammtheit noch wol erhalten: wie sollte er nun gerade den Hauptein-
gang zerstört haben? Wären die Statuen dieses Bogens absichthch
weggenommen worden, so hätte man unmöglich an seiner urspning-
lichen Stelle die Reste gleicher Statuen finden können. Man muss also
an einen andern Ursprung jener klassischen Sculpturen denken. Immer-
hin dürften sie wirklich einem Triumphbogen entnommen sein und zwar
III. Pro vinzial Verwaltung imd Bauten. 137
gen Seitenbauten, von denen sich wenigstens gegen den
^iuirinalis hin nocli bedeutende Reste erhalten haben. In
der Mitte stand die Reiterstatue Trajans. *)
Drei Treppen von Giallo antico führten aus diesem Forum
zu der querlaufenden fünfschiffigen Basilica*'), welche auf
MoDzen und auf einem Fragmente des capitolinischen Stadt-
planes ülpia genannt wird.') Auch bei diesem Gebäude
finem solchen, der ähnliche Verhältnisse aufwies, wie sie am Constau-
tinsbogen nachgeahmt wurden, denn nach Rohault de Fleury (Revue
areheologique 1863, II, p. 2-46) sind auch die korinthischen Säulencapi-
läle ans Trajans Zeit. Pellegrini a. a. 0. vermuthet, der vom Senate
zum Andenken an die parthischen Siege Trajans beschlossene Triumph -
\««>gen (Dio Gass. LXVIII, 29) sei wegen des Kaisers bald darauf er-
folgten Todes nicht vollendet worden, so dans Constantin eigentlich
nur die damals bei Seite gelegten Basreliefs, Statuen, Säulen etc. ver-
wendete. Diese Ansicht hat wenig für sich; die Reliefdarstellungcn
würden sich dann vielmehr auf den arraenisch-parthischen , als auf den
dacibcben Krieg beziehen.
1) Ammiau. Marceil. XVI, IG: Traiani eqxmm soltim locatuin in
nirii nudio, qtH ipsum prindpem rehit, imitnri sc vvllc dicelxtt, et
ffMse. Das Reiterbild sehen wir auch auf der Rückseite einer Münze
aus den Jahren 112 — 113 (Cohen, II, Trajan, n. 259). Der halbzirkel-
formige An)>au auf der rechten Seite ist zweistöckig. Unten sind Kam-
mern aas Backsteinen mit Tonnengewölben, oben ein Corridor, auf
welchen sich eine Reihe von Gemächern öffnen (Becker, Haudb. d.
röm, Alterth- I, S. 382; Reber, die Ruinen Roms, S. 172). Auf einigen
l^ksteinen dieser Ruine fand P. Morey Stempel mit der Inschrift
PLAVTINAE AVG. (Ich hatt« Gelegenheit, seinen grossen Resüiu-
ratioQsplan des trojanischen Forums aus dem Jahre 1835 in der Biblio-
thek der Ecole Impi5riale et speciale des Beaux-i^rts in Paris einzusehen ;
<]ie angeführte Notiz entnehme ich seinem Memoire [Manuscript], p. 18.)
Auf der entgegengesetzten Seite wurden diesem Systeme symmetrisch
entsprechend unter den Häusern der Via delle Chiavi d'oro von Canina
die Spuren eines ähnlichen Anbaues entdeckt (Annali delFInst. 1851,
{). 131—135), so dass man also über den Grundriss des Forums kaum
iweifeln kann.
2) Platner, Beschreibung der Stadt Rom, III, S. 282 fl.; Becker, I,
8^382.
3) Cohen II, Trajan, n. 18, vgl. n. 319: IMPTRAIANVS (oder
TRAIANO) AVG • GER • DAG • P • M • TR • P • COS • VIPP || BASILICA
HiPlÄ, mit Abbildung. Canina, Indicazione topogr. Rom. 1831, p. 172
h;it zuerst die Verbindung zweier Fragmente des capitolinischen Planes,
von denen* das eine die Buchstaben BASIL, das audere, genau damit
iibereinstimmende das Wort VLPIA zeigt, vorgesclüagen. Auf letzterem
138 Johannen Dierauer: Geschichte Trajans.
waren ^ dem Forum entsprechend, die beiden Schmalseiten
durch Hemicyclen abgeschlossen. Die Anlage wich im All-
gemeinen nicht sehr von den durch Vitruvius für den Bau
einer Basilica gegebenen Vorschriften ab^); natürlich erfor-
derte ihrfe sehr bedeutende Ausdehnung verbunden mit der
ungewöhnlichen Gliederung des Grundrisses mancherlei Mo-
dificationen, aber es lässt sich nicht bezweifeln, dass die ul-
pische Basilicaj gleich der von jenem Architecten beschriebenen
zwei Stockwerke hatte. ^)
Die Bedachung war von Bronze und ohne Zweifel durch-
brochen. ^) Ina Innern wechselten Marmor- imd Granitsäuleii^
sieht man deutlich den halbkreisförmigen Schlnss einer Schmalseite.
Den Namen LIBERTATIS, der hier neben Ulpia erscheint, erklärt
Canina mit Berufung auf eine Stelle bei Sidonius Apoliinaris (Paneg.
in Anthem. v. 544 sqq.), nach welcher in der Basiliea üli»ia die Manu
missionen Statt fanden (vgl. Becker, a. a. 0., Anmerkung 733).
1) Vitruv. Architect. V. 1 §. 11 sqq., ed. Poleni et Stratico II, pars 2,
p. 12 sqq.
2) So restaurirt sie auch P. Morey, Fol. 12, vgl. Pol. 13 und 14.
Die Darstellungen auf den Münzea lassen über diesen Punkt keinen
Zweifel: Edifke eleve sur trois marches et ä dmihh rang de coJonncs
sur Ja hautetir, dont fdx grnndes de fa^e et deux de cöte en hos et hutt
petites en haut (Cohen, a. a. 0.). Reber, die Ruinen Roms, S. 192 er-
klärt sich ohne genügenden Grund gegen eine den vitruvischen Vor-
schriften entsprechende Restauration; nach seiner Ansicht hatten die
Seitenschiffe nur ^in Stockwerk und wurden von dem Mittelschiffe nicht
überragt, so dass man über das Gebäude hin vom Forum aus die nord-
westliche Hälfte der ganzen Anlage überblicken konnte. Aber an eine
so untergeordnete architectonische Wirkung der Basiliea, die gewiss
den Glanzpunkt des trajanischen Forums bildete, Ulsst sich nicht denken,
ganz abgesehen davon, dass die Abbildungen auf Münzen, so unvoll-
kommen sie auch sind, mit jener Annahme in offenbarem Widerspruche
stehen.
3) Auf das Forum Traianum bezieht Platner a. a. 0. wol mit Recht
Pausan. V, 12 §. 4: kqI i^i *Pu)|ia(u)v dyopa KÖC|iou tc €tv€Ka xoO Xoi-
troO O^ac dE(a, xal ^dXlCTa ^c xöv 6po(pov xo^'^oö ircTroiym^vov , und
X, 5 §. 5: *Pu)|üiaioic bi fj dyopA |i€T^6ouc cVvcKa Kai xaracKcuf^c Tf)c
äXXT]c eaCfia oöca rrap^xcTai töv öpocpov xciXkoOv. H. Hübsch, die alt-
christlichen Kirchen nach den Baudenkmalen und älteren Beschreibungen,
Carlsruhe, 1862, p. XXI— XXII behauptet, dass der Mittelraum der
Basiliea ungedeckt blieb. 'Die Archäologen (ich führe seine Worte an)
nehmen freilich nicht den geringsten Anstand, bei ihren Restaurationen
IIL Provinzial Verwaltung und Bauten. 139
wie man aus den aufgefiindeneu Bruchstücken erkennt');
verschiedenfarbige Marmorplatteu setzten das Paviment zu-
sammen.^) Die südöstliciie Langseite gegen das Forum muss
?on ausserordentlicher Pracht gewesen sein. Nach den Ab-
diesee Banes auf dem geduldigen Papiere über den ausserordentlich
breiten Mittelranm eine 23 Meter gespannte Decke auf doppelt ü))er-
einander gestellte Bchwankende Säulenreiheu zu legen. Der praktische
Architect aber erkennt sogleich, dass eine solche Construction unmög-
lich hätte Stand halten können, da die Umfassungsmauern zu beiden
Seiten nicht dicker als die Säulen selbst waren, und da sie stellenweise so-
gar noch unterbrochen wurden. Es konnte also bei der Basilica Ulpia
nur der Raum fTir die Richter, der übrigens ganz von den Portiken
getrennt war, bedeckt sein. Der grosse, durch letztere umgebene Mittcl-
raiun aber musste unbedeckt — wie die Basilica zu Pompeji — bleiben.'
We Frage ist allerdings bei den verhältnissmässig geringen Ueberresten
der Basilica schwer zu entscheiden, aber mit Bezug auf die pompeja-
nische, deren Bau übrigens auf das erste Jahrhundert v. Chr. zurück-
geht, ist es nach 0. Mothes (die Basilikenform bei den Christen der
ersten Jahrhunderte, Leipzig 1865, S. 80) doch wahrscheinlich genug,
dass der Mittelraum überdeckt war. Jedesfalls wurden die Basiliken
nrsprünglich in der Absicht gebaut, den richterlichen Verhandlungen
einen gegen die Unbill der Witterung und das Getümmel des Forums
geschützten Raum zu bieten. Vitruvius a a. 0. spricht von der An-
lage solcher Gebäude zuerst im Allgemeinen, allerdings ohne die Be-
deckung des Mittelschiffes (und hierauf beruft sich Hübsch) ausdrück-
lich zu erwähnen, aber gleich darauf (V, 1 §. 15. 16) beschreibt er
genau die von ihm erbaute Basilika, bei der ein 60 Fuss breiter
ffittelraum zu bedecken war. Es lässt sich nicht einsehen, warum man
zu Trajans Zeit bei einer ausserordeutbch vorgeschrittenen Technik
nicht um etwa 20 Fuss weiter gehen konnte. Wie mir scheint, hat der
Architect P. Morey in seinem sehr gewissenhaft durchgeführten Restau-
nitionsplane das Problem in befriedigender Weise gelöst; ebenso Lesueur
in der Restauration der Basilica Ulpia (Plan aus dem Jahre 1823, eben-
falls auf der Ecole des Beaux-Arts).
1) Platner, a. a. 0. — Becker, I, S. 382 und Reber, S. 172 finden es
unwahrscheinlich , dass man im Innern der Basilika neben den Säulen
von Giallo antico und Pavonazetto auch Granitsäulen verwendet habe.
Wenn aber, was nach den Untersuchungen Letronne's (Recueil des in-
soiptions grecques et latines de TEgypte I, p. 195 fl.) sehr wahrschein-
üch ist, die grauen Granitschäfte aus Aegypten geholt wurden, so er-
hielt dieses Material einen Werth, der den kostbaren Marmorarten nicht
nachstand.
2) Platner a. a. 0. Nach Morey, Mtooire, p. 21, war auch der
Boden des Forums (Atrium) mit weissen Marmorplatten belegt.
140 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
bildungen, die uns die Münzen zeigen, standen auf den Gie-
beln der Treppenvorsprünge Quadrigen mit dem Triumphator^);
die Pferde und die zur Seite aufgestellten Feldzeichen waren
aus der dacischen Beute vergoldet. 2) Wie es scheint, wurde
die Basilica noch im Jahre 112 vollendet.^)
Vermuthlich standen'' die beiden Bibliothekgebäude für
griechische und lateinische Werke getrennt unmittelbar hin-
ter der Basilika, so dass in der Mitte ein freier Platz von
etwa 17 Meter Breite und 20 Meter Länge übrig blieb:*) in
1) Cohen, a. a. 0: X(J5 six colonnes de face sotUiennent trois fron-
tofis swntiantes diacun d'un quadrige dans lequel on voit wn triomph/t-
teur; Ic quadrige du milicu est condult pnr deiix Vicfoires dtbout , qni
Ucnncnt une pahne; sur chacune des dcux colonnes de cötc on voit deu^r
enseignes rndJitaires (vgl. Cavedoni, Bullet, archeol. Napolit. 1855, p. 62^
Auf dem Fragment eines Kratizgesimses, das vielleicht zur Fa9ade der
Basilica gehörte, wurden die Namen zweier Legionen gefunden: LEG
XX • VALERia VICTrix LEG • XV • APüLlinaris (Canina, Anuali dclPInst.
1851, p. 135). Wir können hieraus nicht mit Cavedoni a. a. 0. schliesscn,
dass diese Legionen am dacischen Kriege Theil nahmen.
2) Gell. XIII, 24: In fastigiis fori Traiani simulacra sunJt siUt cir-
cumundique inaurata equorum atque signarum militanum. Man darf diesr»
St-elle ohne Bedenken auf die Basilica beziehen, um so mehr, als auf
den Münzen neben den Triumphwagen auch signa militaria abgcbildot
sind.
3) A"uf den Postamenten, die bei den Ausgrabungen zw^ischen der
Basilica imd dem Forum gefunden wurden (Platner, a. a. 0.; Henzen,
n. 5445), finden sich Inschriften aus dem 16. tribunicischen Jährt«
Trajans.
4) Auf dem capifcolinischen Plan ist hinter der Basilica rechts ein
tempelartiges Gebäude mit Porticus angezeigt, aber dieses Stück bietet
als spätere Ergänzung nicht völlige Sicherheit. Doch scheint Canina
in seiner Descrizione storica del Foro Romano, Roma 1834 (vgl. den
beigefügten Plan) das Richtige getreuen zu haben, wenn er die beiden
Bibliotheken symmetrisch im Anschluss an die Basilika anordnet. Si>urcn
dieser Gebäude sind geftmden worden (Reber, S. 190). Für die Doppel-
zahl haben wir bestimmte Zeugnisse (Dio Cass. LXVIII, 16: KaTecKCu-
ac€ hä Kai ßißXfujv dTroe/iKac. Sidoniua Apoll. Lib. IX, epist. XVI:
Cum meis poni sttituam perenncin Nerva Traianus tiUdis videret hücr
audores utriusque fUam Bihliothecae). Die ulpische Bibliothek wird von
den Scriptares historiae Augustae oft erwähnt, sie war eine wahre
Fimdjcrube von griechischen und lateinischen Werken, sowie von Acten-
etücken (Fl. Vopiscus, Aurelian. c. 1. 8. 24; Tacit. 8). Zeitweise war
sie in den Thermen Diocletians untergebracht (Fl. Vopisc. Prob. c. 2).
III. Provinzialverwaltung und Bauten. 141
diesem yerhältnissmässig engen Räume stand die Trajanssäule^
auf die wir sogleich zurückkommen werden.
Der Tempel des Divus Traianus^ welchen Hadrian seinem
Vorgänger weilite, stand wol in derselben Gegend, da er in
uüinittelbarer Verbindung mit den Bibliotheken oder auch
mit der Säule genannt wird. ^) Man hat in der That bei
der Fuudamentirung einer Auffahrt zum Palazzo Imperiale
mächtige Grauitschäfte und Architraven von weissem Mar-
mur entdeckt,^) wonach man nicht zweifeln kann, dass jener
Tempel in der durch den Triumphbogen am Eingange des
Forums und durch die Säule bestimmte Mittelrichtung den
nordwestlichen Abschluss der ganzen Anlage bildete.-')
Der besterhaltene und merkwürdigste Theil des trajani-
sehen Forums ist die Säule. Wir haben sie nach ihrer histo-
rischen Bedeutung in der Darstellung der dacisohen Kriege
Wreits gewürdigt und betrachten sie nunmelir vom kunstge-
scliichtiichen Standpunkte und in ihrem Verhältnisse zu den
übrigen Theilen der Anlage.
Seiner äussern Gestalt nach repräscntirt dieses Monument
Hne dorische Säule von riesenhaftem Dimensionen. ^) Sie
1) Gell. XI, 17: sedevüilma forte nolns in hihliotheca tempU Traiani.
Ouriosum urbis Romae, ed. Becker, Handb. d. röm. Alterth. I, p. 713,
^<??ioVIII: — Templum Traiani et Cohimnam cochlidein.
*2) Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterthnnis, Wien, 1776,
^. 829. Die Entdeckung datirt vom AuguBt des Jahres 17G5. Caniua,
Descmione etc. p. 145.
3) Er ist von Uadnan gebaut worden, wie Becker, S. 380 fl. über-
WQgend dargethan hat. Bocker bezweifelt aber mit unrecht die Echt
lieit einer Münze aus dem fünften Consulate Trajans, welclie auf der
ßöckseito einen Tempel korinthischer Ordnung und Oktastylos von einem
Temftnos umgeben und die Inschrift S • P • Q • Q • üFflMO PRINCIPI •
^ C- zeigt (Cohen, II, Trajan, n. 476, vgl. die etwas verschiedenen
tonnen auf n. 497, 498, 499). Diese Darstellung hat mit dem Tempel
"<^^Divag Traianus nichts zu thnu, sondern bezieht sich auf einen uns
nicht )Ä?eiter bekannten Tempel, den Trajan in den Jahren 103 — 110
•^^erlu, also vor der Vollendung der Hauptthoile des Forums bauen
liesB. Wir wissen, dass er schon früher seinem Adoptivvater zu Ehren
Tempel errichtet hatte (Plin. Paneg. 11).
*) Die Bibliothek der Ecole Imperiale et speciale d<'s Beaux-Artn
142 Johanne» Dierauer: Geschichte Trajans.
steht auf einem etwas über 5 Meter hohen Piedestal, das auf
drei Seiten ganz mit Trophäen in Bas-Relief bedeckt ist.
und hat, das Capital und die Basis eingerechnet, eine theii-
retisehe Höhe von 100 römischen Fuss, welche von der
wirklichen nur um ein sehr geringes Mass übertroften
wirdJ) Ihr Schaft ist aus 23 Marmorblöcken aufgebaut und"
im Innern hohl, so dass man auf einer im Material selbst
ausgesparten Wendeltreppe zur Spitze steigen kann.^) Hier
stand ursprünglich erhöht auf einem Akroterion die ColossaJ-
statue Trajans 5 ^) sie wurde in unbekannter Zeit zerstört und
in Paris besitzt die ßestaurationepläne der Trajanssäiüe von Architect
Ch. Perder aus dem Jahre 1788 in 9 Blättern. Das erste enthält zwei
Horizontalschnitte , das zweite Vertical- Ansicht und Schnitt, das dritt«
bis sechste (in sehr getreuer Ausführung) die Restauration der vier
Seiten des Piedestals, das siebente und neunte die Ornamente der
Säulenbasis, das achte das Capital. Leider ist das zugehörige Memoire
nicht von ihm selbst, sondern erst nach seinem Tode von unkundig^er
Hand (1838) geschrieben worden.
1) 100 röra. Fuss sind 29,626m-; die wirkliche Höhe der Säule
beträgt 29, 9092 "»-, (Fröhner, la Colonne Trajane p. 56 nach Aurt^,
Etüde des dimensions de la Colonne Trajane au seul point de vue de
la raetrologie, Nimes 1863). Auch die Säule des Marcus Aurelins zeigt
gleiche Verhältnisse, daher ihr Name COLVMNA CENTENARIA (Orelli,
n 39). Es ist daher nicht unwahrscheinlich, obwol sonderbar genug,
dass der Architect in der Trajanssäiüe eine Art Normalmass .darstellen
wollte ; doch liegt hierin mehr eine zufällige und keineswegs ihre Haupt-
bestimmung. Die Höhe des ganzen Monumentes wird verschieden an-
gegeben. Eutropius, ed. Dietsch, VII 1, 5: cuitis altitudo (JXLIV pedeti
Jtabet. Curiosum urbis liomae (Becker I, p. 713); Columnam coMidem
altam pedes CXXVII (wobei vielleicht die Statue nicht mitgerechnet
ist). Fröhner a. a. 0. bestimmt unter Vergleichung der Ma^se bei Pira-
nesi (Trofeo o sia magnifica colonna coclide etc.) mid L^veil (Encyclo-
2)edie de VArchüecture, 6' annee, i)h 66, 67 , 68) die Entfernung vom
Paviment bis zur Spitze des Akroterions auf 38,2215 "»-, während Morey
(Restaurationsplan, Fol. VI) 38, 372»«. gefunden hat.
2) Diese Construction, wol eher als die Reliefs auf der Aussenseite,
hat zu der Benennung Cohunna cochlis geführt.
3) Dies erweisen die Münzen aus dem sechsten Consulat, auf der
Rückseite mit der Inschrift COS • VI ■ P • P • S • P • Q - R und einer Dar- .
Stellung der Säule (Cohen, II, Trajan, n. 62, ISO, 276 — 79, 396—398).
Ciaconius behaux^tet (Historia utriusque belli Daciei 1576), dass zu seiner
Zeit die Füsse der Statue auf dem Akroterion noch gesehen wurden:
Pedes autem faatigio colmnnae adJuierentes adhuc vistmtur. Fuit autm
in. ProvinzlalverwaUiing imtl Bauten. ]4l\
unter Sixtas Y. im Jahre 1587 durch das Standbild des
Apostels Petrns ersetzt. Um den Schaft winden sich in
einem spiriilformig fortlaufenden Bande die bekannten Reliefs
mit Darstellungen aus den dacischen Kriegen Trajans. Auf
der vierten^ der Basilika zugewendeten Seite des Piedestals
befindet sich über dem Eingang eine von zwei Genien ge-
haltene Inschrift, welche bezeugt, dass die Säule im Jahre
1 13 durch Senat und Volk von Rom dem Kaiser Trajan ge-
weiht worden ist, und dass ihr Mass der Höhe des Berges
entspricht, welcher zur Gewinnung des Raumes für die
grossen Bauwerke (des Forums) abgetragen werden mussteJ)
Jedesfalls war die Säule von Anfang an auch als Grabmal
Trajans bestimmt : seinem Willen gemäss sollte dereinst seine
Asche in einer Kammer des Basamentes beigesetzt werden.^)
iidosms hie (fugt er n. 14 hinzu) longus pedes 21 Bomanos: fuiin cainU
a certice ad metüum duanim pedtim qtiatuorque undarum ewistit. Kö
^cheiLt, dass letztere Nachricht auf einem Irrtbume beruht.
1) SENAT VS. POP VLVSQVEROMANVS
IMPCAESARIDIVI NERVAEF • NE R VAE
TRAIANOAVOGERMDACICOPONTIF
MAXIMO . TRIB - PUT • XVll • IMP • VI • COS • VI • P • P •
AD DECLARANDVM • gVANTAE • ALTITVDINIS
MONS • ET • LOCVS • TANtis • operlBVS • SIT • EGESTVS.
Die Lücke in der letzten Zeile ist durch den Wegbruch des Marmors
entstanden. Das T nach TAN ist sicher, da man die Unke Hillfte des
ol)eren Querstriches noch leicht erkennt; von dem R in operibus siebt
man noch einen Theil des obem Rogens. Die Ergänzung Hteht übrigens
ausser Zweifel, da wir eine Copie des Anonymus von Einsiedehi aus dem
'i. Jahrhundert haben, der die Inschrift noch unbeschädigt sah (Moutfau-
con, Diarium Italicum, Paris 1702, p 260, vgl. De Rossi, lu j^rime raccolte
ü'autiche iscriz. p. 66). Die Thatsache der Abgrabung des Hülienzuges
zwischen Qnirinalis und Capitoliuus zum Z^vecke der Rauuigewinuung
ßr das Forum wird durch Dio Cassius LXVIII, 16 beBÜltigt: kqI ?ct*i-
«V h T^ dTop^ Kai Kiova ih^kictov, ^^a ^^v ^c racpi^v ^auTiü, ä^a bi
tic iiribeiEiv toO Korä xfjv dYOpdv 2pT0ü. iravröc T^p toö xu^piou dKci-
vou 6p€ivoö övToc, KaTdcKon|/c tocoötov öcov ö Kiujv dv(cx€i, Kai ti^v
^opäy Ik toötoü Tr€Öivf|v KarccKCuace.
2) Dio Cass. a. a. O. und LXIX, 2. Eutrop. VIII, 6: Ossa eins
fjflooflto t« %tma aurea in foro, quod edificavit, sub columna sita sunt.
Aurel Victor. Epit: Huius exusti corporis cinercs relati Romam huina-
Utme Traiani foro sub eins columna et imago SH})er)X}sita, sicuti triiifH'
144 Johannes Dierauer: Geschichte TraJAns.
Die . Bas - Reliefs auf der Trajanssniile bezeichnen tlie
höchste Vollendung der historischen Sculptur der Römer. * •
Eine gewisse Einförmigkeit in der Compositiou war zufol«r<-
der Natur des Gegenstandes und der gewissenhaften Anleh-
nungen an schriftliche Aufzeichnunj^en des Kaisers oder sehwr
Umgebung kaum zu vermeiden. Im Ganzen aber ist di**
Schilderung grossartig und erhebt sich bisweilen zu ergrei-
fender Lebendigkeit; man kann nicht zweifeln, dass die Zeiih-
nung das Werk eines und desselben Kvmsilers ist. Nithi
die gleiche Einheit zeigt sich mit Kezug auf die Ausfühiniii^f;
bei näherem Zusehen erkenjiit man, dass mehrere Hände sich
in die Arbeit theilt<?n. Der erste Künstler, dessen Hand -i^ir
von der Basis bis auf den dritteln Theil der Höhe verfol<^<'n
können, hat es verstanden, seinem Relief bei möglichst i^e
ringer Abhebung von der Grundfläche die grössfe plastisdie
Wirkung zu verleihen. Ohne irgendwie in den Felder der
Ueberladung zu verfallen, behandelt er mit liebevoller Sorg-
falt das Detail und hält sich so streng an die Naturwahr-
heit, dass einzelne seiner Figuren den W^erth von Porträts
haben. Dem zweiten Kfhistler fiel die Ausführung beinalK*
phantcs sole7it, in urhnn hivccfa, smafu praccnnfe et cvercitn. Da^s die
Statue erat nach dem Tode Trajaiis auf die Säule «gesetzt wurde, ist
nicht richtig. Der Verfasser der Ej)itome verwechselt diese Statue mit
einer anderen, die beim triumj^hus Divi Traiani auf dem Triumph-
wa<?en herumgeführt wurde (Spart. Hadr. c. ß).
1) Die auf Hefehl Napoleons III. im Jahre 1863 von dem Etablisse-
ment in Anteuil ausgeführte und nun im Pavillon Denen des Louvr«
aufgestellte galvanoplastische Nachbildung der Trajanssaule erleichtert
das Studium der Reliefs ungemein. Die Art der Aufstellung in 6 gc
trcnnt<»n Tron90ns gestattet ihre Besichtigung zum Theil in unmittel
barer Nähe, und auf dem dunkeln, leicht bronzirtcn Kupfertou heben
sich die Figuren aufs schärfste ab. So ist es möglich, die feinen Unter
scliiede in der Ausführung zu erkennen, Unterschiede, die durch die
Zeichnung schwer zu reproduciren sind und die man daher auch auf
den Tafeln Muziauo's und Bartoli's vergebens suchen wird. Uebrigcns
ist die Darstellung Bartoli's bis jetzt noch nicht üb» rtroti'en, sie i.^t
stilgetnmer als die Zeichnungen, die Fröhner seiner Arbeit beigegel^cn
hat. Der Charakter des Originals wird durch die IVojection der l^'ignrou
auf eine llorizontallinie in der That nur wenig alterirt, da da'? Helicf
band an vielen Stellen beinahe wagrecht liluft.
lil. Provinzialverwaltiinör und Bauten. 145
•r
des ganzen übrigen Theiles zu. Er kümmert sich weniger
am die Einzelheiten; sein Relief tritt etwas siürker vor, wo
er runde Formen erzielen will. Im Uebrigen aber steht er
dem erwähnten Mitarbeiter gleich. Seine Darstellung ist ein
Muster eines edlen, schlichten und zugleich energischen Stils.
Der dritte Künstler hat nur eine kleine Zahl von Gruppen
unmittelbar nach der ersten Hand und vielleicht auf deu
obersten Windungen dargestellt. Er war offenbar ein An-
fänger, der nicht zu charakterisiren verstand und in seiner
Uukenntniss der plastischen Mittel zu tief geschnittenen
Conturen Zuflucht nehmen musste. ') Sieht man von diesen
1) Pröhner, la Colonne Trajane, p. 54 hat zuerst auf diese Unter-
schiede in der Ausführung aufmerksam gemacht:. L'execution du mo-
nument, — le dessin atissi bien que la sctdpture, malgri Vesprit uni-
UuTe qWoti y reamnait, — doit etre rapportee ä des ariistes differentn
ti tVnn inegal merite, I/nn neglige outre memire les details; un
«tt<r€ se donne beaucaup de peitie pmir ne produire que des figures roi-
(ien, monotones, sans mourement; un troisihne atme le relief plus sail-
/««/, les ombres plus pro fondes; ses groupes resjnrent Väude serieuse
'(t la statfMtre grecque et sont des chefs-d'oeuvre d^harmonie et d'entetUe
»rtifttique. Einer genaueren Scheidung der von jedem einzelnen Künstler
ausgeführten Arbeit enthält sich Fröhner. Zugleich ist seine Definition
unklar, denn gerade der Künstler, der weniger auf das Detail eingeht,
UeU ein weiter ausladendes Profil in den Reliefs. Das Resultat meiner
Stadien üher diesen Punkt ist folgendes:
Die erste Hand hat ohne Unterbruch die Darstellungen auf den
Wen ersten Tron90ns (Bartoli, Tav. 1 — 40) ausgeführt. Die Arbeit
ist ausserordentlich sauber und zum Theil vortrefflich erhalten, in den
iJetails überraschend genau. Da wo die Soldaten über die Donau
ziehen, können wir jedes einzelne Stück ihres Gepäckes, das sie an
Stöcken über der Schulter trugen, unterscheiden; bei den verschiedenen
Truppengattungen ist auf die Bekleidung sorgfältig Rücksicht ge-
uommeu; über die Form der Brustschnallen und Rückenscharniere am
l^auzer lägst vpis die Darstellimg keinen Zweifel; an der Fussbeklei-
dong fehlt kaum ein Riemen; in Bezug auf die dacidche National-
^ht erkennen wir, dass die Beinkleider unten, nicht mit einem
'einfachen Wulste endigten, wie man nach dem zweiten Kunstler glau-
l>en könnte, sondern über dem Knöchel zugebunden waren. Auch auf
*^ie Staffage, z. B. das Zeltwerk, erstreckt sich diese Ausführlichkeit.
^^e Figur TrajanB ist da, wo das Relief nicht beschädigt ist, auf den
'Tsteu fiUck erkennbar und gewiss sind die Personen seiner Umgebung
•'♦enfalls Porträts. Aber diese Details siiul so anziehend und zwanglos
140 Johannes Dierauer: Geschiebte Tra5JanH.
wenigen Theilen ab, die in der That nur in der Nähe^ nicht
aber von einiger Entfernung störend wirken, so muss inan
wahrhaft staunen über den Reichthum und die Formen-
Schönheit des mehr als 200 Meter langen Reliefbandes. Man
wird nicht zu weit gehen, wenn man behauptet, dass in
diesen Sculpturen die national-römische Kunstrichtung der
trajanischen Zeit ausgeprägt ist; sie vereinigen Feinheit und
Würde, imposante Pracht und ruhigen Ernst und sind mit
jener Freudigkeit entworfen, zu der das Bewusstsein der na-
tionalen Ueberlegenheit und der unter einer geordneten
Regierung geschützten individuellen Existenz ermuntern.
Wie oben bemerkt worden ist, hat die römische Kunst solche
Vollendung nicht wieder erreicht. Unter Hadrian beobachten
wir bereits ein Zurücktreten der geistigen Tiefe hinter der
materiellen Eleganz; noch fühlbarer ist der Unterschied zur
Zeit des Commodus: die Säule des Marcus Aurelius ist der
Trajaussäule bis ins Einzelne nachgebildet, aber Gomposition
behandelt, dass sie nirgends störend wirken. Die Behandlung des Reliefs
bekundet den wahren Meister im Vollbesitze des plastischen Formen-
sinnes.
Die dritte Hand setzte zunächst unmittelbar nach der ersten ein
(Bartoli, Tav. 41, 42, 43, 44, 47, 48 a). Ihre Arbeit ist von geringem
Kunstwerthe; die mauretanischen Reiter sind durchaus nach derselben
Schablone ausgeführt (Tay. 43); man entdeckt sogar grobe Form-
fehler (s. das zweite Pferd jener Reiterei; bei Bartoli verbeasertX
Besonders unangenehm fallen aber die tiefen Rinnen um die Contureu
auf. Auch auf den obersten Windungen scheint diese Hand gearbeitet
zu haben, aber eine genauere Sichtung hält dert wegen der starken
Beschädigung der Bildwerke schwer.
Der zweite Künstler, den man schon zwischen der dritten Hand
erkennt (so in dem Gefechte auf Tav. 45 und 46) hat von Tav. 48 b an
(dritter Tron^on, zweiter Umlauf) die Ausführung der übrigen Arbeit
jedesfalls zum grössten T heile übernommen. Ihn meint vielleicht Fröh-
ner, wenn er sagt, 'der eine Künstler habe die Details über Gebühr ver-
nachlässigt.' Dieser Ausdruck ist aber nicht zutreffend; denn er verachtet
die Details keineswegs, nur stellt er sie nicht mit so unermüdh'cfaem
Fleisse dar wie sein Vorgänger oder Mitarbeiter. Zu seiner überhaupt
etwas strengeren Auffassung reimt sich die geringere Auaftlhrlichkei*
vortrefflich, und man könnte zweifeln, ob dem ersten oder dritten
Künstler der Preis zuzuerkenueu wäre, wenn nicht das manchmal ct^'as
herb vorspringende Relief zu Ungunsten des letztem spräche.
III. Pro vinzial Verwaltung und Bauten. 147
und Ausführung stehen weit hinter dem Originale zurück.
Den traurigen Kunstverfall im Anfang des vierten Jahrhun-
derts hat Constantin selbst an seinem Triumphbogen unwill-
kürKch constatirt.
Trotz des ungetheilten Lobes, das die Reliefs verdienen,
wird man nicht umhin können, die Verwendung einer so
riesenhaften , einzeln stehenden Säule als architectonischen
Gegenstandes geschmacklos zu nennen. Es ist die Bestimmung
der Saale, in den Organismus des Gebäudes einzutreten und
eine ihren Dimensionen genau entsprechende Last zu tragen.
Hier ist, abgesehen von der völlig isolirten Aufstellung, die
Last, nämlich das Akroterion mit der Statue auf ein Minimum
reducirt und doch nimmt der Durchmesser des Schaftes nach
unten in regelmässiger Weise zu, als ob sich dieser gegen einen
mächtigen Druck zu stemmen hätte. Zwar kannten auch
die Griechen isoUrte Säulen, welche Götterbilder oder Weih-
geschenke aufzunehmen bestimmt waren, aber diese Denk-
mäler hatten immer nur bescheidene Grösse und nirgends
sehen wir, dass der Schaft mit Reliefs bedeckt gewesen
wäre.^) In der Errichtung grosser Ehrensäulen auf öflFent-
lichen Plätzen scheinen die Römer keine Vorgänger gehabt
2u haben; es ist sogar wahrscheinlich, dass das Monument
auf dem trajanischen Forum das erste Werk dieser Art war.^)
1) K. 0. Milller, Handbuch der Archäologie der Kuußt, Breslau,
1*48, S. 3S5, 386. Eine ziemlich bedeutende Höhe (ö'/j— 6™) hatte die
eherne SchlaDgensäule , welche das goldene Drcifuss -Weihgeschenk in
Delphi trog (vgl, Dethier und Mordtmann, Epigraphik von Byzantion
qikI CoDstantinopolis, p. 6 der Separatausgabc).
2) Qnatrem^re de Quincy, Dictionnaire historique d'Architecture,
Art. Trojane (Colonne). Auf einige griecliische Vorbilder macht in-
dessen K. 0. Müller a. a. 0. aufmerksam (Säule mit der Statue des
Äemilius Paullus in Delphi; das Bild des Polybius auf einer Säule im
Afiklepieion zu Mantineia). Ueber den Umfang dieser Monumente fehlen
ans bestimmte Nachrichten. In Bezug auf die sogenannte Pompejns-
ääule in Alexandrien spricht sich Müller, S. 220, dahin aus, dass der
Schaft von einer Säule herrühren könne, welche zu Alexanders oder
der Ptolemäer Zeit an derselben Stelle errichtet worden war. In die-
wm Falle würde die Trajanssäule hier ein Vorbild finden. Letronne
Tindicirt das ganze Monument der römischen Zeit (Recherches pour
10*
TT
148 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Wir dürfen nicht annehmen^ dass dem Architecten des
Forums die erwähnten Inconvenienzen in der Anwendung
der Säule entgangen seien : in der That suchte er ihre archi-
tectonische Wirkung auf alle Weise zu schwächen. Man muss
sich erinnern, dass sie ursprünglich nicht, wie gegenwartig
nach dem Zerfall der ganzen Umgebung, auf einem weiten
Platze, sondern auf einem engen Räume stand und auf drei,
vielleicht sogar auf vier Seiten in einer Entfernung von
7 — 8 Meter von Gebäuden eingeschlossen war.^) Man
konnte sie also nirgends in ihrer kolossalen Totalität über-
blicken und sie trat uur so weit in die verticale Ansieht des
Forums ein, als ihr oberster Theil, zumal die Statue Trajans
sich über die ganze Anlage erhob. 2) Geflissentlich suchte
der Baumeister den bemühenden Eindruck des Missverhält-
nisses auch durch die Bedeckung der Säule mit Bildwerk zu
mildern: indem der Beschauer die zahlreichen spiralförmig
ansteigenden Windungen verfolgt, sieht er von der Form
und ursprünglichen Bestimmung des Schaftes ab und erkennt
in ihm einfach den Träger einer historischen Darstellung.
Ofienbar sind aber die Reliefs darauf angelegt, nicht von
unten, sondern von der Seite, nämlich den verschiedenen Stock-
werken der angrenzenden Gebäude gesehen zu werden. So
erklärt es sich, warum der optischen Verringerung mit der
Höhenzunahme keine Rechnung getragen ist.^)
servir a Thistoire de TEgypte, Parii 1823, p. 366 fl., vgl. Inscriptions
grecques et latines d'Egypte, I, p. 460). Die Inschrift ist Diocletiau
gewidmet und gehört in das Jahr 302 (Boeckh, Corp. Inscript. Graec.
n. 4681).
1) Spuren einer Porticus sind auch auf der hintern Seite des Hofes
gegen den Tempel zu entdeckt worden (Reber, die Ruinen Roms, S. 179).
Ein höheres Gebäude scheint jedoch dort nicht gestanden zu haben.
2) Doch konnten diese Theile vom eigentlichen Forum aus wegen
der bedeutenden Höhe der Basilica vielleicht nicht gesehen werden.
Nach F. Morey war die letztere beinahe eben so hoch als die Säule
sammt der Statue. In ähnlicher Weise (mit 36'". hohem Mitt^lschiti*)
construirt Lesueur (Basilique Ulpienne, Restauration de 1823, auf dor
Bibliothek der Ecole Imperiale des Beaux-Arts in Paris).
3) R(»bor, S. 178 und noch Fröhner, S. 55 l)ohauptcii, dass die
'1
111. Provinzialvcrwaltung und Bauten. 149
Der gleiche Architect, der jene berühmte Brücke über
die Donau baute, hat auch das trajanische Forum angelegt. ^)
Ks liegt etwas Grossartiges und zugleich Originelles in seiner
Schöpfung. Apollodor ist einer der bedeutendsten Baumeister
des Alterthums. Neuerdings ist die Vermuthung ausgesprochen
worden, dass er sich bei seiner Anlage durch die ägyptische
Kunst inspiriren liess und in diesem Forum thebaische Bau-
werke, vorzüglich das Ramesseion nachzuahmen suchte. 2)
Man kann nicht leugnen, dass zwischen der Kunst der tra-
janischen Zeit und derjenigen des grossen Ramses gewisse
Analogien bestehen; wir finden hier und dort das Streben
Dach dem Massenhaften und Imponirenden, nach reicher und
mannigfaltiger Pracht,^) nach Verherrlichung des Namens,
Figuren nach oben im Verhältnisse ihrer^ Entfernung grösser werden.
IHeaer Irrthum ist schon oft genng widerlegt worden (vgl. Quatremere
tle Quincy a. a. 0.) und sollte, seitdem eine Nachbildung im Louvro
aufgestellt ist, an welcher sich genaue Messungen bequem vornehmen
läesen, nicht wieder auftauchen. Das Belief band hat von unten bis
oben die gleiche mittlere Höhe von 1 , 1 — 1 , 2«n- ; da die Spirale nicht
regelmässig steigt, so sind einzelne Partien an den verschiedensten
Stellen etwas breiter (bis 1, 4'"), andere wieder auffallend schmal
(weniger als l™-)* ^^^ erkennt, dass diese Unregelmässigkeiten nur
zufällig sind. Die stehende Figur Trajaus schwankt in der Höhe zwi-
fccben 61 und 75 Centimeter, wie aus folgender Zusammenstellung von
H Vermessongen erhellt:
1. Tron90n. 65, 67, 62«»»- 4. Tron^on. 71, 64, 67^'n>-
2. „ 61, 66, 65 „ 5. „ 65, 69, 66 „
3. „ 67, 64, 71 „ 6. „ 68, 75, 67 „
Auf dem ersten Umlauf fand ich die Figur eines stehenden Solda-
ttn 70au-, auf dem viertobersten 66 '^'"- hoch. — Die von Semper (Sco-
primento d'antichi colori sulla colonna di Trajano, Bullet, dell' Inst.
^833, p. 92, 93) kundgegebene Ansicht, dass die Reliefs, um deutlicher
gesehen zu werden, bemalt waren, muss nach P. Morey (Sui colori
«iltre volte veduti nelle sculture della colonna Traiana, Bullet, dell'
lufel 1836, p. 39 — 41) berichtigt werden. Die gelben, grünen und rothen
Färbentöne, die man an verschiedenen Stellen beobachtet, sind durch
'kni Staabniederschlag, durch das an der Bronzestatue herabfliesseudo
Walser und durch die Oxydation der eisernen Klammern erzeugt.
1) Dio Cass, LXIX, 4.
2) Fröhner, la Golonne Traiane, p. 49.
3) Schnaase, Geschichte der bildenden Künste, II. Bd. (FriedcricLs)
IS66, S. 383.
150 .TohanncH Dierauer: Geschichte Tngaiis.
dessen Träger die WaflFen siegreich über die bisherigen Lau-
desgrenzen hinaus geführt hatte. Jener gewaltige Grabtem-
pel zu Medinet Habu *) mit seinem Pylon an der Front, seinen
beiden Höfen mit Doppelcolonnaden, seinem bedeckten Räume,
der vielleicht richterlichen Zwecken diente und den Hingang
zu den innern Gemächern gewährte, seinem Sculpturen-
und Wandbilderschmuck, wozu das Mausoleum des Königs
im Hintergrunde tritt, hat in der That einige Aehnlichkeit^
mit dem Forum Trajans. Aber diese Analogie ist doch nur
eine zufällige und allgemeine; sobald man das Einzelne in
Erwägung zieht, so findet man, dass von einem directeu
Einfiuss der ägyptischen Kunst auf die römische in jeuer
Zeit keine Rede sein kann. Nicht ein einziges Glied der
apollodorischen Architectur geht auf ägyptisches Muster zu-
rück. Der Triumphbogen als Zugang zum Forum entspricht
entfernt nicht dem Pylonenbau der ägyptischen Tempel, der
nach seiner Breite und Höhe stets alle dahinter liegenden
Bauten übertriflFt. Die Anlage der Area oder des eigentlichen
Forums, sowie der Basilica gehört durchaus in das Gebiet
der römisch-griechischen Baukunst: die ägyptische hat die
Bogenlinie im Grundrisse des Gebäudes vermieden. Die
Säule allerdings könnte mit ihrem Bilderschmuck an die
Obelisken^) und nach ihrer Bestimmung als Grabmonumeut
Trajans an die Pyramiden erinnern. Aber wenn irgendwo,
so hätte hier die wirkliche Nachahmung der ägyptischen
Form bestimmten Ausdruck erhalten müssen, denn die Obe-
lisken waren seit Augustus' Zeit bekannt genug. Die Bei-
setzung der Asche in einer Kammer des Piedestals bietet nichts
Auffallendes, da die Römer überhaupt hohe, säulenartige
Mausoleen liebten.
1) Eine Beschreibung gibt Diodor, I, 45 sqq. nach Hekatäos; v^/.
K. 0. Müller, Osymandyas und sein Grabpalast, in Ersch und Gruber's
Encyklopädie ; Lepsius, Denkmäler aus Aegypten, Abtheilung T, fol. 89.
2) Pröhner erblickt in der Säule eine Nachbildung dea bei Strabon
(XVII, 1, § 10) beschriebenen Paniums von Alexandria; die Aehnlichkeit
beider Bauten beschränkt sich aber lediglich auf die Wendeltreppe im
Innern.
in. Provinzialverwaltung und Bauten. 151
Wir können also sagen, dass sich ApoUodor bei der
Anlage des trajanischen Forums innert den Grenzen der
griechisch-römischen Tradition hielt, aber zugleich durch sein
originales Schaffen die Kunst zu nationaler Selbstständigkeit
erhob.
Gern wählten die nachfolgenden Kaiser das Forum Tra-
jans zu Acten öffentlicher Gerechtigkeit und Huld. Uadriau
verbrannte dort, um die Volksgunst zu gewinnen, alle Obli-
gationen der dem Fiscus Verschuldeten;^) Marcus Aurelius
hielt ebenda eine grosse Auction kaiserlicher Schätze zum
Besten der Staatskasse, um die Provinzen wegen des Marco-
mannenkrieges nicht mit neuen Auflagen' beschweren zu
müssen.^) Alexander Seyerus liess Statuen ausgezeichneter
Mamier auf diesem Forum aufstellen : ^) man hat im Umkreise
desselben Piedestale gefunden mit Namen von Trajan bis in
die letzte Zeit der romischen Herrschaft. *) Es ward zur Ge-
wohnheit, dass die neuen Consuln am ersten Januar hier die
Freilassung von Sclaven aussprachen.*) Durch Jahrhunderte
hindurch behielt das trajanische Forum seinen Glanz, und
nachdem Zeit und Barbarei die Basilica und die anstossenden
Gebäude zerstört hatten"), blieb noch die Säule übrig als
einsamer aber ehrfurchtgebietender Zeuge der einst so herr-
lichen Anlage.
Trajan hat die Vollendung seines Forums noch erlebt.
Aber gegen Ende des gleichen Jahres, in welchem die Säule
anfgeatellt wurde, verliess er Rom, um noch einmal eine
kriegerische Unternehmung zu leiten. Es sollte ihm nicht ver-
gönnt sein, aus dem Orient, gegen welchen er sich wendete,
wieder zurückzukehren.
1} Spart. Hadr. c. 7.
^) lul, Capitolin. M. Ant. Phiioa. c. 17. 21.
3) Ael. Lamprid. Alex. Severas, c. 26.
4) Reber, die Ruinen Roms, S. 182 ff.
5) Francke, S. 622. Becker, Handb. d. röm. A. I, S. 382.
6) Sie waren im 10. Jahrhundert zerfallen, vgl. Gregoroviua, Ge-
schichte der Stadt Rom im Mittelalter, 111, S. 572.
Vierter Abschnitt.
Die Kriege im Oriente.
t
Die Kriege Trajaiis im Oriente bilden den ruhmvollen
und zugleich tragischen Abschluss seiner Regierung. Die
Beweggründe, die ihn veranlassten, im hohen Alter noch ein-
mal das Glück der Waffen zu versuchen, sind in den vor-
handenen Quellen nirgends klar ausgesprochen. Nach Dio
Cassius zog er gegen die Armenier und Parther, vorgeblich,
weil letztere in Usurpirung eines Rechts, das seit Nero von
den römischen Kaisern in Anspruch genommen wurde, den
armenischen Thron nach ihrem Sinne besetzt hatten, in Wahr-
heit aber aus Ruhmsucht.^) Der neueste Geschichtschreiber
der römischen Kaiserzeit findet, dass die allgemeine Lage der
Dinge im Osten Trajans persönliches Eingreifen forderte.
Der enge Zusammenschluss und der Enthusiasmus der Chri-
sten, nach beiden Richtungen einer centralisirten Verwaltung
gefahrlich, die hartnäckige und eben damals neu sich orga-
nisirende Opposition der Juden, die drohende Macht der
Parther im Hintergrunde, die immer bereit waren, die un-
zufriedenen Elemente in den römischen Nachbarländern zu
unterstützen, hätten damals eine Krisis befürchten lassen, die
nur durch die Anwesenheit des Kaisers abgewehrt werden
konnte.^) Es scheint aber nicht, dass Trajan durch die
1) Dio CasB. LXVIII, 17: — Trp6(paciv |ui^v öti |ii?| t6 btdbv)|üia un'
aÖToO €lXr|<p€i, dXXd itapd toö TTdpeiuv ßaciX^uc, ö tOjv 'Ap^ieviuiv
ßaciXeöc- xq b' dXn6ei<jt, bö2r]C dmeu|Li((ji.
2) Merivale, a history of the Romans under the empire, Vol. VII,
p. 371 fl.
IV. Die Kriege im Oriente. 153
wachsende Verbreitung des Christenthums die religiösen und
administrativen Grundlagen seines Staates ernstlich gefährdet
sah, und so viel sich- erkennen lässt, überraschte ihn der
Judenaufstand, der während des parthischen Krieges ausbrach,
unyorbereitet. Wir können also diese beiden Gesichtspunkte
nicht in den Vordergrund stellen; Trajan verfolgte in seinen
parthischen Feldzügen vielmehr die gleichen Zwecke, die ihn
seiner Zeit zu einem längeren Aufenthalte in Germanien nach
der Adoption, sowie zum dacischen Kriege geführt hatten.
Dort wie hier 'war sein Ziel eine definitive Sicherung der
Grenze: mit dem gefassten Entschlüsse ging er nach dem
Osten, Armenien, das schon so oft der Gegenstand des Strei-
tes zwischen Römern und Parthern gewesen war, wenn
möglich auch die untern Euphrat- und Tigrisländer zu pro-
viuziaUsiren. Dabei bildete allerdings, wie Dio Cassius be-
richtet, die Einmischung des Partherkönigs in die armenischen
Verhältnisse die äussere Veranlassung des Krieges.
Trajan verliess Italien im October des Jahres 113. ^)
Frühzeitig muss Chosroes, der im Jahre 112 seinem Bruder
Pacorus IL auf dem Throne der Arsaciden gefolgt war, 2)
1) S. folgende Seite, Anmerkung 4.
3) A. de Longp^rier, M^iüoires sur la Chronologie et Ticonographio
(les rois parihes Arsacides, Paris 1853, p. 184 beschreibt eine kleine
Bronzemünze des Pacorus mit dem Datum FKY, 423 = 112 p. Chr.
Dieses Jahr findet man ebenfalls auf Bronzemünzen des Chosroes, vgl.
p. 143, 80 dass also im Jahre 112 ein Regierungswechsel Statt gefunden
^aX. Pacoras regierte nach Longpärier vom Jahre 78 an. Er unter-
Uelt, wie wir wissen, freundschafbliche Beziehungen mit Decebalus
(Plin, ad Traian. 74, ed. Keil). Schon unter ihm scheint das Verhältniss
zwischen Born und Parthien zeitweise ein gespanntes gewesen zu sein.
Nach einem Fragmente bei Suidas, s. v. diriKXrniia richtete er verschie-
dene Klagen an Trajan: d bi TTdKopoc, 6 TTapGuaiuiv ßaoXeüc, Kai
<iXXa Tivo dniKXnMOcra itr^cpepc Tpaiavt]ü Tip ßaciXel. Wenn das folgende
Citat: kqI t«4> 6oK€lv ^TriKXr||ia iiroictTO Korä 'PwjiaCuiv, Öti 66Hav iwöc
^ »ijicpi&v \xr\hiT€pa ttapä xd SutK€{)i€va ^ttitcX^v, ol bi oö xaxd t6
ötCTciO^v iTTiTCixiZouciv wirklich, wie Longperier annimmt, noch in den
gleichen Zusammenhang gehört, so war es sogar zu einem eigentlichen
Kriege gekommen. Doch ist diese Erklärung mit Rücksicht auf lulian.
Caesar, ed. Heusing. p. 23 (s. oben S. 83, Anmerkung 2) keineswegs sicher.
Jed^falb setzt Plinius in seiner Mittheilung a. a. 0. voraus, dass Trajan
154 Johannes Dierauer: Geschichte Tr^^ans.
von seinen Absichten unterrichtet worden sein, denn par-
thische Gesandte brachten Geschenke und Friedensautrage
dem Kaiser schon in Athen entgegen J) Chosroes hatte den
wie es scheint unter Zustimmung der Römer zur Herrschaft
von Armenien gelangten König Exedares vertrieben und an
seine Stelle Parthamasiris, einen Sohn des Pacorus gesetzt,
für welchen er nun die Bestätigung von Trajan erbitten
liess.^) Die Gesandtschaft wurde ungnädig aufgenonunen ;
Trajan erklärte, dass.sich die Freundschaft nicht durch Worte,
sondern durch die That bewähre, er werde nach Syrien
kommen und thun, was ihm angemessen scheine.^) Im De-
cember landete er in Seleucia und zog am 7. Januar 114 in
Antiochia ein^); er wählte diese Stadt zum Ausgangspunkte
seiner künftigen Unternehmungen.
grosees Interesse habe, von einem entwichenen Kriegsgefangenen, der
mehrere Jahre im Dienste des Pacorus gestanden hatte, Näheres über
die parthischen Verhältnisse zu erfahren. — Seit dem Jahre 78 war
übrigens das parthische Reich getheilt zwischen Pacorus (II) und einem
Vologäsus, dem dritten dieses Namens (in der griechischen Form auf
Münzen Olagases), der, wie Longperier p. 121 aus der Aehnlichkeit der
Gesichtszüge schliesst, Pacorus' Bruder war. Er ist auf Münzen nach-
weisbar in den Jahren 78, 79, 112, 113, 119, 120, zuletzt im Jahre 149
(Longperier, p. 118, 119, 147). Er regierte also noch zugleich mit
Chosroes imd hatte seine Residenz vielleicht in Vologesocerta (eine
Frage, deren genauere Prüfung Longpdrier in Aussicht gestellt hat,
p. 241, n. 1).
1) Dio Cass. LXVIII, 17.
2) id. ibid.: Triv T€ *Ap|Lieviav TTapOa|Liac(piöi TTaKÖpou Kai aöTii»
ulel fjTci, Kttl ^bclTO TÖ 6idbri|uia aöxCp irejKpöf^vai. töv yäp '&Y\bdpr\v,
dic ouK ^TTirriftciov oöt€ toIc *Pui|Lia(oic oöt€ toIc TTdpGoic övxa, ircTrau-
Kdvai l\€T€. Die Sache verhielt sich wol anders als Chosroes sie dar-
stellt Er hatte einen Thron usurpirt, der nach dem Rechte der Succes-
sion dem Parthamasiris gehörte und diesen eben deswegen mit der
armenischen Krone zu entschädigen gesucht. Die Behauptung, Exedares
sei auch den Römern nicht genehm, ist offenbar ein Vorwand, der aber
um so weniger verfangen kann, als dieser seine Herrschaft ohne allen
Zweifel von Rom zu Lehen trug und in derselben zu irgend einer Zeit
bestätigt worden war. Von Exedares vernehmen wir später nichts mehr.
3) ibid.
4) loann. Malalas, ed. Bonn. p. 272 : xal KaTf^XÖcv 6 aÖTÖc ßaciXcuc
Tpdiavöc dirö Aa<pvf\c Kai eicn^Oev iv 'Avrioxeiqi rrjc CupCac, qpopwv
IV. Die Kriege im Oriente. 155
Der Orient war damals sehr stark mit Truppen besetzt.
^v T^ auToO K€<paX4 CT^<pavov dnö iXaxoKX&biwv, lULr)^^ au6r)vaiiu tCu Kai
lavouapiifj 4ß6öjLii} i\\iifi(f t. lüpq. /^cpivfl b\ - - Die Benutzung dieses
Schrifüiellers ffir die Geschichte Tr^ans unterliegt grossen Schwierig-
keiten. Er hat Fabeln und authentische Nachrichten ohne Wahl auf-
«jenommen und in seiner Ignoranz die wunderlichsten Combinationen
^bildet. Um die nöthigen Aufschlüsse zu erhalten, habe ich mich an
den bewährten Kenner byzantinischer Literatur, Herrn Prof. Alfred
V. Gatschmid in Kiel gewendet, der mir mit ausserordentlicher Freund-
lichkeit die Resultate seiner Untersuchungen über diese Partie des loannes
Malalas in einem Briefe, datirend vom 1. August 1B67, mittheilte und
ZQ veröfTentlichen gestattete. Indem ich Herrn v. Gutschmid für sein
gutiges Entgegenkommen an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aus-
»preche, wage ich von seiner Erlaubniss den Gebrauch zu machen, der
sich mit dem Zweck und Umfang der vorliegenden Arbeit verträgt.
Es sind in der Geschichte Trajans bei Malalas drei Hauptquellen
zu scheiden.
1. Eine Kaisergeschichte, p. 269: Meid bä tV|v -- ßaOclc ^x^v öcpGaX-
>ioOc. p. 274: ö bi aÖTÖc — p. 275: ^KoXecc AaxCav irapairo-
Ta^lav. p. 277: 'Eirod^cc bi 6 — (bv dviauTuiv E^'. Ihr
historischer Gehalt ist gering.
2. Die kirchengeschichtliche Quelle, p. 269: "Euic bk toO — xal
noXXol injxuiprieiicav. p. 273: "Ev töi bi — juixpä toIc xpx-
CTtavotc. p. 276: ö bä aÖTÖc — ÖTi iXoiööpei auTÖv. p. 277:
*€Tro(T|C€ bi Kai — dXXat irapO^voi troXXaC. p. 276: Cuv^cxc
bi Töxe — p. 277: tcTavr'ai ^wc dpri. (Die Umstellung der
beiden letzten Stücke erscheint zur Herstellung eines richtigen
Zusammenhangs durchaus nöthig.) Diese Kirchengeschichte
von spätem und unkritischem Charakter ist fast nur eine
Sammlung von Legenden und Märtyrergeschichten und trägt
' specifisch syrische locale Färbung.
3. Die Chronographie des Donminos, ^eine Universalgeschichte mit
antiochenischem Horizont und einseitiger Berücksichtigung
der antiochenischen Stadtchronik', p. 269: '€v Cb xpö^iu —
p. 273: ö xpevoTpdcpoc cuveTpdMiaro. p. 273: Kai ^Hf|Xe€V
änö — p, 274: xal cufTpaiiidiiievoc Ttdvra dxpißwc. p. 275:
*6irl bi Tfjc ßaciX€{ac — p. 276: xal 'Avxiöxou ßaciX^wv. p. 277:
'€ktic€ bi iy — nioj^ toö dXcouc.
Ke Stücke aus Domninos (der, wie v. Gutschmid vermuthet, im Jahre
528 sdirieb} sind für uns am wichtigsten, bedürfen aber selbst wieder
qaeUenmässiger Sichtung. Domninos hat für den Anlass und Ausgang
<le8 Partherkrieges, p. 270, 273, 274 Axrians Parthika benutzt. 'Die
Grundlage des Berichtes über Trajans Anwesenheit in Antiochien bilden
ännalistische Aufzeichnungen ganz authentischer Natur, in welche
^e historisch unmögliche Volkstradition über die damals vorgefallene
156 Johannes Dieraucr: Geschichte Trajau^.
In Syrien und der nächsten Umgebung (Judäa, Phonicien,
persische Vesper hineingearbeitet ist.* Diese drei ßestandtheilc schei-
det V. Giitschmid in dem Stücke p. 270 — 274 (mit Ausschluss von 'Gv
Ti[j bä — jULiKpd Tolc xpiCTiavolc) auf folgende Weise:
p. 269: iv dl y(ß6y{\i — p. 270: ßactXeuc cOO^wc ^CTpdT€uc€, aus
ArrianuB.
p. 270: T(4i iß' It€i — CeXeuKciac Tf|c Cup(ac, aus antiochenischeik
Annalen.
p. 271: ol bä TT^pcai — p. 272: Toiv *AvTiox^iüv ttoXituiv, aus
Localsage.
p. 272: Kttl Ttöv b^ — l€p6v ToO 'AiröXXwvoc , aus antiochenischeu
Annalen.
p. 272: KcXeOcac dirapef^vai dn6 — xai dtävcTo oötuk, aus Local-
sage. (Die vorhergehenden Worte Kai ^örjXujce toIc 'Avtiox€ö-
civ dtrö Ad(pvric sind als des Zusammenhangs vregen einge-
schaltet zu beseitigen.)
p. 272: Kai KaTf\X6€V ö — i)öp<jt i^|iepivfl b\ aus antiocheniscben
Annalen.
p. 272: Toc bi Tttup^ac — p. 273: ö xpovoxpd<poc cuvetpd^ittTo, aus
Localsage.
p. 273: Kai ^EfiXecv dtrö — ö auTÖc TpatavöCj wahrscheinlich nicht
aus Arrianus, sondern noch aus den antiochenischen Annalen.
p. 273: Kai iv(KiiC€v aÖTOuc — p. 274: cuTTPaH»d|Li€voc irdvTa dKpi-
ßu)c, aus Arrianus.
'Auch in den übrigen Partien derselben Quelle liegen antiochenische
Annalen zu Grunde. — In die authentischen Angaben über Trajans
Bauten ist eine Localsage eingemischt über das Jungfrauenopfer, dcis
der Volksglaube dabei gebracht werden liess.»
Welcher Werth ist nmi den drei Quellen: Arrian, den antiocheni-
schen Annalen, den Localtraditionen beizumessen? 'Was die Tradition
über das Jungirauenopfer betrifft, antwortet v. Gutschmid, so ist es
eine solche, wie sie sich leicht im Munde des Volkes an öffentliche
Denkmäler haftet und braucht nicht ernstlich discutirt zu werden.
Nicht so schnell kann man sich mit der über die Vesper abfinden.
Dass die Perser wirklich unter Trajan Antiochia überrumpelt haben
sollten, ist eine historische Unmöglichkeit. Die Thatsache, an welche
die Tradition anknüpfte, war das alljä^hrliche Paukenschlagen während
30 Nächte, eingeführt zur Vertreibung feindseliger Geister: denn der
Schall des Erzes reinigt die Luft und verscheucht die Dämonen. Das
Volk erklärte die Gespenster für die erschlagenen Feinde und verband
damit eine zeitlose Erinnerung an eine Befreiung Antiochiens aus der
Hand der Perser. Dass nun dieser Erinnerung etwas wirklich Gesche-
henes zu Grunde liege, beweisen die Namen, welche sich zum guten
Theil als echt persisch nachweisen lassen. — Die Neuperser haben
Autiochien vor den Zeiten Justiniaus zweimal eingenommen: einmal
rV. Die Kriege im Oriente. 157
Cappadocieu) standen 7 Legionen, von denen man einige
anter Yalerianus and Sapores L, ein anderes Mal unter Constantius
nnd Sapores II. üeber die letztere Katastrophe haben wir ausführliche
gleichzeitige Berichte Ammians und Anderer, durch die jede Verglei-
ehnng mit der Erzählung des Malalas ausgeschlossen wird. Anders
stellt sich die Sache in Bezug auf die sehr dunkle Geschichte ' der
Eroberung des Jahres 256. Damals sind die Perser allerdings durch
Veitrag (mit der Partei des Antiocheners Cyriades) in den Besitz der
Stadt gekommen, damals hat sich der Kaiser Yalerianus allerdings wie
der Dieb in der Nacht der Hauptstadt des Ostens genähert, und es
pa£st wenigstens zu der uns bekannten Situation, dass die Wieder-
gewinnung der Stadt von Scenen wie den von Malalas beschriebenen
b^leitet gewesen ist. Ich möchte also glauben, dass der Kern dieser
Tradition, deren localer Charakter auch aus der Erinnerung an das
Abbrennen der CkcttiviPi Y€iTOv(a beim Rückzuge der Perser hervorgeht,
historisch ist, dass aber diese Tradition nur ganz allgemein vom römi-
schen Kalcap sprach und der Name des Traianus erst durch falsche
Hj7)othe8e des Domninos hineingekommen ist.'
lieber die antiochenischen Annalen erhalte ich von Herrn v. Gut-
ächmid folgende Aufschlüsse. 'Sie gehen nach meinem Dafürhalten auf
gleichzeitige Aufzeichnungen zurück, die vorliegende Iledaction rührt
aber, wie die Wochentage beweisen, von christlicher Hand her. Es ist
mehr als wahrscheinlich, dass diese erst nachträglich durch Rechnung
gefunden worden sind. Immerhin bieten sie uns, wie man hoffen darf,
eine dankenswerthe Garantie gegen Schreibfehler. Auszugehen hat
man von dem Datum des Erdbebens, Sonntag, 13. ApeUäos des J. 164
<l«r Äntiochener = 13. December 116 n. C. Leider fallt während der
ganzen R^eruug Trajans der 13. December nur in den Jahren 100
inid 106 auf einen Sonntag. Das Erdbeben erfolgte fierdi ß' Irr] der
Ankunft Trajans im Orient, diese also gehört in den October 113 oder
viebaehr (da die Chronographen in solchen Füllen meistens laufende
Jahre meinen) 114 n. C, in das 16te oder vielmehr 17te Jahr Trajans,
obgleich Malalas das 12te nennt. Der darauf folgende 7. Audynäos
^er Januar, an welchem Trajan in Antiochien einzog, war nach ihm
ein Donnerstag. Mit Bedauern haben wir abermals zu constatiren, dass
•ler 7. Januar während der Regierung Trajans nur in den Jahren 101
und 107 auf einen Donnerstag gefallen ist. Die Probe ist also scheinbar
gänzlich misslungen. Aber nur scheinbar. Der 13. December 115 war
ein Donnerstag, der 7. Januar 115 ein Sonntag; beides sind die Daten,
«eiche wir nach dem, was vorliegt, für die richtigen halten müssen.
Malalas oder vielleicht schon Domninos hat also die Tagescharaktere
beider Daten, welche in der Quelle näher bei einander gestanden haben
*<?rden, als dies im Texte des Malalas der Fall ist, einfach mit einan-
^•r vertauscht.» Das historisch unhaltbare 12. Regierungsjahr Trajans
^^s, wie schon A. de Longi>mor , Memoire» etc. p. 140, n. 1 vorge-
158 Johannes Dierauer: GcRchicbte Trajans.
verwenden konnte, ohne deswegen die Grenzgebiete eiüer
Bchlageu hat, in das 17te verbessert werden, v. Gutechmid erklärt das
Zahlenverderbniss aus dem altern griechischen Zahlsystem, in welchem
der Uebergang von Afll in All ein sehr leichter ist. 'Wir haben also
nicht nöthig, wegen des vom Benutzer hinsichtlich der Tagdaten be-
gangenen Versehens und wegen dieses alten Schreibfehlers die sonstige
Glaubhaftigkeit der von Malalas benutzten antiochenischen Annalen in
Zweifel zu ziehen. In ihren anderweitigen Angaben bewähren sie sich :
dass Hadrian zu jener Zeit in Syrien war, wissen wir aus Cass. Die
LXVIII, 33.'
(Auf Herrn von Gutschmid*s Untersuchungen über die dritte Quelle,
Arrianus, komme ich in einem spätem Zusammenhange zurück).
Die Localsageu bei Malalas sind also für die Geschichte Tr^aus
ganz ausser Acht zu lassen^ während die antiochenischen Annalen un-
verkennbaren Werth haben. Gegen die überraschende Lösung der
Schwierigkeiten, die mit Rücksicht auf den Kalender in den beiden
Hauptdaten über den Einzug Trajans und über das Erdbeben liegen,
erhebt sich nun aber ein Bedenken, das die Frage aufs neue ver-
wickelt. Trajan ist nämhch nicht, wie Herr von Gutschmid annimmt^
erst zu Anfang des Jahres 115 in Antiochia eingezogen: das MiUtär-
diplom vom 1. September 114, also aus dem 18ten Tribunate (bei Hen-
zen, n. 6867 a) beweist durch die Imperatorenzahl VII unwiderleglich,
dass der armenische Krieg schon vor dem Herbste 114, nach aller
Wahrscheinlichkeit im Frühling dieses Jahres begann. Trajan wird
also zu Anfang 114 in den Orient gekommen sein und Born gegen
Ende 113 verlassen haben. Die antiodienischen Annalen bestätigen
nach meiner Ansicht diese von einer römischen Urkunde abgeleitete
Chronologie in jedem Pimkte. Gehen wir wieder von dem Datum des
Erdbebens aus, so erfahren wir, dass Trajan 2 Jahre vorher in den
Orient kam (diri Tf|v dvaToXir]v); hier sind gewiss zwei volle Jahre ge-
meint, denn im December landete er in Seleucia (p. 270) und in den
gleichen Monat gehört das Erdbeben. Die Landung erfolgte demnach
im December 113, der Einzug in Antiochia im Januar 114, während die
Abreise von ItaUen im October 113 (iTrecTpdreuce iutivI ÖKTuißpiiu
Tip Kul OTr€p߀p€Taiqj dirö Vdjyir\c) Statt gefunden hatte. Sehr will-
kommen ist für diese Ansetzung die Gonjectur, dass Tip iß' ?t€i ty^q
ßaciXeiac qOtoO in tiI) üT ^t€i k. t. X. zu verbessern sei, denn das 17te
Regierungsjahr, in welchem Trajan, "wie die Annalen berichten, Rom
verliess, entspricht in der That dem Jahre 113. Die Antiochener
haben sich in ihrer Rechnung vdrklich an die Jahre der tribunici-
schen Gewalt gehalten, auf ihren Münzen aus dem Jahre 114 ist
richtig das ISte und nicht etwa das 17te Tribunat verzei,^hnet (Eckhel,
Doctr. numor. vet. III, p. 239. Mionnet, T. V, p. 176, n. 235. 23G.
237, vgl. Borghesi, Annali dell' Inst. 1846, p. 328). Wir finden also,
dass die urkundlichen und annalistischen Nachrichten sich gegenseitig
IV. Die Kriege im Oriente. 1 59
gefährlichen Entblössimg preisgeben zu müssen. ^) Wir haben
inschriftliche Kunde , dass die Leg. VI. Ferrata^) und die
L^. XVI. Mavia Firma') an den parthischen Kriegen Tra-
jans Theil nahmen. Aus dem Oceident wurden ausser einigen
prätorischen und stadtischen Cohorten^) die Leg. XXX. ül-
pia Victarix herbeigeführt.*) Ohne Zweifel waren aber diese
Legionen nicht die einzigen^ die in den verschiedenen Feld-
zögen der folgenden Jahre zur Verwendung kamen. Im Ge-
neralstab des Kaisers war Hadrian, und zwar in der gleichen
Stellung, die L. Licinius Sura während der dacischen Kriege
eingenommen hatte.*») Der Mauretanier Lusius Quietus, von
in der bestiinintesten Weise ergänzen. Von den bei Malalas genannten
Wochentagen müssen wir schlechterdings absehen, oder mit Beibehal-
long der sehr anziehenden Hypothese einer ümtauschung der Tages-
daten annehmen, der christliche Bearbeiter habe seine Berechnung
irrtiiümlich auf den 7. Januar 115 statt 114 zurückgeführt.
1) S. oben S. 76 die Uebersicht über die Vertheüung der Legionen
vor dem dacichen Kriege.
2) Henzen, n. 5456: T • PONTIVS • T • F • PAL • SABINVS || PRAEF •
COHi.PANN.ETDALMAT IIEQ-CRTRIBMILLEGVIFER-
ßAT I DONIS . DONATVS - EXPEDITIONE PAR || THICA A DIVO TRA-
lANO.
3) Mommsen, L R. N. n. 1947 = Henzen, n. 6^749: NMARCIO
^ • FIL . GAL II PLAETORIO • CELERI || QVAEST • II VIR • ^'LEG • VII
GEMm . >LEG . XVI . FL . FIRM || DONIS • DONATO • A • DIVO || TRA-
lAN . HELLO . PARTHIC.
4) Orelii, n. 832 = Monmisen, n. 3542. Ein C. Nummius Constans
feriiielt, sei es als Soldat der Coh. IIl praet. oder der Coh. X urb. mili-
tariache Decorationen in Folge seiner Auszeichnung im parthischen
Kriege. Vgl. femer OreUi, n. 3488.
5) Nach L^on Renier, Archives des missions Bcieutifiques et litt^raires,
Paria 1851, t. II, p. 183 war die Colonie Ulpia Thamugas in Numidien
cf. Gruter, p. 1090, n. 16) Ton Veteranen der 30. Legion nach den par-
thischen Siegen gebildet worden. Deswegen war auch die Victoria
Paitiiica in Thamugas der Gegenstand eines besonderen Cults, von
velchem sich ein sehr schönes, nach den teatamentarischen Bestim-
o^ongen eines Genturio jener Legion errichtetes Monument erhalten hat
(Äenier, Inscript. rom. de PAlg^rie, n. 1480 und 1481). — Die autio-
(heoiachen Annalen bei Malalas, p. 270 berichten, dass Trajan mit
«i&em bedeutenden Heere in den Orient gekommen sei: öp]ur)cac |li€TG(
&vv<i^€ujc iroXXf^c CTpaxoO xai cuykXiitikiüv.
6) loann Malalas a. a. : ^v olc ff v kqi *A6piav6c ö Y<^Mßpö<= uOtoO
k\ ö5cXq>^. Aus Spart. Hadr. c. 4 erfahren wir, dass er die Stellung
160 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Trajan zu prätorischem Rang erhoben, konnte nunmehr ein
Legionscommando übernehmen. ')
Im Frühling 114 wandte sieh Trajan von Äntiochia aus
gegen Armenien. Wie es scheint, ging der Marsch durch
Commagene, dann quer über den Taurus nach Cappadocien
und Kleinarmenien. ^) Die gegen den Pontus hin wohnenden
unabhängigen Fürsten behandelte er freundlich : wir erfahren
nicht, dass sein Vordringen irgendwo besondem Widerstand her-
vorgerufen hätte. ^) Parthamasiris, der schon während Trajans
eines Generaladjutanten der Verwendung Plotina's zu verdanken hatte:
cuius studio etiam legatus e.rpedüionis Partkicae tempore destinaius est.
1) Dio Ca88. LXVIII, 32.
2) Das bei Dio Cassius (LXVIII, 18) erwähnte Satala entspricht dem
heutigen Sadagh (Petermann's geogr. Mitth. , Ergänzungsheft Nr. 20,
S. 63, Anm. 2).
3) id. c. 18. Was hier von liz^X hk ^v^ßaXcv — töv 'Ap^cviuiv ^ti-
|Lxujp/)caTo erzahlt ist, wird in dem Fragmente von c. 19 bis 20 aus-
führlicher zum Theil wiederholt.
c. 18. Tpaiavöc hi^ djiaxcl irdvxa c. 19. ö 'oOv Tpaiavöc — — hi
X€ipoö|i€voc, kc CdxaXac i^X0€, Kai ^c M^XP^ Cafiocdrwv Trpoxujpf)cac , Kai
'EX^T^iav, Tf^c 'Ap|i€v(ac x^wpla. Kai djixaxel aörd irapaXaßutiv, ^c xd Cd-
t6v *Hviöxwv ßaciXea ^TijuiTice, TTap- xaXa fjXGc, Kai 'ATX^aXov xöv *Hviö-
öaiidcipiv h^ xöv 'ApMcviujv ^xi)nuj- x^v x€ Kai MaxeXövujv ßaciX^a ödi-
pncaxo. poic f||ui€ii|/axo ' dv hk 'CXcrcC? t?jc
'Ap|i€v(ac xöv TTapOa^dcipiv rrpoc-
eb^Saxo. Der Schluss von c. 19 imU
das ganze folgende Capitel beziehen
sich ausschlieslich auf Parthamasiris.
AnchiaUis als König der Machclonen und Heniocher wird auch im
Periplus Ponti Euxini des Arrianus erwähnt (ed. MüUer, Paris 184C,
p. 258, c. 11, cf. p. 256, c. 7). Er war ohne Zweifel unter der Zahl der
Fürsten, die Trajan bei seiner Ankunft Geschenke brachten (nach Dio
Cass. c. 18.) Zu diesen gehörte auch Ardasches, ein den Römern tribu-
tärcr arsacidischer Fürst am Araxes, der seine Residenz in Armavira
oder in Erovandaschat hatte. Von ihm wird in der armenischen üeber-
lieferung erzählt, dass er schon mit Domitian wegen Verweigerung des
Tributes in Streit gekommen war und dass ihn nun Trajan wegen
späterer Eiufillle in römisches Gebiet zu strafen gedachte; er wnsste
Trajan zu versöhnen. Ich entnehme diese Thatsachen der armenischen
(ieschichte des Moses von Khoren, der um die Mitte des öten Jahrhun-
derts schrieb. In der französichen üebersetzung von P. E. Le Vaillant
de Florival (MoTse de Khorene, Histoire d'Armenie, Venise 1841, 8**)
hcissi OB Vol. I, p. 279 fl.: Vera ce temps-lä, Trojan deverm empereur
IV. Die Kriege im Orient«. IGl
Aufenthalt in Antiochia erfolglose Unterhandlungen ange-
knüpft hatte^), wurde von seinem Oheim Chosroes im Stiche ge-
lassen and war gezwungen^ sich Trajan auf Gnade und Ungnade
<ie« Romains, ayant pacifie tout Voccident, vient fondre sur hs Egyp-
Uens et les habitants de la Palest ine, soumet ces peuphs, marche en
Orient eowtre les Perses, (Der Autor irrt sich in der chronologischen
Folge der Begebenheiten.) Cependant, Ardaelih se häte d'accourir au
tUrant de Trajan avec de riches jyresents (cf Dio Cass. c. 18 dirnvTUJv
airrip ol tQöc carpdtrai xal ßactX€lc M€Td ötbpwv), et assumant sur lui
toyie la responsabHiti de la faule commise, il se presente ä Veinpereur
romain avec Ums les iribiUs des annies prMdentes. Ardachts ohtient
«öfi pardon de Trajan, et retoume en Ärminie; puis Veinpereur romain
passe en Perse , fait tout ce qu'ü veut, et retourne jx^r la Syrie. — Wir
haben keinen Grund, die Glaubwürdigkeit dieser Ueberlieferung zu be-
zweifeln, aber nach meinem Dafürhalten darf man den König Ardasches
nicht, wie Saint-Martin, M^moires sur TArrndnie, I, p. 412 und neuer-
dings y. Langiois, Numismatique de TArm^nie daus Tantiquite (Paris
1S59, 4"), p. 45 gethan haben, mit dem von den Tarthern vertriebenen
Exedares (nach Arrianns: Axidares, y. Suidas, s. y. d^qpiAoxov und yvu)-
cic) identificiren. In der ausführlichen Geschichte des Ardasches, der
42 Jahre, von 78—1-20 regierte (vgl. Saint-Martin a. a. 0.), finden wir
nicht einen eiuadgen Zug, der an Exedares' Schicksal erinnern könnte.
Er w&r der Sohn des Sauadrug, der im östlichen Mesopotamien und
unteren Armenien herrschte (Mos. Khor. II, c. 36, Le Yallaint, I,
p. 237 fl.) und der Grossneffe von Schwesterseite des armenisch-osrhoe-
nischen Königs Abgar Uchama (id. ibid., cf. Bayer, Historia Osrhoena
et Edessena ex numis iUustrata, Petrop. 1743, p. 51 sqq.). Sein Vor^
ganger Erovand oder Erovant (im Georgischen Jarwand, vgl. Brosset,
Htftoire de la G^orgie, traduite du Georgien, I^ro patrie, St. Pdtersbourg
1849, p. 65), Sohn einer arsacidischon Prinzessin, hatte Sanadrugs Söhne
bu auf einen (Ardasches) umbringen lassen und nach der Besitznahme
des Reiches seine Herrschaft bis jenseit des Araxes ausgedehnt, wie
denn die Gründung der Residenz Erovandaschat auf ihn zurückgeführt
wird (Mos. Khor. p. 239 ff.). Endlich erhielt Ardasches mit Hülfe der
Pener den Thron. Er war den Römern tributpflichtig (Mos. Khor.
p. 277), im üebrig^n aber selbständig: in einem Vertrage, den er mit
den iberischen Fürsten Azorc und Armazel abschloss, Hess er sich das
Versprechen geben, ^dass sie in ihrer Stadt Münzen mit dem Bude des
Königs Artaschau schlagen wollten» (Brosset, p. 71). — Einem anderen
Zweige der Arsaciden gehörte der von Nero über Armenien gesetzte
König Tiridates an, von ihm, wenn nicht von Pacorus, stammte vielleicht
Kxedares. Es ist nach dem Gesagten mehr als wahrscheinlich, dass
lieh sein und Parthamasiris' Reich nicht über ganz Armenien erstreckte,
sondern nur über die westlichen Provinzen am oberen Euphrat und Tigris.
1) Dio Cass. LXVIII, 19.
IWr&arh. z. Rom. Kftisorgesch. I. II
162 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
ZU ergeben. Es erfolgte in Elegia eine Scene, über deren
Verlauf wir ausführliche Nachrichten haben. Parthamasiris
erschien mit seinem Gefolge im Lager- Trajans, legte sein
Diadem zum Zeichen unbedingter Unterwerfung ihm zu
Füssen und erwartete schweigend dessen Rückgabe. Als die
Soldaten beim Anblick dieses ungewohnten Schauspiels der
Demüthigung eines Arsaciden in lauten Jubel ausbrachen
und Trajan als Imperator begrüssten, glaubte sich der arme-
nische König in Lebensgefahr und wandte sich zur Flucht.
Er wurde zurückgedrängt und erhielt Privataudienz im kaiser-
lichen Zelte. Da Trajan auf seine hier ausgesprochenen Be-
gehren nicht eingehen wollte, entsprang er zornig ins Lager;
noch einmal musste er zurückgeführt werden und nun trog
er nach dem Willen Trajans sein Anliegen öffentlich vor:
^ Weder als Besiegter, noch als Kriegsgefangener, sondern
freiwillig sei er hier erschienen, in der vertrauensvollen Er-
wartung, dass er in seinem Rechte nicht beeinträchtigt werde
und seine Herrschaft wieder erhalte, wie einst Tiridates von
Nero.' Parthamasiris täuschte sich aber, wenn er glaubte,
Trajan habe sich nur deswegen zum Kriege entschlossen, um
sein überkommenes Recht der Verfügung über die armenische
Krone geltend zu machen. Er erhielt zur Antwort, seine
Herrschaft habe aufgehört, indem Armenien als römische
Provinz organisirt werde. Hierauf wurde er entlassen und
mit den ihn begleitenden Parthern aus dem Lager escortirt.^)
Als er aber bei seinem Abzüge durch irgend eine gewalt-
1) Dio Gase. LXVIII, 19. 20: Kai töv m^v TTapOaiLidcipiv jucxä tüöv TTdp-
Guiv cuvövTUJv ol dTT^ireiunijev, dT-uJTouc ccpiciv tirir^ac, öiruic imriTC Ttvi cuy-
T^vuiVTai, \ir\re t\ v€0XMwciuci, &oOc. Mit dieser Nachricht bricht die Ge-
schichte des Parthamasiris bei Dio Cassius ab. Jene Salutation zum Impe-
rator ist zum ersten Male auf dem Militärdiplom vom 1. September 114
als die siebeute verzeichnet; da man von ihr an diesem Tage in Rom
schon Keuntniss hatte, so gehört das Ereiguiss etwa mitten in den
Sommer. Man hat das Erscheinen des armenischen (oder seiner Abstam-
mung nach parthischen) 'Königs vor Trajan auf Münzen dargestellt;
die Legende auf der Rückseite heisst lakonisch REX PARTHVS (Cohen,
M^dailles imperiales, II, Trajan n. 209. 376). Auf dem Avers finden wir
bereits den 'ntel Optimus.
IV. Die Krit^ge im Oriente. 1G3
thätige Handlang einen Tumult erregte, war Trajan hart
genug, ihn hinrichten zu lassen. ^)
Es entspricht nur dem Principe seines Eroberungsplanes,
wenn Trajan nach Unterwerfung Armeniens und Provinziali-
sirang des Landes sich der Ergebenheit der benachbarten
Dynasten zwischen dem caspischen Meere und dem Pontus
bis zum cimmerischen Bosporus versicherte, ja selbst in dor-
tige Verhältnisse eingriff. ^)
Schon vor dem 1. September 114 war der armenische
1) Dio Cassius, bez. sein Epitomator lässt uns über Partbamasim'
Ausgang im Unklaren. Er sagt nur (LXY III, 18) : TTapOajLAdcipiv bk töv
'Ap^cv(ulv ^TijiuipricaTo. Etwas Bestimmteres erfahren wir durch Eutro-
pioa, VIU, 3: Artnefiiam, quam occupaverant Parthi, recepit Farthama-
fire occiso, qui eam tenebat Am ausfuhrlichsten ist eine Stelle bei M.
Cornelius Fronto, principia historiae, ed. Niebuhr, Herol. 1816, p..247 fl.:
TTaiano caedes Parthafnasiri regis supplicis haud satts excusata. Nam
rtjii vitro nie vim coeptans tumultu orto, merito itUerfectus e«f, meliore
tarnen Bamanorum fama impune supplex abisset, quam iure supplicium
hiüiset, Namque tdlium facinorum causa facti latet, factum spectatur:
longegue praestat secundo gentium rumore iniuriam neglegere, quam
adrer» vindicare. Demnach steht es ausser Zweifel, dass er hinge-
richtet worden ist und zwar, wie ich denke, unmittelbar nach den bei
Dio Cassius erwähnten Vorgängen; während derselben kann es nicht
geschehen sein, denn sonst müssten wir annehmen, Dio Cassius, ode»
Beine muthmassliche Quelle Arnanus habe die einen humanen Sinn ver-
letzende Geschichte absichtlich zu Gunsten Trajans zu entstellen gesucht.
Irgendwelche Vertuschung mag immerhin Statt gefunden haben; es ist
atrf&llend, dass sich der Epitomator eines so vagen Ausdruckes be-
dient
2) Eutrop. VIII, 3: Albanis regem dedü. Iberorum regem et Sau-
Tfmaiarum et Bosporanorum — — et Colclioi'um in fidem accepit.
Arriani peripl. Ponti Eux. c 11 (ed, Müller, p. 258): AaZoiv bk *A^^iXai
^Xovrar ßaciXeOc bi aOrwv 'louXiavöc oötoc ^k toO iraxpöc toö coO
TT)v ßaciXciav ^x^^- ^^ Iberien regierten damals Fharsmau II (vielleicht
der bei Spart. Hadr. c. 13 erwähnte Farasmanes, ed. Peter, p. 14, 21)
undMirdät I. (Brosset, Histoire de la Gdorgie, I, p. 71). Es ist schon
erwähnt, dass die iberischen Fürsten mit dem benachbarten osrhoenisch-
annenischen Dynasten verbündet waren. Die Münzen mit der Legende
ßEGNA ADSIGNATA und der Darstellung dreier Fürsten, die vor
Trajan erscheinen, gehören gewiss in diesen Zusammenhang. Cohen (II,
Trajan, n. 206, 207, 372) weist sie dem Jahre 116 zu; aber auf den zuerst
geprägten, n. 206 und 372 fehlt noch der Name Parthicus.
11*
164 Johannes Dierauer : Geschichte Tn\j ans.
Feldzug beendigt. ^) Armenien wurde in den nächsten drei
oder vier Jahren von einem kaiserlichen Legaten verwaltet.^)
Wahrscheinlich noch im Spätherbste wandte sichTrajau
gegen die mesopotamischen Fürsten, zunächst gegen Abgarus
Mannus von Osrhoene, der in seiner abhängigen und pein-
lichen Stellung zwischen dem Parther- und Bomerreiche noch
nicht gewagt hatte , dem Kaiser ohne Rückhalt zu huldigen
und die nach seiner arsacidischen Abkunft erklärlichen poli-
tischen Beziehungen zu den parthischen Konigen aufzugeben.^)
1) Vgl. das schon mehrfach erwähnte Militärdiplom bei Henzeu.
n. 6857 a. Aus dem ISten Tribunat ebenfalls in Verbindmig mit IMP
YII • datirt auch der Trajansbogen in Benevent, der vom Senat und
römischen Volke 'fortisaimo prindpi' errichtet wurde. Die Aufstellung
dieses Monumentes, das seiner äusseren Form nach eine Nachbildung
des Tituabogens in Rom ist, mag mit den armenischen Siegen Tr^ans
in einer gewissen Beziohimg stehen. Doch scheinen diejenigen Reliefs,
welche nicht die Friedenshandlungen Trajans darstellen (z. B. seine
Alimentationen), Begebenheiten aus dem dacischen Kriege zu illu-
striren. Rossini, gli archi trionfali degli antichi Romani, p. 6; Tav.
XXXVllI-XLin.
2) Hadrian gab den Armeniern wieder einen König (Spart Uadr.
c. 21: Armeniis regem luibere permimt, cum sitb Traiatw legatum ha-
buiasent). Doch scheint er erst nach seiner Ankunft in Rom auf die
Provinzialverwaltung Armeniens verachtet zu haben, indem es c. 9
iieisst: int er haec tarnen et multas prorincias a Traiano adquisitaii
reliquit. Das Land war daher etwa 4 Jahre römische Provinz. Es ist
begreiflich, dass sehr wenige Spuren der Administration aus dieser Zeit
geblieben sind (vgl. Borghesi, Annali dell' Inst. 1846, p. 328 ff.). Grie-
chische Mflnzeu Trajans mit der Inschrift APM6NIA auf dem Revers
und der Darstellung armenischer Trophäen erinnern an die Unterwer-
fung des Landes. V. Langlois, Numismatique de TArm^nie dans Tanti-
quite, p. 45 fl.
3) Dio Cass. LXVIII, 18. 21. Er hatte nach Antiochia bei der An-
kunft Tr%jaii3 nur 'Geschenke und freund schafUiche Worte' gesandt.
iK€lvöv T€ yäp 6|Lioiwc, heisst es c. 18, toüc TTdpOouc <poßo6|uievoc iwt\ix-
(poT^ptZIc , Kai b\ä toOt * oök /|6^\r)c^v ol cufi^lHai. Später , als Tr^an
sich, seiner Residenz Edessa näherte, bot er ihm Pferde und Kriege-
material an (Suidas, s. v. "€b€cca). Der Name lautet bei Dio Cassius
AÖTOpoc, in den Excerpt. Peiresc. ad Dion. c. 21 offenbar mit Vertau-
schung der Laute y and ß: "ATßapoc, so auch bei Suidas, s. v. i>(pr]fi]-
covToi. Die syrische Form ist Abgar (V. Langloi^, p. 68), und diese
wurde mit der Endung us von den Römern aufgenommen (vgl. Capitolin.
Ant. Pius, c. 9). Die Fürstenfarailie, zu der dieser Abgarus geborte,
IV. Die Kriege im Oriente. IGf)
£r beliess ihn in seiner Herrschaft und uöthigte ihn nur zur
Anerkennung romischer Oberhoheit. Es steht ausser Zweifel,
(kss er zu dieser Milde, die seinem strengen Verfahren gegen
Parthamasiris auffallend widerspricht, durch die Fürbitten
eines schonen osrhoenischen Prinzen bewogen wurde.')
Die Versuche anderer mesopotamisch-arabischer Fürsten,
dem Vordringen Trajans durch Vereinigung ihrer Macht zu
wehren, waren umsonst.^) Mebarsapes, der, so viel sich
war in der Herrschaft über Osrhoene einer semitischen gefolgt und
leitete ihre Herkunft von einem Brader Tigranea I. von Armenien, also
einem Arsaciden ab (Saint -Martin, Mdmoiree sur rArm^nie, I, p. 411).
Es möchte scheinen, dass der Name Abgarus allmälig zum Appellativ
der osrhoeiiischen Fürsten wurde. V. Langlois, p. 67 bemerkt über
diesen Punkt: N'est-ü pas permis de supposer que ce nom d'Ahgar,
que nom toywis parte presque constammetit par les Arsacides de la
deuxieme branche, et qui etait assez fre'quent chez les premiers monar-
ques de VOsrhoene, devint le nofn generique des successeurs de VAbgar
armenien (Abgar üchamu, Zeitgenosse Christi), puisque dans les auteurs
oecidetUaux et sur les medailles, ce nom, presque ä Vexclusion de taut
ff Hire, est donne ä tous les rois d'Edesse? Nach der Chronik des Dionys
Ton Thelmar (bei Bayer, Historia Osrhoena et Edessena, p. 149) war
der eigentliche Name des damals regierenden Abgarus: Maanu bar
Ajazeth (August 99 — April tl6), ihm folgte Maanu bar Maanu (116
—139). Die griechische Form dafür ist Mdvvoc odfer Mdvoc, cf. Bo'eckh,
G. I. Gr. n. 4670; V. Longlois, p. 60.
1) Dieser Prinz wird bei Dio Cassius (LXVIII, 21) Arbandos ge-
nannt Es haben sich Anecdoten in Menge über das Verhältniss Tra-
jans zu demselben gebildet. Wahrscheinlich hat Arrian in seiner Ge-
schichte des parthischen Krieges viel davon zu erzählen gewusst. Vgl.
Soidas, s. vv. ^XXößia. dKpa. Exerpt. Peiresc. ad Dion. LXVIII, 21, bei
Beimar.
2) Dio Cass. LXVIII, 21, 22. Ausser einigen dunkeln Nachrichten
änd uns über diese Dinge fast nur Namen überliefert: Manisares, den
Beimar ad Dion. c. 22 für einen Arsaciden hält; Sporakes, Phjlarch
TOD Anthemusia, gegen welchen Trajan, wie es scheint, auf Abgarus'
Veranlassung zog (v. Suidas, s. v. 0<piiTn<^ovTai) ; Mannos, Phylarch eines
arabischen Stammes: tf\c 'Apaßiac Tf\c irXri^^ioxiiipou. Bayer, p. 149
glaubte annehmen zu müssen, Dio Cassius habe irrthümlich diesem
Fanten den eigentlichen Namen des damaligen Abgarus von Osrhoene
beigelegt. Zu dieser Annahme liegt kein hinreichender Grund vor,
am BO weniger, als das Wort Maanu syrischen Ursprungs ist (vgl.
V. Langlois p. 60). Von diesem Mannos wird ausdrücklich erwähnt,
(lass er mit Mebarsapes von Adiabene verbündet war (Dio Cass. a. a. 0.).
166 Johannes Dieraner: Goschichtt* TrajanR.
erkennen lässt, über den östlichen Theil des Laudes, um
Nisibis, und in Adiabene jenseit des Tigris gebot*), zeigte
sich zudem treulos, indem er die Gesandten Trajaus ergrei-
fen und in einer Festung gefangen halten liess.^) üeber
das Einzelne sind wir nicht unterrichtet. Jene Pürstenthümer
wurden aufgehoben, die Städte Nisibis und Singara, in denen
die jüdische Bevölkerung sehr zahlreich vertreten war^), ein-
genommen und Mesopotamien in eine Provinz verwandelt.^)
Trotz seiner 61 Jahre war Trajan noch immer der gleiche
rüstige, gegen sich harte Kriegsmann, wie zwanzig Jahre
früher. Zu Fuss zog er mit seinem Heere über die sandigen
Ebenen und durch die Flüsse Mesopotamiens, hielt immer
strenge Marschordnung, so dass seine Truppen jeden Augen-
blick kampfbereit waren. •^)
Nach der Eroberung Mesopotamiens, die einen grossen
Theil des Jahres 115 in Anspruch nahm, erhielt Trajan den
Ehrennamen Parthicus. ^) üeber den Tigris hinaus ge-
1) Der Name Adiabene umfasste damals ausser der oberassjrischon
Landschaft am Lyons auch das ostmesopotamische Gebiet diesseit des
Tigris mit den Städteu Nisibis und Singara. So heisst es bei Dio Cass.
c. 22 : ^c tV|v *Aftiaßnvf|v irpöc ^kcCvouc (d. h. gegen Mannos und Mebar-
sapes) ^S€xotip»iC€. xäl oötu) rd re C(TTapoi, Kai ÄXXa Tivd dfiiaxcl öid
ToO Aouciou KOTCCX^On.
2) Dio Cass. c. 22 s. f.
3) Wie überhaupt in Mesopotamien. Euseb. Hist. eccieaiast. IV,
c. 2, vgl. Salvador, Geschichte der Römerherrschaffc in Jndäa (L. Eicb-
ler) I, p. 379 ff.
4) Dio Cass. c. 23. Von der Provinzialisirung gibt uns eine Mönze
Nachricht; sie zeigt auf der Vorderseite die Büste Trajans mit der
Umschrift: IMP . CAES • NER • TßATANO OPTDIO AVG • GER • DAG •
PARTHICO P. M . TR . P. COS VI ■ P • P-, auf der Rückseite die Legende
ARMENU ET MESOPOTAMIA IN POTESTATEM P • R • REDACTAE •
S • C • Trajan setzt den Fuss auf die Armenia; zu beiden Seiten Per-
sonificationen des Euphrat und Tigris. Cohen, II, Trajan, n. 318.
Cavedoni, Bullet. Napolit. 1855, p. 63, n. 41.
5) Dio Cass. a. a. 0. Suidas s. v. irpocKÖTruiv.
6) Dio Cass. LXVIII, 23: xal Oivojuidcen |li^v, iTTCibVi Kai ti?iv
Nicißiv tUe xal xdc Bdxvac, TTapeiKÖc. Tnschrifllich finden vir
den Namen Parthicus zuerst in Verbindung mit dem ^Osten Tri-
bunat und dem 12ten Imperium (Mommsen, I. R. N. n. 2488. Orelli,
n. 1246. Borghesi, Bullet dell* Inst. 1859, p. 120). Er fehlt noch
IV. Die Kriege im Oriente. lf)7
langte er in diesem Feldzuge nicht. Seine augenblicklich
zur Verfugung stehende Macht war vielleicht für einen An-
griff gegen die Parther zu schwach. Sicher ist; dass er sich
im Winter 115/116 nach Antiochia zurückzog.
Am 13. December 115, während seines Aufenthaltes in
dieser Stadt ^ ereignete sich das furchtbare Erdbeben, von
welchem uns Dio Cassius einen ausführlichen Bericht hinter-
lassen hat. M Antiochia war mit Fremden überfüllt: aus
auf Inschriften aus dem 19tcn Tribunat: Orelli, n. 732 (auf dem
Bogen TOn Ancona); Borghesi a. a. 0. nach Fabretti, Inscript. dorn,
p. 398, n. 289; Letronne, Recueil des inscriptions grecques et romaines
de l'Egypte, I, p. 120; Boeckh, C. I. Gr. n. 4948. Letztere Inschrift
tiatirt ans dem 19. Jahre Trajans, vom SOsten des Monats Pachon oder
ToiQ 24. Mai; da sie einen durchaus amtlichen Charakter trägt, so kön-
nen hier nur Jahre der tribunicischen Gewalt geraeint sein. Sie gehört
daher nicht, wie Letronne und Franz und nach ihnen Borghesi, p. 121
angenommen haben, in das Jahr 116, sondern in das vorhergehende.
Diese Fixirung ist wichtig, denn sonst müssten wir Dio Cassius, der
uns berichtet, dass Trajan noch vor seiner Rückkehr nach Antiochia,
also vor dem Schlüsse des Jahre« 1 15 sich den Namen Parthicus ver-
diente, der Ungenauigkeit beschuldigen. Dies ist aber um so weniger
gestattet, als auch nach der oben erwähnten Münze (bei Cohen, n. 318)
die Ertheünng des Titels Parthicus sich unmittelbar an die Eroberung
Armeniens knüpfte. Berücksichtigen wir, dass Trajan am 13. Decem-
ber 115 wieder in Antiochia war, so können wir also sagen: Mesopo-
tamien mu68 vor dem Schlüsse des Jahres 115 unterworfen worden sein;
der Senatsbeschluss , nach welchem Trajan der Titel Parthicus ertheilt
warde, gehört, da dessen Ausführung im Jahre 115 nicht nachweisbar
ist, in den Anfang des folgenden. — Zwischen dem 1. September
und 31. December 114 war Trajan, wie es scheint auf seinem meso-
potamischen Feldzuge, zweimal zum Imperator ausgerufen worden:
Imp. VIII, Imp. Villi (vgl. Cohen, II, Trajan, n. 356, 357. Borghesi,
Annali dell* Inst. 1846, p. 332); zwischen dem 1. Januar und 13. De-
cember 115 dreimal: Imp. X, XI, XII. Die lOte und Ute Salutation
meiden sich schnell gefolgt sein, da die erste auf keinem Monumente
verzeichnet ist; die dritte bezeichnet nach Borghesi, Bullet, deir Inst.
18o9, p. 121 die Annahme des Titels Parthicus, ^non essendavi dato ü
co^nome di wti populo vinto senza che fosse accompagfmto per parte
dn sddati da nuova acclamazione imperatoria.''
l; Dio Cass. LXVIII, 24. 25. Die genaue Festsetzung dieses Ereig-
nißsea ist für die Chronologie der parthischen Kriege entscheidend.
Ftancke, S. 261 ff., Clinton, Fasti Romani, Borghesi, Annali dell' Inst.
18 i6, p. 33 ij und neuerdings Noel des Vergers, Memoire sur la chrono-
1G8 Johanues Dierauer: Geschichte Trojane.
allen Weltgegenden waren Handelsleute, Gesandtschaften und
neugierige Touristen gekommen, denn der Kaiser hatte ver-
schwenderisch für einen angenehmen Aufenthalt gesor^. So
ist die Zahl der Umgekommenen gewiss sehr gross gewesen
und wol durfte jener Autpr mit einiger Uebertreibung sageu^
dass das Unglück den Erdkreis traf, so weit er den Hörnern
gehorchte.^) Trajan selbst kam in Lebensgefahr und man
logie du r^gne de Trajan (comptes rendus de TAcad. des Inscript. et
Belles-Lettres 1866) p. 85 verlegen es in das Frühjahr 115, hauptsachlich
veranlasst durch Dio Cassius^ Nachricht, dass ein Consnl des Jahres 115,
M. YergiUanuB Pedo bei dieser Katastrophe das Leben verlor. In der
That war Pedo Gonsul ordin^ius des erwähnten Jahres: vom 13. und
25. Januar datiren Inschriften, die ihn nennen (Orelli 1596 = 2518,
Grater, p. 74, 1). Aber aus diesem Zusammentreffen schliesst man
gewiss mit Unrecht, dass das Erdbeben in den Anfang des Jahres
gehören müsse; es kann höchstens gesagt werden, dass es in diesem
Jahre überhaupt, also im Consulatsjahre Pedo's, Statt gefunden habe. —
Die bisherige Verwirrung in der Chronologie hat aber noch einen
andern Grund. Francke und Clinton halten dafür, es sei unmög'lich,
dass Trajan von Nisibis aus wieder liach Antiochia zurückgekehrt sei
und kehren dabei die Darstellung des Dio Cassius voUständig um. Der
Epitomator hat aber nur vergessen, die Rückkehr ausdrücklich anzu-
deuten. Diese versteht sich wol von selbst, wenn er uns von Mesopo-
tamien (c. 23) sogleich nach Antiochia versetzt und uns erzählt: ^Wäh-
rend seines Aufenthaltes daselbst ereignete sich ein ungewöhnlich hef-
tiges Erdbeben.' Dass dieser Aufenthalt wirklich ein Winteranfent-
halt war, erfahren wir hier ebenfalls, denn nach der Beschreibung
des Erdbebens heisst es c. 26: 'Trajan zog gegen den Frühling in
das Gebiet der Feinde.' Dieses Verhältniss in dem Berichte des Dio
Cassius ist von Yolkmar, Handbuch der Einleitung in die Apokry-
phen, I. Theil, L Abtheilung, Judith, p. 53 scharf bezeichnet worden. —
Wenn es nun feststeht, dass Trajan nach der Eroberung Mesopo-
tamiens nach Antiochia zurückkehrte, um hier zu überwintern, weuu
femer diese Eroberung unmöglich schon im Jahre 1 14 erfolgt sein kann,
sondern vielmehr noch einen grossen Theil des Jahres 115 in Anspruch
nahm, so können wir über die Zeit des Ereignisses nicht mehr zweifeln.
Wir dürfen mit Zuversicht den anüochenischen Annalen bei Joannes
Malalas, p. 275 folgen, die uns das Datum des 13. Decembers 115 geben.
Dass die durch die Angabe eines unrichtigen Wochentages entstandene
Collision uns nicht beirren' darf, ist schon hervorgehoben.
1) Kttl oÜTUic dv ifji 'AvTioxticjt iräca f\ oIkoum^vt) Vj önö tote Tw-
jLiaioic oCca ^c(pdXii (c. 24). Die Kachrichten über den umfang der
Verheenmgen lauten verschieden. Eusebius (Chronic, ed. Alfred Schoene,
IV. Die Kriege im Oriente. lfi{)
glaabte spater gern, dass er auf übernatürliche Weise gerettet
worden sei.') Noch einmal fand er Gelegenheit, seine ange-
bonie Baalast zu befriedigen. Die Antiochener haben dankbar
in ihren Annalen verzeichnet, wie er sich bemühte, die Fol-
gen des Erdbebens durch Errichtung zahlreicher Gebäude,
die dem öffentlichen Wohle und dem Vergnügen dienten, ver-
gessen zu machen.^)
Es ist wahrscheinlich, dass Trajau während seiner An-
wesenheit in Antiochia den Bischof Ignatius, der ihn per-
sonlich beleidigt hatte, hinrichten liess.^)
p. 164) sagt einfach: *AvTt6x€ia KaT€iTTUi6Ti irapövTOC Tpa'iavoO. Hiero-
nymos, p. 165: Terr<i€ motus in Äntiodiia paene totam subruit civi-
totem. Am genaaesten ist wol die armenische Fassung, p. 164: Terrae
malus ÄfUiochiae fuit, et patUlo tniniM III urbis (parte) subruit. Es
ist auffallend, dass der antiochenische Annalist hierüber schweigt. Er
begnügt sich mit der Aufzählung der Bauten, die Tr^an nach der
Katastrophe vornehmen liess und berichtet daneben von einem Tempel,
der TOn Greretteten dem Zeus Soter in Daphne geweiht wurde, mit der
Itttcbiift: Ol cuiO^vTcc dv^cxTicav All cuiTf^pt. Etwas Aehnliches lesen
wir bei Eustathios, ad Dionys. Perieg. edit. Oxon. 1697, p. 314 (v. Kei-
mar, ad Dion. Cass. LXVIII, 25): xaiVriiv c€lc^öc ^xdKuiccv ^irl Tpia(vr)c,
üicT€ Toöc *AvTiöxouc (scr. *AvTiox^cic) ^TfpdMiai (t«|> Tf\c Adq>VTic vcui)
ol 2:r|cavT€C dv&Tiicav iy (sc. dv€CTi?|COfi€v) 0€Ö» Cuirfipi.
1) Dio Cass. c. 25: TpaTav6c bt bi^q>UT€ fi^v b\ä eupiboc Ik toO
oUfipaToc iy dp fjv, irpoccXeövtoc aöxtji m€{Zov6c tivoc fj kot* dvepui-
irov, Kai iHcrroTÖvTOC aöröv, iöct€ \i\Kpä ärra irAi^Y^vTa ircpiTCv^cöai..
Zonaras hatte diese Fabel doch nicht der Aufnahme würdig gefunden.
2) Joannes Malalas, p. 275. 276. Er baute ein Stadtthor, die soge-
nannte Porta media, über welchem er Sculpturen anbringen liess, die
die Wölfin mit Bomulus und Bemus darstellten: ^die Nachwelt sollte
▼inen, dass dies ein Römerwerk sei'; — ferner zwei Portiken, ein
Tbeater (wenigstens der Ausbau wird auf ihn zurückgeführt), ein Bad,
eine Wasserleitung , ^iri6ncac, sagt der Annalist, xal Tt|) ÖTiiiociqj xal
Tip druiTil» clc t6 (6iov övomo. Eben aus dieser Bemerkung können
wir entnehmen, wie unverdächtig die antiochenischen Annalen sind.
Trajan war notorisch ^tel auf seinen Namen und suchte ihn wo immer
ihnnlich anzubringen, bisweilen vielleicht mit Ignorirung der Rechte
eines Vorgängers. Ammianus Marcellinus, XVIII, 3 sagt von Lampa-
.fim: Per omnia enim civitatis membra, quae diversorum principum
ttonwrtttU impensae, nornen proprium vnscribebai, non ut veterum in-
staurator, sed conditor. Quo vitio laborasse Traianus dicitur
princeps, unde eum herbam parietinam iocando cognominarunt.
3) Das Martyrium des Ignatius fällt den Acten zufolge auf den
170 Johannes Dierauer: Geschichte Tnyans.
Im Frühling 116 zog Trajan durch Mesopotamien gegen
20. December. Ruinart, Acta primorum martyrum, Paris 1689, p. 707:
"€yiv€.TO ht TttöTo Tfj lipo öeKttTpiuöv KttXavöuiv 'lavvouapiuiv, tout^ctiv
AcKEMßpiip €lKd6i, ÖTraxeuövTuiv uapä *Puijxaioic COpa xal Ccvckiou t6
bcOTCpov. Vgl. Coteler. Patr. Apost. (ed. Clericus), Amstelod. 1724. II,
p. 161, c. 7, und die ausführlichere Fassung auf p. 169, c 24. Dressel.
Patr. Apostolic. opera, Lips. 1857, p. 214, 364. 576. üeber das Jahr
sind die verschiedensten Nachrichten im Umlauf. Das Consulat des
L. Licinius Sura (III) und Q. Sosius Senecio (II) gehört in das Jahr
107 (Mo'mmsen, im Hermes, III, S. 138). Die Acten bringen damit
das 9te Regieningsjahr Trajans (Ruinart, p. 696) in Verbindung;
aber das Jahr 107 war das zehnte laufende Jahr seiner Selbstherrschaft,
und das Ute seiner tribunicischen Gewalt. Das zehnte findet sieh
in der That bei Hieronymus, de vir. illustrib. c. 16 erwähnt: ^naöc
bcKdriü €t€1 TpaiavoO, vgl. Cureton, Corpus Ignatianum (London 1849i.
p. 166. Dagegen heisst es in einem von üsser veröffentlichten Maou-
script der Oxforder Bibüothek (bei Coteler. II, p. 171): *€v Irei ^vvdTUJ
Tfic ßaciXciac TpaiavoO Kaicapoc, ^v iy-nariq, 'Attikoö Kai CoupßavoO,
Kai MapK^XXou, 'iTvdxioc ^iricKoiroc rfjc ^v *AvTiox€(qi &TiöC toO 0€oi)
^KKXiiciac dTTÖ Cupiac dirl ti^v 'Püdjxiiv irapeu^fjupOTi , imd in dem
von Dressel, p. 368 sqq. cf. Proleg. p. XXIV edirten Martyrologium
aus Cod. Vat. 866: 'Cv ^t€i irdjmrTqi Tfjc ßaciXeiac TpaiavoO Kaicapoc
Kai Ö€UT^pui ^T€i ^vuirariac 'ATTrjKou Kai Coupßivou Kai MapK^XXou
'iTvdrioc ^tiicKOTToc Tfjc *Avtiox€ujv toO OeoO dKKXrjciac — — dirö Cu-
piac iitX ri\y 'Pu))uia(u)v iröXiv 'aap£'n^}xq>Qr\. Es ist sonderbar, dass bei
der sonst sehr ähnlichen Fassung dieser beiden Manuscripte die ßegie-
rungszahlen so bedeutend differiren; denn die darin erwähnten Con-
suln lassen sich als Sex. Attius Suburanus und M. Asinius Marcellus er-
kennen, welche im Jahre 104 die Fasces (ersterer zum zweiten Male)
führten. (Die vollständigen Namen dieser Consalu sind auf einer
griechischen Inschrift in Ephesus gefunden worden, die Waddington
demnächst veröffentlichen wird. Herr Prof. Renier in Paris hatte die
Güte, mir die Namen mitzutheilen ; vgl. übrigens Mommsen a. a. 0.)-
In einer lateinischen Fassung endlich ist das vierte Jahr Trajans
genannt (bei Ruinart, p. 11). Fast möchte es also scheinen, dass
die Autoren der ignatianischen Martyrologien , in der Absicht, die
Glaubwürdigkeit ihrer Nachrichten zu erhöhen, nach Willkür sowol
ein Regierungsjahr Trajans, als auch ein Consulat auswählten, mit
welchem sie den Tod des Iguatius in Verbindung brachten. Siebt
man von den consularischen und Jahresdaten ab, so findet man, dass
die Acten, mit Ausnahme der von Dressel publicirten, die Verurthei-
luug des Bischofs durch Trajan nach seiner Ankunft in Antiochia, also
zur Zeit der parthischen Kriege erfolgen lassen. Ruinart, p. B96:
^Kouciujc fJycTo iTp6c Tpaiavöv, öidYOvra n^v kut' iKctvov töv Kaipöv
Karo Ti\v 'Avridxeiav, ciroubd^^ovra bi itzl *Apfi€v(av kuI TTdpeouc
Coteler. II, p. 164: Oirf^pEe bi rdre Tpaiavq) rfji *Avtiox^wv diribTinclv,
IV. Die Kriege im Oriente. 171
Adiabene.') Die Fahrzeuge für einen Tigrisübergang wurden
in den Waldungen der Umgegend von Nisibis gezimmert und
auf Wagen an den Fluss geführt. Die Landung am jensei-
oia hi\ ^^XXovn Kaxd TTcpcuiv iTTicTpaT€0€iv. In eiuem syrischen Frag-
ment bei Careton, Corp. Ignat. p. 252, XIX beisst es: In the year 419
{.= 108 n. Chr.), Trojan made Armenia n pravince, and in the mme
year Iffnatius, vho had been the dinciple of John the Kvangelist, suffered
Jfartyrdom in Äntioch. Offenbar bleibt diese Nachricht die einzige,
an die man sich mit einiger Sicherheit halten kann. Zwar hat Tille-
mont, Histoire des empereurs, Paris 1691, II , p. 563 zu beweisen ge-
sacht, daas Trojan den Feldzug gegen Armenien schon im Jahre 107
cröffiiete, und Bossi, Inscriptiones Christiauae urbis Romac (Rom. 1861)
p. 7 ist sehr geneigt, dieser Ansicht, trotz allen unabweisbaren Grün-
den, die Eckhel, D. N. VI, p. 450 sqq. eingewendet hat, beizutreten.
Der parthische Krieg wurde aber, so viel ist nach unserer Darstellung
sicher, nicht yor dem Frühjahr 114 begonnen, und da Trajan erst am
7. Januar in Antiochia einzog, so wird Ignatius wol während seines
zweiten Aufenthaltes daselbst gestorben sein, also, die Richtigkeit des
Tagesdatums vorausgesetzt, am 20. December 115. Das nahe Zusammen-
treffen dieses Datums mit denjenigen des grossen Erdbebens ist auf-
fallend und hat Volkmar, Einleitung in d. Apokr. Judith , S. 51 zu der
Vermnthung geführt, dass Ignatius eben in Folge des Erdbebens von
dem Kaiser selbst preisgegeben worden sei. Die Märtyrerreise nach
Rom, deren nnhüitorischer Charakter sich auch sonst erkennen lässt
fin den Acten selbst wird die I^ achahm ung der Reise des Apostels
Paulus angedeutet, vgl. Ruinart, p. 13), wäre demnach auch eine chro-
nologische Unmöglichkeit. — Ich kann nun nicht umhiiv, einer kirchen-
geschichtlichen Nachricht bei Joannes Malalas, die Herr von Gutschmid
fin dem erwähnten Briefe) für falsch hält, vollen Glauben beizumessen. Es
heisst nämlich p. 276 : 6 bi aOröc ßaciXcOc Tpaiavöc ^v tj} oötQ it6X€i bir\-
T€v ÖT€ r| 6eo^r|v(a t^iweio. ^imapTupiicc bi lirl aÖToö tötc ö ötioc *lTvd-
Tioc 6 McKOiToc Tf^c ir6X€U)c 'AvTioxcCac. i^TavdKTiicc ydp kot' qötoö, öti
4Xoiböp€i aöTÖv. Diese Nachricht ist ihrer Selbständigkeit wegen doch
sehr beachtenswerth, so legendenhaft auch die andern Ueberlieferungen
jener kirchengeschichtlichen Quelle sind. Sie besagt, wie jenes syrische
Fragment bei Cureton a. a. 0., und ganz im Widerspruche mit den
geläufigen aber höchst unwahrscheinlichen Erzählungen von einer Reise
nach Rom, dass Ignatius in Antiochien hingerichtet wurde, während
Trajans Anwesenheit, zur Zeit des Erdbebens, und zwar deswegen,
weil er durch Schmähungen den Kaiser persönlich beleidigt hatte.
1) Dio Caas. LXVIII, 26: Tpoiavöc bk ic Tf|v tOöv iroXeimiuiv öirö
Tö ^ap öirfixÖTi. Wenn« die Erklärung Volkmars zu Judith, L, v. 16
'>gl. Handb. S. 167) richtig ist, so blieb Trajan etwa 4 Monate in An-
tiochia. Sonderbarer Weise gibt der Verfasser des Buches Judith keine
Andeutungen über das Erdbeben,
172 Johannes Dierauer: Geschichte Trojans.
•
tigen Ufer war mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Doch
vermochten die Feinde der Uebermacht auf die Dauer nicht
zu widerstehen: Adiabene wurde unterworfen.^)
Hierauf eilte er^ so muss man wenigstens annehmen,
nach Mesopotamien zurück und ohne Widerstand zu finden
nach Babylon^) 9 um von dort aus in das Parthergebiet ein-
zufallen. Er fasste den Gedanken , den Euphrat mit dem
Tigris durch einen Kanal zu verbinden, der die Hinüber-
führung seiner Schiffe erleichtert hätte. Indessen blieb das
Project auf sich beruhen, da er in Erfahrung brachte, dass
wegen der höhern Lage des Euphrats in jener Gegend ein
zu starker Abfluss zu befürchten wäre. Er liess also die
Fahrzeuge zu Laude an den Tigris schleppen, überschritt den
JBluss auf einer Schiffbrücke zum zweiten Male und nahm
noch im Sommer 116 die parthische Residenz Etesiphon ein.
In dieser Stadt wurde er von seinem Heere zum ISten und
letzten Male als Imperator begrüsst.'^) Eine Tochter des
1) Dio Cass. a. a. 0.: Kai rr\v t€ *A6iaßfi>n?|v äiracav irapecTiPicavTo.
2) id. ibid.: Kai ^€Td raOra Kai ju^XP^ '^^^ BaßuXüivoc aÜTf)c ^xu^-
pTlcav KaxÄ iToXXi^v rOtiv kujXuövtwv aOroOc ^pi^lav. Aue dem folgen-
den Capitel ersieht man recht deutlich, wie unverstikndig der Epito-
mator bei seü^r Arbeit verfuhr. Ihm erschien über den Aufenthalt
Trajans in Babylon nur die Thateache der Erwähnung würdig, dass
der Kaiser die dortigen Asphaltgruben besuchte.
3) Dio Cass. LXVIII, 28: irapaXaßuiv re aÖT/|v, aOroKpdxwp ^irw-
vojadcOr), kcI Tf|v ^iriKXTiciv toö TTapeiKoO ^ßeßaitlicaro. Die Impera-
torenzahl XIII ist wirklich die höchste, die Trajan erreicht hat, denn
sie findet sich auf einer unmittelbar nach seinem Tode ausgeführten
Inschrift (Orelli, n. 795, cf. Eckhel, D. N. VI, 457; die Inschrift auf
dem Forum von Thamugas [bei Renier, Inscript. romaines de TAlgerie,
n. 1482], auf welcher die XVIII. Salutation in Verbindung mit dem
XXIII. (!) Tribunat erscheint, ist unrichtig redigirt.) Aber schon am
8. September 116 war Trajan Imp. XIII, wie uns das in Wiesbadeo
aufgefundene Militäfdiplom zeigt (Rössel, ein Militärdiplom Kaiser
Trajans aus dem BömerkasteU in Wiesbaden, 1858, vgl. Brambach,
Corp. Inscript. Bhenan. n. 1512; Henzen, Bullet, dell* Inst. 1859, p. 117 ff.).
Es steht daher ausser Zweifel, dass Trajan eboH in Etesiphon zum 13ten
Male zum Imperator ausgerufen wurde; es war dies auch sein letzter
eclatanter Sieg (vgl. Borghesi bei Henzen a. a. O.). Wenn aber die
Einnahme Ktesiphous in Rom am 8. September schon bekannt war, so
rV. Die Kriege im Oriente. 173
Königs Ghosroes wurde gefangen genommen und der aus
Gold geschmiedete Thron der Arsaciden erbeutet.') Assyrien
ward für kurze Zeit romische Provinz. 2)
Erstaunlich sind diese raschen Erfolge Trajans. Aber
man m«« sagen, dass sie nicht mit der gleichen GründUch-
keit behauptet wurden^ die er 10 Jahre früher auf die dacische
Eroberung verwendet hatte. Mit eiliger Niederwerfung eines
durch innere Parteiungen der Parther gelähmten Widerstan-
des') waren dauernde Eroberungen und gesicherte Friedens-
zustände an der Ostgrenze des Reiches keineswegs gewonnen.
In der Siegestrunkenheit vergass er sein eigentliches Ziel.
Und nun vollends liess es ihm in den kaum erst unterwor-
fenen Gebieten keine Ruhe. Auf einer glänzend ausgerüste-
te Flotte fuhr er auf dem Tigris zum persischen Meerbusen
Unab.^) Der König Attambilus von Messene liess sich gern
muss sie wenigstens einen Monat früher erfolgt sein, also etwa mitten
im Sommer. Da Trajan im FriU^jahr von Antiochia aufgebrochen war,
io müssen seine Bewegaugen ausserordentlich rasqh gewesen sein.
1) Spart. Hadr! c. 13: toparchas et reges ad amicitiam invitavit,
imUtto Hiam Osdroe rege Parthorum remissaque Uli ßia, quam Tra-
mm ceperat, ac promissa sella, quae itidem capta fuerat. Hadrian
Meli das Versprechen mit Bezug auf die Bückgabe des Thrones nicht.
Chosroes wandte sich später an Antoninas Pias, aber ohne £rfolg
Capitolin. Ant. Hos, c. 9). Der Thron scheint in den Händen der
Römer geblieben zu sein.
2) Eutrop. VIII, 3: tres provincias fecit, Ärnieniam, Assyriam,
^mpotamiam. Die Eroberung Parthieus ist auf einer Münze auge-
deutet: DfP • CAES • NER • TRAIAN • OPTIM • AVO ■ GER • DAC • PAR-
THICO (Büste Trajans) || PARTHIA CAPTA P • M • TR • P • COS • VI • P •
P S- P • Q • R- (Parthische Trophäen). Wir wissen nicht, wie weit
Trajan vom parthisch- assyrischen Lande wirklich Besitz nahm. Nach
SuBa kam er offenbar nicht, denn gleich nach der Eroberung Ktesiphons
fuhr er zum persischen Meere hinunter.
3) Dio CasB. LXVIII, 26 s. f.
4) id. c. 28: ^Xibv hi Ti\y KTi^CKpuivra, ^trceOfii^Ccv ^c Tf|v ipvBpäv
^occav KaTairXcOcai. Ein Bruchstück aas den Parthica des Arrian,
^ Soidas 8. ▼. vaOc gibt ans die Beschreibung der Flotte. Man be-
obachtet eine echt orientalische Ostentation, and noch einmal müssen
^ die Eitelkeit Trojans in Bezug auf seine Namen constatiren. Es
174 Johannes Dieraiier: Geschichte Tr^ans.
herbei, die Oberlehnsherrlichkeit der Parther über seiu Reich
zu ignoriren und statt dessen den Römern tributär zu wer-
den^): in einer Stadt Charax-Spasinu fand Trajan während
einer Sturmfluth freundliche Aufnahme.^) Es ist bezeichnend
für seine damalige imgemessene Eroberungslust, dass er beim
Anblick des Meeres sich mit Neid an die weiten Züge Alexan-
ders des Grossen erinnerte und ausrief: 'Auch nach Indien
wollte ich, wenn ich noch jünger wäre!'^)
Aber während er auf dieser Expedition mit seinen Ge-
heisat z. B.: xal ^ir' ÖKpuj r({i icxiqj tö ßaciXiK^v övo|ia, Kai öcotc
dXXoic ßaciXeuc yepaipc.'rax (also alle Attribute der Gewalt und alle
Ehrennamen), XP^^^^' ^T^^exapoTM^va. Üebrigena wird man bei der Be-
schreibung dieser Flotte unwillkürlich an die auf der Trajanssäule
dargestellten Donaufahrten Tngans während der dacischen Kriege
erinnert.
1) id. ibid.: Kai outoc ['A9d|LißiXoc] iricröc bi^jueivc xib Tpaioviö,
KaiiT€p OiTOTeXetv npocTaxöcCc. Messene stand etwa seit dem Jahre
129 V. Chr. unter parthischer Oberhoheit (Keinaud, Memoire sur le
royaume de la M^sene et de la Kharacene [M^m. de PAcad. des In-
Script, et Belles-Lettres , T. 24, 2^-n»e partie] p. 189). Von dem Zuge
Trajans gegen die Messener weiss auch Eutropius, VIII, 3. Die alten
Geographen bezeichnen durch Messene (oder Mesene) das Land zwischen
dem Euphrat und Tigris von der Grenze Babyloniens bis zum Meere
(vgl. Reinaud, p. 156). Es gab mehr als einen messenischen König
Attambilus; der Name erscheint z. B. auf Münzen aus den Jahren 298,
303 und 313 der arsacidischen Aera (Lindsaj, a view of the histoir
and coinage of the Parthians [Cork, 1852, 4^] p. 228). Die Münzen
zeigen auch die richtige Form des Namens.
2) Dio Cass. a. a. 0. Die Stadt lag in der Nähe des persischen Golfs
und war durch Dämme gegen die regelmässig weit vorrückende Fiutb
geschützt. Plin. Nat. Eist. IV, 31. Reinaud, p. 159.
3) Dio Cass. c. 29; Kai irXolöv ti ic *lv6lav wX^ov Ibiüv, elirev öti,
^iravTüüc dv Kttl ^Til Touc 'Ivöouc, ei vdoc ^ti fjv, lirepaiwöiiv.' — töv tc
'AX^Savöpov ^jLiaKdpi2Ie, Kai ^Xe^e koI ^kcCvou ircpaiT^pw TrpoKexujpr)K^vai.
Reinaud, Relations politiques et commerciales de Tempire Romain avec
TAsie Orientale (Paris 1863) p. 230 ff. täuscht sich aber doch, wenn er
behauptet, dass Trajan mit der bestimmten Absicht in den Oiient
gieng, bis nach Indien vorzudringen. Die quellenmässigen Nachrichteo
berechtigen uns nicht zu dieser Annahme. Man hat später irrthümlich
geglaubt, er habe mit seiner Tigrisflotte nach Indieu fahren wollen.
So erkläre ich mir die Stelle bei Eutropius VIII, 3: In niari rubro
(d. i. kv Tfji ^pu8p^ OaXXdcci], vgl. vor. S. Anm. 4.) clcissem instüuü, ut
per eam Indiae fines vastaret.
IV. Die Kriege im Orient«. 175
danken ins Unendliche schweifte und jdas Naheliegende zu
thun versäumte, brach in Armenien^ in den östlichen Theilen
Mesopotamiens und in Osrhoene der Aufstand aus, wahrschein-
lich noch im Jahre 116.') Die Nachricht davon erhielt er
auf seiner R&ckreise in Babylon.^) Rasch entschlossen sandte
er seine Legaten in die rebellischen Gebiete. Lusius Quietus
nahm Nisibis wieder ein und eroberte Edessa, das er mit
Feuer und Schwert verwüstete'*), während durch andere Heer-
führer Seleucia am Euphrat zur Ergebung gezwungen und
gleichfalls niedergebrannt wurde.*) Dieses strenge Einschrei-
ten musste die mesopotamische Bevölkerung aufs äusserste
erbittern ; es kam ohne Zweifel zu heftigen Kämpfen, wenig-
stens vernehmen wir, dass ein Legat in einer Schlacht Sieg
und Leben verlor.^) In Armenien wurde der Aufstand von
1) Da Ki«6iphon im Sommer 116 eingenommen wurde, so mag man
die Falirt an den persischen Golf und die Rückkehr recht wol in die
zweite Hälfte dieses Jahres setzen. Sichere Daten fehlen uns.
2) Dio Cass. LXVIII, 30: ^aOÜJv H Taura ö Tpa'iav6c iv -nXom.
Für iy irXoiui ist hier gewiss zu lesen ^v BaßuXuivi, denn sonst ist die
folgende Parenthese xal ydp iKtlce — 4v ijj ircTcXciiTriKci unverständ-
lich. Schon vorher (c. 29) ist die Buckkehr erwähnt: iv ydp Ttji xP^vw
^v f!r lirl TÖv "QKcavöv KaT^irXei, Kai ^KctOev aöOic dv€KO^(2€To.
3i id. ibid. Im April 116 hatte in Osrhoene ein Regierungswechsel
Statt gefunden ; dem Abgar Maanu war ein Sohn gleiches Namens ge-
folgt Bayer, Hist. Osrhoena et Edessena, p. 163. V. Langlois, Niunis-
matique de rArm^nie, p. 53. Vgl. oben S. 164, Anm. 3.
4) id. ibid. : ^dXuj bk kuI y\ CeXeOKCia irpöc T€ '6puKiou KXdpou xal
npöc MouXlou 'AXcEdvbpou ÖTrocTpaxriTU'v, xal ^KaüOii. Merivale, a history,
of the Ramans under the Empire, Vol. VII, p. 384 macht darauf auf-
merksam, dass diese Nachricht wol sehr übertrieben sei. Der Zusammen-
hang lässt aber kaum an Seleucia am Tigris gegenüber Etesiphon
denken. Dieser Theil des eroberten Gebieij^s verhielt sich ruhig; Tra-
jan hat in der ehemals parthischeu Residenz gewiss eine starke Be-
satzung zurückgelassen, die allfällige aufrührerische Tendenzen auch in
Seleucia zu unterdrücken vermochte. Da nach Dio Cassius der Heerd
<ie8 Aufstandes im obem Mesopotamien ist, da ferner die Zerstörung
von Seleucia unmittelbar im Anschlüsse an die Einnahme von Nisibis
nnd Edessa erwähnt wird, so scheint es sich hier vielmehr um das com-
magenische Seleucia am Euphrat zu handeln (Strabon, XVI, 2 §. 3).
5) Dio Cass. a. a. 0. : xal oötoc (MdEiMOC) ^^v dir^eavcv, i^tttiOcIc
vAir\. Wer dieser Maximus war, wissen wir nicht. Aber auf dieses
176 Johannes Dierauer: Geschichte Tr^ans.
den parthischen ArsAciden angefacht. Es war Meherdates^
einem Brader des vertriebenen Königs Chosroes^ gelungen,
sich dort festzusetzen und sich zahlreicher wichtiger Plätze
zu bemächtigen. Nach dem plötzlichen Tode dieses Insur-
genten verbündete sich Chosraes mit dessen Sohne Sana-
trukios zu gemeinschaftlichem Angriffe gegen die Römer and
schickte diesem seinen eigenen Sohn Parthamaspates zu Hülfe.
Ihre Unternehmungen wären bei der herrschenden Missstim-
mung in Mesopotamien voraussichtlich erfolgreich gewesen,
aber im entscheidenden Augenblicke liess sich Parthamaspa-
tes durch Trajan, der ihm den parthischen Thron versprach,
gewinnen: Sanatrukios fiel nach einem Gefechte auf der
Flucht in römische Gefangenschaft und vmrde umgebracht.')
Ereigniss bezieht sich eine Stelle bei Fronto , Principia historiae, ed. Mai 11,
p. 338 (ed. Niebuhr, p. 241, Fr. 2): Soli hominum Parthi adversu9 popu-
lum Bomanum hosHle nonien haud umquam coniemnendum gessenmt.
Id sati^ demonstrat non Crassi modo clades, et Äntoni foeda fuga, sed
etiam fortissimi imperatoriß Traiani ductu legatus cum exercüu cae»us.
Vielleicht in den gleichen Zusammenhang gehört die Nachricht, dass
ein vir consularis in Mesopocamien von den Parthem erschlagen wor-
den sei (Fronto, de hello Parthico, Mai II, p. 321, Nieb. p. 106), nur
kann dieser Consular mit jenem Legaten nicht identisch sein.
1) Von diesen Details finden wir bei Dio Oassius kaum eine Andeu-
tung; wir entnehmen sie den bei Malalas erhaltenen Fragmenten aus den
Parthica des Arrian (s. oben S. 156 und 156 in der Anm.), deren Benutzung
aber eben wegen ihrer sonst unbezeugten oder in der vorliegenden Form
den übrigen Nachrichten geradezu widersprechenden Angaben äusserst
schwer hält. Ich benutze hier wieder die Untersuchungen des Herrn
von Gutschmid. Er schreibt mir: 'Dass Arrian mit Dio Cassius durch-
aus übereingestimmt haben wird, ist mir nicht bloss wahrscheinHche,
sondern geradezu nothwendige Annahme: Dio war ein Landsmann des
Arrian (wie dieser aus Bithynien), gehörte derselben kritisch historischen
Schule an und schrieb nach Suidas einen Bioc *AppiavoO toO (piXoc6<pou,
hat also gewiss das Hauptwerk über Trajan, die TTapOtKd des Zeitgenossen
Arrian gründlich gekannt und benutzt, und in der That stimmen die
Fragmeute daraus bei Suidas sachUch und zum Theil selbst im Aus-
druck so genau mit XiphiUnos überein , dass Arrian unbedenklich als
Dio's Quelle angesehen werden darf. Die Stücke aus Arrian bei Malalas
sind also so lange nicht zu brauchen, als nicht die Möglichkeit einer
Ausgleichung mit Dio gezeigt ist. Dass eine directe Einfügung unmög-
lich ist, erklärt sich daraus, dass Malalas nicht unmittelbar, sondern
erst durch zweite oder dritte Hand aus Arrian geschöpi% hat. Den
IV. Die Kriege ira Oriente. 177
So ward der armen isch-mesopotamisclie Aufstand bezwun-
gen; aber mit gutem Grunde fürchtete Trajan, die Parther
Canal zeigt uns Euagrios, der sich so vielfach mit Malalas be-
rührt. Er gibt nämlich V, 24 eine interessante Aufzählung von Ge-
'"cliichtä werken, aus deren Gesanimtheit sich ein KOkXoc IcTopiKÖc her-
stellen lässt, und führt unter anderem auch unter den Quellen der Kaiser-
seschichte von Octavianus bis auf CaruB an: T^Ypttirrai bi ir€pl tOuv
Xpövtüv toOtu^v Ivia 'Appiavip t€ koI 'AcivCqi KouaöpdTui. Nach Beendi-
gung der Aufzählung heisst es: "Atrcp äiravTa 6ucta6iuj tui '€TTi<pav€T
^niT^T^TiTai TravdpicTa ^v 6ijo t€ux€civ, ^vl fi^v 'iwc 6Xiiic€U)c 'IXiou, tCu
^ irifHu Imic hwb£KäTo\) Jtouc Tf^c 'AvacTOciou ßaciXtiac. Da Malalas
oder Domninos) dieses Werk gekannt hat und p. 399 (II, p. 115 ed.
'»lou.) den Schluss desselben mit dem Ausbruche des Perserkriegs ira
■lahre 502 anmerkt, so wird er seine Kenutniss des Arrian dieser Quelle
zu verdanken haben. Das Fragment bei Malahis gibt folgenden Stamm
bäum der dem Trajan gegenüberstehenden Arsakiden:
*OcbpÖllC, M€€p6ÖTllC,
König von Armenien. König von Peraieu,
t durch einen Hturs vom Pferde.
I
TTopecfiacirdTTic, CavaxpouKioc,
König von Peraien durch Trigan. König von Peraien,
fillt gegen Trajan.
Die dagegen hat folgende Arsakiden, die auch in den Fragmenten
Arriaua bei Suidas unter yvuicic und yvujcijxaxncai vorkommen:
TTdKopoc, 'Ocpöi^c,
König von Persien, König von Porsien,
t vor Beginn de« Kriegs. Gegner Trajans.
'AEibdpric, TTapeou|Liac(piic, TTapeanacirdTiic,
Köoig von Armenien, König von Armenien, dessen Abstammung nicht ange-
al>1iee«tEt durch Osroes. von Trajan hingerichtet. geben wird, von Trojan als König
von PQrsien aufgestellt.
Von Dio werden Meherdotes und Sanatrukios gar nicht erwähnt,
ja scheinen sogar durch ihn ausgeschlossen werden zu sollen; doch sind
die Namen anderweitig als von arsacidischen Königen getragen ge-
aehert. Ein direkter Widerspruch liegt darin, dass der Arrian des
Malalas den Osroes als König von Armenien bezeichnet, während er
J>ei Dio als Grosskönig von Persien auftritt; im Schlüsse der Erzählung
(uid dem, was über Parthamaspates gesagt wird, stimmen Beide auf
das Befriedigendste überein, und auch in der Angabe über die Ab-
btammong des Parthamaspates, die, weim richtig , ihn zum Gegenkönige
seines Vaters stempeln würde, liegt für den, der mit orientalischen Zu-
ständen vertraut ist, nichts Befremdliches. Ein weniger offener, darum
aWr nicht minder ernsthafter Widerspruch beider Quellen liegt darin,
rnter^urh. 2. Rom. Kaisergresch. l. ] 2
178 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
möchten dem Beispiele ihrer unterworfenen Nachbarn folgen.
Er besehloss daher ^ ihnen einen König aus ihrer eigenen
das8 wir gerade über die Eröffnung des Kriegs durch Dio zientüich ge-
nau unterrichtet sind und dass da 'OcpÖT^c und TTap6ou^ac{pT)C auftreten,
während der Persönlichkeiten Arrians in dieser Zeit mit keiner Silbe
gedacht wird: Meherdotes und Sanatrukios scheinen geradezu Ver-
stecken zu spielen, weder in Armenien noch in Persien ist in diesem
Znsammenhange Platz für sie.' — — Herr v. G. macht nun auf die
Münzen aufmerksam, die nicht verfehlen, über diese dunkeln Verhält-
nisse einiges Licht zu verbreiten. Sie ergeben nach Longp^rier, der
besten Autorität im Fache parthischer Münzen, für den Schlues des
ersten und die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts folgende Daten
(Memoires sur la Chronologie et Ticonographie des rois parthes arsaci-
des, p. 118—146):
Anakes OUgaaes III Arsakes Pakores
in den Jahren 389 Sol. = 78 n. Chr. in den Jahren 389 = 78
nnd 390 = 79 390 = 79 und 391 == 80
Arabandos IV im J. 39i = 81
Arsakes Pakores, alleiniger Herrscher der Parther
in den J. 393 = 82 bis 423 = 112
Arsakes (d. 1. Osroes) in d. J. Mithredat im J. Arsakes Olagases III
423 = 112, 424 = 113, 426= 115, 427= IIG, 424 = 113 cum 2. Mal in den J.
428=117, 429=118, 426=125, 437 = 126, 423 = 112, 424= 113,
439 = 128 430 = 119, 431 = 120.
Artakos Olagases III, alleiniger Herrscher der Parther
bis in das Jahr 460 = 149.
Longpdrier bemerkt p. 140: L'cxistence du roi Melier dote o« Mi-
thridate, et la verncitd de Mdldla »ont attestees par des monnaies par-
thes hien certainement cont empor aines de Trajan, ä en juger d* apres
Jeur style, sur lesquelles fai lu le noni du rot ecrit en caracteres ara-
meens, ainsi qu'on le verra plus loin, lorsque je doyxnerai la descripthn
des dractmies.*) Au<c itwmmies d^argent, qui nous fo^it connaUre le nom
de Mithridate dans sa forme nationale, il faut joindre un trh-precieux
petit hronze que fai trouve en lt^41 dans la collection formte par le co-
lonel Mackenzie et acquise par la coinpagnie des Indes Orientales, Ceite
monnaie n*a i^as de legende; mais eile porte d*un cote une tete royaU
semhlable ä celle des drachmes et au revers un huste d'llercule accmn-
2yagn4 de la date AKT (424= 112 d. J. C.).*») Gelte piece, frappee deux
ans avant le depart de Trajan pour VAsie, n'est peut-etre pas la denxitre
qu^ Mithridate ait emise, mais, dafis tous les cas, eile prouve surahoti-
dammcnt que Vempereur, qui n\ivait quitte Borne qu'apres Varh^emeiü
de Sanatrucius, n'etait pas entrd en Syrie au mois de decemhre W-
Man sieht, dass die Münzen eine Nachricht dos Dio Cassius über die
Uneinigkeit der Parther: ötc xal Tf|c tuiv TTdpeuiv öuvd)üi€UJC ix tu/v
a) Diese Abhandlung ist noch nicht erschienen.
b) (Longpörier lässt nämlich ohne hinreichenden Grund die Beleukidenjahrc Mi
den parthischon MQuzen vom März statt vom October 312 v. Chr. laufen.» H. v. G.
IV. Die Kriege im Oriente. 179
Herrscherfamilie zu geben^ und eben in dieser Absieht hatte
er Unterhandlungen mit dem Sohne des ühosroes angeknüpft.
liupuXiuiv iToX^^uiv ^q>eap^^vv)C, xal tötc &rt CTacia2Io«!>ciic (LXVIII, 26]
in aller Form bestätigen. 'Sollte sich nun nicht auch hinsichtlich der
Stelle des Malalas (ich führe wieder die Worte des üerrn t. Gutechmid
an) einiger Äufschluss gewinnen lassen? Da scheint mir nun 1) fest-
zustehen, dass Malalas zwar den Osroes fälschlich König von Armenien
Dennt, aus seiner eigenen Erzählung aber hervorgeht, dass Meherdotes
imd Sanatrokios Vertreter der parthischen Macht in der Nähe von Com-
magene dnd, also in Armenien und dem nördlichen Mesopotamien,
2} dass diese sich Arsakes nannten, also auf das Oberkönigthum An-
spruch machten; denn die Stelle ^uoiiice röv utöv aöxoO töv CavarpoO^
Kiov 'Apcdicnv, ö icTi ßaciX^a, dvx' aCnroO. ircpcicxl bi TopKlin ßaciXcOc
^p^r|V£U€Tai ist, wie Lagarde^] mit Recht bemerkt, unlogisch und sieht
ganz wie verdorben aus : vermuthhch ist TopKiji in tö 'ApcdKTic zu ver-
bessern. Letzterer Umstand, die Anwesenheit des Grosskönigs Osroes
in Armenien (dir* aOT^c Tf)c 'Ap)üi€v(ac p. 270) und die Thatsache, dass
Trajanos nach dem Tode des Sanatrukios und zum Lohne für die gegen
diesen geleisteten Dienste dem Parthamaspates die parthische Krone ver-
leiht, brachten dem Malalas den Gedanken bei, Osroes sei König von
Armenien, Meherdotes und Sanatrukios Könige von Persien gewesen,
während bei Arrian umgekehrt Osroes König von Persien, Meherdotes
und Sanatrukios Könige von Armenien hiessen. Aber, wird man ein-
wenden, heisst nicht Osroes 2 mal, d. h. allemal wo er erwähnt wird,
König von Armenien, Sanatrukios sogar 6 mal, d. h. in sämmtlichen
Fällen, wo er vorkommt, König vonPersien? Gerade diese ungewöhn-
lichen, pedantischen Wiederholungen machen mir den Eindruck, dass
hier etwas nicht in der Ordnung ist und dass es sich hier um eine Hypo-
th^e handelt, die ihr Urheber den Lesern möglichst eintrichtern will.
Dafür spricht ein sehr starker innerer, sprachlicher Grund: Arrian
konnte den Sanatrukios nicht als ßaciXeuc TTcpciiiv bezeichnen, er
miisste ihn ßaciXeuc TTap6ua(uJV nennen, wenn er das ausdrücken wollte,
waa Malalas meint. Ich meine also , man hat weiter nichts zu thun,
als p. 270 umstellend zu schreiben ßactXcuc *Ap^€viujv, ö dbeXcpöc
'Ocbp6ou, ßaciX^u)c TTepcCbv, dann sammtliche Zusätze ßactXeOc TTEpcdiv,
ßaciX€uc *Ap)üi€v(uiv zu streichen und zum Schluss noch die aus demelben
Misaverständnisse hervorgegangenen Worte dvx* aÖToO p. 274. Nun
Weibt nur noch die Schwierigkeit zu erledigen übrig, in welche Zeit
diese Vorfälle gehören. Nachdem durch die von uns geübte Quellen-
kritik der Zusammenhang der arrianischen Stücke mit den antiochenischen
Aufzeichnungen gelöst ist, steht nicht das Geringste im Wege, diese
Vorfalle in einen anderen pragmatischen Zusammenhang zu bringen,
äla es Malalas gethau hat. Wir wissen aus Dio, dass vor und bei Be-
Süm des Kriegs andere Könige in Armenien regierten, als die bei Ma-
c) S«ine gesammeUen Abhandlungen waren mir leider nicht zug&nglich.
12*
180 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Er gieng, so heisst es, nach Ktesiphon, und rief alle Romer
und alle Parther, die damals jene Gegend bewohnten, auf
einer weiten Ebene zusammen. Dann bestieg er eine erhöhte
Bühne, erwähnte rühmend seine Thaten und bestimmte hier-
auf den Parthamaspates durch Ertheilung des Diadems zum
parthischen König. ^)
lalas auftretenden Axidares undParthumasires; nach dessen Hinrichtung
ist dagegen Platz für sie. Aber wird man einwenden, nach dessen
Hinrichtung war ja Armenien bis zu Trajans Tode römische Provinz?
Darauf lasse ich den Dio antworten , bei Xiphilin. LXVIH, 29 : ^v T^p
tu) xP^^MJ» ^^ ^ ^TTi t6v 'QK€av6v KaT^irXei, xai ^KCiBev aOOic dvcKO-
}xileTo , irctvTa to ^aXujKÖTa ^TapdxOrj Kai ärticTr]. koI touc irapä c<p{civ
^KacToi qppoupouc ol \iäv ^E^ßaXov, ol ö* dtrcKTCwucav. Und zwar er-
zählt dies Dio einige Zeilen vor der Erwähnung der Einsetzung des
Parthamaspates, also in demselben Zusammenhange wie Arriau bei
Malalas. Der Heerd dieses Aufstandes war, wie man aus Dio sieht,
Edessa und andere Theile von Mesopotamien. Es passt also in diesen
Zusammenhang vortrefflich, dass damals die Parther unter Meherdotes
sich Armeniens wieder bemächtigten, sogar in Commagene streiften und
erst unter des Meherdotes Sohn und Nachfolger Sanatrukios von Tra-
jan wieder zu Paaren getrieben wurden.'
1) Dio Cass. LXVIII, 30. Malalas, p. 274. Eine Münze, die zur Er-
innerung an diesen Vorgang geprägt wurde, zeigt auf der Rückseite
Trajan, wie er von erhöhter Bühne der knieenden Parthia einen König
vorstellt, darunter die stolze Inschrift: REX PARTHIS DATVS. Cohen,
Trajan, n. 375 weist sie dem Jahre 116 zu. Wir können nur so viel
sagen, dass sie, wde die Thatsache selbst, auf die sie sich bezieht, ent-
weder dem Schlüsse dieses Jahres oder dem Anfang des folgenden an-
gehören wird. Lindsay (a view of the history and coinage of the Par-
thians) glaubt das Bild des Parthamaspates auf einigen parthischen
Münzen entdeckt zu haben. Er sagt p. 160: No cohi has hitherfo atiri-
huted to this young prince, whose reign tcas sh&i't and prohahly confined
to tliose provinces only which lutd suhmitted to the Bomans: In noti-
cing the coins of Chosroes (p. 169) / aliud ed to u sniall dass of
drachms tvhich as appearing to he Struck in his reign, but not by himself
I suggested might he the coinage of Parthamaspates, and ivhen ice con-
sider the youthfidness of the portrait, so unlike that of Chosroes, and
that the letters of the legend and the ornamented tiara appear exactly
to correspmid with that jiosition in the Parthian series, I think tre may
fairly conclude that they wei'e Struck hy this yoitng prince (vgl. S. 172,
n. 114 und Taf. IV, n. 84). Man wird also eine kurze ünterbrechujig
der Regierung des Chosroes annehmen dürfen. Nach dem Tode Tra-
jans erscheint er aufs neue als Vertreter der parthischen Macht (Spart.
Hadr. c. 13).
■ ■ II ■««■
IV. Die Kriege im Oriente. 181
Wie sehr sich Trajan auch bemühte, den Schein äusserer
Ueberlegenheit festzuhalten, so lag in diesem Ereignisse,
nach Allem, was wir über das Ziel seiner Kriege wissen, doch
eine ungewöhnliche Concession an ein unterworfenes Volk,
ja eine eigentliche Verzichtleistung auf seine bisherige Er-
oberungspolitik. Er versäumte auch nicht, dem Senate von
diesem Verzicht officielle Kunde zu geben, indem er ihm
schrieb, das eroberte partbische Land könne von Rom aus
wegen allzu grosser Entfernung nicht beibehalten werden;
er habe sich daher entschlosseu, dem Volke einen unter römi-
scher Oberhoheit stehenden, einheimischen König zu geben. ^)
Von diesem Augenblicke an verliess ihn das frühere
Waffengluck. Er hatte bei seiner athemlosen Eroberungseile
hinter sich eine Gährung zurückgelassen, der er zu wenig
Rechnung trug. Er sollte nun erfahren, dass nach blutiger
Unterdrückung eines ersten Aufstandes in Mesopotamien der
nationale Widerstand noch nicht gebrochen war, und dass,
sobald sich dieser mit zäher Festigkeit bildete, alle seine Er-
folge im Orient in Frage kamen. Nach der ßegulirung der
parthischen Verhältnisse gedachte er nach Italien zurückzu-
kehren, um triumphirend in Rom einzuziehen.^) Er wandte
sich unterwegs gegen die Atrener, einen im untern Meso-
potamien wohnenden arabischen Nomadenstamm, der wahr-
scheinlich im Frühjahr 1 16 auf dem Zuge von Adiabene nach
1) loann. Malalas, p. 274. Die gleiche Nachricht finden wir bei
Dio Cass. LXVIII, 29: Kai toOto Kai Tr| ßouXf| ^irdcTeiXe, ^i^ buviieelc
MTjö^ S K€X€ipujTai cuicat; der Epitomator fügte sie aber offenbar nicht
in den richtigen ZusammenhaDg.
2) Der Senat hatte beschlossen, er möge Triumphe feiern, so viele
er wolle. Dio Cass. LXVIll, 28:^ ^\|iifi<p(cGTi b^ a<JT(i> irapA xf^c ßouXf|c rd
T£ dXXa, Kai viKTiT^pia öca ^eeXncci bieoptdcai. Derselbe Beschluss
wird im folgenden Capitel mit etwas anderen Worten noch einmal er-
mahnt. Dass Trajan damals wirklich nach Rom zunickkehren wollte,
ist einer Stelle bei Fronto, Principia historiae a. a. 0. zu entnehmen,
wo es nach Erwähnung der Niederlage des Legaten Maximus heisst:
ft principis ad triumphum decedevdis haudquaquam secuta nee incru-
fnta regressio, Sie bezieht sich ohne Zweifel auf das Missgeschick gegen
die Atrener.
182 Johannes Dierauer: Geschichte Trojans.
Babylon unterworfen worden war und sich jetzt unbotmässig
zeigte.^) Da brach das Missgeschick in vollem Masse über
ihn herein. Die wasserlose Gegend machte eine längere Be-
lagerung ihrer Hauptstadt Atra für ein zahlreiches Heer im-
moglich. Seine vorausgeschickte Reiterei wurde zurückge-
schlagen. Er selbst kam in Lebensgefahr^ da ihn die Feinde
an seinem grauen Haupte und würdevollen Aussehen erkann-
ten. Erschreckende Gewitter verfolgten die Römer und ekel-
haftes Ungeziefer verderbte ihre Speisen. Es gelang Trajan
nicht, die Stadt wieder einzunehmen: er musste sich zurück-
ziehen. Wahrscheinlich begab er sich zunächst nach Antiochia,
aber seine Kraft war gebrochen, schon trug er den Todes-
keim in sich.^)
Diese Ereignisse mögen etwa in das Frühjahr 117 fallen.
Eben damals, wie es scheint unmittelbar nach Trajans Rück-
kehr aus den Euphratländern, brach im Oriente ein äusserst
gefährlicher Judenaufstand aus. Man muss annehmen, dass
sich eine weitverzweigte Conspiration gebildet hatte, denn
wie auf ein gegebenes Zeichen erhob sich zu gleicher Zeit
die jüdische Bevölkerung in Mesopotamien, Judäa, Cypern,
Aegypten und Cyrene. Die Juden, *wie von einem aufregen-
den Dämon gereizt', verübten entsetzliche Gräuel gegen Römer
und Griechen. 220,000 Menschen verloren in Cyrene das
Leben, eine noch viel grössere Zahl in Aegypten und auf
Cypern: hier wehrte man seitdem selbst schiffbrüchigen Juden
den Zutritt zu der Insel. In Aegypten konnten sich die
Römer nach einer Niederlage in Alexandrien festsetzen; sie
brachten ihrerseits die jüdische Bevölkerung um, worauf die
Cyrenäer raubend und verheerend in die Provinz einfielen.
Die Ursachen dieser Insurrection liegen nicht klar vor, aber
die erschreckenden Vorgänge weisen darauf hin, dass die
1) Dio Gase. LXVIII, 31: MexA 6^ TaOxa de Tf|v •ApaßCav i^Xec
(d. b. nachdem er den Parthem einen König gegeben hatte), koI to!c
*ATpr]volc, diT€i&iP| Kai aÖTol d(p€icTf|K€cav, direxcipiicc.
2) id. ibid. : Kai Tpaiavöc näv dK€ie€v oütiüc dirfJXee, Kai oö iroXXiö
ikrepov dppu)CT€lv VJpxcTo.
IV. Die Kriege im Oriente. 183
Jaden Ton einem lange zurückgehaltenen nationalen Hasse
sich erfüllt hatten; der vielleicht durch die Unterwerfung
Mesopotamiens; wo eine zahlreiche jüdische Bevölkerung
wolmtC; geschürt wurde und sich nun plötzlich nach den
neuesten Misserfolgen Trajans Luft machte. In Mesopo-
tamien wurde der Aufstand; wie ein Jahr zuvor; durch
Lusins Quietus unterdrückt; den Trajan hierauf zum kaiser-
lichen Legaten von Judäa ernannte. Gegen Cypem und
Aegypten zog Marcius Turbo; diesem gelang es aber erst
nach langen Kämpfen und nach Niedermetzelung von Tau-
senden der Insurgenten; die sich unterdessen um^ einen cyre-
naischen Führer Lucuas gesammelt hatten; der Bewegung
Meister zu werden.^)
1) Bei Dio Cassius folgen die Nachrichten von dem Judenaufstande
LXVUI, 32 unmittelbar auf die P^rwähnung des Rückzuges von Atra,
imd ich denke, hierdurch sei auch ihre chronologische Einrcihung be-
etinmit. Wenn nach aller Wahrscheinlichkeit (eine genauere Beetim-
mang ist nach den vorliegenden Ueberlieferungen nicht möglich) die
Belagerung von Atra in das Frühjahr 117 fällt, so brach also der Auf-
stand in demselben Jahre aus. Zwar sagt Eusebius, Hist. Eccles. IV, 2:
fjfir] Toöv Toö auTOKpÄTopoc elc dviauTöv ÖKTUJKai&^Karov ^Xauvovroc
aöBic 'loubaiujv Kivr^cic iiravacTÖca, und 'weiter unten: Tt|i ^ttiövti ^vi-
am^ (d. i. im 19. Jahre Trajans) itöXeimov oö (üiiKpöv cuvf^\|iav. Hier-
nach hätte der Aufstand im Jahre 116 (denn dies ist nach den Chroni-
sten das 18. Jahr Trajans) begonnen und erst im folgenden Jahre seinen
Höhepunkt erreicht. Aber man sieht deutlich, dass die Nachrichten bei
Eusebius nur durch falsche Classificdrung auf zwei Jahre vertheilt sind,
nach der häufig geübten Praxis der Chronisten, die ihre Jahreslistcn
ohne Bücksicht auf die historische Wahrheit möglichst gleichmässig
mit wichtigen Ereignissen auszufüllen suchen. Den gleichen Nachrichten
hat Hieronymus (Euseb. Chronic, ed. Alfr. Schoeue, II, p. 165) drei Jahre
eingeräumt: im 17. Jahre Trajans (also 115 n. Chr.) entstand in Libyen,
Aegjpten, Alezandrien, Cyrene und Theben ein Aufruhr der Juden; im
18. Jahre erhoben sich dio Juden in Mesopotamien, gegen welche Lusius
Qoietas gesandt wurde; im 19. Jahre war Insurrection auf Cypcrn. Die
Darstellung des Dio Cassius schliesst eine solche Theilnng aus : der meso-
potamische Au&tand des Jahres 116, an welchem sich die jüdische ße-
Tölkenmg betheiligt haben mag, darf nicht mit dem specifisch jüdischen
Anfttande des folgenden Jahres verwechselt werden. Endlich ist nicht
ZQ vergessen, dass Orosius Yll, 12 seinen gedrängten, sachgemässen
Bericht über dieses Ereigniss mit den Worten beginnt: incredibili deinde
■Witt 8uh uno tempore ludaei, quasi rahie efferati, per diversas terra-
184 Johannes Dierauor: Geschichte Trajans.
Man wendet sich mit schmerzlichem Gefühl von diesen
Ereignissen ab; die einen Schatten auf die letzten Monate
einer glänzenden und ruhmvollen Regierung werfen. Trajan
empfand am tiefsten die vor Atra erlittene Demüthigang.
Noch einmal wollte er personlich an der Spitze eines Heeres
nach Mesopotamien ziehen ^); um den Ruf eines unüberwind-
lichen Kaisers^ den er sich schon in den ersten Jahren seiner
Herrschaft erworben hatte, vor seinem Einzüge in Rom zu
rechtfertigen. Da jedoch seine Krankheit zunahm, fand er es
gerathen, sich nach Italien einzuschiifen und die Oberleitung
des orientalischen Heeres seinem Vetter P. Aelius Hadrianos
zu übertragen. Er musste an der cilicischen KiSste landen
und starb in Selinus in Folge einer mit mehreren andern Lei-
den zusammentreffenden Unterleibsentzündung.^) Es scheint,
dass ihn der Tod plötzlich überraschte, denn er hatte keine
Verfügungen über seinen Nachfolger getroffen. Es war seine
Absicht gewesen, dem Senate eine Anzahl von Senatoren zu
nennen, aus welchen dieser nach freier Wahl den würdigsten
als Staatsoberhaupt bezeichnen sollte.^) Seinem Vetter Ha-
rum partes exarserunt. Dass der Aufstand sich auch über Jadäa ver-
breitete, erfahren wir aus Spartian. Hadr. c. 6.
1) Dio Cass. LXVIII, 33: Tpaiavoc bä iTapecK€ud2[6To ^^v a06tc k
Ti\v M€CoiroTa^(av cTpaTcOcau
2) Es waren verschiedene Gerüchte über seinen Tod' im Umlauf.
Nach Dio Cassius a. ^.0. soll Trajan selbst au eine Vergiftung gedacht
haben. /Aber der gleiche Autor gibt einen ohne Zweifel aus authenti-
scher Quelle geschöpften Bericht seiner Leiden: die 6^ Tivec A^ouciv,
^TTicxee^vToc aÖTtJi toO aYiiaxoc, ö kut* €toc k&tw bi€xdip€i. ^t^vcto ^i^v
Täp kqI dir6irXT]KToc , üjctc kuI toO cdi|iaTÖc ti iropcef^vai, xö ö' öXov
0&pu)ii(ace. Eutrop. VIII, 5 sagt: apud Seleuciam Isauriae profluvio
centris exstinctus est. 'Seleuda' ist wahrscheinlich durch ungenaue Ab-
schrift aus ^Selinus' entstanden und hierauf ^Isauriae' durch Coi^jectur
hinzugefugt worden, denn nach Dio Cassius herrscht über den Ort, an
welchem Trajan starb, kein Zweifel: koI ic CcXivoövra xfjc KiXiKiac
dXecdv, l^v 6f| Kol TpaiavouTToXiv KaXoOjuiev, £Eai(pvf]c dir^ifiuEc.
3) Spartian. Hadr. c. 4 erwähnt, dass die Meinung verbreitet war,
Trajan habe einen Mann aus der hochangesehenen Familie der Neratier
zum Nachfolger ausersehen; dann fügt er hinzu: et muüi quidem diairU,
Traianum in aninw id habuisse, ut exe^nplo Alexandri Macedonis sine
certo successore morei'etur, multi ad senatum cum orationem voluisse
-r r
IV. Die Kriege im Oriente. 185
drian hatte er iiie besondere Zuneigung geschenkt; aber, wol
mehr zufallig als absichtlich, einige Hoffnungen auf die
Sueeession in ihm erweckt, die von Plotina geflissentlich ge-
nährt wurden.*) Da Hadrian überhaupt der besondem Gunst
dieser Frau genoss, so ist es ganz glaublich, das's der Tod
Trajans auf ihren Betrieb mehrere Tage verheimlicht wurde,
damit sich das Gerücht verbreiten könne, Hadrian sei von
dem verstorbenen Kaiser adoptirt worden, was in der That
nie geschehen ist.^)
Am 9. August 117 erhielt Hadrian das unterschobene
Document seiner Adoption, am 11. die Nachricht von Trajans
Tode*), worauf er von Plotina und Caelius Attianus, seinem
Landsmanne und früheren Vormund, zum Kaiser ausgerufen
wurde.^) Er betrachtete es doch als seine Pflicht, sich vor
vüütere peiiturum, ut, 91 qtiid ei evenisset, principem Bomanae rei puhli-
cat »enatus daret, additis dumt(ixat nofninihus ex quibus aptimum (dem
»enatus digeret. Ich halte letztere Nachricht für ganz zuverlässig. Sie
bezeagt uns am Schlüsse der Regierung Trajans noch einmal, wie sehr
er die Interessen des Senates achtete. Aber da seine Ehe kinderlos
war, 80 hatte man sich schon frnh mit dem Gedanken vertraut gemacht,
er werde seiner Zeit zu einer Adoption schreiten. Sehr merkwürdig
ist in dieser Beziehung eine Stelle des Plinius (Paueg. c. 94) : oro et ob-
testor ut quandoque successorem ei tribucns quem genuerit, que^n
formaverit, similemque feceiit adoptato, mtt »i hoc fato negatur, in con-
iilio sis digenti, monstres aliquem quem adoptari in Capitolio
deeeat. •
1) Spart. Hadr. 3, 7, 10. 4, 4, ed. Peter.
2) Dio Cassius benutzte über diese Dinge die Mittheilungen seines
Vaters Apronianus, der als Statthalter von Cilicien um die Mitte des
zweiten Jahrhundert« genaue Erkundigungen einziehen konnte: ILke-je
^ Td T€ äXXa lOc ^Kccxa, Kai öri ö OdvaToc toO Tpoiavoö riindpac xivAc
bid ToöTo cuveKpOqper), tv' i^ Tro(T]Cic 7rpo€K90iTr|COi (LXIX, 1). Die Ge-
schichte Hadrians beginnt er mit den Worten: 'Abpiavöc hi Otto ^dv
TpaiavoO oOk dc€iToif)Or). Bei Spart. Hadr. c. 4 heisst es: nee desunt
3»» fadione Plotinae tnartuo tarn Traiano Hadrianum in adoptimiem
fidscitum esse prodiderunt supposito qui pro Traiano fessa voce loque-
h(AuT. Der erste Theil dieser Nachricht lässt sich mit Dio Cassius in
Einklang bringen; der Zusatz qui — loquehatur ist unhistorisch.
3) Spart, a. a. 0. Man kann also annehmen, dass der Tod Trajans
etwa zwei Tage lang verheimlicht wurde,
4) Dio Cass. a. a. 0.
186 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
dem Senate über die irreguläre Uebernahme der Herrschaft
zu entschuldigen.*)
So sicher diese Thatsachen beglaubigt sind; so wenig be-
stimmt ist der Todestag Trajans; man kann nur Termuthen,
dass es der 7. oder 8. August war.^) Seine Asche wurde
durch AttianuS; Plotina und die ältere Matidia nach Rom
gebracht 3) und in einer goldenen Urne im Piedestal seiner
Säule beigesetzt.^)
Hadrian ordnete zunächst die Verhältnisse im Orient,
indem er die von Trajan eroberten Provinzen als solche auf-
gab; ohne deswegen den überkommenen Hoheitsrechten der
römischen Kaiser über einzelne jener Länder zu entsagen.
Den von den Parthern wieder abgesetzten Parthamaspates
stattete er anderswo aus.^) Bei der damals allgemeinen Auf-
regung, die auch verschiedene Punkte des Occidenta erfas»st
hatte®), war diese befriedende Politik gerechtfertigt und ver-
ständig. Nach seiner Ankunft in Rom bot ihm der Senat
den parthischen Triumph an, der eigentlich Trajan beschie-
den war. Er lehnte diese Ehre für sich ab und führte statt
dessen das Bild Trajans im Triumphwagen auf das Capitol,
^damit der beste Kaiser auch nach seinem Tode der Ehre eines
gebührenden Triumphes nicht entbehre!'^)
1) Spart. Hadr. c. 6.
2) Dio CassiuB rechnet die Regierang Trajans bis zum 11. August
117. S. oben S. 27, Anm. 3, und vorige S. Anm. 3.
3) Spart. Hadr. c. 5.
4) Eutrop. VIII, 5.
5) Spart, a. a. 0. cf. Dio Cass. LXVIII, 33.
0) Spart, a. a. 0.: Mauri lacessebant, Sarniatae bellum infer^nt,
Brittanni teneri sab Bomana ditione non poterant,
7) Spart. Hadr. c. 8.
£ X c n r s.
lieber den Panegyricus des jfingeru Plinius.
Die Zeit, in der Plinius die unter dem Namen Panegy-
ricus bekannte Rede hielt , lässt sich nach einer Stelle in
c. 92, 4') näher bestimmen: Nam quod ei nos potissimum
maisi attrihuisti (Plinius spricht von dem Consulate, das
ihm und seinem CoUegen C. Julius Comutus TertuUus von
Trajan übertragen wurde), queni tuxis natalis exornat, quam
imkhrum nohis! quibtis edicto, quibus spcctaculo cekbrare con-
fing et diem illum triplm gaudio laetum, qui lyrincipem dbs-
Mit Pessimum, dedit Optimum, miliarem optima gmiuit Nos
>*fA oculis tuis augustior solito currus accipiet, nos inter secumla
onvina et vota certantia quae praese^üi tibi conferenttir vehe-
mur alacres et ineerti ex xitra parte maior auribus nostris
accidat clamor (ed. H. Keil). Trajan hatte Plinius und Ter-
tuUus während seines dritten Consulates, also im Anfange
des Jahres 100 als Consuln designirt (Paneg. 92, 3, vgl.
Epist. n, 11)5 *^ ^®^ angeführten Stelle (c. 92, 4) entnehmen
wir, dass dies für den September geschah, den Monat, in
welchen Trajans Geburtstag (der 18. Sept.) fällt. Da Plinius
von der Feier desselben als noch bevorstehend spricht, indem
die Anordnung der Festlichkeiten ihm und seinem Amtsge-
nossen zufallen werde, so muss die Rede zwischen dem
1. und 18. September des Jahres 100 gehalten worden sein.
Die Bede war officiell, wie Plinius mehrmals hervorhebt.
1) Ich folge der gebräuchlichen Satzabtheilung, vgl. die Ausgabe
von G. H. Schafer, Leipzig 1805.
188 Johannes Dieraiier: Geschichte Trajans.
Nachdem er in der Einleitung (c. 1) die schone Sitte der
Alten gerühmt, nicht nur ihre Handlungen, sondern auch
ihre Reden mit einem Gebete zu beginnen, fährt er fort:
Qiii 7)108 cui potius quam cofisuli, aiit quando magis vistirpau-
dus cölendusque est, quam cum imperio senafus, auctori-
tate rei puhlicae ad agendas optimo principi gratias excita-
mar? (vgl. Epist. III, 18, 1). Und in c. 4: Sed parenduw
est senatus consulto, quo ex utüitate publica plorcuit nt
consulis voce sub titulo gratiarum agendarum boni jyriu-
cipes quae facerovt recognoscey^ent , mali qiiae facere debereut.
Dass er zugleich im Namen seines Collegen spricht, bemerkt
er in c. 90: Quia tarnen in consuetudhiem vertit ut eonsuies,
publica gratiarum actione perlata, suo quoque nomine quatittnii
debeant principi proßcantur, concedit^i me ywn pro nie fmigi^
munere isto quam pro collega yneo Cornuto Tertuilo, clarris-
simo viro, fungi. Es bestand also ein Senatusconsult , das
die Consuln bei der Uebernahme ihres Amtes zu einer Rede
verpflichtete, in welcher sie Gelegenheit hatten, die lobens-
werthen Thaten des Kaisers hervorzuheben und allföllige
Wünsche auszusprechen. Man nannte dies ^gratias agere^
und kannte eine solche Rede damals auch nur unter dem
Namen ^gratiarum actio,^ In der officielleu Sprache Jener
Zeit bedeutete dieser Ausdruck nicht ^Dankrede*, sondern
Miobrede', ^laudatio,* *) Obschon nämlich jenes Senatuscon-
1) Paneg. c. 1: tantumque a specie adulationis abfiit gratiarum
actio mea quantum abest a necessitate. Die üebertreibung in der
gratiarum actio würde den Redner also zur adulatio führen, was für
jene den Begriff von laudatio voraussetzt. Aehnlicli werden in c. 2, 3
gratias agere und hlandiri gegenüber gestellt. Zu vergleichen ist
ferner c. 3, 1: Sciamusque nulluni esse neque sinceriits neque accepttw*
genus gratiarum quam quod illas adclamationes aemtUetur (die
Acclamationen waren öffentliche Beifallsbezeugungen des Senates), c. 3y 2'
Magna et inusitata prindpis gloria^ cui gratias acturus non /aw
vereor ne me in laudibus suis parcum qunm ne nimium putet. c. 70, 9;
Efßcacissimum pro candidato genus est rogandi gratias agere, das heisst
nach dem Zusammenhange: Ein Candidat (Quästor) wird am sichersten
zu einer hohem Magistratur gelangen, wenn er über seine Provinzial-
verwaltung rühmliche Zeugnisse (decreta coloniarum, deoreta civitatum/
vorweisen kann.
Excurs. 189
mit aaeb den Tadel vorgesehen hatte ^ so konnte es nicht
fehlen, dass der Vortrag unter allen Umständen ausschliess-
lich pan^3rristische Färbung annahm. Und eben, weil Pli-
uios' Rede ihrem Inhalte nach ein Panegyricus ist, so hat
man ihr schon früh diesen Namen gegeben (Sidon. Apolli-
uaris VII, 10); er selbst nannte sie nie anders als ^gratiarum
>trtio^ (Paneg. c. 1 sub f.; c. 90). Sonderbarer Weise hat
«lieser allein richtige Titel bisher noch in keiner Ausgabe
Aufnahme gefunden.
Eine spätere Ueberarbeitung der im Senate gehalteneu
K^de ist sicher. Plinius schreibt Epist. III, 18: Offizium
f'mstdattis initmxit mihi ut rei pttblicae namin^ prineipi gra-
tins ageretn. Qtiod ego in setiatn cum ad rationem et loci et
innporis es more fecisscmy bofio ciri convenientissimum credidi
* adein illa s])atiosius et uberins volumine amplecti; primum,
'(t imiuratori jiostro rirttdes snae ceris laudihus eommemUiren-
tm-, deinde, ut futuri prineipes nmi quasi a magistro, sed tarnen
^nh ejcetnplo praemmieretdur qua potissimum via possent ad
*mdem gloriam niti (entsprechend einer Stelle im Panegyricus
c. 53: munerihus tuis omnibus conparo, multis antej)onOy quod
Ikrl nobis et in praeteritum de malis impeiatoribus cotidie vin-
dirari et futuros sub exemplo praeuyionere cet.). Plinius erzählt
hierauf, er habe das Werk seinen Freunden vorgelesen, die
' f'jedissimis insuper tempestatilms* zwei Tage lang ihm zu-
hörten und noch einmal zu kommen wünschten, als diese
Zeit zur vollständigen Recitation der Rede nicht hinreichte.
^ freut ihn, dass seine Arbeit so aufrichtiges Interesse findet,
während man sich früher im Senate (d. h. unter Domitian)
^fei solchen Vorträgen trotz ihrer Kürze gelangweilt hatte;
^r erklart sich dies daraus, non quia eloquentius quain prius,
^d quin liberius, ideoque etiam libetdius (freimüthiger und da-
her auch freudiger) scribitur. Dann fährt er fort: Aeeedet
^rgo hoc quoque laudihus princqm nostri, quod res antea tarn
mtm quam falsa (nämlich zur Zeit Domitians) ft\mc et rera
da amabilis facta est. Und gegen den Schluss hin heisst es :
Ar mihi quidem confido in hoc gene^'e matei'iae laetioris stili
190 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
constare rationem, ctmi ea potius quae pressius et adstridhts
quam illa quae hüarius et quasi exuUantius scrips^i possint
videri accermta et inducta. — Nach diesen Stellen miiss zwi-
schen dem uns vorliegenden Panegyricus und der ursprüng-
lichen Rede in Bezug auf Form und Inhalt ein wesentlicher
Unterschied bestehen. Plinius hat vorTrajan und dem Senat«
in ernster, gedrängter Weise gesprochen; bei der üeber-
arbeitung verlässt er diesen Ton, der ihm nicht angemessen
und natürlich scheint; er gibt seinen Gedanken freien Lauf
und freudigen Schwung; er fügt neue historische Züge zu
den schon verwendeten. Seiner Absicht und Ueberzeugung
nach war diese Erweiterung eine organische; sehr ausdrücl:-
lich wünschte er gegenüber seinem Freunde Voconius Roma-
nus, dem er die Arl>eit zur Kritik vorlegte, dass er deren
wohldurchdachte Anordnung beachte, Epist. III, 13: Atqi(f
utinam ordo saUcm, et transitus^ et ßgurae simul spectarentur !
In der That erscheint die Rede einer ersten Betrachtung als
eiQ kunstvoll angelegtes Ganzes; man ist ohne Rückhalt zu
der Annahme versucht, dass eine genauere Scheidung der
wirklich vorgetragenen und der später hinzugefügten Theile
nicht mehr möglich sei, dass man also auf eine Analjs^
schlechterdings verzichten müsse. Und doch ermuntern ver-
schiedene Erwägungen zur Aufnahme einer solchen Unter-
suchung. Mit Sicherheit lässt sich annehmen, dass Plinius
die Rede, wie er sie im Senate hielt, geschrieben hatte; bei
der Ausarbeitung konnte er von dieser Form ganz absehen
und ein wesentlich neues Werk produciren, welcher Vorgang
sehr unwahrscheinlich ist — oder, er konnte mit Beibehal-
tung dieser (ursprünglichen) Form, wobei innnerhin partielle
Veränderungen nicht ausgeschlossen bleiben, den neuen Stoff
in Form von Glossen einschieben. Dann aber dürfte sich hier
und da, auch unter der Voraussetzung, dass Plinius bei einer
solchen Arbeit sorgfältig verfuhr, die Spuren der Einschie-
bung erkennen lassen. Ferner wird vielleicht die vom Autor
selbst angedeutete Stilverschiedenheit in der eigentlichen Rede
und in den spätem Zusätzen so deutlich hervortreten, dass
Excurs. 191
man mit mehr oder weniger Sicherheit den Charakter eines
jeweilen vorliegenden Abschnittes bestimmen kann. Ich nehme
mir Yor, die analytische Untersuchung des Panegyricus nach
•liesen beiden Gesichtspunkten zu führen; wo immer möglieh,
werde ich mich aber ausschliesslich auf äussere Anhaltspunkte
stützen und die feineren Unterschiede des Stils, über die eine
Täuschung sehr leicht möglich ist, nur als secundäres Be-
weismittel herbeiziehen. Dieser formalen Kritik soll dann
eine kurze historische folgen.
Die ersten sechs Capitel liegen uns wahrscheinlich in
ihrer ursprünglichen Form vor. Sie enthalten die Enleitung
(c. 1 — 4) und den Anfang einer Geschichte Trajans von sei-
nem Al^ang zur Armee nach Obergermanien bis zu seinem
Einzüge in Rom. In c. 6 spricht Plinius von dem Aufstande
der Pratorianer im Jahre 97, der Nerva zu dem Entschluss
brachte , Trajan zu adoptiren ; man erwartet, dass er unmitt<;l-
bar zur Beschreibung des auf dem (^^apitol vollzogenen Adop-
tionsactes übergehe; diese folgt aber erst in c. 8, während
beinahe das ganze vorhergehende Capitel Reflexionen über
die (nach dem Fortgang der Erzählung) noch nicht ausge-
sprochene Adoption enthält, eingeleitet durch den Ausruf:
notmm atque inauditum ad imncipattmi iterf Es fällt zu-
nächst auf, wie Plinius in diesem Excurs den Singularis der
zweiten Person bald mit Rücksicht auf Trajan, bald allge-
mein rhetorisch verwendet. Für den Leser ist die Unter-
scheidung leicht, in dem wirklichen Vortrage musste Plinius
jeden Schein von Zweideutigkeit vermeiden. Der Excurs
sehliesst ab mit dem Satze: Superbum istud et regium, nisi
f^doptes mm quem constet imperaturum fuisse, etinmsi nmi
fidoptaßses; die Wahl Trajans wird also als eine Nothwendig-
keit dargestellt, der sich Nerva schlechterdings nicht ent-
ziehen konnte. Im Anschlüsse hieran verstehen wir das fol-
gende Fecit hoc Nerva, nihil arbitratus intcressc genueris an
degeris nicht; in dem angeführten und den vorhergehenden
Sätzen (c. 7, 5. 6) ist nicht die Rede von dem, was Nerva
gethan hat, sondern von dem, was er oder überhaupt ein
192 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Kaiser in älmlicher Lage nach Plinius' Ansicht thuii soll.M
Die Schwierigkeit heht sich, sobald wir diesen Schluss von
c. 7 mit c. 6 in Verbindung bringen, wo Plinius, ^wie schon
erwähnt, von der Entschliessung Nerva's spricht. Diese
Gründe dürften hinreichen, um c. 6, 1 — 6 als spätere Ein-
schiebung zu erklären; sie finden aber durch den Anfang
von c. 8 noch wesentliche Unterstützung. Hier heisst es:
Sedulo ergo vitavit htinc casum, nee iudleia hominufity sed
deorum etiam in consilium adsumpsit Diese Worte hatten
hier gewiss ursprünglich ihre Stelle; jetzt, nachdem PJinius
in seinem Excurse die fatalistische Nothwendigkeit der Wahl
Trajans betont hat, begreift man nicht mehr, wanmi Nerva
mit so ängstlicher Sorgfalt nicht nur die Menschen, sondern
auch die Götter zu Rathe zog.
In c. 8 bis c. 12 führt Plinius seine historische Ueber-
sicht chronologisch und ohne Unterbrechung weiter; wir ver-
nehmen von der Adoption und ihren unmittelbaren Folgen
(c. 8), dem Verhalten Trajans bei der Nachricht seiner Er-
hebung zum Mitregenten (c. 9), dem Tode und der (Jonse-
cration Nerva's (c. 10 — 11). In c. 12 (zum Theil schon
am Schlüsse von c. 11) wird Trajans Thätigkeit in Grermaiiieu
und in den Donauländern (a. 98 und 99) berührt: Trajan
verschaffte dem römischen Reiche in diesen Grenzgebieten
Achtung; mitten im Winter zeigte er sich an der Donau;
die Versuchung lag nahe, den Muss zu überschreiten und
jenseit desselben nach dem Wunsche seiner Truppen Er-
oberungen zu machen: nostra aymina peretirsare inpas et
(diena oecasione^ si permitteres, uti ultroque hiemem Sfiam bar-
haris inferre gnndehnnt. Er hielt sie mit weiser Mässigung
zurück. Mit c. 13 verlässt Plinius diesen Gegenstand, um
1) J. L. Burnoiif, Panegyrique de Trajan, Paris 1845 übersetzt:
Cest cette rigle que suivit Nerva: il ne voyait aucun£ differefice de la
naissance ä Vadoptum. Allein ^ fecit Jtoc Nerva ^ hat hier nicht diese
absolute Bedeutung; man ist wol gezwungen, diese Bedeutung hinein
zu legen, wenn man den äussern Zusammenhang mit dem unmittelbar
vorhergehenden Satze herst-ellen und festhalten will.
texcurs. 193
in sehr wenig rhetorischer Form (vgl. die Parenthese 13, 2:
kudabas quippe ferienteSy hortaharisque ut auderent, et aude-
hani iam) zu erzählen, wie Trajan sich die Achtung und
Liebe seiner Soldaten zu erwerben wusste. In c. 14 und 15
geht er auf Trajans Jugendgeschichte ein, er schliesst (15, 5)
mit der Bemerkung, dass Trajan noch als Kaiser viele seiner
ehemaligen Waffengenossen bei ihren Namen nennen und
ihre Heldenthaten anführen könne. Sed tanto magis praedi-
rama tnoderatio tun (so heisst es unmittelbar darauf c. 16),
qfwd innutritiis bellicis laiidibus j>ncnn amas, Non times
Mla nee pravocas, Magnuni est, imperator Aufftiste, magntim
fst Stare in Dannhii ripa, si transeas, eertum trinynphiy nee
decertare cupere cum recusantiJms, Man erkennt sogleich,
dass diese Stelle nichts mit der am Schlüsse von c. 15 aus-
gt»sprochenen Thatsache zu thun hat; dass Trajan für seine
früheren Commilitonen ein treues Gedächtniss hatte, ist kein
Beweis für seine Mässigung. Um so enger schliesst sie sich
an den zweiten Theil von c. 12; eben dort wird die massige
Zurückhaltung Trajans hervorgehoben und dort wie hier ist
von seinem Aufenthalte an der Donau die Rede. Plinius hat
diesen Zusammenhang, wie er ursprünglich bestanden haben
muss, durch die Einschiebung von c. 13 bis 15 in auffallen-
der Weise unterbrochen und dadurch zugleich die bisher fest-
gehaltene chronologische Reihenfolge in den Thatsachen ge-
stört. Was Plinius in c. 13 über die kriegerischen Spiele
im Lager Trajans und über seine Sorge für die kranken Sol-
daten berichtet, verdankt er offenbar mündlichen Mittheilungen
von Augenzeugen ; er fand sie anziehend genug, um sie nach-
traglich aufzunehmen. Ebenso glaubte er in Kürze auf die
frühere Geschichte des Kaisers eingehen zu müssen (c. 14 — 15),
obschon ein solcher Rückblick ausserhalb des Zweckes einer
gratiarum actio liegt. ^)
1) C. 14 und 16 bieten nach Form und Inhalt einige Schwierig-
keiten. In c. 14, zwischen 1 und 2, ist siclier eine Lücke, welche durch
die Conjeetur ^Germaniam Jltspaniamque^ (statt der seit Schwarz ge-
bnuichUcheu Lesart ' Germaniam quidern^) nicht ausgefüllt wird. Pli-
tntersttch. z. Rom. Kaiscrg'<>sch. I. 13
194 Johannes Dierauer: GeBchichte Tn^ans.
Kaum ist in c. IG der Zusammenhang hergestellt ^ so
imden wir ihn aufs neue unterbrochen. Pliniua spricht zu-
nächst noch immer von der erwähnten, massigen Zurück-
haltung Trajans: nam ut ipse nolis pugnare, moderatio,
fortitudo tua praestat ut neque hostes tui velint (c. 16, 3).
Dann folgt plötzlich eine begeisterte Prophetie auf Trajana
künftige Triumphe: Aceipiet ergo aliquando Capüolium non
mimicos currus nee falsae simulacra indoriae, sed imperato-
rem veram ac solidam gloriam reportantefJt, Sie schliesst in
c. 17,. 3: Nee tibi opima defuerint, si quis regum venire in
7nanus atideat, nee non modo telorum tuorum sed oculofywi
etiam minarumque eoniectum toto campo tof^qtw exercitu oppo-
sito perhorreseat Erst mit c. 17, 4 wird der verlassene Faden
wieder aufgenommen: MennsU proxima moderatione td,
quandocumque te vel inferre vel propidsare hcllnm coegerit im-
perii dignitas, non ideo vix^isse videaris ut bnumpharcs , sed
triumphare quia vii^eris. Die Einschiebung ist hier so deut-
lich und die dadurch nothwendig erfolgte Aufhebung des
ursprünglichen Zusammenhanges so wenig berücksichtigt, dass
man schon nach dieser Beobachtung zu der oben vermuthungs-
weise ausgesprochenen Annahme gezwungen ist, Plinius habe
bei der Ueberarbeitung die Rede vor sich gehabt und ein-
nius mu88 in dem ausgefallenen Theile erwähnt haben, dass Tr^an von
Domitian als Legat nach Spanien gesandt Mnnrde. Sodann bemerken
wir in c. 16, 1 eine auffalleude Wiederholung des schon in c. 14, 1
Erwähnten. Hier (c. 14) wird berichtet, dass Tr^an schon im Anfange
seiner militärischen Laufbahn an den Euphrat mid an den Rhein kam,
dass er 'mit seinen Schritten gleich wie mit seinem Ruhme den Erd-
kreis durcheilte.' Offenbar beziehen sich die^e Aeusserungen auf sein
Militärtribnnat, denn junge Leute senatorisclien Standes traten gewöhn-
lich als Tribunen in das Heer ein. Wenn es nun in c. 15 (zu Anfang)
heisst: TribtmtiS vero disiunctissimas terras teneris adhuc annis riri
finnitate Itistrasti, so vernehmen wir hiermit zum zweiten Male, was
uns bereits aus dem vorhergehenden Capitel in anderer Form und
bestimmterer Fassung bekannt ist. Sollte dem Autor diese Wieder-
holung entgangen sein? Wir werden im Verlaufe unserer Untersuchung
immer mehr erkennen, dass er die Ueberarbeitung seiner Rede nicht
mit der Sorgfalt vorgenommen hat, von der er seinen Recensenten
(Epist III, 13; überzeugt wissen möchte.
^T^
Excurs. 195
fach mit Randglossen versehen. Sonst dürften sich so auf-
fallende Unebenheiten nicht entdecken lassen.
Betrachtet man den eben hervorgehobenen Zusatz (in
c. 16 und c. 17) genauer, so erkennt man darin bestimmte
Beziehungen auf den dacischen Krieg. Zunächst in c. 16,4:
(^(od si quis barbarus rex eo insoUmtiae fnrorisqur proccs-
iierit nt iram tuam inxlignafimifmqve mercatnr, ne ille, »ive
interfuso mari seil flnminibns inmensis sm pracci-
piti monte defnidihir, omnin hacc tarn prmin tamqne cedmiia
viriutihus tnis seyüiet nt subsidisse montrSj flumina exa-
misse, hüerceptum mare, inl/itasque sibi non classes nostras
ü^il terras ipms arbifretnr. Jener ^barbarus rex' ist kein
anderer als Decebalus; ihn schützen gegen Rom hin das
Meer, dann mächtige Ströme, wie die Donau, endlich steile
Gebirge; gegen ihn kämpft Trajan mit Aufbietung aller
Kräfte. Der dacische Krieg begann im Frühjahr 101. Da im
Anschlüsse an c. 78 nachgewiesen werden kann, dass Plinius
sein« Rede zwischen dem September 100 und den 1 . Januar 101
überarbeitete (s. unten, S. 205), so ist nach der angeführten
Stelle die Expedition gegen die Dacier sehr wahrscheinlich
gegen Ende des Jahres 100 beschlossen worden. Man könnte
zwar annehmen, diese Stelle sei erst nach dem Beginne des
Krieges hinzugekommen, wodurch die Prophetie zu einer
scheinbaren würde, aber dazu nöthigt kein zwingender Grund.
Schwieriger scheint die Entscheidung mit Bezug auf c. 17,
1—3: Videor iam cernere cet. Burnouf, der p. 180 die Ver-
muthung ausspricht, dass der dacische Krieg zur Zeit der
Publication des Panegyricus schon l)egonnen hatte, bemerkt
an der gleichen Stelle: Qui sait mvme s'il n'y a pas ajmite',
ftpres Vevenenie^it, 1a magniffque jrtrdifiimi dri triompilie de
Trajan, qni remplit le eh. 17 (nur zum Theil!), et qui res-
Sf-mble $i bien ä In description d'une pompc qu'aurait vue Van-
t^fr! Dagegen ist einzuwenden, dass diese Schilderung doch
nor eine allgemeine ist, obwol sie im Anschluss an c. 16
bestimmt auf einen künftigen dacischen Triumph hinweist.
Wenn es z. B. heisst: Videtn- ingentia dnnnn nomina nee
13*
196 Johannes Dierauer: Gescilichte tVojans.
indecora nominibus corpora noscitare: videor iniueri inmani-
bttö ausis barbarorum owusta fercula et sua quemque facta
9
vincHs manibus seqtientem: mox ipsum te sublimem instantmi-
que curru domüarum gentium tergo, so beschreibt Plinius
voraussagend die Vorgänge, wie sie sich bei jedem Triumph-
zuge wiederholten und wie sie ihm noch aus der Zeit Domi-
tians erinnerlich waren. Ohne Bedenken dürfen wir also
die Entstehung des Zusatzes von c. 16, 3 bis c. 17, 3 noch
in das Jahr 100, also in die Zeit der allgemeinen üeber-
arbeitung verlegen.
In c. 18, c. 19 und c. 20, 1 — 4 finden wir uns vrieder
in dem schon mehrfach bezeichneten Zusammenhange. Tra-
jans Verdienste um die Herstellung der Disciplin im Heere,
sein Verhältniss zu den Offizieren während seines Oberconi-
mandos in Germanien, endlich seine Rückreise nach Itaheu
bilden den Inhalt dieser Abschnitte. Wir sind hiermit vor-
bereitet auf die Beschreibung des Einzuges in Rom, die aber
erst in c. 22 folgt. In der zweiten Hälfte ven c. 20 (4 — G)
stellt Plinius einen Vergleich an zwischen der Reise Trajans
und Domitians; in c. 21 erwähnt er den Senatsbeschluss,
nach welchem Trajan den Ehrenamen Pater Patriae erhielt.
Mehrere Gründe beweisen, dass diese beiden Ausführungen
nicht zu der ursprünglichen Rede gehorten. Einmal schliesst
sich c. 22 sehr passend an c. 20, 4. Hier (c. 20) rühmt
Plinius das bescheidene Auftreten Trajans auf der Rückreise:
Ad hoc comitaius adcinctus et parens: diceres ma^gwum ali-
quem ducem, ac te potissimum, ad eocerdtus ire: adeo nihil
aut certe parum intererat inter imperatorem factum et futurum.
Mit der gleichen Bescheidenheit zog er in Rom ein: Ac pri-
mum (c. 22), qui dies iUe quo expectatus desideratusque urhcin
tuam ingressus es! lam hoc ipsum, quod ingressus eSj
quam mirum laetumque! Femer: Was uns Plinius in c.20, 5
berichtet: edi-cto svhiecisti quid in, utrumque vestrum esset
inpensum, gehört in eine spätere Zeit, denn Trajan konnte
die Kosten seiner Reise (mit Gegenüberstellung der Summen,
die Domitian in ähnlichen Fällen beansprucht hatte) nicht
Excure. 197
vor seinem Einzüge verofiFentlichen. Diese Abweichung von
der richtigen Chronologie der ursprünglichen Rede erklärt
sich durch die üeberarbeitung, bei welcher Plinius einigen
Thatsachen zu Liebe ^ die ihm jeweilen einfielen^ den natür-
lichen Fortgang der Darstellung zu unterbrechen sich nicht
scheute. Und eben hier bot sich ihm zum ersten Male die
erwünschte Gelegenheit zu Auslassungen gegen Domitian:
Quam dissimilis nuper aUeritis principis transitus! ^ tarnen
transitiis iUe,non poptdntio fuit, cum abadus hospitum exer-
cereiy omniaque deoctra laevaque perusta et aUrita, ut si uis
aliqua uel ipsi iUi barbari quos fugiebat incidererU. Gewiss
ist diese Schilderung übertrieben und schon dadurch charak-
terisirt sie sich als spätere Glosse , denn es lässt sich^ wie
weiter unten zu zeigen ist; nachweisen , dass die Stellen ^ in
denen sich Plinius in besonders harter Weise gegen Domi-
tian äussert, fast ohne Ausnahme erst bei der Üeberarbeitung
aufgenommen worden sind. — Ganz in ähnlicher Weise hat
Plinius den Zusammenhang bei der Einschiebung von c. 21
übersehen. Wahrscheinlich nahm Trajan den Titel Pater
Patriae schon vor seiner Rückkehr nach Italien an (vgl.
oben S. 41); dies rechtfertigt aber nicht, den betreifenden
Senatsbeschluss zwischen der Schilderung seiner Reise und
seines Einzuges in Rom zu erwähnen. So weit vergisst der
Autor seinen frühem Plan, dass er (21, 4) ausruft: Quod qui-
dem nomen qua benignitate, qua indulgentia exerces! ut cum
nvibus tuis quasi cum liberis parens vivis! ut reversus im-
perator qui privatus exieras, agnosdSy agnosceris!
Nachdem Plinius in c. 22 und 23 Trajans Einzug be-
schrieben und in c. 24 noch einige anschliessende Bemerkun-
gen aasgesprochen hat, geht er über zu dem Abschnitte von
Trajans Gesetzgebung und Verwaltung bis zum Herbste des
Jahres 100 (c. 25 — 55). Hier hält eine Scheidung des ur-
sprünglich vorhandenen und des neu hinzugekommenen Stoffes
um 80 schwieriger, als nach der Natur des Gegenstandes
eine chronologische Anordnung der einzelnen Züge nicht ge-
boten und für den Zweck des Redners auch nicht passend
198 Johannes Dieraiier : Geschichte Tr^'ans.
war. Doch lassen sich auch hier mit Sicherheit einige Zu*
Sätze erkennen.
In c. 29 spricht Plinius von der Sorge TrajaDS für die
Getreidezufuhr, von den massenhaften Vorräthen, die auf
seine Veranstaltung in Italien aufgespeichert wurden; wie er
weiter berichtet (c. 30), waren diese so bedeutend, dass
Aegypten nach einer Missernte (im Jahre 99 oder 100) von
Rom aus mit Korn versehen werden konnte. Diese That-
sachen sind in dem erwähnten Umfange genügend hervoi^e-
hoben; allem Anscheine nach hat der Redner abgesclilosseu
mit dem Satze: Tarn veloXy Caesar, poUmtia Um est, 4am-
que in omnia pariter intenta honitas et accinda ut tristius alt-
quid sarado tuo jmssis ad remedium sahdctnque sufftdai ut
scias. Später begnügt er sich mit dieser Einfachheit nicht
mehr*, er kann nicht umhin, seiner Verachtung des ägypti-
sehen Volkes Ausdruck zu geben {superblchat Vimtosa et in-
solens iiatio, c. 31, 2); er behauptet, die Nilüberschwemmun-
gen seien in Zukunft weder für Rom noch selbst für Aegypteu
nothwendig, obschon er wusste, dass man jene Vorräthe zum
grossen Theil Aegypten zu verdanken hatte; noch folgen
zahlreiche Reflexionen über die Abhängigkeit dieser und an-
derer Provinzen von Rom; er fühlt aber, dass er sich in
seiner Geringschätzuug Aegyptens zu weit führen lässt und
schliesst daher^ (c. 32) mit einer Bitte an das Nilland: et so-
lum illud et flumen ipsutn precor ut Jiac prificipis henigniiatc
contertüum, molli gremio semina rccomlat, vinUiplicata restituat.
Während die Sprache in c. 30 würdig und dem Gegenstande
angemessen ist, finden wir in c. 31 und 32 einen kleinlichen
Ton, gesuchte Wendungen und Antithesen (vgl. c. 32, 2);
während Plinius dort durchaus sachgemäss berichtet, folgt er
hier der Laune seiner Phantasie (vgl. c. 31, 6: stupebant agri-
coUie plefia Jiorrea cet,). IJinzelne Gedanken von c. 29 und
30 kehren in den beiden folgenden in erweiterter Form wie-
der; 30, 5 und 31, 3 sagen uns in gleicher Weise, dass Ge-
treide nach Aegypten gesandt wurde. Zu dem Satze : diier-
sasque gentes ita commercio miacuit ut, quod gcnitum esset u^-
EXCIITB. 199
ditanty id apud omties esse videretur findet sich eine Parallel-
bielle in c. 32^ 3 : Quippe discretis quUletn bonis omnium sua
Ciäusque ad sUvgulos mala; sodatis autem atque permix-
fis singtdorum mala ad neminem, ad omnes omnium bona per-
tineni. Endlich ist der Anfang von c. 33 zu beachten: Satis
fadufn qua dvium qua sociorum utilitatibus , offenbar ein ge-
suchter Uebergang zu der nun folgenden Erwähnung der
Gladiatorenspiele unter Trajan , ein Uebergang der sich
äi^serst wenig fügt^ dem Autor aber als Resume von c. 29
und 30 nach der langem Abschweifung nothwendig schien;
ursprünglich bedurfte es einer solchen Vermittlung nicht.
Diese Beobachtungen dürften den Charakter von c. 31 und 32
hinreichend bezeichnen.
In c. 34 und 35 ist von den Delatoren die Rede. Pli-
nius lobt Trajan (c. 34) wegen seines strengen Einschreitens
gegen dieselben; er berichtet^ dass sie deportirt wurden:
cofigesii sunt in ^mvigia rapHm conquisita a>c tempestatibus
dedUi. Dann wendet er sich mit Abscheu von ihnen weg^
da er- sich an ihrem Anblicke im Amphitheater sattsam ge-
weidet hat: abirenty fugerent vastatas dclationibus terras; ac
si quem fluctus ac proceUae scopulis reservassent, hie nuda
saxa d inhospiUde litus incohret, ageret dtiram et anxiam vi-
tarn, relictaque post tergum totius gener is humani sceuritate
maererä. Gewiss gieng Plinius nach diesem förmlichen Ab-
schlüsse ursprünglich nicht weiter; erst die Ueberarbeitung
führte ihn dazu^ die verhassten Sykophanten auf den ge-
brechlichen Fahrzeugen mit seiner Phantasie zu verfolgen.
Menwrafida facieSy ruft er aus (ähnlich wie in c. 7 : o novum
atque inaudüum ad principatum iter! und in c. 20: Quam
dissimäis nuper aUerius principis trwnsihis!), delutorum classis
jiermissa omnibus ventis coa^taque vela tempestatibus pan-
dere iratosque fltictus sequi, quoscumque in seopulos detu-
lisseni; er erinnert sich, dass auf jenen öden ägäischen In-
sebi früher die verbannten Senatoren schmachteten, dass
Titos und Nerva schon ähnliche Massregeln getroifen hatten
wie nunmehr Trajan: unverkennbar ist c. 35 aus dem Be-
200 Johannes Dierauer: Geschichte Trs^ans.
streben hervorgegangen, sich über den Gegenstand aosführ-
licher, ^spatiosius et uherius*^ zu verbreiten. Sonderbarer Weise
gab ihm die Wiederholung unmittelbar vorher verwendeter
Ausdrücke keinen Anstoss.
In'c. 37 — 40 finden wir eine längere, in sich geschlos-
sene Abhandlung über das Erbschaftsrecht unter Trajan and
seinen Vorgängern. Hier fehlen uns sichere Anhaltspunkte
zur Vornahme einer Scheidung, aber es ist an und für sich
sehr unwahrscheinlich, dass dieser Abschnitt seinem g'anzen
uns jetzt vorliegenden Inhalte nach im -Senate vorgelarag'ejj
worden sei. Man könnte zwar annehmen, Plinius habe bei
dieser Gelegenheit Trajan gegenüber seine Kunde in den
Rechtsverhältnissen zeigen wollen ; dazu hatte er aber keinen
Grund, da er als gewandter Advocat hinreichend bekannt
war. Ueberdies erscheint eine so eingehende historische
Untersuchung für das Verständniss und die Würdigung der
Verdienste Trajans unnöthig: Plinius belehrt hier seine Leser.
In c. 48 und 49 lassen sich einige Zusätze erkennen,
in denen Plinius seinen ganzen unversöhnlichen Hass geg'en
Domitian niedergelegt hat. Der erste Zusatz reicht von
c. 48, 3: quam nuper illa inmanissimu belua cet bis c. 49, 3:
armis enim arma irritantur. Die hier folgende Frage: num
aiitein serias tantuni partes dicrum in oculis nostris eoetuque con-
mmis? erklärt sich in Verbindung mit dem ersten Theile von
c. 48, wo von den Audienzen bei Hofe, also ernsten Geschäften
die Rede ist; eingeschoben ist ein Rückblick auf die ünzu-
gänglichkeit Domitians. C. 49, 6 ist eine zweite Glosse; sie
soll wie die eben hervorgehobene dazu dienen, die Tugenden
Trajans durch den Contrast mit den Lastern seines Vorgän-
gers in helleres Licht zu stellen. Der Vergleich ist hier so
undelicat und widrig^ dass er unmöglich im Senate ausge-
sprochen worden sein kann. Seine spätere Einschiebung ist
um so sicherer, als die folgende Stelle: Ergo non aumm
9iec argentum nee cxqnisitu ingenia eenarum sed suavitatein
tuam iuciinditatemqwi miramur eet, mit Rücksicht auf den-
selben keinen Sinn hat; sie schliesst sich richtig an die voraus-
Excars. 201
gehenden Fragen (c. 49; 4. 5) an^ während die Conjunction
^n<m enim* als Einleitung der Glosse unlogisch ist.
In c. 52 erweist sich ungefähr die Hälfte als spätere
Beifügung; nämlich die Stelle : Itaque tuam statuam in vestir
Mo I(mis — — ac voluptates ignibus miäarentur (3 — 5).
Sie bezieht sich wieder auf Doniitian. Plinius erzählt mit
innigem Behagen^ wie nach dessen Ermordung die goldenen
and silbernen Statuen , die er sich hatte errichten lassen,
eingeschmolzen wurden , iU ex iUo terrore et minis in usum
hminum ac voluptates ignibtis mtäarenttir. Um das folgende
SmUi recerentia cd. zu begreifen; muss man auf die ersten
beiden Sätze des üapitels zurückgehen; man sieht auch hier
sehr deutlich; dass sich der Autor um eine erträgliche Her-
stellung des durch die eingeschobenen Bemerkungen zerris-
senen früheren Zusammenhanges nicht kümmerte. Er scheint
auch vergessen zu haben ; dass die Bescheidenheit TrajauS;
nach welcher er sich nur Statuen aus Bronze gestattete ; an
einer andern Stelle (der wirklich vorgetragenen Rede) genü-
gend heryorgehoben ist (c. 55, 6). — Auch c, 52; 7 dürfte
wegen der gehässigen Sprache (saevissimi domini atrocissima
ifigies!) als Zusatz zu bezeichnen sein; ein äusseres Kenn-
zeicheu liegt, wie mir scheint, in der Verwendung des Ad-
verbiums ^ante'y das den vorhergehenden üebergang auf
Üomitiau (c» 52, 3: at pauUo ante aditus omnes) ebenfalls
anzeigte.
Plinius sieht sich nach den Schmähungen; die er in
(^•48 bis 52 über Domitian ergossen hat, zu einer Recht-
fertigung vor dem Senate, oder vielmehr vor dem Leser ver-
aidasst. Er sagt c. 53: Omnia, patres conscripti, quae de
flliw principibus a nie aut dicimtur aut dida sunt eo pertir
^ trf ostendam quam longa consuetndine corruptos deprava-
^tte mores principatiis parcns noster rcformd et corrigat
&qMi n\hü non parum grate sine conparatione laudutur.
Keser Entschuldigung bedurfte es offenbar früher nicht, da
^^ Grund dazu fehlte. Wir dürfen daher mit einiger Sicher-
annehmen, dass die folgenden Reflexionen erst bei der
202 Johannes Dierauer: Geschichte Tr^ans.
Ueberarbeituug eutstauden seien. Es fehlt aber nicht au
äussern Beweisgründen zur Festsetzung dieses VerhHliiiisses.
Plinius will eigentlich von der Bescheidenheit Trajans spre-
chen ; er beginnt in c. 52 damit^ dass er die Ehrfurclit preist,
die der Kaiser den Göttern schenkt; Trajan wünsche^ dass
man die Dankgebete nicht an seinen Genius, sondern au
Juppiter richte. Man erwartet noch andere Züge von sei-
ner Bescheidenheit, aber erst in c. 54, oder, wie gleich zu
zeigen ist, in c. 55 folgt die Fortsetzung; c. 53 dageg'en ist
dem Ausdruck der kleinlichen Freude gewidmet, die Plinius;
über der ungestörten Verfolgung der Tyrannen empfindet;
er hält die scharfe Censur sogar für eine Pflicht, nafn (so
schliesst er) cum de malo jjritwipc posteri tacentj manifestum
est eadem facere praesetUem, — Um das Verhältniss zwisciieu
c. 54 und 55 richtig zu erkennen, müssen wir auf den Inhalt
näher eingehen. Den frühern Kaisem (sagt Plinius in c. 54,
wobei natürlich vorzugsweise Domitian gemeint ist) wurde
bei jeder Gelegenheit, sogar auf der Bühne geschmeichelt:
Trajan hat diese niedrigen Huldigungen zurückgewiesen.
Bewunderungswürdig ist aber besonders seine Zurückhaltung
gegenüber den vom Senate ihm angebotenen Ehrenbezeu-
gungen. Unter Domitian liess sich der Senat herbei, die
Errichtung mächtiger Triumphbogen, die Ausführung lauger
Inschriften ; sogar die Veränderung einiger Monatsnamen zu
Ehren des Kaisers zu beschliessen ; jeder Redner glaubte
damals mit seinem besondern Antrage irgend eine Schmei-
chelei verbinden zu müssen. Trajan gibt ähnlichen Beschlüs-
sen des Senates keine Folge. Diese Bescheidenheit ist schö-
ner als alle Inschriften, denn wenn sein Name auch nicht
iu Marmor eingegraben ist; so steht er auf den unvergäng-
lichen Denkmälern der Geschichte. — Ganz ähnlich ist der
Inhalt von c. 55. Mit grösserer Ausführlichkeit verbreitet
sich Plinius über die Auszeichnungen, die Trajan zurückwies
oder bescheiden auswählte; zum ersten Male (ursprünglich)
wird erwähnt; dass er sich nur Statuen aus Bronze errichten
liess. Auf vergängliche Inschriften legte er keinen Werth,
Excurs. 203
dean er wusste^ 'wo der walire und ewige Ruhm eines Für-
sten liegt; wo die Ehren zu suchen sind; die nicht durch
FlammeU; nicht durch das Alter, nicht durch die Nachfolger
ausgelöscht werden können.' Dieser Gedanke ist mit anderer
Wendung auch im vorhergehenden Capitel ausgesprochen
worden. Berücksichtigen wir zugleich, dass hier directe Be-
ziehungen auf Domitian fehlen, während in c. 54 zu wieder-
holten Malen mit beissendem Spott auf dessen Regierung
hingewiesen wird (1, 3), so dürfen wir letztern Abschnitt
(c. 54) mit grosser Wahrscheinlichkeit als ein Produkt der
Ueberarbeitung erklären.*)
Nach diesen Untersuchungen über c. 48 — 55 darf mau
wol behaupten, dass die Ueberarbeitung hier ohne Sorgfalt
ausgeführt ist, ein Vorwurf, der schon mehrmals ausgespro-
chen werden musste da, wo sich die Spuren der zweiten
Hand entdecken Hessen. Plinius hat das Missliche seiner
Darstellung selbst gefühlt. Er leitet den folgenden Abschnitt
mit den Worten ein: Ädnotasse vos crcdo, patres conscripti,
iam dudum non eligere quae referam. Frapositum est
mm mihi principem laudare, nmi pmicipis facta (c. 56). Er
bernöht sich von c. 56 an, in den Thatsachen, auf die er
eingeht, wieder eine feste chronologische Ordnung einzuhal-
ten; er fasst hier (bis c. 80) zusammen, was sich auf Trajans
1) In c. 54 selbst finden sich auffallende Unebenheiten, bo dass man
geneigt ist, hier eine zweite, in die erste aufgcnummene Einschieb uug
anzunehmen. 54, 3 heisBt es: Sed quid ego istud admiror (nämlich
daas Trajan die Schmeicheleien der Bühne nicht duldete), cum eos quo-
qw honores qui tibi a nobis o/feruntur aut delibare parcissitne aut
onmno mleas recusare? Die folgende Stelle: Nikil ante (vgl. c. 62,
3 und 7) tafH vulgare in quo desini sub dlio principe non
pos$ä handelt von der unwürdigen Lage des Senates unter Domitian
(nebenbei allerdings auch von den Triumphbogen und Inschriften, die
önn decernirt wurden), und von seiner unabhängigen Stellung unter
Ti^an. Dann kommt Plinius auf einmal wieder auf jene für Trtgan
bachloasenen Ehrenbezeugungen zurück, indem er, nur verständlich in
iramittelbarem Anschluss an c. 64, 3, die dort gestellte Frage begrün-
det: Kam plerosque ex decretis Iiononbus et alli non recepcrunt; nemo
ön/e Uintus fuit ut credendur noluisse decerni.
204 Johannes Dierauer: Geschichte Trojans.
zweites und drittes Consulat bezieht. lu diesem Abschnitt«
scheint die ursprüngliche Form sehr wenig alterirt zu sein.
Mit Bestimmtheit lassen sich nur zwei Stellen als spätere
Zusätze ausscheiden.
Zu Anfang von c. 69 heisst es: Cepisti tarnen et oA-
fectus nostri et iudicii experimentum, quantum moodmufn prae-
sens capere potuisti, iUo die quo sollicUudini ptidorique can-
didaiorum ita consuluisti ne uUius gaudmm alteritis trisUtia
turbaret. Alii cum laetitia, alii cum spe recesserunt: niuUis
grattdandum, nemo consölandus fuit, Plinius berührt hier ein-
leitend eine Thatsache^ die wir ohne genauere Erklärung
nicht verstehen. Wir erfahren Näheres erst in c. 70. Trajan
hatte den Quästor einer Provinz seiner Verdienste wegen zum
Candidaten einer hohem Magistratur empfohlen. Plinius hebt
nun besonders hervor^ dass der Kaiser diese Verdienste kannte^
dass ihm überhaupt nichts entgieng, was in den Provinzen
geschah^ dass demnach jeder gewissenhafte Beamte auf Be-
lohnung hoffen konnte: At nunc, si hcne aliquis provinciam
rexerit, huic quaesita virtute dignitas offertur. Patet enim
Omnibus honoris et gloriae campus (70, 8). Wenn also ein
Candidat, der berechtigte Ansprüche auf Beförderung hatte,
auf Grund eiuer ersten Empfehlung nicht gewählt wurde^ so
war er seiner Wahl bei einer spätem Gelegenheit gleichwol
sicher, daher jene Worte: alii cum laetitia (d. h. die Gewähl-
ten), alii cum spe (d. h. die bei der Wahl Uebergangeneu)
recesserunt. Was Plinius im zweiten Theile von c. 69 über
die Rücksichten Trajans gegen junge Männer aus altadeligem
Geschlechte mittheilt, ist in diesem Zusammenhange durchaus
heterogen. Im Senate wäre es wenig schicklich gewesen,
auf diese Bevorzugung der alten Aristokratie aufmerksam
zu machen; als Publicist konnte es sich Plinius nicht ver-
sagen, Trajan wegen eines Zuges zu rühmen, den er mdt so
vieler Genugthuung beobachtete. In c. 69 ist daher die
Stelle : Nee ideo segnius cet. bis zum Schlüsse (2 — 6) ab ein-
geschoben zu betrachten.
Das ganze Capit-el 78 und der grössere Theil von c, 79
Kxcufs. 205
(1 — 4)^ d. h. Alles was Plinius über das vierte Consulat
Trajans bemerkt , ist sicher spatere Hinzufügung. In c. 77
wird nämlich Trajan als unermüdlicher Arbeiter gerühmt:
die Arbeit schien für ihn eine Erholung zu sein; die Pflich-
ten, die das Consulat ihm auferlegte, erfüllte er mit muster-
hafter Gewissenhaftigkeit (nun folgt der bezeichnete Zusatz).
Ein Anderer (so heisst es nachher weiter) hätte nach solcher
Anstrengung wenigstens Müsse und Ruhe gesucht; Trajan
nahm sogleich nach Niederlegung des Consulates die Arbei-
ten als Kaiser wieder auf (es folgen Beispiele seiner Thätig-
keit). Der Satz: Alhis labores (c. 79, 5), 5/ non contimw se
dfsidiae ac voluptati dedisset, otio tarnen et quiete recreasset cet.
schliesst sich so bestimmt an c. 77 an und fügt sich so wenig
mit der eingeschobenen Stelle, dass man sich wieder über
die nachlässige Arbeit des Autors wundern muss.
Aus dem Zusätze selbst ergeben sich einige werthvolle
Winke für die Zeit der Ueberarbeitung. Trajan übernahm
das vierte Consulat am 1. Januar des Jahres 101. Alles
deatet nun darauf hin, dass er zur Zeit als Plinius diese
SteDe schrieb noch nicht Consul war. Wir vernehmen aber,
dass der Senat sich bemühte, ihn zur Annahme des Amtes
za bewegen : Quo ifistüis senatus ut susciperes quarttim eon-
suhtum et rogavU et iuss^it (c. 78, 1). Plinius wünscht mit
Sehnsucht ihn wieder als Consul zu sehen (79, 3) : Dahiturne
rursus videre cansulem iUum? Audiet, redetet quas proxhne
roces, praestabitque gaudium quardum ipse pereipiet? Praesi-
ddit laetitiae ptMicae, auctor eius et causa, temptabitqtie ad-
feäus nostroSy ut solet, cohibere, nee poterit? Equideni
tncoffnüam quandam proximaque maiorem praesumo hetitiani.
So Imtte Plinius nach schon erfolgtem Antritte des Consu-
lates nicht geschrieben; ohne Zweifel würde er dann seine
im Anschlüsse an jene ungeduldigen Fragen nur schüchtern
ausgesprochene Prophetie bestimmter gefasst haben. Diese
Stelle ist gewiss vor dem 1. Januar 101 eingeschoben worden.
Plinius hat daher die Ueberarbeitung seiner gratinrum a^Mo
in dem letzten Trimester des Jahres 100 vorgenommen.
206 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
Gegen den Schhiss hin führt uns Plinins noch verschie-
dene Züge aus Trajans Privatleben vor. In c. 81 schildert
er ihn als Jäger und Ruderer; in c. 82 stellt er wieder einen
jener gehässigen Vergleiche an, die den Leser mit Abscheu
gegen Domitian erfüllen sollen ; in galanten Wendungen lobt
er in c. 83 und 84 Plotina und Marciana; in c. 85 wird
Trajan als Freund gepriesen^ die beiden folgenden CSapitel
zeigen uns in unnützer Breite ein Beispiel seiner Treue; in
c. 88 endlich vernehmen wir noch; wie Trajan sich gegen
seine l^Veigelassenen verhielt. lustisne de causis (sagt Plinins
hierauf noch im gleichen Capiiel, 4) scnaUis poptdnsque Bo-
manns optimi tibi cognom^m acliedt? Gewiss wurde dieser
Beschluss nicht wegen der angeführten Züge aus Trajans
Privatleben, sondern um seiner oflFentlichen Verdienste willen
gefasst. Diese sind aber in c. 80, dem zweiten Theile von
c. 79 und von c. 77 an rückwärts erwähnt worden, d. h.
c. 88, 4 war ursprünglich von c. 80 nicht getrennt und die
dazwischen liegenden Abschnitte sind spätere Zusätze. Fol-
gende Beobachtungen unterstützen diese Behauptung. 1) e. 81
beginnt mit ^quod ^/', einer Doppel-Conjunction, wie wir sie
im ganzen Panegyricus nicht wieder finden, ausgenommen
in dem Zusätze von c. 16 (qiwd ifi quis harhams rex), 2) Der
Anfang von c. 82 lautet fast genau wie der Anfang des später
eingef>en Theiles von c. 20; hier heisst es: Quantum dissi-
miUs illiy qui cd. — dort: Quam dissimüis nuper aUerius
prineipis transitus. An beiden Stellen ist von Domitian die
Rede. 3) In c. 84, 3 bemerkt Plinius : Quo quidem admira-
bilius cxhtimandum est quod mulfh%us dnahus in una domo
parique fortuna nullum certatnen, nulla contentio est. Sollte
Plinius den Senat wirklich mit der Thatsache behelligt haben,
dass sich die beiden Frauen (Plotina und Marciana) trotz
ihres täglichen Umganges nicht zankten? Solche Dinge an-
zuführen, wäre der Versammlung wenig würdig gewesen;
wenn irgendwo, so dringt hier das Bestreben durch, die
Schrift bei einem nach pikanten Zügen haschenden Publicum
zu empfehlen. 4) In c. 80, 2 ruft Plinius aus: rem memo-
Excurs. 207
riae Utierisqtie mandandnm f Er schreibt also hier mit der
bestimmt ausgesprochenen Absicht der Veröifentlichung sei-
nes Werkes; diese Stelle kann daher nicht in der ursprüng-
lichen Bede gestanden haben.
Fassen wir die Resultate der vorstehenden Untersuchun-
gen über die* Form des Panegyricus zusammen, so lässt sich
Folgendes sagen: Die im Senate gehaltene Rede war plan-
mässig angelegt; der Vortragende vermied Abschweifungen
und Anspielungen, die dem Zwecke der gratiarum actio ferne
lagen, oder deren Anführung sich mit der Würde des Sena-
tes und des Kaisers nicht vertrug. Bei der Ueberarbeitung
hat Plinius diesen Plan oft willkürlich zerrissen und, seiner
persönlichen Neigung folgend, glossenartige, bisweilen ziem-
lich ausgedehnte Bemerkungen aufgenommen, ohne sich jedes-
mal um den innern und äussern Zusammenhang des einge-
schobenen Stückes mit dem vorhergehenden und nachfolgen -
tlen Theile der Rede zu bekümmern. Eben dieser Umstand
ermöglicht an vielen Stellet! eine genaue Scheidung. Das
Lob kunstvoller Anordnung gebührt nur der ursprünglichen,
nicht aber der jetzigen Form des Panegyricus.
Die folgende Inhaltsübersicht ist mit Berücksichtigung
der gewonnenen Resultate zusammengestellt; sie mag das
Verhaltniss der von mir als Zusätze bezeichneten Theile zu
dem früheren Umfang, der Rede veranschaulichen.^)
A- c. 1 — 4. Einleitung.
B. c. 5 — 24. Trajan bis zum Einzüge in Rom.
c. 5. Sein Abgang zur Armee nach Obergermanien.
c. 6. Aufstand der Prätorianer unter Nerva.
c. 7, 1 — 6. Reflexionen über die Adoption im Allgemeinen,
c. 7, 7 — c. 8. Adoption.
c. 9 — 10, 1 — 3. Trajan fügt sich der Entscheidung Nerva's.
c. 10, 4— 6. Nerva's Tod.
c. 11. Trajans Pietät gegen seinen verstorbenen Adoptivvater,
c. 12. Seine Thätigkeit in Deutsphland und an der Donau
vom Frühjahr 98 an.
c. 13. Züge aus seinem Lagerleben.
1) Die eingeschobenen Abschnitte sind zurückgestellt.
308 Johannes Dierauet: Geschichte Trojans.
c. 14—15. Seine Laufbahn vor der Erhebung zam Kaiser,
c. 16, 1—2. Seine Politik gegenüber den Völkerschaiten jen-
seit der Donau.
c. 16 (Schluss). Anspielung auf den Krieg gegen die Dacier.
c 17, 1 — 3. Prophetie auf einen dacLschen Triumph.
c. 17 (Schluss). Fortsetzung zu c. 16, 1—2.
c. 18. Trojan stellt die Disciplin im Heere wieder her.
c. 19. Sein Verhältniss zu den Offizieren,
c. 20, 1 — 3. Reise aus Deutschland nach Italien.
c. 20, 4 — 6. Vergleich mit einer Reise Domitiajis.
c. 21. Der Senat ertheilt ihm den Ehrennamen Pater
Patriae,
c 22 — 24. Sein Einzug in Rom.
C. c. 25 — 55. Trajans administrative und legislatorische
Thätigkeit nach seinem Einzüge in Rom.
c. 25. Austhcilung des ersten Congiarium und Donativum.
c. 26 — 28. Alimentation armer Kinder in Rom.
c. 29 — 30. Versorgung der städtischen Bevölkerung.
c. 31 — 32. Ausführungen des Autors über den gleichen
Gegenstand.
c. 33. Befriedigimg der Schaulust des Volkes (Gladiatoren-
spiele).
c. 34. Einschreiten gegen die Delatoren,
c. 35. Plinius* spätere Reflexionen.
e. 36. Die Ansprüche des Aerariums und des Fiscus werden
regulirt.
c. 37 — 40. Legislation in Bezug auf die Erbschaftsteuer.
c. 41. Erlass des Krongeldes.
c. 42. Anklagen auf M^yest&ts verbrechen werden nicht ge-
duldet.
c. 43. Sicherung der Testamente.
c. 44—45, 4. Trajan berücksichtigt wahres Verdienst.
c. 45, 5 — 6. Durch sein Beispiel befördert er gute Sitte.
c. 46. Abschaffung der Pantomimen.
c. 47, 1 — 2. Begünstigung der Gelehrten.
c. 47, 3 — 48, 2. Trtgans ZugängUchkeit und Leutseligkeit,
c. 48, 3 — c. 49, 3. Glosse über Domitian.
c. 49, 4 — 5. Fortsetzung zu 48, 2.
c. 49, 6. üeber Domitian.
c. 49, 7. Fortsetzung.
c. 50. Er verkauft die unter frühereu Kaisern confiscirten
Güter.
c. 51. Tr^ans Bauten vor dem Jahre 101.
c. 52, 1 — 2 und 6. Trajans Bescheidenheit in Angelegenheiten
des Cultus.
c. 52, 3-5 und 7. Domitian wird Trajan gegenübergestellt.
Excurs. 209
c 53. Bemerkungen, hervorgerufen durch die eingescho-
benen Urtheile über Domitian.
c. 54. Tr^'an duldet Ton Seite des Senates keine Schmei-
cheleien.
c. 55. Seine Bescheidenheit gegenüber den Ehrenbezeugungen
des Senates.
D. c. 56—89. Trajan als Consul.
c. 56. Trajans zinreites Consulat im Jahre 98.
c. 57 — 59. Er verzichtet im Jahre 99 auf das Consulat.
c. 60—77. Geschichte seines dritten Consulates im Jahre 100.
(c. 69, 2 — 6. Rücksichten gegen den alten Adel.)
c. 78—79, 4. Aussicht auf sein viertes Consulat im Jahre 101.
c- 79, 4—6. Seine Sorge für die Provinzen nach Niederlegung
des Consulates.
c. 80. Seine Thätigkeit als Richter.
c. 81. Trojans Vergnügungen in seiner Erholungszeit.
c. 82. Domitians Verhalten.
c. 83. Trigaus Gemahlin Plotina.
c. 84. Seine Schwester Marciana.
c. 85—87. Trajan als Freund.
c. 88^1 — 3. VerhaJtniss zu den Freigelassenen.
c. 88, 4 — 10. Der Senat ertheilt ihm den Beinamen 'Optimus'.
c. 89. Nerva und der ältere Trajan werden ihres Sohnes
wegen glücklich gepriesen.
E. c. 90 — 93. Plinius dankt in seinem und seines Colle-
gen Namen für das erlangte Consulat.
F. c. 94—95. Schluss.
Gehen wir nun über zur hiätOriscben Kritik des Panegy-
ricuSy 80 ist vorerst zu bemerken, dass er für die meisten
auf Trajan sich beziehenden Thatsachen bis zum Jahre 100
oder 101 geradezu die einzige Quelle bildet. Plinius schrieb,
so viel lässt sich leicht erkennen, mit genauer Sachkennt-
niss; seine factischen Mittheilungen über Trajan sind grossten-
theils aus eigener Anschauung geschöpft und tragen durchaus
den Stempel der Wahrheit. Wir können uns daher einer
Prüfung der einzelnen Angaben enthalten; um so mehr wird
es in unserer Aufgabe liegen, zu untersuchen, welche Ten-
denzen der Autor bei der Abfassung seiner Schrift verfolgte
und wie sie auf seine Darstellung einwirkten.
Ihrer offiziellen Bedeutung nach war Plinius' gratinrum
actio eine Lobrede. Die Gefahr lag nahe, im Lobe das weise
Untersuch, z. Rom. Kaiserg-psch. I. X4
210 Johannes Dierauer: Greschichte Tnyans.
Mass zu überschreiten und in Schmeichelei zu verfallen. Wie
verhält sich Plinius in dieser Beziehung?
In c. 1, 6 spricht er seine Absicht deuthch aus: Qho
magis aptum piumque est, te, luppiter opfime maxitne
prccari ut mihi digna conside, digna senatu, digna prin/^lpt
contingat oratio, utque omnihus qiiae dicentur a nie lihertaa
fidrs veritas constet, tantumque a specie adulationis absit
gratiarum actio mea quantum äbest a tiecessiiaie. c. 2, 3:
Nusquam uU deo, nusquam ut ntmiini hlandiamur. Er will
sich massiger Zurückhaltung befleissen, c. 3, 1. 2: Igiinr
quod teniperamentum omnes in illo suhito pidatia calore sora-
vimus, hoc singidi quoque nieditatiquc tencamus. Quan-
tum ad me pertinet, laborabo ut orationem meam ad 7nodestiam
principis modcrationenique snmmittam. Allein es zeigt sich,
dass er trotz dieses rühmlichen Vorsatzes sich wiederholt
bewusste Schmeichelei zu Schulden kommen lässt.
In c. 9 z. B. wird Trajan gelobt, wo er es offenbar niclit
verdient. Nie habe er, sagt Plinius, die Gesinnungen eines
treuen Unterthanen lebhafter gezeigt, als unmittelbar nac/i
der Adoption, denn: lam Caesar, iam imperator, iam Grr-
manicus, ahsens et ignartis, et post tanta nomina, qu/intum od
te pertinet, privatns. Magnum videretnr, si dicarm Nescistf
te impcratorem futurum: i^as iy}}peraU)r, et esse te nescieha^.
Trajan war zur Zeit der in Rom verkündeten Adoption am
Rhein, konnte also seine Erhebung nicht im gleichen Mo-
mente erfahren. Selbstverständlich blieb er factisch so l&ngo
ein einfacher Unterthan, bis die Botschaft von der Adoption
in Germanien anlangte, deswegen kommt ihm aber nicht das
geringste Verdienst zu. Mit Recht bemerkt Burnouf (p. 172)
zu dieser Stelle: PI ine! donne ä ton heros des vertus q»^
Varrivee d'un courrier ne fasse pas evanouir.
£inen überaus peinlichen Eindruck macht die Stelle über
die Abschaffung der Pantomimenspiele, c. 46: Obtinuit nli-
quis {Domitianns) ut spectactdum pnntomiinornm popidni^
liomanus tolli pateretur. Rngatus es tu quod eogebat alini^*
coepitque esse bntefteium quod vnessitas fuerat, Neque (*fu^»
Excurs. 211
a te minore concentti ut tolleres pantomimos quam a patre tuo
nt restitticret e^actum est. Utmmque recte: nam et restitui
oportehat quos sustulcrat malus princeps et tolli
restitutos. In Jus enim, qua/i a malis benc fiunt, hie teneyi-
(Ins est modus, ut aäpareat auctorem displieuisse, non
factum. Indem PHnius seinem Helden gegenüber den ent-
gegengesetzten Verordnungen Domitians und Nerva's auf alle
J?^lle noch einiges Lob vindiciren will, lässt er sich zur Auf-
stellung einer geradezu absurden Theorie verleiten. Zugleich
lobt er Trajan gegen seine eigene Ueberzeugung; er kann
kanm verschweigen, wie ungern er die Pantomimen auf der
Bühne vermisst, obschon er sich offenbar zu denjenigen
gezahlt wissen will, die Trajan zu jenem Verbote bewogen.
Er würde die Massregel als eine strenge bezeichnen, wenn
sie nicht unter allgemeiner (sei es scheinbarer oder wirk-
licher) Zustimmung erfolgt wäre : ex quo manifestum est prin-
eipitm disciplirmm eapfre etiam vulgus, eum rem, si ab uno
fiat, severissimam fe^erint ovimis (46, 5); er scheut sich nicht
zu sagen: Itaque nemo de severitate tua querifur, et libe-
rttm est qtieri. Plinius sucht also eine ihm selbst unbequeme,
überhaupt eine gewiss unpopuläre Verordnung zu Gunsten
Trajans zu wenden. Dass sie unpopulär war, lässt sich nicht
bezweifeln. Denn wenn Nerva nach Plinius' eigener Andeu-
tung das Edict Domitians auf dringende Bitten des Volkes
widerrief, und andererseits sicher ist, dass Trajan nach einigen
Jahren sein Verbot wieder aufhob (Dio Cass, LXVIII, 10),
so kann unmöglich eine plötzliche Sinnesänderung des römi-
schen Publikums der Grund für jenes Verbot gewesen sein,
wie Plinius weiterhin (46, 4) behauptet; die vorübergehende
Bestimmung lässt vielmehr etwa auf vorgekommene Excesse
der Schauspieler schliessen.
Zu wiederholten Malen wird Trajan mit den Göttern
verglichen. *Ich fürchte nicht, sagt Plinius c. 3, seine Gunst
oder sein Missfallen zu erregen, je nachdem ich seine Thaten
genügend oder zu wenig hervorheben werde : animadverto
enim deos ipsos non tarn aeeurafis adorantium preeibuSj
14*
212 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
quam innocentia et sanctitate laetarV In c. 80 rühmt er seine
unermüdliche Thätigkeit nach Niederlegung des Consulates
im Jahre 100. Wie die Sonne, sehe und höre er Alles, und
wohin er gerufen werde, da sei er schnell wie ein Gott
ge*genwärtig und zur Unterstützung bereit. Nun folgt eine
Vergleichung mit Juppiter: Talia esse crediderim qiiae ipse
mundi parens temperat nutu, si quando octdos deniisit in ter-
ras et fata mortalium inter divina opera numerare dignatm
est : qua nunc parte Über solutusque, tantum caelo vacat, post-
quam te dedit, qui erga omne hominum genus vice stta fun-
gereris. Hier besonders ist die Schmeichelei offenbar; Pliuiiis
kann im Ernste nicht geglaubt haben, dass Juppiter seiner
Sorge für die irdischen Angelegenheiten durch die Herrschaft
Trajans entledigt sei. In c. 74 wird Trajan geradezu den
Göttern als Beispiel hingestellt: Quid enim. feliüius nobis,
quibus non tarn iUud optandum est ut nos diligat princeps, sed
dii quemadmodum princeps? Civitas religionibus deditn
semperque deorum indulgentiam pietate mcrita nihil feliciiaii
suae putat adstrui posse nisi ut dii Caesarem imitentur.
Noch weiter geht Plinius in c. 50, 4, wo er im Anschluss
an die Bemerkung, dass Trajan einer Bestimmung über das
Erbschaftsgesetz rückwirkende Kraft verlieh, ausruft: At in
praeteritum subvenire ne dii quidem possunt: tu t^imen sub-
venisti. Diese Stellen reimen sich sehr wenig mit der aus-
gesprochenen Absicht, Trajan niemals wie einem Gotte oder
einem gottlichen Wesen schmeicheln zu wollen. Zu einiger
Entschuldigung des Autors lässt sich anführen, dass zu jener
Zeit der Glaube an die göttliche Natur des Kaisers wirklich
Wurzel geschlagen hatte. Der Name Augustus, den der
Kaiser trug, bezeichnete ja den von den Gröttern Auserwähl-
ten; nach seinem Tode und nach erfolgter Apotheose wurde
ihm in officiellem Cultus göttliche Verehrung zu Theil; diese
knüpfte sich ganz natürlich schon an den Lebenden. Auch
Plinius mochte von der Göttlichkeit Trajans überzeugt sein,
wenigstens legt er ausserordentliches Gewicht auf dessen
besondere, durch höhern Willen erfolgte Auswahl, c. 5: An
Excurs. 213
fas erat nihil differre itUer imperatorem (piem liomiiies et quem
(Ui fecissetü? quorum quidetn in te^ Caesar Auguste, iudicium
ei favor turw statim, cum ad exercitum profieiscereris et quideni
inusüato ifidicio enotuit (es wird dann erzählt ^ wie das Volk
ihn, d. h. vielmehr Juppiter, vor seinem Abgange zur Armee
als Imperator begrüsste). Mehrmals kommt er auf diesen
Gegenstand zurück, vgl. c. 23, 4; c. 94, 4: Tu (Plinius wendet
sich an Juppiter) clara iudicii tut Signa misisti cum profi-
ciscenti ad exercitum tuo nomine, tuo honorc cessisti. Immer-
hin aber lässt sich nicht verkennen, dass Plinius in den
erwähnten Stellen dem allgemeinen Gefühl von der höhern
Natur des Kaisers übertriebenen Ausdruck gegeben hat.
Der oben ausgesprochene Vorwurf bewusster Schmeichelei
ist also begründet; aber er beschränkt sich doch nur auf
vereinzelte Theile der Bede. Es wäre ungerecht, auf Grund
der angeführten Beispiele den Autor der völlig tendenz-
massigen Schmeichelei beschuldigen zu wollen. Uebertrei-
bong und officielles Lob sind wol auseinander zu halten;
wie im Anfang dieses Excurses bemerkt worden ist, lag es
im Wesen der gratiarum actio, dass sie einem guten Kaiser
gegenüber ausschliesslich zur laudatio werden musste. Eine
eigentliche Tendenz liegt ganz anderswo: sie ist in denjeni-
gen Theilen des Panegyricus ausgesprochen, die gegen Do-
mitian gerichtet sind. Wir gehen auf dieses Verhältniss,
das für das Verständniss der Rede von entscheidender Bedeu-
tung ist, näher ein.
Plinius hasste Domitian aus mehreren Gründen. Er
hatte die unwürdige Lage getheilt, in der sich die Senatoren
in den letzten Jahren seiner Regierung befanden. Sein
Staudesgefühl war tief verletzt, imd seine Entrüstung nährte
sieh au der allgemeinen Reaction, die mit der Erhebung
Nenra's eintrat und bis in die ersten Jahre Trajans fort-
dauerte. Mehrere seiner Freunde waren dem unsinnigen
Begiment zum Opfer gefallen (Paneg. c. 90); ihn selbst
bätte, wie er wenigstens mit Sicherheit annimmt, bei län-
gerem Leben Domitians das gleiche Schicksal getroffen
1
214 Johannes Dierauor: Geschichte Trajans.
(Epist. VII, 27; 14). Dazu kaiu, dass ihn Domitiau nicht
seinen Wünschen oder vielmehr seinen Verdiensten gemäss
befördert hatte. Zwar gibt er vor, er habe (nach der Pratiir
im Jahre 93) freiwillig den hohem Magistraturen entsagt:
si cursu quodam provcdns ab iüo insidiosissimo princfj^c aiitv
quam profiteretHr odium hmwrum, iwstqiiam profcssus est, sub-
sistiy et cum ciderem quac ad hmiorcs conpendia paterent, lofi-
(jlus iter malui (Paneg. c. 95). Aber andere Stellen lassen
über seine eigentliche Gesinnung keinen Zweifel: Hahucj-af
hunc honorem xyericulis nosfris diviis Ncrva ut nos, ctsi niinn.^
nt honoSy pro movere v eilet, quia mufatl saecidl Signum
et hoc esset, quod florefcnt quorum praceipmim votum anir
fiierat ut memoriae pi^incipis elaherentur (c. 90). Er weiss also
Nerva grossen Dank für die Berücksichtigung der Ansprüche,
die er, sei es mit Recht oder Unrecht, zu haben glaubte.
Noch deutlicher tritt das gekränkte Gefühl der Zurücksetzung
unter Domitian und die Freude über die nunmehrige Beför-
derung in c. 44 durch: Arnos const<intiam civkim rcctos-
m
que ac vividos animos non, ut alii, contundis ac
deprimis, sed foves et attollis. Prodest bonos esse, cum
Sit satis abundeque, si non nocet: Ins honores. Ins sacerdoiia,
his procincias öfters: lii amicltia tua, hi iudicio florenf. Au
einen freiwilligen Rücktritt nach dem Jahre 93 ist also nicht
zu denken. Genug, jene dem allgemeinen Standesbewusst-
sein und diese seinen persönlichen Interessen widerfahreneu
Verletzungen führen ihn unter dem Einflüsse einer überhaupt
kleinlichen Gesinnung zu bittern Schmähungen gegen Domi-
tian. Er ergreift jede Gelegenheit, sein Andenken zu brand-
marken; er zeichnet ihn fast immer mit den schwärzesten
Farben, wobei es natürlich nicht fehlen kann, dass er wie
jeder leidenschaftliche Autor höchst ungerecht wird. So ver-
dächtigt er in c. 46 eine an und für sich lobenswerthe Ver-
ordnung Domitians über die Pantomimenspiele. Domitiau
freute sich, behauptet Plinius, mehr über die Laster als über
die Tugenden der Bürger (c. 45) ; im Bewusstsein aller Laster
hat er die Wissenschaften weniger aus Abneigung als aus
Kxcars. 215
Schamgefühl yerbanut (c. 47), eine Behauptung, die sowol
thatäächlich als dem Principe nach falsch ist, die wir aber
in ähnlicher Weise auch bei Tacitus finden (Agricol. c. 2).
Domitian war *eiu wildes Ungeheuer, das seijie Wohnung
mit einer Schreckenswehr befestigte, das sich . bald einschloss,
wie in eine Hohle, um das Blut von Verwandten einzu-
richlurfen, bald hervorstürzte zum Morde der angesehensten
Bürger.' Ad haec, heisst es weiter (c. 48), ijjse occursu quo-
'lue visuque teririhilis, ira in oadis, femineiis j)all<)r in corpore,
in ore inpudentia mtdto rubore sufpiisa. Wie viel würdiger
ist doch Tacitus' Sprache, da wo er seinem gerechten Ab-
scheu gegen die Herrschaft Domitians in den letzten Regie-
niugsjahren Ausdruck gibt (Agric. c. 45)! Und doch ist
Plinius' Rhetorik mit diesen widerlichen Schilderungen noch
nicht erschöpft. In c. 49 stellt er die Mahlzeiten Domitians
denjenigen Trajans gegenüber und entwirft dabei die gehäs-
äigsten Züge, die je über ihn geschrieben worden sind, durch-
aus unwahr, wie aus einer Vergleichung mit Sueton (Dom.
c. 21) klar genug hervorgeht. Aehnliche Auslassungen wieder-
holen sich in c. 63, 3: Nam alii mar cid i somno hcster-
naquc cena redundantes comitiorum snorum mmtios
f>iq)cri€bantHr, und 63, (5, 7: Pleriqiie tarnen non tarn supcrhia
([uammctu qiwdam summovebantitr (nämlich von den Comitien).
-in, stuprorum sibi incestariimquc noctium conscii
(.vgl. c. 49, 7: rursus te ad clandestinam gaticam occuUiim-
que hixtwi refers), auspicia polluerc saeratumqm campum
nefario auderent contaminare vestiffio? — In c. 81 erfahren
wir, dass Trajan ein gewandter Ruderer war. Wenn Domi-
tian den Muth nicht hatte, sich in gleicher Weise auf das
unruhige Meer hinaus zu wagen, wenn er sich vielleicht nur
mit Widerstreben dem schwankenden Schiffe anvertraute, so
wird ihm deswegen Niemand im Ernste einen Vorwurf machen
wollen. Aber Plinius beutet diesen Umstand in c. 82 nach
seiner Weise aus. 'Wie wenig gleicht Trajan jenem andern
Kaiser, der nicht die Ruhe des Albanersee's, nicht die träge
Stille der Gewässer von Bajae, ja nicht einmal den Stoss
216 Johannes Dierauer: Geschichte Trajans.
uud das Kuarren der Ruder ertragen konute, ohne bei jedem
Schlage in thörichter Furcht zu erzittern! Daher wurde er
fem von jedem Geräusch und jeder Erschütterung unbeYreg-
lich auf einem Schleppschiffe gleich einem Sühnopfer dahin-
gezogen. Welch hässlicher Anblick! Der Kaiser des römi-
schen Volkes folgte wie ein erbeutetes Fahrzeug einer Rich-
tung^ die er nicht bestimmte und einem fremden Steuermann.
Und die Flüsse und Ströme sogar waren Zeugen dieser Un-
würdigkeit. Die Donau und der Rhein hatten das Vergnügen,
jenes Abbild unserer Schmach zu tragen^ was uns zu um so
grösserer Schande gereichte, als nicht nur die röniischeu
Adler, die römischen Feldzeichen, überhaupt das romische
Ufer, sondern auch das feindliche solche Dinge sahen. '
Dergleichen Declamationen erscheinen geradezu lächerlich.
Man erkennt, dass Plinius über seinen Rachezügen gegen
Domitian eine sichtliche Freude empfindet. Er wühlt sich
mit Behagen in anstössige Gebiete hinein und lässt seiner
Phantasie freien Lauf, unbekümmert um die Verzerrung der
Wahrheit. Ist doch nach seiner Ansicht das eines der gröss-
ten Verdienste Trajans, dass man unter seiner Regierung
die schlechten Kaiser ohne Gefahr verfolgen kann (c. 53, 3),
dass es erlaubt ist, täglich an ihnen Rache zu nehmen und
durch dieses Beispiel den zukünftigen Tyrannen zu zeigen,
Mass es keinen Ort, keine Zeit gibt, in welcher ihre Manen
vor den Verwünschungen der Nachwelt Ruhe finden' (c. 53, 5),
Auf den ersten Blick scheint es, als ob die geflissent-
liche Gegenüberstellung Domitians, wie sie sich ausser den
angeführten Beispielen an zahlreichen andern Stellen wieder-
holt, nur dazu diene, die Tugenden und Verdienste Trajans
in helleres Licht zu stellen. In der That will Plinius den
Leser von einer solchen Absicht überzeugen ; er sagt zu An-
fang von c. 53 : Omniaj patres conscriptiy quae de cHiis prin-
cipiJms a nie dieuntur aut dieta simt eo pertinent ut ostendam
qiuitn lofiga consuetudine corruptos depravatosqm mores prin-
dpatus parcm noster reformet et corrigat: all o quin nihil
non purum grate sine eonparatione laudatur. Aber
r
Excurs. 217
wenn sich auch manche Parallelen gleichsam von selbst
boten und die Darstellung unbeschadet der historischen Treue
lebendiger und anschaulicher machten (vgl. c. 20, 4, wo sich
(illerdings einige Uebertreibung eingeschlichen haben mag;
e. 34, 1, 2; c. 54; c. 58, 1), so sind andere Vergleiche ge-
sucht und lassen neben dem Abscheu, der gegen Domitian
erregt wird, die Bewunderung für Trajan nicht aufkommen.
Aus der Schilderung, die Plinius z. B. von den Tafelgenüssen
lH>mitians entwirft (c. 49), resultirt für Trajan einfach das
zweifelhafte Lob: * Tu non es porcus^ um mich der Worte
eines Conmientators zu bedienen. In der That werden wir
(liirch den Contrast nur selten in höherem Masse zu Gunsten
Trajans gestimmt, als durch die einfache Hervorhebung sei-
ner Verdienste. Zugleich haben wir in unserer formalen
Intersuchung beobachtet, dass die meisten Ausfalle gegen
lH)mitian spätere Zusätze sind; ohne Zweifel würde sie Pli-
uius schon in seinen Vortrag aufgenommen haben, wenn er
darin ein passendes Mittel erkannt hätte, den Ruhm seines
Helden zu erhöhen. Die Rücksicht auf Trajan tritt also
zurück und es bleibt die schroffe Tendenz gegen Domitian,
darin bestehend, dass mit Bezug auf diesen Kaiser aus Grün-
den persönlichen Hasses und allgemeiner Parteileidenschaft
die Wahrheit absichtlich zu dessen Nachtheil entstellt wird,
iür eine Geschichte Domitians ist daher Plinius' Panegyricus
niit grosser Vorsicht zu benutzen.
Inhaltsübersicht.
Seil-
Erster Abßclmitfc. Trajans Aufkommen und erste Regie-
rungsjahre , 3 — 62.
Abstammung und Familienverhältnisse 3.
Geschichte Trajans vor seiner Erhebung 9.
Er wird Consul im Jahre 91, Legat von Obergermauien unter
Nerva, von diesem adoptirt im October 97 19.
Trajan Mitregent ■ . . . . t!5.
Nervals Tod 27.
Trajans Verdienste um die Grenzsicherung des Reiches gegen
die Germanen :>9.
Einzug in Rom 35.
Seine äussere Erscheinung 36.
Verhältniss zum Senate, zu den Soldaten, zum Volke . . . 37.
Privatleben 45.
Bildung 49.
Administrative und legislatorische Thätigkeit in Rom in
den Jahren 99 — 101. Sorge für die persönliche Sicherheit
der Staatsangehörigen. Getreidezufuhr. Alimentationen.
Bauten 52.
Zweiter Abschnitt.- Die dacischon Expeditionen . . . 63—112.
Dacische Geschichten vor Trajan 63.
Vorbereitungen srum Kriege. Strassenanlagcn. Auswahl der
Truppen. Offiziere 72.
Erster Krieg gegen Decebalus, 101 — 102 81.
Dacien wird unter römische Oberhoheit gebracht. Triumph
im J. 102 91.
Die Donaubrücke 95.
Der zweite dacische Krieg, 105 -—106 98.
Decebalus' Tod 102.
Dacien eine römische Provinz 102.
Triumph des Jahres 106 10.5.
Literatur 108.
Die Trajanssäule nach ihrer historischen Bedeutung . . . 110.
Eroberung Arabiens durch Au. Cornelius Tiilma 111.
Inhaltsübersicht. 219
Sfilo
Thitter Abschnitt. Provinzialverwaltung und Bauten 113—151.
Sorge £\ir die Finanzen der Provinzen 114.
Truppen 116.
Geheime Gesellschaften 117.
Entscheidungen über religiöse Angelegenheiten. Dccret mit
Bezug auf die Christen HB.
Bechtliche Verfügungen 1<20.
Sorge für die Erleichterung des Verkehrs in Italien und in
den Provinzen 1*27.
Seehäfen 129.
KanaJbauten 131.
Wasserleitungen 132.
Das trajanischc Forum: der Triumphbogen, das eigentliche
Forum, die Basilica, die Bibliotheken, der Tempel des Divus
Traianus, die Säule 133.
Der Architect ApoUodor Vertreter der griechisch - römischen
Kunstrichtung 149.
Vierter Abschnitt. Die Kriege im Oriente 152-— 186.
Der armenische Krieg im J. 114. Armeuicu eine römische
Provinz 152.
Der mesopotamische Feldzug im J. 115. Die Provinz Meso-
potamien 164.
Trajan Parthicus, gegen Ende 115 166.
Erdbeben in Antiocliia. Hinrichtung des Bischofs Ignatius . 167.
Feldzug gegen Adiabene im J. 116 170.
Einnahme von Ktesiphon. Die Provinz Assyrien 172.
Expedition an den persischen Golf 173.
Aufstand in Mesopotamien und Armenien 174.
Trajan gibt den Parthern einen König 177.
Sein Missgeschick vor Atra 181.
Der Judenaufstand d. J. 117 182.
Trajans Tod in Selinus im August 117 184.
Hadrian zum Kaiser ausgerufen 185.
Der Triumph des Divus Traianus in Rom 180.
Ezcurs zu Plinius' Panegyricus 187.
COMMODUS
EIN BEITRAG ZUR KRITIK DER HISTORIEN
HERODIANS
VON
JOHANNES ZÜRCHER
I. ttuellenkritik.')
x\. Allgemeines über die drei Hauptschriftsteller.
1. Bio Cassins.
Dio Cassius hatte zuerst ein Werk über die Träume und
Wiuider gescbrieben, auf welche gestützt der Kaiser Septi-
mius Severus die Herrschaft erwartete. Er sandte die-
sem sein Werk zu und empfieng (72. 23) einen schmeichel-
haften Dankesbrief. Auf dieses hin fasste Dio Cassius neuen
Math, er glaubte einen göttlichen Befehl zum Niederschreiben
<ler Geschichte seiner Zeit (icTopta) zu erhalten und publicierte
zunächst, wahrscheinlich im Jahre 195, keinesfalls erheblich
später — wie Reimarus II, 1536 seiner Ausgabe darthut —
die von Commodus' Regierung. Die Schrift fand Beifall, und
nach vielen Jahren nahm sie der Verfasser als Buch LXXII in
sein grosses Geschichtswerk auf. Dio Cassius hatte an den
Ereignissen unter Conunodus selbst als Senator Antheil, wie er
uns 72. 4 versichert: X^yu) bi. laÖTct xe kqi xd Xomd ouk iE
1) Nachfolgende Schriften sind nur nach dem Namen doB Verfassers
oder Herausgebers citiert:
Orelli u. Henzen: Inscriptionum Latinarum selectarum amplisshna
nAleäio 3 voll.
Jo. Eckhel: Doctrina numorum veterum t. VII. 1797.
n. Cohen: Montiaies frappee» sons Veinpire Umnain t. III. 1860.
TiUemont: Histoire des Empereurs roinains. t. II. 1691.
Gibbon: The histary of tke declin^ and fall of the JRoman tnupirc
ni Müman t I. 1840.
Edwin Volkmann: De Herodiani viia scriptis fideque. Königsberg
lft59.
R, Sievers: Der Historiker Horodianus (Philologub XXVI) 1867,
224 Johannes Zürcher: Commodus.
dXXoTpiac fri Trapaboceuüc dXX' ll okeiac ffir] TnprjceuK:, ebenso
72. 16, wo er von seiner Stellung als Senator spricht, -wie
er uns besonders 72. 21 wohl das lebhafteste Bild von der
Lage unter Commodus gibt. Seine Darstellung trägt den
Stempel der Wahrheit an sich; keine authentische Nachricht
liegt gegen irgend eine seiner Angaben aus Commodus' Re-
gierung vor; man wird ihm daher auch in dieser Periode
folgen, wo er allen jüngeren Quellen gegenüber allein steht,
und nur bedauern, dass seine Geschichte in dem Aus-
zuge des Xiphilinus nicht ausführlicher auf uns gekonuneu
ist oder ursprünglich in einzelnen Theilen überhaupt ange-
legt war, wie er denn durch seine Kürze z. B. über den
Frieden des Commodus mit den Marcomannen und Buren
etwas dunkel wird.
2. Aelius Latnpridius (scriptt. bist. Aug. ed. Peter 1865).
Seine Nachrichten besonders über das Privatleben des Com-
modus sind sehr zahlreich; man wird daraus besonders für
Sittengeschichte schöpfen können, darf aber nie die Nach-
lässigkeit vergessen, mit der dieser Geschichtschreiber der
Diocletianischen Zeit verfährt. -Vieles beruht nur auf Gerüch-
ten, persönlichen Meinungen (5 lU didtur, 8 quanlum intelli-
giiur, 11 diciiur), vieles wird wiederholt und zwar fast ohne
Abweichungen, so z. B. wird K. 2 gesagt:
cum patre imperator est appellaius V kaL Dec. die Po/-
Hone et Apro consulibus; imd K. 12:
cum patre appellaius imperator V kaL Exsuperatarias
Pollione et Apro Herum consulibus — das Letztere nach offi-
cieller Aufzeichnung aus Commodus' Zeit.
In Kap. 11 widersprechen sich die Nachrichten über die
neuen Monatsnamen, der October wird bald Invictus bald
Herculeus genannt. Ordnung herrscht besonders in den
ersten Kapiteln wenig, wo durcheinander geworfen wird, was
sich auf das öffentliche und das private Leben, auf Commo-
dus vor und nach seiner Thronbesteigung bezieht.
I. Quellenkritik. ^25
Doch ungeachtet solcher Schattenseiten muss diese Arbeit
werth gehalten werden: sie ergänzt sehr oft Dio, gibt uns
i\ie Namen der handelnden Personen und zieht Vieles aus
Quellen, die den geschilderten Ereignissen zeitgenössish waren.
1. Marius Maiimus scheint die Hauptquelle zu bilden,
wie er denn mehrere Male (c. 13. 15. 18) erwähnt
wird ; wir können nicht sagen, ob dieser bereits hatte
was Lampridius
2. aus officiellen Schriften und aus Inschriften für seine
Darstellung ziehen konnte.
3. Dio Cassius ist wahrscheinlich an folgender Stelle
benutzt :
Dio 72. 20. Lampridius 9.
KQi ^iiict€uGt] T€ outoc 6 XÖTOC, ^irei-
bTJ 7roT€ Trdvrac toüc t&v Troboiv iv Debiles pedibus et eos qui
m
T^ iröXet viro vöcou f| ^r^pac tivöc ambtdare non posseni in
cu^q>opdc dcrepriM^vouc dOpoicac, bpa- gigantum modum formavit,
KÖVTUJV li Tiva auToic eTbi] ircpi tci Ha ut a genibtis de pan-
TÖvora Ttepi^TrXeEe , xai ciröffouc nis et linteis quasi dracones
dvTi XiOuiv ßdXXeiv bouc dTr^KTeiv^ degererentur eosdemque sa-
cqKxc ^OTrdXui Ttaiujv tbc T^TCiVTac. gittis confecit — clava
— homines multos afßixit.
4. Herodian wird nie genannt, es lassen sich aber doch
auf ihn sofort folgende Notizen zurückführen :
Herodian I. 8: 8c TTpoeme tö ßeßouXeuim^vov iLiäXXov
\ fbpacc,
Lampridius 4: detexit facinus fatuus nee implevit,
Herodian I. 11: CTiaviiuc toTc brjjuoic ^irecpaivexo.
Lampr. 5: (post haec!) nunquam facile in publicum
processit.
Herodian I. 8: ifj toö {lieipaKiou dTTOXpibliicvoc f)XiKia
iK€ivoc €iac£V auTÖv xpufpaic cxoXd2[ovTa Kai Kpai-
TfdXaic — irScav Tf)v bioiKriciv rflc dpxflc aÖTÖc
dveb^Earo.
Lampr. 5: Commodi persciens irivenit, quemadmodum
ipse potens esset; nnm persuasit Commodo, ut ipse
InUrsach. z. lUmi. Kaiseraoscli. T. 15
226 Johannes Zürcher: Commodus.
delictis vacaret, idem vero .Perennis curis incum-
beret.
Herodian I. 7 : ?iv d^ioO^atoc cuijuaTÖc tc cu^^e-
Tpiqt . . .
Lampr. 17 : fuit forma quidem corporis iusia.
3. Uerodianus.
Wir besitzen unter dem Namen des Herodian eine ro-
mische Kaisergeschichte ^ die mit dem Tode des Mark Aurel
beginnt und mit der Thronbesteigung von Gordian III.
schliesst; sie umfasst so den Zeitraum von 180 — 238, d. h.
58 Jahre. Herodian beabsichtigt nach I. 1 die Geschichte
von 60 Jahren zu schreiben, nach ü. 15 dagegen von 70
Jahren. Dies beweist zum wenigsten, dass unser Autor alles
in einem Zuge schrieb und die Abfassung seines Werkes nach
138 zu setzen ist; er ist demnach von den für uns in Frage
kommenden Ereignissen zeitlich weit entfernt; hat er wirklich
einen Antheil daran genommen, wie er I. 2 versichert: S
bk iLiexä Tf|v MdpKou xeXeuT^v Trapd ndvTa xöv djuauroO ßiov
elbov T€ Kai fJKOuca, ?cti b' iLv Kai Treipa ili€t^cxov iv ßaciXi-
KaTc f\ biiiLiociaic uTrrjpeciaic TevöjLievoc, raOra cvvifpa\\>a, so
war er damals sehr jung und hatte bei Niederschreibung sei-
nes Werkes ein hohes Alter erreicht.
Man kann immerhin annehmen, dass er Materialien im
Laufe seines Lebens gesammelt und sie dann geordnet habe;
aber er sagt das nirgends ausdrücklich. Andere Quellen
werden in dem ersten Buche in Bezug auf das Leben des
Commodus nicht erwähnt, er scheint auch nach der Ein-
leitung in sein Geschichtswerk kein grosses Gewicht auf
solche Hülfsmittel zu legen. Dieses erste Kapitel zeigt uns
einen Autor, der die grösste Zuversicht in seine Angaben
setzt : bis jetzt haben viele in ihren Aufzeichnungen die Walir-
heit vernachlässigt, indem sie ihre Werke ausschmückten
oder nicht frei von persönlichen Neigungen geblieben seien;
die sie in die Geschichte eintreten Hessen, er aber wolle nicht
in diese Fehler fallen. Allein im nämlichen Augenblicke
I. Quellenkritik. 227
gesteht er zu, dass er dem Leser vor allem angenehm sein
mochte: ouk dTepirfi Tf|v tvuiciv Kai toTc öciepov ?c€c6ai trpoc-
boKncac €pTiMV fietdXuiV te Kai ttoXXuiv dv öXiTUJ XP<ivij) T€-
vo^€vu^v und föUt dadurch zu denen zurück, die die Form
über den Inhalt setzen. Hier liegt der Kern der ganzen
Darstellung des Herodian, man lese das ganze erste Buch
durch und man wird finden, dass er alle Ereignisse mit
Blumen umwindet. Er sucht das Bunte, so findet er, dass
die sechzig tumultvollen Jahre ein ausgezeichneter StofF sind;
in diesen Jahren regierten viele Fürsten , wurde manche Stadt
erobert, kamen grosse Naturereignisse vor.
Seine Selbstanpreisungen haben viele verführt, im Alter-
thome haben die Scriptores Historiae Augustae, Ammianus
Marcellinus, Zosimus, später hat Zonaras seine Berichte als
richtig hingenommen; Männer ersten Ranges der Neuzeit
wieTillemont und Gibbon legten Herodian ihrer Darstellung
hauptsächlich zu Grunde. Man hat die Widersprüche nicht
verkannt, allein man war gegenüber Herodian sehr gutmüthig ;
Reimarus zuerst hat Dio Cassius vielfach gegenüber Herodian
geschützt, und in Einzelarbeiten haben Wolf, Volkmann und
Sievers mehrere Fragen über die historische Treue des Hero-
dian untersucht.
Ich bin in Bezug auf das erste Buch zu dem Resultate
gekommen, dass man das Zeugniss Herodians nur dann an-
nehmen kann, wenn es mit dem der übrigen Quellen im
Einklänge ist; wo er abweicht oder weiter ausführt, da kann
man ihm in der Darstellung des Lebens des Kaisers Commo-
dus nicht folgen. Man wird in dem Folgenden die Kritik
der einzelnen Angaben des Herodian finden,, es sei hier in-
dessen erlaubt, einige allgemeine Bemerkimgen zu machen.
Die Darstellung des Herodian ist allgemein gehalten, er
kennt nur die Namen der hauptsächlichsten Persönlichkeiten,
^bt nirgends Ort und Zeit genau an (Tod Mark Aureis,
Aller des Commodus); Specialnachrichten, von denen man
^>ei den übrigen Autoren keine Kunde ßnde, kommen gar
nicht vor; über die Hauptereignisse sind seine Angaben bei-
228 . .lohannea Zürcher: Commodus.
nahe immer unrichtig (Charakter des Commodus, Perennis,
Cleander, Ermordung des Kaisers), es handelt sich hier nicht
nur um seine weiten Ausführungen, sondern um den Kern
der Begebenheiten. Herodian hat schöne Scenen aus der
römischen Kaisergeschichte liefern wollen und mit solcher
Absicht alles zubereitet. Nach dieser Seite hin wird sein
erstes Buch immer einen gewissen Reiz bewahren: ein braver
Charakter gibt sich in seinen allgemeinen Urtheilen kund-,
allein ein gewissenhafter Geschichtschreiber war Herodian
nicht, und seine Autorität muss der des Dio Cassius unter-
liegen.
B. Einzelprüfungen.
1. Knabenalter und Thronbesteigung.
Herodian I. 2 spricht von mehreren Töchtern, aber nur
von zwei Söhnen Mark Aureis; allein dieser Kaiser hatte
wenigstens sechs Söhne (wie von Sievers dargethan), von
denen keiner Verissimus hiess. Man weiss nicht, woher
Herodian dieser Name gekommen ist; doch möchte er viel-
leicht denselben vom Vater auf den Sohn übertragen haben;
Mark Aurel erhielt den Beinamen Verissimus von Hadrian
(Capit. M. Anton. 1).
Dio Cassius 72. l muss in seinem Berichte auch über die
Jugend den andern Quellen vorgezogen werden. Die Scri-
ptores Historiae Augustae schildern uns (Capit. M. Ant. IP
Lamp. Comm. 1) den Commodus seit seiner Geburt grund-
verdorben; allein man hat ein solches Urtheil über die ersten
Jahre des Commodus erst dann geföllt, als man bereits die
Geschichte seines ganzen Lebens kannte und die Laster seines
vorgerückten Alters bis in die frühe Jugend versetzte. Lampri-
dius V. Comm. 1 gibt die Namen der hauptsächlichsten Lehrer
des Commodus — einen Griechen, zwei Lateiner — ; ich finde
gestützt darauf die Nachricht des Herodian I. 2: irdvioöev
Touc ^v ToTc ?9veciv im Xötoic boKijuiüTÄTOuc dirl cuvtäHeciv
OUK euKttTaqppovrjTOic KaXiIiv höchst übertrieben. Der niini-
I. Quellenkritik. 229
liehe Historiker fügt bei, dass Mark Aurel die besten Sena-
toren zu Schwiegersöhnen auserwählte; diese sind uns kaum
dem Namen nach bekannt, so dass es schwierig wäre zu
erklären , ob diese Nachricht ganz unrichtig sei. Wir wissen
immerhin von dem Kaiser Lucius Verus, dem Gemahle der
Tochter des Marcus, Lucilla, dass dieser nicht zu tugend-
haft war und können in so weit Herodian berichtigen.
lieber das Verhältniss des Mark Aurei zu Commodus in
der letzten Zeit seines Daseins hat Dio keine eingehenden
Nachrichten; er allein meldet uns, dass Commodus die Aerzte
gewonnen habe und hebt die Richtigkeit dieser Nachricht
besonders hervor 71. 33: vöv b€ Tq dTriaKaibeKdrij toö Map-
Tiou |i€TTiXXa£€v , oux und rnc vöcou f\\ xai töt€ dvöcricev, dXX*
UTTÖ Tuiv laipOüv, ibc etih caq)wc fJKOuca, xijj Kojuiju<^b(4> xotpi-
Zofievujv. Herodian widmet zwei Kapitel (3 u. 4) der Er-
zählung der letzten Tage des sterbenden Kaisers, man hat
derselben viel Vertrauen geschenkt; aliein diese Hinnahme
seheint mir wenig begründet. Herodian gibt nicht genau
an, wo sich Mark Aurel in der letzten Zeit seines Lebens
befanden, {)iaTpißovTd te dv TTaioci, er kennt auch keineswegs
seine Lage den Deutschen gegenüber. Mark Aurel suchte
die hereinbrechenden Völker seiner Herrschaft zu unter-
werfen; dabei machte er vor allem von den Waffen Gebrauch
und wandte nicht Ueberredungen an, wie Herodian meldet:
dXXd Touc jLifev ireiGoi ec cujuiiiaxiav irpocTiTdTCxo. Auf der-
selben Linie steht die Behauptung, dass einige Völker bei
der Nachricht von seiner Gegenwart davongelaufen seien:
fjcav be Tivec ol biabpdvxec irpöc tö irapöv dvaK€XUjpr|K€cav
Ui\ if[C irapouciac toioutou ßaciX^uic. Ueber die wirklichen
Verhältnisse hat unser Historiker demnach schlechte Kunde;
was er weiter über die Gedanken des Kaisers beifügt,
H nichts als seine eigene Erfindung. Herodian sagt sich,
Mark Aurel war von grosser Gelehrsamkeit, vielerlei Kennt-
lÜBs — er weiss von öca Ypacpevra desselben, die noch erhal-
ten seien und nennt ihn övbpa iroXmcTopa — , so rausste
er nothwendig an Alle denken, welche, jung zur Herr-
230 Johannes Zürcher: Commodus.
Schaft gelangt; verleitet wurden. Allein selbst dann^ wenn
Mark Aurel keine gute Meinung von seinem Sohne hatte^
kann man sich doch kaum einbilden ^ dass er daran gedacht
habe, Commodus werde einst in seinen Thaten einem Nero,
einem Domitian gleichen. Das sind Erfindungen eines Ge-
schichtschreibers, der zuerst das ganze Leben des Conunodus
betrachtet und nachher Alles den Vater voraussehen lässig wie
ihm wirklich die (blosse zu Dio 72, 1 ausdrücklich zuschreibt.
Herodian lässt nun Mark Aurel in Gegenwart seiner
Freunde und Verwandten sowie seines Sohnes eine Rede
halten, welche sich theils in Gemeinplätzen bewegt, theils
bereits Gesagtes wiederholt. In dieser Hinsicht gibt sich
Herodian wenig Mühe, so haben wir
I. 3 diipa Tc TÖv TiaTba xfic jiieipaKiujv fjXiKiac dpxöjuevov ^tti-
ßaiveiv und
I. 4 6päT€ bi\ jLioi TÖV ulöv, öpTi Tfic jLieipaKiwv f|XiK{ac im-
ßaivovTtt.
Wir finden in der Rede nichts, das nicht ebensowohl
von irgend einem anderen Fürsten auf dem Todtenbette
ausgesprochen werden konnte. Herodian hat diese Rede
vielleicht mit Zugrundlegung von Aussprüchen eingefügt,
die er in Mark AureFs Werken fand. Man bemerke noch,
wie der Autor absichtlich Alles ausschmückt; so erhebt sich
der Leidende langsam von seinem Ruhebette: f^cux^ä "^^^
CKijUTToboc KOuq)icac, sinkt nach der Rede erschöpft zurück:
TocaOra eiTTovxa töv MäpKov ^TTiTrecoOca XeiTuoOujaia KaxeciTtt-
cev. UTTÖ bk dcGeveiac t€ Kai dGujaiac auGic UTrriaCev, lebt
gerade noch eine Nacht und einen Tag: 6 jatv ouv vukt6c
T€ Ktti fm^pac eirißiOücac juiiäc dvcTraucaio.
Ungeachtet der Weitläufigkeit, mit welcher er sich über
die letzte Scene im Leben des Kaisers ausbreitet, wäre
es schwierig aus ihm zu schliessen, welche Meinung Mark
Aurel von seinem Sohne gehabt habe; denn daran lässt sich
nicht zweifeln, dass derselbe eine bestimmte Idee von Com-
modus' Charakter sich gebildet hat.
Die Einzelheiten aber, welche Capitolinus im Leben des
I. Quellenkritik. 231 '
Mark Aurel 28 gibt, stimmen nicht im geringsten mit den
Xachrichten Herodians überein. In Bezug auf die letzte Zeit
^\gt jener : Septitno die gravaius est et solum ßium -admisit ....
dlmisso fiiio Caput operuit quasi voiens dormire; sed nocte ani-
mam efßavit. Derselbe zeigt vielleicht auch Spuren jener
Gerüchte, auf welehe Herodian seine ganze Geschichte auf-
baut: feriur ßium mari voluisse cum eum talem videret fu-
turum qxialis extitit post eius mortem ^ ne, ut ipse dicebai, similis
yeroni^ Caligulae et Domitiano esset \ vielleicht hat aber
Capitolinus an dieser Stelle selbst nur den Bericht des Hero-
dian vor Augen. So viel bleibt sicher^ dass aus Herodian
nichts geschichtlich Wahres über die letzten Stunden des Mark
Äurel gezogen werden kann.
2. Erste Begieruugshandlungen.
T)io 72. 1 meldet kurz, dass sich Commodus nicht um
die Rathschläge der Senatoren bekümmerte, welche ihm sein
Vater beigegeben hatte. Lampridius 3 sagt Patris ministeria
senior a submovit, amicos senes ahiecit. Herodian allein ist
auch hier weit einlässlicher. Einige Tage (I. 5) vergehen,
während welcher man sich mit der Todtenfeier beschäftigt,
nachher rathen die Freunde dem jungen Kaiser an^ sich dem
Heere zu zeigen, er befolgt ihren Rath imd hält vor der
Armee eine Rede. Alle diese Nachrichten konnten gegeben
werden, wenn man auch keine Kunde von Deutschland
hatte, es waren dieses die Gebräuche der Thronbesteigung.
Die Rede aber, welche folgt, kann keine historische Treue
beanspruchen. Herodian lässt den Sohn ganz wie den Vater
beginnen, beide äussern sich über die Trauer, welche alle
bei der Krankheit oder dem Tode des Kaisers ergriflfen. Im
Verlaufe seiner Rede zeigt Conunodus Ideen würdig eines
Sohnes des Mark Aurel, so z. B. 6v dTiciKOÜeiv T€ tuiv Xcto-
nevujv Kttl Ttt TTpaTTÖfieva dtpopfiv fjTeicGe eubai^ovoirijuiev b'
av Ttt b^ovra npÄTTOViec uttö lOioÖTip jadpxupi; er will auch
den Krieg eifrig fortsetzen mit dem Beistande seiner Freunde.
Doch alles diess fällt zusammen, wenn wir mit Dio und den
}
232 Johannes Zürcher: Commodus.
redacierten Berichten der scriptt. hist. Aug. uns Commodus
keineswegs noch so tugendhaft vorstellen, wie Herodian sich
denselben in diesem Augenblicke denkt. Auch in dieser
Rede wiederholt Herodian die nämlichen Gedanken mit glei-
chen Worten, so finden wir:
dKcTvoc T«P TüdvTac fjiuäc die ?va iiTÖiTra;
TTÖtviac Tttp ^Möc u)C ?va ö Traxfip iq>i\€\
]a€T0tXÖ9povi ^TTiböcei olK€iaicTiTai tö CTpaTeujuia |
)Lt€TCiX6rppoci bujpeaic xP^M^tojv olK€iujcd|Li€VOC tö CTpaTiu)->
TiKÖv; I
Eine solche Nachlässigkeit flösst wenig Vertrauen ein und
man kann sich dieselbe nicht anders als durch ein Sichgehen-
lassen des Geschichtschreibers erklären, das bei geschicht-
lichen Erzählungen am unrechten Platze ist. Dessenungeachtet
sind Tillemont und Gibbon in ihren Römischen Kaiserge-
schichten Herodian gefolgt und haben nach ihm erzählt^ dass
Commodus einige Zeit die Rathschläge der Rathgeber befolgte,
welche Mark Aurel bestellt hatte. Herodian sagt dies I. 6:
öXiYOu jufev oöv Tivoc xpovou iravTa ^7TpdTT€T0 xq Tvuijuij tu;v
iraTptuuiV q)iXiJüv; er fügt bei, dass hierauf Schmeichler Ein-
fluss auf sein Gemüth übten, das süsse Leben Roms mit dem
rauhen Klima der Donau verglichen und endlich das Herz
des Herrschers gewannen. Ich mache dabei darauf aufmerk-
sam, dass die Nachrichten des Herodian sehr verführerisch
sind: alles schmiegt sich bei ihm in einander ein.
Dio versichert uns zwar (c. l), dass Commodus durch
seine Umgebung verleitet worden sei-, allein er erzählt das vor
der Thronbesteigung desselben. Lampridius führt Beispiele
an, um die nämliche Thatsache zu beweisen. Solchen Zeug-
nissen gegenüber, die dem Herodian geradezu widersprechen,
kann man dessen Bericht nicht annehmen. Dieser hat seine
poetische und moralische Absicht, hat zeigen wollen, wie
sich Schmeichler am Hofe an einen jungen Fürsten anheften
und ihn zu Lastern verführen; er wollte zugleich die Rich-
tigkeit der Ahnungen des sterbenden Mark Aurel erweisen.
Nach ihm soll Commodus nun plötzlich den Freunden erklart
I. Quellenkritik. 233
haben, er sehne sich nach Rom, ohne zu wagen, die wahren
Grunde zu nennen. Das ist wunderlich genug, wenn man
den Charakter dieses Fürsten in jenem Momente kennt; allein
Herodian hat sich darum nicht bekümmert, sondern sich ein
eigenes Bild von demselben mit seiner Einbildungskraft ver-
schaül. Die Anwesenden vernehmen den Vorschlag des Kai-
sers mit Widerwillen; ol jatv fiXXoi cuvecTdXricdv t€ Tf|V vpuxrjv,
KQi CKuGpumaic taic öipeciv €ic t^v f veucav , nur Pompeianus,
mit der ältesten Schwester des Kaisers verheirathet, spricht
seine Ansicht in einer Rede aus. Er erklärt, dass Rom da
sei, wo der" Kaiser, dass die ausgezeichnetsten Senatoren
sich um den Kaiser befinden und dass Heer und kaiserliche
Kasse hinlänglichen Schutz gegen jede Usurpation gewähren.
Es ist nicht möglich festzustellen, ob am Ufer der Donau
Pompeianus damals überhaupt verweilt habe.
Herodian variirt nicht sehr mit dem Tone seiner Reden ;
so haben wir in den drei bisherigen einen ähnlichen Eiu-
leitungsgedanken :
Mark Aurel sagt I. 4: äxÖ€c9ai jiitv ujuäc icp' oTc öpfix^ jue
biaKe{]a€vov , Oau^acxöv ovbiv.
(Jommodus erklärt I. 5: KOivf|v elvai jiioi irpöc ujuäc Tf]V ^tti
ToTc KaraXaßoOciv dXTtiböva, djuau-
TÖv dKpißüJC TT^ireiKa.
Pompeianus beginnt 1. 6 : 7To6eiv jui^v ce tckvov koi b^CTTOia
Tf|V TTttTpiba eiKÖc.
„Für einen Augenblick" sollen die Vorstellungen des Pom-
peianus einen Eindruck auf Commodus gemacht haben; denn
auch in seinen Zeitangaben ist Herodian sehr allgemein, er
sagt I. 5: öXiTiuv bi bi€X9oucujv f^juepÄv, I. 6: öXiyou jutv
ouv Tivoc xpövou , weiter unten bicrpei^ie irpöc öXiyov und kqi
ou TToXXop xpövtü.
Jemand, der genaue Einzeluachrichten besitzt, würde
^1118 emige bestimmte Daten geben , alleiu Herodian ist davon
weit entfernt. Eö geht das klar aus dem hervor, was er über
den Friedensschlüsse mit den Völkern an der Donau berichtet.
Er lässt vorher den Commodus un die Befehlshaber der ein-
234 Johannes Zürcher: Commodus.
zelnen Corps schreiben, die nun schnell siegreich sind;
er sagt
I. 6: ol irXeicrouc tiüv ßapßdpiuv öttXoic ^x^^P^J^cavTO, touc
bfe Im jacTÄXaic cuvräEeciv ic qpiXiav dTTTitaTOvio, ßqicra irei-
cavTCc und wiederholt damit nur, was er I. 3 so ausge-
sprochen: oBc oubeTTUJ TiävTac ^KexeipuJTO, dXXd touc m^v irei-
001 ^c cujajLiaxiav irpocTitaT^TO.
Er fügt kurz bei; die Barbaren sind von Natur geld-
gierig, Commodus besass Geld, er gab jenen dasselbe reich-
lich und erkaufte so den Frieden. Viel zu allgemein gehalten
stimmt das überall nicht mit Dio Cassius, der uns 72. 2. 3
die Bedingungen des Abkommens angibt.
Wo uns andere Berichte vorliegen, können wir die
Unrichtigkeit der Darstellung des Herodian darthun, es
wird desshalb nicht zu gewagt sein, zuweilen auch da zu
zweifeln, wo uns eine eingehende Kritik wegen Mangels an-
derer Quellen unmöglich geworden ist. So gibt er ganz allein
I. 7 eine Beschreibung des Heimzuges des Commodus, die
wenig Glauben verdient. Vergessen wir nicht, dass Herodian
den Commodus noch für einen tugendhaften Jüngling hält, der
aber bereits einmal den Ruthen seiner Schmeichler gefolgt
ist. So kann das römische Volk ihn freudig empfangen-,
denn es denkt mit Herodian, vielleicht wird Commodus sei-
nem Vater ähnlich sein: TraxpiüZeiv tö ^eipdKiov fiTOUjuicvoi.
Wir wissen durchaus nichts von dem, was sich in den Pro-
vinzialstädten bei der Ankunft des Kaisers zugetragen hat
und müssen daher die Nachricht des Herodian auf sich be-
ruhen lassen, nach welcher die Blicke Aller mit freudiger
Sehnsucht auf dem jungen Kaiser weilten.
3. Einzug.
Herodian sagt ausdrücklich, dass der Senat dem heran-
kommenden Kaiser entgegengegangen sei : iräcd t€ f| cutkXti-
Toc ßouXf) Ktti TravÖTijuei ocoi Tfjv *Pu)|lhiv xardiKOuv dvGpujTTOi,
baq)vn<pöpoi T€ Kai irdvTa dmqpepöiiievoi fivGr] t6t€ dKjuidCovTa,
L Quellenkritik. 235
iiöppuj Tnc iröXciuc ÜTirivTiüV, ^Oeacöjaevoi töv v^ov Kai euYevf]
ßaciXea Dio, selbst Senator, sagt nichts von dem Allen, was
auffallt, selbst wenn wir nur die Auszüge des Xiphilin haben.
Lampridius fuhrt eine Einzelheit des Triumphzuges des Kai-
sers an : Romam ut redUl sübactore suo Saotero post se in curru
loca(o Ua triumphavit, ut eum saepius cervice reflexa publice
oscuiareiur. Hätte Herodian wirklich, wenn auch als Kind,
dem Einzüge des Kaisers Commodus in Rom beigewohnt, so
würde er diesen charakteristischen Zug aus dem Leben des
Commodus wohl nicht vergessen haben; derartiges drückt sich
eben so tief in's Herz ein, als alle diese Blumen und Kränze,
die man auch bei anderen festlichen Anlässen erblicken
mochte. Dass Herodian nur ein ideales Bild des ganzen '
Auftrittes entworfen, scheint sich mir durch eine Verglei-
ehung des Porträts des Kaisers Commodus mit dem des Bas-
sianus (Heliogabal) sicher zu ergeben:
Commodus I. 7. Bassianus V. 3.
TTpöc bfe Tq Tnc fiXiKiac dKjLifl fjv bk Tf|v fiXiKiav dKjLiaioc Kai
KQi Tf|v 6i|;iv fjv dEioOearoc cw- ifiv övpiv tujv Kaid auxöv
jiCToc re cujLijui€Tpia kqI KaXXei dipaiÖTaroc jaeipaKiwv TrdvTwv.
irpocunrou jh€t* dvbpeiac. eic tö auxö bf| cuviövtujv KdX-
Xouc ciijaaToc, f|XiKiac dKjnfjc . . .
Herodian hat sich ein Bild eines jungen Fürsten aus-
gedacht oder verschafft und wendet dies nun bei Gelegenheit
an verschiedenen Personen an. — Ueber das, was sich im
Senate in Gegenwart des Commodus zugetragen, sagt er nichts
weiter, als dass er demselben für seine Treue dankte,
wovon wiederum Dio nichts berichtet. Es ist ebenfalls
auffallend, wie sehr Herodian auf der hohen Abkunft des
Kaisers besteht und wie er dieselbe doch nicht genau kennt.
Er nimmt an, wie schon Sievers S. 36 bemerkt, dass Fau-
stina, Gemahlin des Kaisers Antoninus Pius, eine Tochter des
Kaisers Hadrian gewesen sei; sie war aber Tochter des Annius
Veras und der Rupilia Faustina (Capitol. v. Mar. Ant. 1).
Trotz der Begeisterung also, mit welcher unser Autor von
dem Einzüge des Commodus in Rom spricht, kann mau ihm
N
236 Johannes Zürcher: Commodus.
doch nicht Vertrauen schenken. Er mag wohl einst ein sol-
ches Schauspiel gesehen haben-, allein wir können uns nicht
vergewissem, ob es wirklich in dem uns angehenden Falle
geschehen sei.
4. Verschworung der Lucilla.
Auffallender Weise lässt Herodian seinen Commodus
einige Jahre die Rathschlägq seiner väterlichen Freunde be-
folgen, trotzdem dass er dieselben verwerfen Hess, als es
sich um das Bleiben an der Donau handelte. Tillfemont folgt
auch hier aufs neue dem Herodian, indem auch er ver-
sichert (IL 479), dass Commodus während einiger Zeit viel
auf die Rathschläge horchte, welche ihm die weisen Män-
ner gaben, die ihm sein Vater hinterlassen; Gibbon L &)
drückt sich ähnlich aus. Dio 72. 4 aber spricht mit keiner
Sylbe von einer anfänglich guten Regierung des Commodus,
er erklärt vielmehr, dass Commodus viele Menschen umge-
bracht habe, und zwar bevor er von der Verschwörung der Lu-
cilla spricht. Lampridius c. 3 erwähnt ebenfalls sogleich die
schlechten Thaten des Commodus imd gibt ausdrücklich an,
dass eben diese den Quadratus und die Lucilla zum Morde
des Kaisers bewogen. Solchen Zeugnissen gegenüber rauss
die an sich schon unwahrscheinliche Erzählung des Herodian
dahinfallen.
Dieser geht nun auf die Verschwörung der Lucilla ein.
die nach ihm den Anstoss zu den Gräuelthaten des Commodus
gegeben haben soll. Nach ilim ist Lucilla mit dem zweiten
Range nicht zufrieden, sie tritt gegenüber der Crispina in
den Hintergrund. Herodian muss glauben, dass sich Com-
modus erst nach seiner Thronbesteigung vermählt habe, denn
sonst könnte er nicht sagen, dass Lucilla den zweiten Platz nach
der Heirath ihres Bruders eingenommen. Crispina hat aber
den Titel Augusta gleich nach der Verheirathung im Jahre 177
(Eckhel Vn. 106) erhalten, Lucilla konnte somit nicht im
geringsten sich wegen Zurücksetzung beklagen. Wir finden
aber auch in den übrigen Quellen keine genügende Erklärung
I. QueUenkritik. 237
der Motive, welche Lucilla bewogen, ihrem Bruder nach-
zustellen. Lampridius c. 4 sagt wohl, dass die Grausamkeiten
des Kaisers daran Schuld gewesen seien, allein Dio 72. 4
gibt der Schwester des Eaisefs ein so schlechtes Zengniss,
dass man* jenen Grund wohl nicht in erste Linie stellen kann.
Diese Frage bleibt daher noch unentschieden; am wenigsten
mochte ich dieselbe durch Herodian gelöst sehen.
Als ersten Verschworenen neben Lucilla gibt Dio einen
Claudius Pompeianus an, über dessen Abstammung in ent-
scheidender Weise Borghesi (bull. arch. Napolitano 1855 n. ()G.
67) geschrieben hat; er war hiemach der Enkel des Claudius
Pompeianus, dem in späterer Ehe Lucilla vermählt war; sein
Vater wurde nach Lampridius 5. 12 wie von Räubern umge-
bracht. Man hat nun, um Herodian in Einklang mit den
übrigen Quellen zu setzen, nach Reimarus (zu Dio Cassius
'i2. 4) angenommen, dass dieser Pompeianus wohl noch den
Beinamen Quintianus gehabt habe, wie denn ein Claudius
Aurelius Quintianus wirklich (Mommsen, inscr. r. Neapol.
3597) vorkommt.
Allein man bemerke doch, dass Herodian nichts von seines
Quintianus Verwandtschaft mit Lucilla weiss, dass er denselben
durch Quadratus mit der Verschwörung bekannt werden lässt,
während nach Dio es gerade Lucilla ist, die ihn zum Morde
anstachelt. Was Dio von Claudius Pompeianus meldet, das
sagt Herodian von Quadratus. Dieser soll mit Lucilla in einem
geheimen Verhältnisse stehen, Dio dagegen versichert, dass
derselbe sehr enge mit Marcia verknüpft war, und man muss
nach allem bisher Erörterten das Zeugniss dieses genau unter-
richteten Zeitgenossen dem Herodians vorziehen. Letzterer
hat auch bei dieser Gelegenheit nicht versäumt, das Ganze
auszuschmücken, so sagt er von der Verleitung des Quadratus
m kqt' ÄXiYOV dv^TT€iC€ TÖv veavicKOV, von dem Ausrufe des
Qaintianus xal M^T^i^Q q)u)v4 TTpoemuüv. Es zeigt sich (s. o.
8. 225), dass Lampridius den Herodian hier vor Augen ge-
habt hat; bei beiden spielt Quadratus eine weit wichtigere
Rolle als Pompeianus, die- Worte des Lampridius detexU
238 Johannes Zürcher: Coinmodus.
facinus fatuus nee implevH sind, wie gesagt, üebertragung der
Worte des Herodian: 8c irpoeiire tö ßeßouXeujievov ^äXXov
fj fbpace. Nach meiner Meinung ist es weit vorzuziehen, die
trockenen Nachrichten des Dio'Cassius und die des Lampridius,
soweit er unabhängig von Herodian ist, wiederzugeben, als
ihnen die Erzählung des letzteren an die Seite zu setzen, die
uns nicht wahrheitsgetreu erscheinen kann. Wir finden
übrigens auch in diesem Kap. 8 eine Wiederholung; Herodian
sagt: AouKiXXa fjv iq) Ko|ui)Liöbuj TrpecßuTdTTi TT(ivTU)v abeXcpn,
das Nämliche findet sich Kap. 6: cuviÜKei t«P Tfl 'TpecßuTdrri
Tujv äbeXcpwv ToO Ko^^iöbou.
5. Sturz des Perennis.
Die Nachrichten und Beurtheilungen über Perennis sind
sehr verschieden. Dio verschweigt seine Schwächen nicht;
er hatte zum Sturze seines Mitbefehlshabers der pratoria-
nischen Cohorten Tarrutenus Paternus eingewirkt, sonst hat
er seinen Posten ehrenvoll verwaltet. Lampridius, neben
Herodian (s. o. S. 3 f.), hier wohl meist auf Marius Maximus
gestützt, hat eine schlechte Meinung von ihm, wird aber
durch die Verbindung beider Quellen selbst inconsequent; er
lässt nach Herodian Commodus durch Perennis zu den Ver-
gnügungen verführt werden — nam ,persuasit Commodo, vi
ipse delictis vacaret — obwohl er Commodus schon längst dAs
solchen Freuden ergeben darstellte. Man muss das Urtheil
des Dio durchaus aufrecht halten und dann Lampridius' un-
abhängige Nachrichten, welche genaue Kunde zeigen, ver-
wenden, z. B. neben den Scandalnotizen: et hanc quideni
pacnileniiam scelerum ultra iriginta dies teuere non potuU.
Herodian erklärt, dass Perennis den Kaiser zu den
Lastern verleitet, dass er dessen väterliche IVeunde ent-
fernt und ihre Habe an sich gerissen habe. Allein Com-
modus handelte hierbei aus eigenem Antriebe. Er hätt^^
auch nicht seinen ersten Angestellten sich so bereichern
lassen , dass er der reichste Mann seiner Zeit wurde:
I. Quellenkritik. 239
pocTtt nXoucidiTaToc ^t^v€TO tujv xaO* auiöv dv8pu)Truüv, denn
der Kaiser wollte vor allem sich selbst bereichem. Herodian
wyft dem Perennis ferner Trachten nach dem Throne vor-,
wir finden nirgends sonst die geringste Andeutung dieser
Anklage^ und allein sich auf Herodian verlassend dieselbe als
wahr hinzunehmen scheint zu gewagt , wie denn auch Lam-
pridios sie aufzunehmen sich hütete.
Perennis soll für seine Söhne den Oberbefehl über die
illjrischen Truppen gesucht haben, alle Quellen sprechen nur
Ton zwei Söhnen desselben, von denen wir nur diese Nach-
richt bei Lampridius haben, c. 6 eo tempore in Sarmatia res
bene gesias per alios duces, in ßium stium Perennis referebat.
Herodian freilich weiss mehr: nach ihm suchte der Sohn,
welcher sich in Ulyrien befand, das Heer durch reichliche
Geschenke zu gewinnen; er ging selbst so weit, sein eigenes
Bild auf Münzen schlagen zu lassen. Dieses wurde dem
Commodus heimlich mitgetheilt, er brachte den Vater um,
lockte den Sohn nach Italien und liess ihn ebenfalls todten.
Von dem andern Sohne spricht Herodian nicht weiter, allein
auch das, was er über den ersteren berichtet, trägt einen
romanhaften Charakter an sich. Es lässt sich kaum denken,
dass man eine Erhebung damit beginnt, dass man Münzen
mit dem Bilde des künftigen Herrschers schlägt. Herodian
fügi nur Unbestimmtes über den Aufenthalt des Sohnes in
Ulyrien bei, lässt ihn ganz unschuldig herankommen und an
einem ganz unbestimmten Orte sterben : Y^vöjuevov bt aÖTÖv
KQTd Tf|v MtaXiav, olc toOto Ivr^raXio, biexpncavTo. Diese
Imstande allein schon vermindern sehr die Glaubwürdigkeit
der Darstellung unseres Autors, und wir werden über die
^hiie nichts weiter aussagen können, als was Dio uns be-
richtet: die beiden Söhne des Perennis kamen um.
Auch über den Tod des Perennis selbst müssen wir Dio
t'assius folgen, wie denn schon ßeimarus (D. C. II. 1211)
hier dem Berichte des Herodian kein Zutrauen geschenkt hat.
I^ioser wirft allgemein hin, dass Perennis geldsüchtig und
240 Johannes Zürcher: Commodus.
lierrschbegierig^) gewesen sei^ allein solche Dinge kann mau
sagen ^ wenn man auch keine bestimmten Thatsachen kennt.
Wir vermissen diese auch hier, die übrigen Quellen führen
doch einen bestimmten Vorfall an , der glaubwürdig ist,
Herodian aber lässt durch einen Narren dem Kaiser in ge-
fülltem Theater ankünden: ,,das Schwert des Perennis hängt
über deinem Nacken", und er datirt von diesem Augenblicke
an die Angriffe gegen die Herrschaft des Perennis, den er
dann bei Nacht umbringen lässt, während derselbe nach
Dio 72. 9 den Soldaten überliefert ward. Halten wir auch
hier den Bericht des Dio aufrecht, vergessen wir nie, wie
leicht in der Erinnerung die Charaktere in einander ver-
fliessen; so ist es mit Perennis geschehen, der in jüngerer
Vorstellung eben Commodus' eigenen schlimmen Charakter
angenommen hat.
Es ist schwer zu bestimmen, in welches Jahr der Sturz
des Perennis fallt. Lampridius sagt, dass man dem Kaiser
wegen des Perennis Tode den Beinamen Felix ertheilt habe,
c. 8 quum occidisset Perennem appellatus est Felix, wir finden
diesen Titel nach Cohen auf Münzen des Jahres 185, allein
auffallender Weise gibt eine Inschrift vom Jahre 183 bereits
auch diesen Beinamen:
Orelli 1918: IMP. COMM
ODO AVG. PIO. FELICE HH. ET VICTORINO H COS
so findet man ihn wieder: 186. Orelli 5485. 5486.
Wenn jene Inschrift das Datum richtig angibt, so würde
der Fall des Perennis bereits in's Jahr 183 oder 182 zu setzec
sein; das ist aber nicht wohl möglich, weil wir erst 184 den
Namen Britanniens und zugleich noch den der Crispina auf
Münzen finden; der Tod der Kaiserin scheint aber in jedem
Falle dem Tade des Perennis voranzugehen. Setzt man die
Verschwörung der Lucilla und den britannischen Krieg ins
1) Seine Rathschläge sind nach dem Tyrannentypus: ^KKÖirreiv t^P
Kai KoXoOeiv aöxCfi cuv€ßoOX€U€ xouc öircpdxovTac (Herodian I. 8. 9) cf.
Aristot. Polit. V. 11 (p. 155 ßekker) touc Orrep^x^vTac koXoOciv koI
ToOc (ppovr)naTiac dvaipeiv [R.].
I. Quellenkritik. 241
Jahr 184, so können wir dann für 185 den Untergang des
Perennis annehmen. Der Zwiespalt mit der erwähnten In-
schrift bleibt aber noch zu losen.
6. Haternus.
Ueber diesen Räuberhauptmann haben wir nur bei He-
rodian eingehende Nachricht. Es fragt sich daher ein-
fach, ob man diesem vollen Glauben schenken will oder
nicht, denn anderweitige Nachrichten fehlen fast gänzlich.
Lampridius 16. 2 nennt das bellum desertorum nur einmal
nach einem der Prodigien dieser Regierung (caelum arsit),
und im Leben des Niger c. 3 finden wir eine kurze Notiz,
dass jener Gegenkaiser bei diesem Anlasse in Gallien thätig
gewesen sei. Tillemont und Gibbon haben aber den Bericht
des Herodian in ihre Werke aufgenommen, der letzte Kritiker
desHerodian, Sievers, findet, dass „recht dankenswerth sei,
was Herodian über Maternus und seine Schaar mittheile.''
•
Bis dahin haben wir unsrerseits dem Werke des Herodian
nichts entnehmen können, wir haben bei verschiedenen An-
lässen seinen ^Bericht gänzlich ungenau gefunden, dürften
wir nun nicht auch diese Schilderung des Treibens des Mater-
nus mit einem gewissen Misstrauen aufnehmen? Unser
Historiker erzählt, wie ein Matemus, Deserteur, eine Schaar
gleichgesinnter Burschen um sich gesammelt, mit ihnen
iXirferund Städte überfallen, gebrannt und geplündert habe.
Seine Bande sei so angewachsen, dass Commodus ein heftiges
Schreiben an die Befehlshaber Galliens und Iberiens gerich-
tet, in welchem er ihnen Saumseligkeit vorgeworfen habe.
Da hätte man ein Heer zusammengebracht, jene hätten Furcht
bekommen, Maternus sich nach Italien begeben, in der Ab-
sicht, den Kaiser beim Feste der Cybele umzubringen. Dieser
Anschlag sei wegen Verrätherei missglückt, Maternus darauf
enthauptet worden. Mit sehr wenigen Daten konnte Herodian
diese ganze Erzählung aufbauen , wir haben schon öfter seine
Neigung zum Schildern hervorgehoben. Wir finden auch die
schon oft gerügte Nachlässigkeit sich zu wiederholen, so
l'otcrsueh. i. Rum. Kaiserg-esch. I. \(j
242 Johannes Zürcher: CopimoduB.
folgen sich ganz nahe die beiden Sätze: nöXeci rotp f\hr\ \i€-
Ticraic direTteevro iröXeci xe laTc fieTicraic imövj^c
Merkwürdiger Weise leiht Herodian unserm Helden dieselben
Gedanken 9 wie kurz zuvor jenem Manne , welcher dem Com-
modus seinen baldigen Untergang ankündet; dieser wollte
nicht unbekannt und unbemerkt bleiben, jener will nicht
unbemerkt und ruhmlos sterben. Ob Matemus nun wirklich
nach Rom gelangt sei und hier seinen Tod gefunden habe^
mochte ich nicht behaupten; das absolute Stillschweigen nicht
nur des Dio, sondern auch des Lampridius, der so viele
Einzelheiten aufzählt, fällt schwer in's Gewicht. Denn wäre
die Sache so bedeutend gewesen — und Herodian stellt sie
so hin, da der Kaiser von nun an die Stadt und die öffent-
lichen Versammlungen flieht, — so würde man sie doch hier
erwähnt finden. Herodian wollte eben eine Schilderung eines
Hauptmanns von Räubern und Deserteuren liefern; in dieser
Hinsicht hat er seine Aufgabe gelöst: das Dunkle mangelt
nicht; er hat zugleich diesen Anlass benutzt, um seinen
Landsleuten, den Griechen, eine genaue Kunde von dem
Dienste der Cybele zu verschaffen und ihnen seine Belesen-
heit in solchen Fragen an den Tag zu legen ; er widmet das
ganze 11. Kapitel diesem Zwecke. Uns aber hat seine Er-
zählung nicht die Ueberzeugung eingeflösst, dass sich diese
Dinge so zugetragen; man braucht nur daran zu denken^
wie heute noch berühmte Verbrecher in der Sage des Volkes
fortleben und sich nach Jahrzehnten vergrössern, um unseni
Zweifel an der historischen Treue des Herodian auch hier
nicht migerechtfertigt zu finden.
7. Oleander.
Herodian allein berichtet, dass Oleander ein Phrygier
gewesen sei ; er mochte eine bestimmte Notiz darüber haben,
oder auch nur aus dem Charakter dieser Nation geschlossen
haben, dass Cleander ihr angehören könnte, wie ihn denn
seine Schilderungen des syrischen Charakters (H. 7 und 10;
HI. 11) hierfür befähigt erscheinen lassen. Er wirft demselben
--m ■ V ■ ■
/
L Quellenkritik. 243
nngemeine Habsucht und Streben nach dem Throne vor. Das
Er^re ist richtige Herodian gebraucht dabei die nämlichen
Ausdrücke wie bei Perennis; allein von dessen Absichten
auf den Thron weiss man eben so wenige als von jenen des
Perennis^ welchen beiden Herodian die nämlichen Bestrebungen
leiht. Was die Aehnlichkeit bei Herodian noch vermehrt;
das ist ihr Trachten ^ die Soldaten für ihre Anschläge zu
gewinnen. Bei Herodian verschiebt sich nun die ganze Sach-
\s^y nach ihm strebt Oleander nach dem Throne , er will
Volk und Armee von sich abhängig sehen y ruft desshalb eine
Hnngersnoth hervor, um sich durch reiche Gaben beliebt zu
machen. Allein nach Dio 72. 13 war nicht Oleander der
Urheber dieses Getreidemangels , er wünschte wohl das Wohl-
befinden des Volkes, wenn man nur ihn ruhig seinen Genüs-
sen nachgehen liess, wohl aber war es Dionysius Papirius,
der aus Hass gegen den Günstling des Kaisers die Noth noch
vergrosserte. Auffallender Weise findet sich bei Herodian
keine Erwähnung von dem Auftritte im Theater, den Dio
Cassius im einzelnen schildert, er lässt das Volk sich in den
Theatern zusammenrotten und sich ohne bestimmte Veranlas-
sung nach der Wohnung des Kaisers begeben. Hier befand
sich nach Herodian Commodus in sehr entfernter Gegend
iv TOic dvaKexiupTiKÖct töttoic ^ ; Oleander schickt alle kaiser-
lichen Reiter gegen die Menge ab und zwar, was Herodian
nicht vergisst, bewaffnet, plötzlich und zum Erstaunen des
Volkes, das verwundet wird. Nach Dio hat Oleander zuerst
nur wenige Soldaten abgeschickt: Kai öc CTpariiliTac Tivac
h* auTOuc fire/itpe; die Rebellen waren auch nicht so weit
▼oi^erückt, wie Herodian sich vorstellt. Nach Dio lässt sich
femer die durch Soldaten verstärkte Menge nicht abschrecken,
sie geht vielmehr bis in die Nähe des Oommodus vor. Nach
1) Es mag darin eine dunkle Erinnerung an den Wegzug ad Caelium
9ont€m in Vectiliancis aedes liegen, von welchem Lampridius 16, 3
spricht mid der durch die Annalennachrichlen bei Commodua' Tode
^EuMbiuB II, 174 ed. Schone. Stadtchronik S. 047 od. Mommsen) bestä-
tigt wird [BJ.
16*
244 Johannes Zürcher: Commodus.
Herodian wagt das Volk nicht zu widerstehen, denn es war
fivoTrXoi irpöc dj7TXic|Li^vouc Kai neloX irpöc liriTeTc; die Reiter
verfolgen die Menge bis in die Stadt, allein hier werfen die
Einwohner Steine und Ziegeln auf sie hinunter, worauf die
Truppen sich zur Flucht wenden. Man bemerke auch hier,
wie Herodian das Nämliche oft wiederholt, er spricht in
jedem Augenblicke von den Gefallenen und Verwundeten:
o\ ßactXeioi iTtTreTc roiic t€ dvTUTXavoviac fßaXXov —
^q)9€(p€T0 bk 6 bfi^oc ou pövov ßaXXöjuievoc uttö tuiv
CTpaTlUJTlIlV —
XiOoic Ktti Kepdfioic fßaXXov toüc lirTreTc —
ToO bi ttXtjOouc iE, dc9aXoOc fjbri ßdXXovTOC auTouc —
TToXXol b^ aÖTÜJV bi€(p6eipoVTO —
TToXXOüv bk dKaT^pu)0ev TnirröviiJüv.
Von den Soldaten, die in der Stadt den Tod erleiden,
sagt Herodian: o\ bk firacxov äirep b€bpdK€cav; ebenso spriclit
Laetus II. 1 zu Pertinax: xai Sirep auTÖc fmdc bpdcai bi€-
V0€iT0, rauTtt irpöc fijLiOöv firaGev. Herodian erklärt, dass dem
Volke die Fusstruppen der Stadt zu Hülfe geeilt seien : ^it€-
ßoViGouv Ti^ br\ixw xai ol xfic tt6X€u)c nelox CTpaTiÄrai;
allein nach Dio waren es die bopu(pöpoi, die ihre Reihen
verstärkten, und unter welchen man Prätorianer zu ver-
stehen hat.
Commodus wusste sowohl nach Dio als nach Herodian
nichts von dem was vorfiel, der erstere Geschichtschreiber
meldet, dass die Concubine des Kaisers Marcia zu ihm go-
drungen sei und ihm das Vorgefallene erzählt habe. Hero-
dian liefert eine andere Erzählung, welche von Tillemont
und Gibbon mit allem Zutrauen aufgenommen wurde. Man
kann nicht die Anmutli des Kap. 13 läugnen; allein wir
dürfen dasselbe nicht als historisch hinnehmen. Dem Hero-
dian kommt es vor allem auf eine glänzende Schilderung an.
Er führt eine neue Person ein; es ist Fadilla, di^ durch
einige Inschriften bekannt ist und von Borghesi als Gemahlin
de^ Consuls Claudius Severus betrachtet wird ; allein wir
wissen nicht im geringsten, ol) sich dieselbe damals wirklich
1. Quellenkritik. 245
ia der Umgebung des Kaisers befunden hat; dabei fallt doch
auf^ wie Herodian auch Fadilla die älteste Schwester des
Tommodus nennt ^ ganz gleich wie er es schon bei Lucilla
gethan. Diese Fadilla muss sich nun im Trauergewande^ mit
aufgelösten Haaren in das Zimmer des Bruders stürzen ^ ihm
eine Rede halten ^ in welcher sie denselben zum Morde des
Cleander auffordert^ nachher ihr Kleid zerreisseu. Dieses
kliugt wie ein Roman ^ es lässt sich kaum denken^ dass He-
rodian selbst dieser Scene beigewohnt oder davon einen Bericht
Tun einem Anwesenden erhalten habe, er, der über die Re-
gierung des Commodus so wenig bietet. Die Darstellung des
Dio muss ihr Recht behaupten und man darf nicht, wie es
Gibbon gethan, seine Darlegung mit der des Herodian in
ein Ganzes vermengen.
Herodian meldet, dass Commodus das Haupt des ge-
todteten Cleander auf eine Stange stecken liess und so dem
Volke zeigte; Dio sagt nichts davon, nach ihm sind es die
Komer, die so den Kopf in der Stadt umhertrugen. Hero-
dian spricht weiter von zwei Söhnen des Cleander, Dio
erwähnt nur einen und fügt nicht bei, dass das Volk mit
dem Korper desselben den nämlichen Unfug wie mit dem des
(leander getrieben, was Herodian behauptet, der auch alle
Anhänger des Gestürzten umkommen lässt: TrdvTac t6 öcouc
^becav £K€ivou 91X000 biexpncavTO, Dio ist bei weitem nicht
so absolut: Kai Tivac icai fiXXooc tuiv \xi^a dir* auroO buva-
fifcviuv d<p6v€ucav. Diese Abweichungen von der Darstellung
des Dio, sowie der geschmückte Ton der ganzen Erzählung
des Herodian sind wohl stark genug, um uns zu erlau-
ben, die Geschichte von Oleanders Sturze, wie sie sich bei
Herodian findet, zu verwerfen. Lampridius, der Kap. 6. 7
viele Einzelheiten über Cleander gibt, erwähnt nichts von
der Theuerung, welche Herodian als Ausgangspunkt genom-
men; dieser Umstand mag deshalb wohl nicht so bedeutend
gewesen sein. Es sei endlich auch hier wieder darauf auf-
merksam gemacht, wie Herodian nur eine That angibt, welche
man dem Cleander zum Vorwurf macht und von den übrigen
246 Johannes Zürcher: Commodus.
Umständen, die wir bei Dio Gassius und Marius Maximas
(Lampridius) finden, durchaus schweigt.
Nach dem Untergange des Oleander soll nach Herodian
Commodus in alle Lüste verfallen sein. Das wird aber -wol H.'s
Zuthat sein; denn er schildert mit Absicht den Commoduä
zuerst ganz gut, dann durch den Einfluss des Perennis vom
rechten Wege abgeleitet, nach der Erhebung des Matemus
als sehr furchtsam und von den Staatsgeschäften zurück-
gezogen, nach dem Untergange des Oleander endlich als
misstrauisch , grausam und allen Lastern ergeben.
8. Brand in Born.
Eusebius' Ohronik (II, 175 ed. Schoeue) meldet von zwei
Bränden in Rom unter Oommodus' Regierung: der von 189
entstand durch Blitzschlag im Oapitol und vernichtete dortige
Bibliotheken und Nachbarhäuser, der von 192 zerstörte Pala-
tium, Vestatempel imd einen grossen Theil der Stadt (piu-
rima urbis pars, multa alia, aXXa TiXeicra).
Lampridius gibt keine Nachricht darüber, wohl aber Dio
Oassius 72. 24 und Herodian I. 14, welche beide eine grosse
Feuersbrunst unter die Vorzeichen von Oommodus' Tode ein-
ordnen. Nach Dio brach das Feuer in einem Privathause aus,
iiach Herodian wusste man nicht, wie dasselbe den Anfang
genommen; nach Dio verbreitet es sich zu dem Friedenstempel
Ktti ^c TÖ €ipTivaiov dfiirecöv, nach Herodian beginnt es bei
diesem selbst; hier sollen sich nach dem Letzteren auch die
Vorräthe von Privatpersonen befunden haben, nach Dio ver-
brannten die egyptischen und arabischen Niederlagshäuser.
Endlich wurde nach Dio nur ein Theil des Palatium verzehrt,
nicht das ganze, wie die Ohronik sagt; Herodian spricht aber
überhaupt nicht von dem Palatium, wohl aber wie die Chronik
von dem Tempel der Vesta, im Uebrigen ist er auch hier
ganz allgemein in seinen Angaben.
Ueber das Ende des Brandes gehen Dio und Herodian
ebenfalls auseinander; nach jenem hörte derselbe nicht eher
auf, als bis er keine Nahrung mehr fand, nach diesem soll
L QueUenkritik. 247
eiu gewaltiger Regeiiguss deniselbeu £infaalt gethau haben.
Dieses ist die spatere Wendung, indem man, wie Herodian
selbst beifugt, darin ein unmittelbares Eingreifen der Götter
sehen trollte. Die gibt uns hier auch noch eine nicht un-
wichtige Notiz, Commodus kam von der Vorstadt her, um selbst
den Arbeiten bei Erstickung des Brandes beizuwohnen, kqI
auTOÖ Toö Komiöbou direXOövTOC ^k toö irpoacTeiou; er befand
sich also auch damals noch in der Vorstadt, während uns
Herodian versichert, dass derselbe nach dem Tode des Oleander
in die Stadt zurückgekehrt sei, I. 13: 8\x{jjc bk Ttapopiuiricdv-
Tujv aurov tuiv oiKeiwv KareXOdiV ^c tö äcTu. Zur Vervoll-
ständigung dieser Notiz sei hier beigefügt, dass Lampridius
v8 und 16) von einem Aufenthalte des Kaisers in Lanuvium,
wo er ja auch geboren war, berichtet, und dass derselbe im
dortigen Amphitheater Thiere erlegte und man eine Eule
über dem kaiserlichen Gemache bemerkte. Herodian spricht
von einer angeblichen Uebersiedelung nach Laurentum aus
Gesundheitsrücksichten (12).
9. Die Yergnfigangen des Kaisers Gommodas.
Dio 72. 16 — 20 unterscheidet, was Commodus vor dem
Volke und zu Hause gethan, während Lampridius und Hero-
dian zu vermengen scheinen. Lampridius 9 meldet, dass
lk)miüodu9 sich die Löwenhaut umgelegt und in dieser Klei-
dang nicht nur Thiere, sondern auch Menschen umgebracht
habe: ciava non solum leones in vcste muliebri et pelle leonina
sed eiiam homines mullos adflixit, Herodian 14 sagt ebenfalls,
dass er sich mit Keule und Löwenhaut dem Volke gezeigt,
KeovTiiv dTrecTpwvvuTO Kai ^öiraXov jueTCi X^^poc cpepiwv. Dio
Cassius erklärt, dass man ihm Keule und Löwenhaut vor-
getragen und dass der Kaiser sich als Hermes vor dem Volke
im Theater gezeigt habe.
Dio 72. 15 und Lampridius 11 und 12 lassen uns, nicht
ohne Widersprüche der Aufeinanderfolge , die von Commodus
erfundenen neuen Monatsnamen herstellen. Herodian L 14
glaubt nun, dass die neuen Monatsnamen meist (ai irXeiCTat)
248 ' Johannes Zürcher: Commodus.
auf den Herculescult Bezug gehabt hätten ; es hies» aber nur
der September oder Oetober Hercules , denn weder der Apollo-
name Invictus noch auch wahrscheinlich selbst der allgemeine
Titel Exsuperatorius — ganz abgesehen von den übrigen
Namen Amazonius^ Felix ^ PiuS; Lucius, Aelius, Aurelias,
Commodus , Augustus , Romanus — können in Betracht
kommen.
Nach Herodian I. 15 sollen aus Italien und den benach-
barten Ländern Menschen herbeigeeilt sein, um den Thier-
kämpfen, in welchen Commodus auftrat, beizuwohnen. Dio
Cassius' 72. 20 eingehendem Berichte zufolge hat das Volk
sehr wenig Antheil an diesen Kämpfen im Theater genommen,
und Dio kann sich doch berühmen: irapüüv auTÖc Ifib xai
elöov €KacTa Km fJKOUca! Herodian stellt den Kaiser als
Kämpfer weit höher als Dio, der die Umstände aufzahlt,
welche das Erlegen der Thiere so sehr erleichterten; Hero-
dian meldet nichts von der Theilung des Amphitheaters in
mehrere Behälter, er erweist dem Commodus zu viel Ehre,
wenn er ihn Hirsche und Gazellen mit blosser Hand erlegen
lässt; denn man möchte diese Thiere doch nicht zu den ßord
rechnen, von welchen Dio versichert, dass er sie auf jene
Weise tödtete. Herodian allein gibt dem Kaiser Parther und
Maurctanier als Lehrer in Thierkämpfen ; er will eben be-
weisen, dass der Kaiser auch die berühmtesten Kämpfer ^ocli
an Gewandtheit übertroflFen, dies ergibt sich aus den Bei-
sätzen: cuvficav bk 7Taib€uovT€c auTÖv TTapGuaiuJV oi toHuoiv
dKpißoövT€C Kai Maupouciujv oi dK0VTi2^€iv apiCTOi, oöc ndvrac
eux€ipia UTrep^ßaXXev. Es lässt sich doch zweifeln, dass
Commodus eine solche Fertigkeit im Speerwerfen erlaugt,
dass er niemals gefehlt habe, wie Herodian behauptet, der
auch versichert, dass Copimodus je mit einer Lanze hundert
Löwen umgebracht habe; sollten dieses vielleicht die hun-
dert Bären sein, von denen Dio 72. 18 spricht?
In Bezug auf die Gladiatorenkämpfe ist Herodian im
Einklänge mit den anderen Quellen; wenn er berichtet, dass
Commodus den Namen eines berühmten Fechters angenommen,
^^
I. Quellenkritik. 249
80 wird woh] Marius Maximas bei Lauipridius 15 dieses
ergänzen 9 wenn er meldet: Appellatus est sane inttr cetera
irntmphaiia nomina etiam sescenties vicies Palus primus secu-
iontm. Herodian behält seine alte Gewohnheit, die nämlichen
tiedanken mit denselben Ausdrücken wiederzugeben. Wir
finden
14, £ic TocouTÖv T€ /lavioc Ktti TTapoivtac TTpouxuipricev . . . .
15. €ic TocoÖTOv hk Trpo€Xu>pric€ fiaviac ....
10. Tod.
Wir haben auch hier verschiedene Abweichungen der
Darstellung des Herodian von der des Dio 72. 22, welche
wir, als den Ereignissen weit näher stehend, bisher als rich-
tig angenommen haben, lieber den Zeitpunkt der Ermordung
scheint Herodian im Unklaren zu sein, nach ihm Cap. 16 soll
Commodus am 1. Januar get(>dtet worden sein, denn am
2. Januar fand das Fest statt: veou fifev Top frouc ttic ^ttiou-
cifc IpeXXev fm^pac; nach allen anderen Quellen (Clinton ad h. 1.)
ist dieses Ereigniss auf den 31. December zu setzen: iv yoOv
Ti} TeXeuraia toO Itouc i\\xipq. sagt Dio. Herodian nimmt an,
dass alles Nachmittags oder gegen den Abend vorgefallen,
denn nach ihm zog sich Commodus Mittags in sein Zimmer
zurück: Kai fäp fi€cimßptac eiuiOei toOto iroieiv und er theilt
nicht mit, dass irgend eine Unterbrechung während des
ganzen Dramas vorgefallen. Nach Dio sind es der Präto-
rianerpräfect Laetus und der Kämmerer Eclectus, die zuerst
an die Ermordung denken; sie setzen sich mit Marcia in
Verbindung. Nach Lampridius 17 und 15 waren es Laetus
vmd Marcia, die begonnen, denen sich dann auch Eclectus
beigesellte. Bei Herodian endlich ist es Marcia, die zum
ganzen Unternehmen den Anstoss gibt. Sie soll nach dem-
selben Autor in der Nacht auf Befehl des Kaisers ermordet
werden, das gleiche Schicksal soll auch Laetus und Eclectus
nebst einer grossen Anzahl Senatoren treifen. So bedroht
stellen sie sich ziur Gegenwehr und tödten den Kaiser.
Dio sagt nicht, dass Commodus jene drei Personen gerade
250 Johannes Zürcher: Commodus.
am bezeichneten Tage habe todten wollen; er sagt nur^
dass er ihnen oft gedroht: ö Tctp AaiTOC xai 6 *€kX€ictoc
dxOöfievoi aÖTqj bi' 8 ^iroiei, xai irpoc^Ti Kai q>oßiiO^VT€C, ^ireßcO-
Xeucav auTifi — ähnlich Lampridius 15: Eclecius cubictdarim
cum videret, eum tarn facile cubicularios accidere, praevenit
cum — und fügt bei, dass Commodus beabsichtigt habe, die
Consuln des folgenden Jahres aus dem Wege zu schafifen.
Lampridius spricht sich vollends nicht so aus, als ob der
Kaiser am letzten Tage des Jahres Laetus , Marcia und Ecleetus
des Lebens habe berauben wollen. Ich halte desshalb die Dar-
stellung des Herodian in Bezug auch auf diesen Punkt für
grundlos und denke, dass auch das, was unser Geschicht-
schreiber vorher erwähnt, nicht wahrheitsgetreu sei.
Nach ihm will der Kaiser am kommenden Feste von der
«
Behausung der Gladiatoren aus den Festzug antreten, dies
wird auch von Dio erwähnt, allein er brauchte desshalb nicht
erst den Laetus und den Ecleetus hinzuschicken, um dort
eine Wohnung zu bereiten, die er nach Dio Cassius 72. 22
hatte: xai Tap.TÖv oTkov töv ttpujtov irap' auroic, ibc xai elc
dH auTifiv ujv, €Tx€. Herodian legt auf diesen Umstand viel
Gewicht, denn das gibt ihm Stoff für eine malerische Sc^ne
— Marcia will den Commodus von einem solchen Vorhaben
zurückhalten, bittet, weint, wirft sich ihm zu Füssen, geht
weinend weg — . Er kennt die Gedanken des Kaisers: dieser
egt die Schreibtafel auf das Ruhebett, oiriOeic )üir)&€va ^KeTce
eiceXeucecGai, schläft später ein : \mb KajuäTOu irdcxeiv oliiOek
dv€7raucaTo; Herodian weiss auch, was mit dem Gifte des
Kaisers im Innern des Körpers vorgegangen, was allein be-
weist, wie dieser Autor alles in die Länge ziehen und aus-
schmücken will. Man sehe zu, wie Herodian den Philo-
commodus und sein Zusammentreffen mit der Marcia schildert,
man erwäge die Rede der Letztern, die selbst zugesteht, dass
sie sich während vieler Jahre habe missbrauchen lassen, man
betrachte die Bestürzung des Laetus und des Ecleetus, ihre
Zusammenkunft mit Marcia, ihren festen Entschluss, lieber
$twas zu wagen als unterzugehen, und man wird finden,
1. QueUenkritik. 251
dass man es hier nicht mit einer historiischen Erzählung zu
thun hai
Auch über die Art des Mordes finden wir noch verschie-
dene Darstellungen^ nach Dio bringt Marcia dem Kaiser das
Gift im Fleische bei; nach Herodiau reicht sie es ihm mit
lieblich duftendem Weine: olvtn t€ xepäcaca cuidbei; nach
Dio wird Commodus im Bade erstickt: Kai b\* dKeivou Xou-
u€vov auTÖv äiTCTTViEav; nach Herodian in seinem Zimmer
erwürgt: diroccpiT^cic töv rpdxn^ov q>ov€u€t. Herodian schliesst
die Geschichte des Commodus mit der Bemerkung ^ dass er
dreizehn Jahre regiert habe : ßactXeucac £tii rpiCKatöeKa jueia
TTjv Tou TraTpQC TeXeuTrjv; nach Dio dauerte richtig seine
Regierung nur 12 Jahre 9 Monate 14 Tage. Konnte man
nicht in dieser Angabe den unterscheidenden Charakter der
beiden Werke des Dio Cassius und des Herodian wieder-
finden? Dio Cassius genau , kurz^ kalt^ sofern nicht der
Gegenstand mehr Feuer verlangt , Herodian allgemein , weit-
schweifig, immer geschmüekt; in jenem zuverlässige Zeit-
berichte, hier verworrene Erinnerungen, jener ist Geschicht-
schreiber, dieser will nur ein aumuthiger Erzähler sein.
Doch selbst als solcher wird Herodian keine hohe Stelle ein-
nehmen; man sieht überall den alten Rhetor, der ausspinnt,
wiederholt, und selbst bei lebhaften Schilderungen nicht wahre
Begeisterung und Kraft besitzt.
IL' Zusammenfassung glaubwürdiger (luellen-
nachrichten.
Marcus Lucius Aelius Aurelius Commodus Autoniuus')
wurde den 31. August 161 zu LaDuvium als Sohn des römischen
Kaisers Marcus Aurelius geboren. Dieser Hess nichts an sei-
ner Erziehung fehlen, ausgezeichnete Männer wurden be-
rufen, der Vater wandte seinen persönlichen Einfluss- an, imi
den Sohn würdig heranzubilden. Doch diese Bestrebungen
waren verloren; Commodus war von der Natur wenig be-
günstigt*): einfältig, furchtsam, unselbständig. Ein solcher
Charakter musste einer schlechten Umgebung unterliegeu ;
der Vater besass nicht die nöthige Festigkeit und machte
Zugeständnisse. Die gefahrlichen Neigungen zeigten sich
bald: in seinem zwölften Jahre wollte er einen Aufseher in
den Ofen werfen lassen, weil das Bad zu heiss war.^)
Der Kaisersohn stieg rasch in den herkömmlichen Wür-
den. Er empfing den Titel Caesar den 12. October 166, beim
Triumphe des Kaisers Lucius Verus über die Parther, erhielt
einige Jahre später (15. October 172) mit seinem Vater den
Beinamen „Germanicus", und trat den 20. Januar 175 in
alle Priestercollegien ein.'*) Wir wissen nicht, ob er bis
dahin sich wirklich längere Zeit beim Heere aufgelialten;
1) vgl. Cohen III. 51 und 52, Lampridius v. Comm. 1. Clinton FaM
Bonuim I. 148.
2) Dio Cassius 72. 1; 71. 22.
3) Lampr. Comm. 1, 2.
4) Capitol. M. Ant. 16. Lampr. Comm. 1. 1., Eckhel D. N. V. VII.
J03. Cohen III. 52. Clinton I. 166—170.
n. ZusammenfasBimg glaubwürdiger Quellennachrichten. 253
wie spatere Quellen berichtet haben J) Er wurde aber in
diese Verhältnisse hineingezogen ^ als seinem Vater ein ge-
fahrhcher Gegner in dem Statthalter Syriens, Avidius Cas-
^ius, erstanden war. Commodus wurde damals an die Grenze
des Reiches berufen, verliess desshalb den 19. Mai 175 Rom
und empfing den 7. Juli*) die männliche Toga. Vater und
Sohn besuchtep Aegypten und Syrien, kehrten darauf an die
Tiber zurück, wo neue Ehren des Sohnes harrten. Commodus
wurde, obwohl erst sechzehn Jahre alt, zum Consul des
Jahres 177 ernannt, erhielt den 27. November 176 zum ersten
Male den Titel Imperator imd nahm gegen das Ende des
Jahres (23. December) am Triumphe seines Vaters Antheil.
Bald sehen wir ihn auch mit de? tribunicischen Gewalt beklei-
det, ohne dass wir den Tag angeben können, an welchem
er sie erhalten hat.^) Der Aufenthalt in Rom war nicht
von langer Daner. Die äussern Feinde bedrohten wiederum
die Reichsgrenzen, der Kaiser zog mit seinem Sohne gegen die
pingebrochenen Germanen und Sarmaten. Vor dem Weggange
vennählte er den Conmiodus mit Crispina, Tochter des Bruttius
Praesens. Diese Feierlichkeit wurde ohne Pomp begangen,
dem Volke wurde nur eine Spende ertheilt.'') Nach derselben
verliessen sie im August 178 Rom. Mark Aurel war glück-
lich bei Bekämpfung der Barbaren und dachte bereits an eine
Allgemeine Unterwerfung derselben, als er den 17. März 180
zu Vindobona von einer Krankheit hingerafft wurde — wie
ßös ausdrücklich versichert wird, nicht ohne Zuthun seines
Sohnes.
Commodus bestieg ohne alle Schwierigkeit, noch nicht
neunzehn Jahre alt, den kaiserlichen Thron. Er hatte zu-
nächst den Krieg zu beendigen, wie das Mark Aurel ange-
1) Herodiari I. 8.
*) Capit M. Anton. 22. Lampr. Comm. 12.2.
3) Eckhel D. N. V. VII. 195. Capit. M. Anton. l7. 27. Cohen
Ul 121.
4)Dio Cassini! 71. 3.3. Capit. Marc. Ant. 27. Eckhel: D. N. V.
^"' Km. Lampr. Comm. 12.
254 Johannes Zürcher: Commodus.
«
rathen; allein Commodus zeigte dafür wenig Neig^g,^)
er sehnte sich nach der römischen Kaiserstadt and ihren
Vergnügungen. Man verweilte jedoch noch einige Zeit an
der Grenze und empfing die Gesandtschaften der Rom be-
kriegenden Völker. Diese befanden sich nicht in gleicher
Lage; die Marcomannen und die Quaden schienen erschöpft^
und man gestand ihnen den Frieden sogleich zu; allein die
Buren erschienen so Airchtbar^ dass man ihr Friedens-
begehren nur für einen Vorwand hielt; sich auf den Krieg
vorzubereiten. Die Römer hatten ihnen gegenüber noch
keinen bestimmten Plan gefasst, wie das deutlich aus den
Friedensbedingungen hervorgeht. Man wollte zunächst die
Barbaren möglichst von den, römischen Provinzen fem hal-
ten: die Bureh mussten schwören ^ mit ihren Wohn- und
Weideplätzen vierzig Stadien weit von dem römischen Da-
cien entfernt zu bleiben. Durch andere Massregeln suchte
man aber doch diese Völker in den römischen Verband
hineinzuziehen; die Quaden stellten 13^000 Mann Truppen,
die Marcomannen eine geringere Zahl; ebenso legte man
ihnen einen Getreidetribut auf. Politische Selbständigkeit
suchte man ihnen zu nehmen ^ ihre Versammlungen sollten
von nun an nur einmal des Monats an einem bestimmten
Orte unter der Aufsicht eines römischen Officiers stattfinden.
Die Verhältnisse zwischen den den Frieden schliessenden Vol-
kern scheinen auch gespannt gewesen zu sein; denn man
untersagte den Marcomannen und Quaden den Krieg gegen
die Jazygen, Buren und Vandalen. Die Römer waren in der
Einforderung der Tribute nicht genau ^ liessen sie sogar fal-
len; sie zogen ihre Truppen ^ welche bis dahin in den Be-
sitzungen dieser Völker stationirt hatten ^ zurück.^)
Man feierte diesen Friedensschluss gleich einem Siege'),
allein man kann doch nicht verkennen; dass dessen Be-
dingungen weit günstiger für die Barbaren als für die Römer
1) Dio 6a88iu8 72. 2. Lampr. Comm. 3.
2) Dio Cassius 72. 2 u. 3.
3) Eckhel Vll. 108.
II. Zusammenfassung glaubwürdiger Quellennachrichten. 255
waren. Jene waren dem romischen Joche entgangen ^ unter
welches sie die Siege Mark AureFs beinahe gebracht hatten,
nur kräftige Regenten konnten sie noch in Abhängigkeit
bewahren. Gommodus hatte seine Regierung mit diesem Acte
begonnen; der ein Beweis seiner Schwäche war; seitdem nahm
er nie mehr persönlich an Kriegen Theil, allein ausgezeich-
nete Feldherren, wie Niger, Severus hielten noch eine grosse
Vergangenheit aufrecht und bewahrten das Reich vor einer
allgemeinen Ueberiluthung durch die Barbaren.
Der junge Kaiser verliess den Ort, wo sein Vater ge-
endet hatte und zog nach seinem' theuren Rom*, das Volk
mochte ihm bei seinem Triumphzuge am 22. October 180 zu-
jubeln*), denn was erwartet man nicht von einem jugend-
lichen Fürsten? Doch die Täuschung konnte nicht lange
währen; Gommodus hatte auf den Triumphwagen einen Ge-
fährten seiner Laster genommen, den er öffentlich zu wieder-
bolten Malen küsste; vor dem Senate hielt er eine Rede^),
in welcher er sich selbst mit Lobsprüchen überhäufte, unter
Anderem wegen einstiger angeblicher Lebensrettung seines
Vaters. Die Rathgeber, welche ihm sein Vater hinterlassen
liatte, wurden ohne Zaudern entfernt, er bildete sich einen
neuen Hof. Um ihn befand sich seine Gemahlin Bruttia
Crispina, die wenig Antheil an den Staatsgeschäften nahm,
ihr zur Seite war die Schwester des Kaisers, Lucilla, eben
so verschlagen wie ihr Bruder. Einen bedeutenden Einfluss
übte Saoter oder Sauter aus^), jener Mann, den Üommodus
schon bei seinem Einzüge in Rom so sehr vor dem Volke
geehrt hatte; bei den Truppen befanden sich Tarrutenus Pa-
temus und Salvius Julianus, die dem Kaiser treu blieben.
Doch die eigentliche Leitung der Geschäfte lag Perennis ob;
der Kaiser befasste sich nicht damit, sondern begann vielmehr
jene blutige Laufbahn , die seinen Namen für immer gebrand-
1) Lampr. Comm. 12. 3. Eckh. VII. 109.
2) Dio Caflsiiis 72. 4.
3) Lampr. Comm. 3; dazu die Bemerkung in der Vorrede zu Peter^i
EJition p. XIX n.
256 Johannes Zürcher: Commodus.
markt hat. Wir können nicht in sein Inneres dringen, um
die Beweggründe seiner Handlungen zu finden; doch war es
gewiss nicht Perennis, der in ihm die bösen Instincte wach-
rief, noch gab die Verschwörung der Lucilla das Signal zur
Entfesselung der Leidenschaften. Man sah später in der
Schwester des Kaisers einen nicht unedlen Charakter, wäh-
rend eine zeitgenössische Quelle sie Commodus gleichstellt^) 5
sie besass einen ehrenwerthen Gemahl in der Person des
Senators Claudius Pompeianus; allein sie lebte mit demseben
in Zerwürfniss.
Die Motive, wesshalb sie eine Verschwörung gegen ihren
Bruder einleitete, sind uns nicht bekannt; sie verband sich
zu diesem Behuf e mit dem Gemahle ihrer Tochter, der eben-
falls Claudius Pompeianus hiess; dieser liess sich als Werk-
zeug gebrauchen , obwohl er mit dem Kaiser auf gutem Fusse
stand. Dieser Claudius Pompeianus stellte sich in dem dunklen
Eingange des Amphitheaters auf, zückte mit den Worte«:
„Dieses sendet Dir der Senat" den Dolch auf den vorüber-
gehenden Kaiser, wurde aber vor der Ausführung seines
Vorhabens ergriffen. Die Untersuchung stellte die Schuld
der Lucilla heraus, sie wurde zuerst auf die Insel Capri ver-
bannt, dann getödtet. Der Schwiegersohn wurde ebenfalls
mngebracht, ebenso dessen Vater, doch wohl nicht in ge-
nau derselben Zeit. Die Kaiserin Bruttia Crispina, die des
Ehebruches angeklagt wurde, theilte das Schicksal Lu-
cilla's; auch sie wurde nach Capri gebracht und später des
Lebens beraubt. Diese Verschwörung forderte auch noch
andere Opfer, von welchen besonders Quadratus zu erwähnen
ist, der regen Antheil au dem Unternehmen genommen
hatte. Seine bisherige Concubine, Marcia, wurde an den Hof
gezogen, wo sie an der Seite des Kaisers einflussreich ward');
ihr sollen die Christen die Ruhe zu danken gehabt haben, deren
sie sich während der Regierung dieses Kaisers im Ganzen
1) Lampr. Comm. 4. Dio Cassius 72. ß.
2) Dio Cassius 72. 4. 5. Lampr. 4 und 6. Kckhel VII. 98. 139.
Cohen III. 193.
II. Zusamuicnfassim^ j^laubwürdij^er Quellennachrichteu. 257
tffreuten ^) ; sonst kann man nichts anführen, worin ihre
Simme entscheidend gewesen wäre (um 183). Der Prätorianer-
pmfect Tarrutenus Patemus wurde ebenfalls in Untersuchung
ij^ezogen. Man konnte ihn nicht überführen, an der Ver-
sehw5rung Theil gehabt zu haben ; allein das Misstrauen war
iregen ihn erregt und sein Untergang Hess nicht auf sich
warten. Pereunis wollte seinen Sturz, weil er seine Gewalt
mit ihm tfaeilen musste; der Kaiser wurde tödtlich beleidigt,
als Paternus den dem Volke verhassten Günstling desselben
Saoter, durch Kaufleute aus dem Wege hatte räumen lassen.
Seine Tochter würde dem Sohne des Salvius Julianus ver-
sprochen, und dies wurde ihm zum Verbrechen angerechnet;
Jenn man sah darin einen Versuch, dem Julianus die Kaiser-
krone zu verschaffen. Tarnitenus Paternus und Salvius Julianus
fanden den Tod.^)
Es wäre vergebens, überall die Gründe zu erforschen,
warum dieser oder jener eines gewaltsamen Todes starb; in
Zeiten, in welchen die Laune eines Kaisers den höchsten
Richter bildet, werden nicht lange Untersuchungen gepflogen;
^jegenwehr war unmöglich. Das Alterthum hat besonders^)
den tragischen Untergang der quintilischen Brüder, Maximus
ond Condianus, verzeichnet, die durch ihre wissenschaftlichen
Kenntnisse wie durch ihre Eintracht sich das Lob der edeldon-
kenden Zeitgenossen erworben hatten. Der Sohn des Maxi-
nius war nach Syrien gegangen; dies wurde als Abfall aus-
gelegt, die beiden Brüder nebst dem Sohne des Condianus
•ergriffen und getödtet. So lebten die höheren Stände des
rumischen Volkes in beständiger Angst dahin , wenige äussere
Ereignisse lenkten dessen Aufmerksamkeit ab.
Als der bedeutendste Krieg unter der Regierung des Com-
modua wird der in Britannien angesehen, der in die ersten Jahre
I
1) Eine Dio Cassius 72. 4 bestätigende Stelle der Philosophumena
Jes Pseudo-OrigeneH (9. 12 p. 287 ed. Miller) von der <piXö0eoc iraXXaKi^
Koh(Mk)u bringt Baur, Kirchengesch. I. 445. — [B.]
i) Dio Cassiuß 72. 10 u. ö. Lampr. Comni.,4 u. 'A
3) Dio Cassius 72. 5 u. 6. Lampr. Cofnm. 4.
Uili^ttch. z. Rom. Kaisprjfpsch. I. 17
258 Johannea Zürcher: Commodus.
der Regierung des Commodus vor 184 ßUt.^) Hier wurde der
Qrenzwall von den Barbaren überschritten^ das Land ver-
wüstet; allein sie fanden einen kraftigen Feldherrn als Gegner,
den die Verderbniss nicht ergriffen hatte. Es war Ulpins
MarcelluS; barsch in seinem Auftreten^ äusserst strenge dem
Soldaten gegenüber , unermüdlich in seineu Arbeiten ; er
hielt seine Truppen auch während der Nacht wach , liess für
sie Brot von Rom her konunen. damit sie nicht versucht
würden ; mehr als das absolut Nothige zu gemessen. Der
Feind wurde zurückgeworfen, allein im Heere selbst scheint
nicht mehr vollständige Eintracht geherrscht zu haben; man
versuchte freilich vergeblich einen Kaiser zu erheben; allein
die Ruhe wurde erst durch Pertinax wieder hergestellt.^)
Von Britannien her kam auch der entscheidende Schlag
gegen den Prätorianerpräfecten Perennis. Die Zeitgenossen
haben diesen weit milder als die Nachwelt beurtheilt. ') Pe-
remiis war nicht fehlerlos, der Ehrgeiz hatte Gewalt über
ihn; allein er war nicht ein Mann, der alles niedermachte,
um Reichthümer zu erwerben und der selbst nach dem Throne
trachtete^), er war vielmehr uneigennützig, suchte die Zucht
im Heere zu bewahren. Während des britannischen Krieges
hatte er Senatoren durch Männer aus dem Ritterstande in
den Stellen ersetzt, die Armee wollte dies nicht hinnehmen
und schickte 1500 Mann nach Italien, um dem Kaiser Vor-
stellungen darüber zu machen. Diese gelangten bis in die
Nähe Roms, Commodus eilte ihnen entgegen und erkun-
digte sich über ihr Verlangen. Die Gesandten erhöbe«
Klagen gegen Perennis, erklärten, dass dieser für seinen
Sohn die Kaiserwürde zu erwerben trachte. Commodus
untersuchte nicht, widerstand nicht, sondern liess einfach
den Perennis den Prätorianern ausliefern, die ihn, seine
1) Die Casaiufl 72. 8. Eckhel VII. 112.
2) Lampr. Comin. 8. Die CasBlus' 72. 9. Capitol. Pertinax 3.
8) Dio Cossins 72. 9 u. 10. Gibbon I. 82. Herodian I. 8.
4) Herodian I. 9.
II. Zngammenfafti^iing glaubwürdiger QuellennfOchrichten. 259
Gemahlin, seine Schwester und seine zwei Söhne tödteten
(aml84)J)
Der Kaiser hatte sich in dieser Angelegenheit bereits
ron Oleander leiten lassen , der nach dem Falle des Perennis
die einflussreicliste Person wurde. Cleander war ein Frei-
i^elassener, der zum Amte eines Kämmerers des Kaisers
•gelangt war. Seine Verwaltung wird einstimmig von den
Geschichtschreibem verurtheilt, sein Hauptfehler war uner-
sättliche ä^eldgier, die Aemter wurden verkauft, die Urtheile
erkauft. Wer reich war, konnte in den Senat gelangen,
in welchen man sogar Freigelassene eintreten liess. Unter
Cleauder sollen in einem Jahre fünfundzwanzig Consuln
miannt worden sein. Commodus war ihm ganz willföhrig;
*m Schwager Bymis, Senator, machte auf das Verderbliche
einer solchen Staatswirthschaft aufmerksam; doch seine Stimme
wurde von dem Kaiser nicht beachtet. Cleander aber klagte
Byrrus des Strebens nach der Herrschaft an, worauf jener
mit seinen Vertheidigem getödtet ward. '^
Solche Verwaltung musste die Grundlage des Staates
♦^Rchüttern ; das Volk schien aber den moralischen Verfall
nicht zu bemerken und erhob sich erst dann, als die leib-
liche Noth anklopfte. Eine Theuerung währte seit einigen
Jahren, obwohl das Getreide nicht mangelte. Commodus hatte
schon im Jahre 186 eine afrikanische Flotte errichtet, welche
Lebensmittel herbeibringen sollte, insofern das Getreide von
Alexandrien ausbliebe; er war weniger klug, als er zu einer
jener Gewaltmassregeln Zuflucht nahm, die auch moderne
Regierungen zuweilen noch anwenden wollen : er wollte einen
üiedeien Preis der Lebensmittel erzwingen, was sich unmöglich
zeigte: die Noth nahm zu. Wie einst Cleander den Sturz des
Perennig beschleunigte, so wandte jetzt der Getreideaufseher
Wonysius Papirius alles auf, um den . Hass des Volkes gegen
Cleander zu steigern. In glücklichen Zeiten hätte sich dieser
auch bei der allgemeinen Unzufriedenheit des Volkes noch
1) Lampr. Comm. 5. C u. 8. Dio Casaius 72. 9. 10 u. 12. Eckhel VII. 1 13.
2) Dio Cassius 72. 12. Lampr. Comm. C.
17*
260 Johannes Zürcher: Commodu».
lange halten können; allein selbst die Natur schien in d^^ii
Bund gegen ihn zu treten. Eine Seuche raffte damals bis aiif
2000 Menschen täglich in Rom dahin ^ Feuersbrüuste suchten
die Städte heim; da nahte einer jener Momente, in weleheu
die Bevölkerung in ihren Oberen die alleinigen Urheber alles
Unglückes sieht. Oleander hatte schon lange die Geduld iles
Volkes missbraucht, er sollte ihm zum Opfer fallen J)
Dieser unerwartete Sturz des Oleander hat die Zeitgenos-
sen weit mehr als derjenige des Perennis ergriffen, mai:
glaubte an eine directe Dazwischenkunft der unsterbhchen
Götter. In der That, die Umstände seines Unterganges waren
eigenthiimlich.*) Man feierte die circensischen Spiele, <la
stürzte plötzlich eine Menge Knaben in die Rennbahn, an
ihrer Spitze befand sich eine einer Göttin ähnliche Jungfrau,
sie stiess Verwünschungen gegen Oleander aus. Das Volk
stimmte in diese angenehmen Rufe ein, wälzte sich zur Woh-
nung des Kaisers hin, der bereits von den quirrtilische/i
Gütern Besitz genommen hatte. Oleander hoffte die Menge
durch einige Soldaten zu zerstreuen, die abfr Stand hielt uml
in die Nähe des Oommodus vordrang. Dieser wurde durch
Marcia von der Lage der Dinge unterrichtet. Es galt ent
weder dem Volke gegenüber Oleander zu vertheidigen oder
ihn hinzugeben. Oleander wurde auf Cloramodus Befehl mit
seinem Sohne umgebracht. Die Römer schleiften den Körjn^r
des Gefallenen in der Stadt umher, steckten dessen Hiiuj>l
auf eine Stange und verkündeten so ihren Sieg (nach Tille-
mont 189 n. Ohr.).
Dieser Act musste die Ächtung des Volkes seinem Kaiser
gegenüber bedeutend vermindern, dessen Schwäche sich ofien
gezeigt hatte. Oommodus lebte in die Gegenwart hinein,
ohne Blick in die Zukunft, ohne Gedanken an seine PflieJi-
ten als Fürst. Eine einzige schöne That wird uns von ihm
gemeldet.') Manilius, Geheimschreiber des Avidius Oassius,
1) Lampr. Comm. 14 ii. 17. DioCaasius 72. 13 u. 14. CHiitori P.E. J. ISi
2) Dio Cassiiis 72. 13.
3) Dio Cassius 72. 7.
H. Zuäaminc'iifasisuDg glaubwürdiger Cjuullonnachrichk'n. 261
k't dem Kaiser wichtige Doeumente dar; dieser nahm sie nur
liiü, um sie zu verbrennen. Doch die übrigen Momente sei-
ües Lebens wareu dem Verbrechen und dem Vergnügen ge-
weiht. Gommodus besass die grausame Neigung alles zu
vernichten, was den Charakter der Ehrenhaftigkeit trug.
Man hat sich über seine wahre Natur nicht getäuscht, die
Annalen seiner Regierung sind mit dem Untergange un-
schuldiger Männer und Frauen gefüllt. ^)
Sein Körper war durch Ausschweifungen aller Art ent-
nervt , dennoch wollte er stark erscheinen und legte wirklich
in Erlegung der wilden Thiere eine gewisse Gewandtheit an
den Tag. Allein man muss nicht vergessen, dass man dem
Kaiser seine Arbeit sehr erleichterte. Das Amphitheater
wurde in vier Abtheilungen getheilt, über jeden dieser Behälter
Oalerien angebracht, so dass der Kaiser leicht nach allen
>eiteü hin die luiten befindlichen Thiere mit seinen Pfeilen
erreichen konnte. In wahrem Nahekampfe hat Commodus
wenig vrilde Thiere erlegt, von oben todtete er besonders Bären,
uüten schien der Kampf mehr ein Spiel zu sein, da man es mit
öicht gefährlichen Thieren zu thun hatte, und nur solchen, die
nicht absolute Freiheit ihrer Bewegung besassen. Für den
Kaiser war jedes Auftreten im Kampfe ein Ereigniss, das
in den Annalen des Reiches verewigt werden sollte. Er be-
?ab sich zu diesen Vergnügungen in golddurchwirktem sei-
«lenem Kleide, mit einer goldenen mit Edelsteinen besetzten
Krone auf dem Haupte; vor ihm her trug man Keule und
Löwenhaut eines Hercules. Das Volk nahm wenig Antheil an
fesen Belustigungen des Kaisers ; die Anwesenheit war zudem
üicht ohne Gefahr; denn Commodus hielt oft Beifallsklatschen
für Verspottung und drohte mit einem allgemeinen Nieder-
n^^tzehi. Der Senat wohnte gezwungen diesen Festen des
Kaisern bei, nur wenige wagten ihre Abwesenheit zu ent-
schuldigen und nicht in den Ruf einzustimmen: „Heil Dir
l^aiser, Erster, Glücklichster der Menschen, Du siegst. Du
2) Lampr. Comm. 7.
262 Johannes Zürcher: CoramoduK.
wirst siegen ; Du, o Aiuazonius, siegst in alle Ewigkeit/*
Solche Worte bezogen sieh jedoch vor allem auf den Gladiator,
als welchen sich Commodus vor dem römischen Volke zeigte.
Er liebte hier besonders die Rolle des Secutor und gieng
immer als Sieger hervor, was ihm unendlich viel Freude
machte; eigentliche Tödtungen fanden aber vor dem Volke
nicht Statt, wohl aber in seinem Hause, wo et zudem eine
besondere Vorliebe für Verstümmlungen des Gegners an den
Tag legte. Eine Art Scheu vor dem Volke scheint dem Kai-
ser dennoch während seines Lebens geblieben zu sein, 0)
dass er z. B. am Wagenrennen nicht personlich Theil nahm. '
Ihn sollte man dem Hercules gleichstellen, ihn demselben
überordnen; denn er hielt sich allen sterblichen Wesen über-
legen, den Göttern gleich: man brachte ihm wie einem
Gott« Opfer dar. D^r Senat bot zu allem willig die Hand,
er benannte sich selbst nach Commodus, erhob Rom zum Titel
einer commodianischen Kolonie; die Monatsnamen wurden
geändert, nach den Namen und Ehrentiteln des Kaisers neu
benannt. Unter den letzteren liebte der Kaiser besonders
Amazonius und Gladiator, jener rief ihm sein liebstes Wesen,
die Concubine Marcia, dieser seine liebste Beschäftigung, von
der er nie liess, in 's Gedächtniss. ^)
Er zeigte Vorliebe für ausländische Culte und ihre blutigen
Gebräuche^), vermehrte auch die Feiertage, um sich mehr
seinen Leidenschaften hingeben zu können. Um diese zu
befriedigen, musste immer Geld hergeschafft werden: er war
um Mittel nicht verlegen, gab vor, nach Afrika eine ReLje
zu unternehmen und liess sich zu diesem Zwecke Geschenke
geben, welche er für seine Freuden verbrauchte. Auch am?
der Gladiatorenkasse ^) liess er sich bei seinem jedesmaUfifen
Auftreten in den Kämpfen bedeutende Summen darreichen.
1) Alles nach Dio Caesius 72. 17 — 20, dazu Lampr. Commodus 10.
11 u. 15.
L>) Dio Cassiuß 72. 15. Lampr. Comm. 8. 9 u. 11. Eckhel VII. iV2.
8) Lampr. Comm. 16.
4) Diö 72. 19.
II. Zutsammenfassung glaubwürdiger Quell ennachrichteii. 263
Der Senat wurde in Bezug auf die Abgabeu nicht verschont
und war schon desshalb mit dem Sturze des Kaisers ganz
zofrieden.
Ck>nunodus fiel den 31. December 192 als Opfer einer
Verschwörung. In seinem Morden hatte er auch die nächste
Umgebung nicht verschont, die jeden Tag dem Untergänge
ausgesetzt war; man wollte mit einem solchen Zustande be-
ständiger Angst enden. Laetus und Eclectus stellten sich an
die Spitze der Verschworung; der erstere war Prätorianer-
präfect und hatte einen wohlthätigen Einfluss auf den Kaiser
ausgeübt, der letztere war sein Kämmerer seit der Verschwö-
rung der Lucilla und sah mit Schrecken , wie seine Gefährten
den Launen des üommodus unterlagen. Sie verbanden sich
mit Marcia^ und diese gab ihren Anschlägen Gehör, ohne
rlass man den Beweggrund angeben könnte. Man vernahm,
flass der Kaiser den 1. Januar 193 von dem Hause der Gla-
diatoren aus den Festzug beginnen wolle, dass er beabsich-
tige, die beiden ernannten Consuln zu tödten. Man wollte
diesem zuvorkommen und da die Verschworenen des Volkes
acher schienen, war ihr Werk nicht schwierig.*) Marcia
reichte ganz einfach den 31. December 192 dem Kaiser
Nachts im Fleische Gift, und als dieses nicht zu wirken
schien, so liess mau den üonmiodus durch den Athleten
Narcissus im Bade ersticken.
Keine Hand erhob sich um den Kaiser zu rächen, man
hielt seinen Mord für natürlich und erlaubt, so sehr war er
der Nation verhasst geworden. Der Senat konnte seine Freude
nicht massigen, er brach in lauten Jubel aus und verlangte
die Schleifung des Leichnams des verstorbenen Kaisers. Die
Festigkeit des Pertinax verhinderte ein solches Schauspiel.
Septimius Severus aber hat später selbst diesen Kaiser unter
die Götter aufgenommen.^)
1) Lampr. Comm. 17. 15 u. 16. Dio Cassius 72. 22.
2) Lampr. Comm. 18. 19 u. 17.
InhaltsTerzcichniss.
I. Quellenkritik 223
A. Allgemeinee über die drei Hauptschrift-
steller 22s
1. Dio CtissiuB 223--2*24
2. AeliuB Lampridius 224 — 2-2«
3. HerodianuB 226— 22«^
K Einzelprüfungen 228
1. Knabenalter und Thronbesteigung 228 — 2J1
2. Erste Rogierungshandlungen 231—234
3. Einzug in Rom 234-236
4. Verschwörung der Lucilla 236—23?
5. Sturz des Perennis 238-241
6. Maternus 241—242
7. Oleander 242—246
, 8. Brand in Rom 246 — 247
9. Vergnügungen 247- 241>
10. Tod 240-251
II. Zusammenfassung glaubwürdiger Quellen-
nadiriehten 252— 2ft4
fej:.dzüge in Armenien
T
VON 41-63 N. CHR.
EIN BEITRAG
ZUR KRITIK DES TACITUS
VON
EMIL EGLI
Erstes Capitel.
Chronologie.
Zur. Orientirung in den hier zu erörternden Fragen i«t
es am geeignetsten ^ von den Regierungsverhältnissen der
ö^'tlichen Gränzländer zur Zeit des Beginns unserer Periode,
im Jahr 41 n. Chr., auszugehen.
Hiefür ist in zwei Ländern unseres Gebietes die Regent-
schaftsordnung des Caligula*) massgebend. Es wurden von
Caligula als Regenten eingesetzt:
1) In Pontus Polemo.
2) In Klein -Armenien Cotys aus Thracien.
In zwei andern Ländern stammte die zu Anfang unserer
Periode herrschende Regierung aus dem ersten Jahr des Clau-
dius. Er ernannte*):
1) Antiochus zum König von Commagene und
2) vergrösserte er die Herrschaft des Agrippa in Syrien.
Da der Tod des Caligula nach den besten Quellen in
den Januar 41 fällt ^), so verlegen wir diese Ernennungen
durch Claudius auf Frühling 41.
Die Provinz Syrien verwaltete von 39 — 42 der leg. pro
praetore P. Petronius. *)
1) Dio Caasius 59, 12.
2) Dio 60, 8.
3) Sueton Calig. 5Ö. Dio 59, 30. Vergl. Clinton fasti Romani
^a. 41.
4) Speciell für unsere Zeit, 40 und 41, weisen ihn nach Syrien
Philo c. Apion. c. 34. Jos. Ant. 18, 8, 8. bell. lud, II, 10, 5,
I.
Die Zeit des Mitliridates.
A.
y
Eroberung Armeniens durch Mithridates.
Der iberische Prinz Mithridates wurde im Jahr 41 u. Chr.
Herr vou Armenien.
Es stehen dieser Annahme des Jahres 41 zwei andere
Zeitbestimmungen gegenüber, die mit ihr nicht stimmen.
1. Clinton fksti Bomani n, 247.
Die Rückkehr des Mithridates in sein Reich wird von
Tacitus *) mit den Worten ^^suh idem temims'^ eingeleitet. Es
stände demnach zu erwarten, dass diese Rückkehr des Mithri-
dates in ungefähr ebendieselbe Zeit fiele, in welche die un-
mittelbar vorher erzählten Ereignisse gehören, d. h. in das
Jahr 47 n. Chr.
So nimmt Clinton an, wenn er das „suh idem i^^fnpHS^'
mit dem „discordare Farthos" in das Jahr 47 setzt. Das
yjdiscordare Parthos ^" ist aber die Bedingung der Rückkehr
des Mithridates, zeitlich also vorhergehend; folglich kann auch
nach Clinton diese Rückkehr nicht vor 47 fallen.
Nun gehört die Eroberung dpr Stadt Seleucia
durch Vardanes nach Tacitus (11, 9) in das 7. Jahr nach dem
Abfalle der Stadt von Artabanus. Dieser Abfall seinerseits
1) 11, 8. In der Folge soll eine einfache Verweisung aut* Tacitus
dessen Bücher „ab e.rcessu d. August i'* bezeichnen.
Chronologie. I. Die Zeit de« Mithridatos. 209
fand im J. 30 d. ChrJ), wie Clinton selbst'^) sagt, statt.
Nach Clinton müsste man demtiach die Eroberung der Stadt
in das Jahr 43 n. Chr. setzen.
Da er aber die Rückkehr des Mithridates, die während
des „discordare P. ** stattfand, ins Jahr 47 setzt, so muss
er die Eroberung Seleucia's, die erst nach dem „discor-
ilare P.** stattfand, dem J. 47/48-zutheilen^ Wie bemerkt
fallt aber der Abfall der Stadt nach Tacitus sieben Jahre vor
deren Eroberung. Setzt Clinton die Eroberung auf 47/48, so
muss er den Abfall auf 40/41 setzen. Factisch aber setzt er
den Abfall von Artabanus auf 30. Er muss also einen zwei-
ten Abfall der Stadt annehmen und ihn auf 41 ansetzen.^)
Wir wollen sehen, ob diese Annahme eines neuen zwei-
ten Abfalles gerechtfertigt sei.
Nach Tacitus selb.st^) eroberte Vardanes die Stadt vor
seiner Rüstung gegen Armenien, also auch bevor ihn der
romische Statthalter in Syrien, Vibius Marsus, wegen dieser
Rüstung mit Krieg bedrohte. Nun trcflPen wir aber Vibius
Marsus schon 45 nicht mehr in Syrien ^), von wo er demnach
spätestens 44/45 gedroht haben kann» Dieser Drohung von
44/45 geht die Eroberung Seleucia's voraus, welche ihrerseits
daher nicht erst ins Jahr 47 fallen kann, sondern spätestens
in das Jahr 44, oder, wie wir oben, von dem Abfalle der
Stadt unter Artabanus ausgehend, gezeigt haben, ins Jahr 43
gehört. Demnach ist di^ Annahme eines zweiten Abfalls
der Stadt im Jahr 41 ungerechtfertigt.
Muss man mithin nur den Einen Abfall der Stadt vom
Jahre 30 annehmen und die Eroberung ins Jahr 43 setzen,
so kann man auch die dieser Eroberung von 43 vorausgehende
Uückkehr des Mithridates nicht erst auf 47 setzen. Clinton 's
Annahme des Jahres 47 ist somit eine irrthümliche.
1) Tac. 6, 42.
2; Clinton f. R. II, 248, Note z.
3) Clinton f. R. II, 248 (GotarzoHi.
4) Tac. 11, 10.
5) Vergl. p. 275, Noio 1.
270 Kgli: Peldzöge in Armeuieu von 41 — 63 n. Chr.
Dieser Irrthum tritt noch um so mehr an's Licht, weuii
wir finden, dass Clinton selbst an einer andern Stelle, wo
er auf andere Quellen sich stützt \), die Rückkehr des Mithri-
dates ins Jahr 41 setzt. Clinton hat sichtlich die zwei An-
gaben nicht coutrolirt.
Aus dem Bisherigen ergibt sich, zu Folge taciteischer
Angaben 2):
1) Entgegen der Annahme Clinton's von einem zweiten
Abfalle Seleucia's im Jahre 41 ist vielmehr bei dem geschicht-
lich allein bekannten Abfalle vom Jahre 36 zu verbleiben.
2) äonach fallt die Eroberung Seleucia's ins Jahr 43.
3) Hieraus ergibt sich, dass die Rückkehr des Mithri-
dates nicht erst auf 47 (Clinton), sondern spätestens noch
auf 43 fallen kann.
2. Nipperdey, Commentar zu Tao. XI 8.
Diesen Endtermin für die Rückkehr des Mithridates, das
Jahr 43, nimmt nun Nipperdey wirklich als die Zeit der-
selben an. Er begründet die Annahme damit, dass im
Folgenden die Eroberung Seleucia's vom Jahr 43 und die
Verwaltung des Vibius Marsus von 42 bis Anfang 45^) er-
wähnt seien. Wir haben oben gesehen, dass die Rückkehr
des Mithridates zeitlich vor die Eroberung Seleucia's fällt.
Es ist aber damit nicht gesagt, dass die Rückkehr des M.
noch ins gleiche Jahr mit der Eroberung Seleucia's gehöre.
Vielmehr schiebt Tacitus zwischen beide Ereignisse eine ganze
Reihe Begebenheiten ein, die, wenn andere Daten hinzutre-
ten, uns zu der Annahme berechtigen, die Rückkehr des
Mithridates sei nicht erst im Jahr 43 erfolgt. Diese Reihe
von Zwischenereignissen ist folgende:
Nach dem Einrücken des Mithridates in Gross-Armeuieu
wird der parthische Satrap Demonax geschlagen, dann durch
1) F. li. ad a. 41 Htützt sich auf Dio und Josephus.
2) Dio andern Quollen lassen wir einstweilen bei Seite, um wu
möf^lich aus Tac. allein noch weitere Resultate zu erlangen.
3) Vergl. Tac. 3, 9 und p. 276, Note 1.
Clironologrie. I. Die Zeit doB Mithridat4?8. 271
•
Cotys eine kleine Verzögerung ,,paululum cuncUdionis^^ ver-
anlasst; die aber immerhin über die ganze Zeit sieh erstreckte^
welche die Reise aus Armenien nach Rom und zurück in
Anspruch nahmJ) Hierauf rüsten sich die parthischen Feld-
herren zum Kampfe, rufen den Yax*danes aus den entfernten
baktrianischen Ebenen zurück; dieser legt den weiten Marsch
?on da bis an den Tigris zurück , und erst jetzt erhielt er
Seleacia und vielleicht auch nicht sofort^ sondern erst nach
weiterer Belagerung.^)
Es schiebt sich also eine möglicherweise lange Zeit zwi-
schen die Rückkehr des Mithridates und die Eroberung Seleu-
cia's ein. Was demnach aus Tacitus hervorgeht, ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass die Rückkehr des Mithridates nicht erst
im Jahre 43, sondern vor 43 erfolgt sei.
Um diesen Zeitpunkt zu bestimmen,. vergleichen wir Dioa
Angaben. ^)
Die Verleihungen von Ländern und dabei auch die Ar-
meniens an Mithridates fallen ein Jahr vor das zweite Con-
sokt des Claudius mit C. Largus ; denn es kommen die weiteren
Begebenheiten^), mit „Ttu bk ipxoM^vin'' (im folgenden Jahre)
eingeleitet, und hierauf^) wird das zweite Consulat des Clau-
dius mit C. Largus genannt („ÖTTdieue bfe KXaübioc ^eid falou
Adpfov'^). Zudem findet sich unter den Schenkungen auch
Agrippa's weitere Ausstattung vor, und zwar wird dieselbe
damit motivirt, dass Agrippa bei seiner Anwesenheit zu Rom
dem Claudius zur Herrschaft mitverholfen habe.^) Wir
dürfen also annehmen, dass Claudius, wie solche Beför-
derungen schon an sich gut in den Anfang der Regierungs-
zeit eines Fürsten passen, besonders mit der Belohnung des
1) Denn erst ein kaiserliches Schreiben ordnete die Angelegenheit.
2) Tacitus' Angabe (XI 9): „regrenao Vardano deditur Seleucia'*
steht dieser Annahme nicht im Wege.
3) 60, 8—10.
*) 60, 9. '
5).60, 10.
6) 60, 8: „cuMiTpdSavTi ol xfjv r'iYe^övciav (^tux€ ycip iv TfJ 'PkIj^xyji
tfiv)«
272 Egli: Feldzlige in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
um ihn verdienten Agrippa nicht erst bis 43 gewartet liabe.
Gehört aber Agrippa's Beschenkung in's Jahr 41, so fällt
dahin auch die der andern Fürsten und somit auch die Be-
lehnung des Mithridates mit Armenien. ^) ^
Da aber die Rückkehr des Mithridates auf die Meldung
von den Streitigkeiten der Parther Anfang 41 erfolgte^), so
werden wir die Belehnung des Mithridates mit Armenien auf
Frühling 41 und den Einfall in dieses Land auf Sommer 41
setzen.
B.
Parthische Wirren 40—60.
a) Vom Tod Artabanus n. bis zur Uebergabe ,
Seleucia's 40 — 43.
Der Thronstreit in Parthien, welchen Pharasmanes zu
Anfang des Jahres 41 nach Rom meldete, setzt den Tod des
Königs Artabanus IL voraus. Wir bestimmen diesen auf Ende
40 3) oder Anfang 41 und lassen zu Anfang des Jahres 41
die parthischen Thronstreitigkeiten mit der Verjagung des
Gotarzes und der ersten Belagerung Seleucia's durch Var-
danefs beginnen; der neue Aufstand des Gotarzes mit Hülfe
der Daher und Hyrkaner, das hienach erfolgte Aufgeben der
Belagerung Seleucia's von Seiten des Vardanes und dessen
Verdrängung in den Osten würden sich über den Sommer 41
erstrecken und der Eroberung Armeniens durch Mithridates
parallel gehen. Tacitus setzt*) die letzteren Ereignisse selbst
gleichzeitig, wenn er sagt y,tunc distractis Orientis viribus et
quomwi inclinarent incertis ..." Diese Worte sind am besten
auf den Kampf zwischen Gotarzes und Vardanes zu beziehen.
Es würde sich so ergeben, dass gleichzeitig, da Mithridates
1) Zu diesem Ergebnisse kommt auch Clinton f. H. ad a. 41, indem
(»v sich auf Dio stützt.
2) Tac. U, 8.
3) Clinton f. Rom. JI 247. 24S.
4) XI, 9.
Chronologie. I. Die Zeit des Mithridates. 273
durch Besiegung des parthischen Statthalters Demonax in
Armenien, auch Gotarzes, durch Verdrängung seines Bruders
Vardanes, in Parthien die Oberhand gewann, bis Herbst 4L
Hierauf folgt im Winter 41/42 Stillstand des Krieges.
Im folgenden Frühling 42 rüstete sich Gotarzes, nun in un-
gestörtem Besitze der parthischen Ktone, zur Wiedergewin-
nimg des im letzten Jahre yerlorenen Armeniens. Wie es aber
zur Schlacht kommen soll, entscheiden sich die parthischen
Feldherren gegen Gotarzes und für Vardanes. "Dieser kommt
noch im Jahre 42 aus den baktrianischen Ebenen an den
Tigris und erlangt Seleucia im Jahre 43.
So gewinnen wir eine zeitliche Vertheilung des Stoffes,
welche, wenn auch nicht eine ins Einzelne nachgewiesene,
so doch wahrscheinliche und den Momenten der taciteischen
Schilderung entsprechende ist. Dieselbe empfiehlt sich beson-
ders auch dadurch, dass wir mit der Eroberung Seleucia's
ungezwungen in das gleiche Jahr 43 kommen, welches wir
für dieselbe oben auf anderm Wege gefunden haben. ^)
b) Von der Eroberung Seleuoia's bis Vologäses 43 — 60.
Noch im gleichen Jahre der üebergabe Seleucia's 43
rüstet sich der nunmehrige parthische König Vardanes zur
Einnahme Armeniens. Eine sofortige Rüstung macht die
Wichtigkeit des Landes für Parthien und die Erzählungs-
weise des Tacitus^) wahrscheinlich. Auch bei Gotarzes haben
wir vorhin gesehen, wie er sich so bald als möglich gerüstet;
dieselbe Eile werden wir auch bei Vologäses im Jahre 51
wahrscheinlich finden. — Den abermaligen Aufstand des
Gotarzes, die Kämpfe im Osten und die Rückkehr des Var-
danes vermag ich im Einzelnen nicht zeitlich zu bestimmen ;
sie vertheilen sich aber zwischen die Jahre 43 und 48, welch
letzteres Jahr nach Philostratos^) am besten als Todesjahr
des Vardanes angenommen Avird. Auch im Hinblicke auf die
u
1) Vergl. S. 268 ff.
2) 11, 10 „exin . . .
3) V. Clinton f. R. II 248 und ad a. 45.
Untersach. z. Rom. Kaisergosch. I. lg
274 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
folgenden parthischen Könige ist für Vardanes' Tod etwa
das Jahr 48 anzusetzen; denn Meherdates ward von Rom
im Jahre 49 erbeten. *) Der Regierungsantritt des Gotarzes
wird nicht gar lange vorher stattgefunden haben; denn seine
Grausamkeit begann er jetzt wieder wohl gleich mit seinem
Regierungsantritt^ wie bei seiner ersten Regierung im Jahre 41.
Wie damals Vardanes bald berufen wurde ^), so wohl auch
hier Meherdates. Wenn also die zweite Regierung des Go-
tarzes nur kurze Zeit dauerte, so kommen wir, um dieselbe
vom Jahr 49 aus zurückgehend, auch so mit dem Tod des
Yardaiies etwa in das Jahr 48.
Die Berufung des Meherdates von Rom fällt in die zweite
Regierung des Gotarzes, ins Jahr 49; denn die Nachricht
davon XII 10 bezieht sich zurück auf die Consuln XII 5.
Noch XII 22 fallt in dieses Jahr 49 und erst XII 25 ins
Jahr 50.^) Ziemlich lauge vor Winter aber muss die Berufung
fallen, weil Tacitus erst für Meherdates' Uebergang über den
Taurus Schnee erwähnt.*) Nicht lange darauf ward Meher-
dates geschlagen und bald nach diesem starb Gotarzes. Beide
Ereignisse lassen sich am besten in den Winter 49/50 setzen.
Für den Anfang des Jahres 51 nennt Tacitus*) den
Vologäses als parthischen König. Er scheint der kurzen
Regierung seines Vaters Vonones, die somit ins Jahr 50
fallt, schon in diesem Jahre 50 gefolgt zu sein. D6nn Taci-
tus®) geht so schell an Vonones' Regierung vorüber, dass
diese Annahme wahrscheinlich ist. Wir nehmen denn auch
das Jahr 50 als das Jahr des Regierungsantritts des Volo-
gäses als Ende der parthischen Wirren an.
Aus dieser Zeit der parthischen Wirren ist die Ersetzung
des Legaten Vibius Marsus von Syrien durch G. Cassius im
1) 8. unten.
2) Tac. 11, 8.
3) Ebenso Clinton ad a. 49.
4) 12, 18.
5) 12, 44 sc. Claudio V ot Orphito coss. - Clinton f. R. II 248.
6) 12, 14.
Chronologie. I. Die Zeit des Mithridates.
275
Jahre 45*) zu melden. Noch 49 nennt ihn Tacitus. '^) Erst
im Sommer 51 treffen wir den Ummidius Quadratus an sei-
ner Stelle.*^)
Wir erhalten folgende
Clironolog« Tabelle für die Zelt des Mlthrldates, Sommer 41—51*
Jahr. ) Jahreszeit r
Ereignisse.
41 ! Jahresanfang
Sommer
Herbst
Winter
42
Frfihling
Sommer
Herbst
43
44
45
46
47
48
Ende
49
Sommer
i Spätherbst
Winter
50
Anfang
Ende
1
Beginn der parthischen Thronstreitigkeiten. —
Ernennung des Mithridates zum Könige von
Armenien durch Claudius.
Eroberung Armeniens durch Römer und Iberer ;
Besiegung des Demonax. Aufstand des Go-
tarzes in Parthien. Vardanes gibt die Be-
lagerung von Seleucia auf und wird in den
Osten verdrängt.
Mithridates Herr von Armenien, Gotarzes von
Parthien.
Waffenruhe.
Rüstung des Gotarzes zur Wieder erober ung Ar-
meniens.
Berufung des Vardanes als König der Parther.
Ankunft desselben.
Einnahme Seleucia's. Rüstung des Vardanes
gegen Armenien.
Krieg zwischen Gotarzes und Vardanes im
Osten.
Vardanes f. Gotarzes zweite Regierung.
Berufung des Meherdates von Rom.
Uebergang des Meherdates über den Taurus.
Verrath durch Abgar. Gotarzes f-
Vononos HI, König der Parther.
Völogäses, König der Parther. Ende der par-
thischen Wirren.
1) Münze V. Antiochia aus diesem Jahre (Eckhel d. n. III 280).
2) 12, 11 und 12. Das Jahr s. vor. S.
3) 12, 45. Das Jahr v. p. 274 Npte 6.
18
276 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
II.
Schwankende Zustände in Armenien,
A.
Iberisch -armenischer Krieg.
Der iberisch - armenische Krieg begann im Prühb'ng 51.
Dass es nicht mehr Winter 50/51 ist, wird durch die Un-
möglichkeit der Bj-iegföhrung in Hocharmenien zu dieser
Jahreszeit klar.^) Dass aber der Krieg nicht erst in den
Spätsommer fallen wird, dafür spricht der parthische Einfall
noch vor dem Winter. 2) Das Jahr 51 ergibt sich aus
Tacitus. 3)
B.
Parthisch *• iberischer Krieg.
Den iberisch-armenischen Krieg haben wir auf Vorsom-
mer 51 gesetzt. Da der parthisch-iberische Krieg unmittelbar
aus jenem entsprang, so fällt er auch noch auf den Som-
mer 51. Wir nehmen daher für ihn den Nachsommer 51 an.
Das Ende dieses parthisch-iberischen Krieges setzt auch
Nipperdey auf Ende 54, das erste Jahr der Regierung Nero's.^)
Er nimmt aber im Ferneren an«*^), dass die von 12, 44—51
Ende erzählten Begebenheiten ihrer Natur nach schon nicht
in ein Jahr gehören können und will, da die weiteren Nach-
richten 13, 6 mit Ende des Jahres 54 anheben, das Ende des
Cap. 51 des 12. Buches ebenfalls ins Jahr 54 reichen lassen,
1) Dies wird im Abschnitte „Geographie" näher erhellen. Das Winter-
mittel für Erzerum = — 5,6» B., für Eriwan = — 5,7« R., für Zürich
nur = — 0,6 R. Der starke Schneefall schon bei Strabo 527. —
(Schmidt, Meteorologie, p. 356 mid 348, in der allg. Encyclop. der
Physik V. Karsten Bd. XXI.)
2) V. unten B.
3) 12, 41. Clinton f. R. ad a. 51.
4) Tac. 12, 6 fine anni. , Clinton ad a. 54.
5) 12, 51 Anm.
Chronologie. II. Schwankende Zustände in Armenien. 277
um so einen Zusammenhang zu erzielen. Er vertbeilt also
die Ereignisse 12, 44 — 51 auf die drei Jahre 51—54 n. Chr.
Wenn wir nun einstweilen von der Fortsetzung in 13, 6
absehen, so gewinnen wir folgenden chronologischen Verlauf
der Ereignisse in 12, 44 — 51:
Anfang Cap. 44 geht auf die Zeitbestimmung Gap. 41
zurück, also in das Jahr 51 n. Chr. In diesem Jahre erhebt
sich der iberisch-armeniscbe Krieg, im Frühling. Er beginnt
mit einem plötzlichen Ueberfalle, durch den Mithridates er-
schrickt imd unvermögend, das Feld zu behaupten^), sich
in die Burg Gorneae wirft, wo er belagert wird. Vom An-
fange des Krieges bis zur Belagerung in Gorneae konnte also
nicht viel Zeit verstrichen sein. Die Erstürmung der Burg
gelang dem Rhadamistus nicht; er schloss sie also ein und
setzte die Bestechung des Prafecten ins Werk, worauf die
Burg übergeben wird. Die Meldung von diesem Verrath
konnte in kurzer Zeit zu Quadratas in Syrien gelangen, auch
wenn Gorneae weit im Norden von Armenien lag. Während
dieser Zeit schon konnte Pelignus, der in Cappadocien der
Sache näher stand, seine Rüstung begonnen haben und jeden-
falls bald hernach in Armenien eingefallen sein, so dass sein
Verrath nicht gar lange nach dem Verrath zu Gorneae vor-
fiel. Es können demnach sämmtliche Ereignisse vom Einfall
der Iberer im Frühling bis zum Verrath des Pelignus im
Nachsommer in etwa 5 Monaten vom März bis September
vorgefallen sein. Die Absenduug des Helvidius mit einer
Legion über 'den Taurus und seine Zurückberufung weisen
ebenfalls noch nicht auf den^ Winter. Während der Thätig-
keit des Helvidius hatten sich die Parther gerüstet. Da
Meherdates noch Ende 49 n. Chr. geschlagen wurde ^), Go-
tarzes bald darauf (50) starb und sein Nachfolger Vonones
ebenfalls, so konnte Vologäses, wohl noch 50 zur Regierung
gelangt, ganz wohl auf den Sommer 51 in Armenien ein-
1) ib. campis exutus, also wie es scheint ohne Treffen.
2) V. p. 48.
278 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
fallen^); ja es ist sogar wahrscheinlich^ dass er nicht bis
Sommer 52 gewartet hätte 2), und Tacitus sagt selbst, dass
der iber.-armen. Krieg (Sommer 51) dem Vologäses eine pas-
sende Gelegenheit zum Einfalle in Armenien zu sein schien.'')
Daraus geht hervor, dass Vologäses während dieses Krieges
Nachsommer 51 in Armenien eingefallen ist, als Helvidius
nach dem Verrath des Pelignus die Verhältnisse in Armenien
ordnete. Um einen Zusammenstoss mit den Parthem zu ver-
meiden ward nun Helvidius zurückberufen..
Nun berichtet Tacitus, dass die Iberer bei dem Einfalle
der Parther ohne Schwertstreich gewichen seien; der Einfall
der Parther und das Zurückweichen der Iberer fallen also
als sich bedingend in dieselbe Zeit, Nachsommer 51.
Hierauf wird bei Tacitus ein Winter erwähnt.^) Dies
ist der Winter 51/52 imd nicht derjenige von 53/54 (Nipper-
dey). Durch diesen Winter wurde Vologäses zum Abzug ge-
nöthigt (Anfang des Jahres 52), worauf Rhadamistus das
Land wieder besetzte, Frühling 52. Seine grausame Rache
für den Abfall veranlasste die Armenier, ihn zu verjagen.
Die bei der Mucht aufgefangene Gemahlin des Rhadamistus
wird zu Tiridates nach Artaxata geführt. Tiridates war also
sofort bei Vertreibung des Rhadamistus zurückgekehrt. Wir
stehen damit im Frühjahr od^r Sommer 52, gewiss nicht mehr
im Winter, da der Krieg nicht im Winter geführt werden
konnte. Gegen den Winter spricht auch die Erwähnung des
stehenden (also nicht gefrorenen) Nebenwassers des Flusses
und die Anführung von Hirten.
Es ergibt sich also, dass. man mit 12, 51 nicht wie
Nipperdey ins Jahr 54, sondern nur ins Jahr 52 gelangt.
Nach dieser Flucht des Rhadamistus, Frühling oder Som-
1) Dazu stimmt Clinton II, 248.
2) Wie Vardanes und Qotarzes wird er sogleich gegen Armenien
gezogen sein. Die Gründe v. p. 273.
3) Tac. 12, 50 „n/iw Volog. casum iuvadendac Armeniae obvcnisse
rattts.^
4) Tac. 12, 50.
Chronologie. II. Schwankende ZuBtände in Armenien. 279
mer 52, kommeu bei Tacitus die Cousuln dieses Jahres er-
wähnt*), dann die von 53^), so dass nach Nipperdey (Hucht
des Khadamistus im Jahr 54) das Vorgreifen in der annali-
stischen Darstelluiigs weise fast 2^/^ Jahre betrüge; nach un-
serer ^Rechnung (Flucht des Khadamistus 52) ergäbe sich
nur ein Vorgreifen um kaum V2 Jahr.
Dies das Resultat, wenn wir von der Fortsetzung in 13, 6
absehen.
Im Folgenden wollen wir nun die Fortsetzung der
Erzählung in 13, 6 beiziehen. Diese Fortsetzung weist
schon auf das Jahr 54 hin. Es scheint also zwischen den
zwei zusammengehörigen Stücken in 12, 51 (im Jalir 52)
und der Fortsetzung in 13, 6 (im Jahr 54) kein Zusam-
menhang zu existiren.. Nipperdey sucht diesen Zusammen-
hang eben so zu gewinnen, dass «er das pulso BJiddasmisto
(XIII, 6) mit Rhadamistus zweiter Flucht (XII, 51) identisch
erklin-t, das Ende von 12, 51 also auch ins Jahr 54 setzt
und den Abschnitt 12, 44—51 auf drei Jahre statt ein Jahr
ausdehnt (51 — 54 statt bloss 51 — 52).
Nun sagt aber Tacitus 13, 6, dass die Parther Armenien
besetzten, nachdem sie den Rhadamistus geschlagen, welcher
auch damals aus dem Krieg sich fortgemacht hatte — und
nun zur Motivirung des „auch damals'^ sagt Tacitus in einem
Nebensatz: „welcher Rhadamistus (überhaupt) oft das Reich
eroberte und wieder aufgab." Also: das oft eingetretene Ge-
schick des Rhadamistus, die Flucht, war „auch gerade da-
mals" eingetreten. .Mit dem saepe will nun aber Tacitus
ungefähr sagen:
Während meine früheren Erzählungen (12, 44—51), die
nur bis ins Jahr 52 reichten, erst eine zweimalige Flucht
des Rhadamistus merdeu konnten, so müssen dagegen meine
neuen Erzählungen (13, 6), die mit dem Jahr 54 anheben,
eine weitere Anzahl solcher Fluchten berichten, die in den
1) 12, 52.
2) 12, 68.
280 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Jahren 52 — 54 stattgefunden. Dies geschieht nun mit saepc . . .
profuffus. Würde mein Abschnitt 12, 44—51, der zwei Fluch-
ten enthält, bis zum Jahr 54 reichen (Nipperdey), würde er
«
also unmittelbar an 13, 6 anschliessen, so würde sich das
saepe (in 13, 6) nur auf zwei Fluchten (12, 44 — 51) bezie-
hen können; das geht aber nicht an. Weil sich nun zwi-
schen 12, 51 und 13, 6 noch zwei nicht berührte Jahre mit
weiteren Fluchten einschieben, so kann ich, auf diese wei-
teren Fluchten bezogen, „saepe^^ sagen.
Wenn wir demnftch um dieses saepe, also um 2 Jahre,
vom Jahr 54 aus zurückgehen, so kommen wir zum Jahre 52
und damit zum Ende des vorigen Abschnittes 12, 51; somit
ist mit dem Nebensatz „saepe profugus" der Zu-
sammenhang genügend hergestellt.
Es konnten so zugleich Ereignisse, die einzeln genommen
keinen Fortschritt in der Handlung, sondern nur ein Vor-
und Rückwärtsschwanken ergeben, zusammengefasst und durch
Nebensatzform auch im Styl als weniger wesentlich zurück-
gedrängt werden. Der Schriftsteller war so auch nicht ge-
nothigt, seinen verwöhnten Lesern solche unerquickliche Er-
eignisse weitläufig zu schildern. Damit war derKunst wie
dem Publicum Rechnung getragen.
Fasst man übrigens die Dinge so auf, so wird man nicht
wie Nipperdey genöthigt, das Handschriftliche tum quoquc
beUum in eine Cionjectur tum beUum quoque abändern zu
müssen.
C.
Römisch -parthische Spannung.
Wir haben bis jetzt Anfang und Ende des parthisch-
iberischen Krieges festgesetzt. Es bleibt nur noch übrig, die
Ankunft der armenischen Gesandten zu Rom zu be-
stimmen. Diese Ankunft fiillt einerseits schon unter Nero*),
aber anderseits noch vor die Gerüchte am Ende des Jahres 54.')
1) Tac. 12, 5.
U) ib. 12, 6.
Chronologie. IL Schwankende Zustünde in Armenien. 281
Wir setzen die Ankunft der armenischen Gesandten zu Rom
somit in den Sommer 54.
Die Befehle des Nero betreffend die Rüstungen im Orient
und die Ernennung des Domitius Corbulo wurden durch die
Gerüchte am Ende des Jahres 54 veranlasst. Aus diesen
Anordnungen geht hervor, dass für den Sommer 55 ein Krieg
in Aussicht genommen war /so dass die Rüstungen zu dem-
selben und die Ankunft Corbulo's in Cappadocien in den
Anfang dieses Jahres 55 fallen müsseu.
Bald begann nun der Streit zwischen Vologäses und Var-
daneS; welcher die Parther zum Abzug aus Armenien^) und
zur Stellung von Geissein ^) veranlasste. — Die weitern Ver-
hältnisse in Armenien sind bis zur Wiedereröffnung des Krie-
ges im Jahr 58 nicht genau bekannt ^ namentlich nicht mit
chronologischen Einzelheiten.
Wir erhalten folgende
Cbronolog« Tabelle für die Zeit der ^^schwankenden Znst&nde in
Armenien** 51—68.
Ereignisse.
Jahr.*
Jahreszeit.
_ _
51
Sommer
Nachsommer
Winter
62
Frühling
Sommer i'
53
1
1
54
\
Sommer
55
•
Anfang
1
1
Frühling .
1
56
1
1
67
!
1)
Tac. 13, 7.
2)
ib. 13,9..
Iberisch -armenischer Krieg.
Yologäses' Einfall in Armenien. Abzug der
Iberer.
Abzug des Vologäses.
Wiedereinzug der Iberer.
Wiedereinzug der Parther.
Neue Rivalität zwischen Bhadamistus und Tiri-
dates.
Armenische Gesandte zu Rom.
Römische Rüstungen im Orient. Ankunft des
Corbulo in Cappadocien.
Lässig begonnener Krieg des Corbulo. Abzug
des Vologäses gegen seinen Sohn Yardanes.
Unklare Besitzesverhältnisse in Armenien. We-
der Römer noch Parther sind Herren des
ganzen Landes.
}
}
282 Kgli : FeldzAlge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
III.
Eroberung Armeniens.
Tacitus gibt uns aus der Geschichte der Eroberung Ar-
meniens nur 3 Zeitangaben:
1) den Anfang,
2) das Ende derselben und
3) einen Sommer ohne Bezeichnung des Jahres, aus dem
Verlauf der Ereignisse.
Zuerst . bestimme ich die Jahre von Anfang und Ende,
dann das Jahr, in welches der genannte Sommer fallen niuss
und schliesslich die Zeit der weiteren von Tacitus erzählten
Ereignisse.
1) Jahr des Anfangs.
Die Eröffnung des Krieges zwischen Parthern und Rö-
luern fällt auf den Frühling des Jahres 58. ^) ^
Mit diesem Jahre wird auch der Krieg des Yologäses mit
Vardanes sein Ende erreicht haben. Wir kennen zwar die. x
nähern Umstände dieses Krieges nicht; doch ist so viel klar,
dass derselbe, wenn Vologäses seinetwegen Armenien aufgab
und vor den Römern abzog '^), ziemlich gedämpft sein musste,
ehe Vologäses wieder eine Unternehmung gegen die Römer
einleitete.
2) Jahr des Endes.
Der Abzug Corbulo's nach Syrien fällt in die Zeit nach
dem Tode des Quadratus.
Da nun Tacitus die nach diesem Tode erzählten Be-
gebenheiten in „dasselbe Jahr^'^), eine weitere Begebenheit
in das „Ende des Jahres ^^^) setzt und hierauf die Consuln
des Jahres 61 erwähnt, so fällt der Tod des Quadratus ins
Jahr 60.^)
1) Tac. 13, 34. Clinton f. R. ad a. 58.
2) Tac. 13, 7 und 9.
3) 14, 27 eodein anno,
4) 14, 28 fine anni.
5) Ebenso Clinton f. E. ad a. 60/ Nipperdey Comm. zu Tac. 12, 45.
Chronologie, lll. Eroberung Armeniens. 283
Der Abreise des Corbulo unmittelbar voran geht die
Ordnung der armenischen Verhältnisse und die Einsetzung
des Tigranes. Diese aber fand sofort nach Besiegung des
Tiridates statt; denn Tacitus sagt: „possessionem Armcniac
vsnrpabat (sc. Corhuh), cum adve^iit^) Tigranes a Nerom*
ad capess, hnpcr, delecttis/^
Wir haben somit eine zusammenhängende Thatenreihe
vor uns^ beginnend mit dem Kriege mit Tiridates^ endigend
mit dem Abzüge des Corbulo nach Syrien. . Von dem letzten
Ereignisse dieser Reihe (dem Abzüge des Corbulo nach Syrien)
wissen wir, dass es ins Jahr 60 gehört.*^) Das erste Ereig-
niss der Reihe (der Krieg mit Tiridates) kann seiner Natur
nach nur in einen Sommer fallen.
Würde nun der Abzug des Corbulo in den Anfang des
Jahres 60 fallen, der demselben vorangehende Krieg mit
Tiridates also in den Sommer 50, so wäre der Zusammen-
hang der Ereignissreihe durch die Zeit von Ende Sommer 59
bis Anfang 60 — also den Winter 59 — durchbrochen, also
keine zusammenhängende Reihe mehr da, die noch noth-
wendig gefordert ist.
Somit kann der Abzug des Corbulo nur gegen Ende 60
fallen und der Krieg mit Tiridates in den vorangehenden
Sommer 60.^)
Mit dem Jahr 60 geht demnach der Zeitraum der Erobe-
rung Armeniens zu Ende.
8) Jahr des Sommers in 14, 24.
Geht man von der Annahme einer streng annalistischen
Darstellungsweise bei Tacitus aus*), so muss man die Zer-
1) cum mit dem Indicativ in dem nachdrücklichen Sinne von „ge-
rade damals, als'' . . .
2) V. S. 2S2 über den Tod des Quadratus.
3) Unten (S. 290) wird die Unmöglichkeit der Annahme, dass dieser
Krieg noch in den Sommer 59 falle, auch mittelst Beiziehung der Tha-
ten des Sommers 59 nachgewiessn. Damit ist der Krieg mit Tiridates
nach vom and nach rückwärts auf den Sommer 60 eingeschränkt.
4) Zoch, Untersuchungen über die wichtigeren Finsternisse, welche
yon den Schriftstellern des klassischen Alterthums erwähnt werden.
284 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Störung von Ärtaxata in das Jahr 58^ den Marsch von da
nach Tigranocerta in das Jahr 60 verlegen. Es wird auf
diese Weise:
1) Der Marsch von Ärtaxata nach Tigranocerta, der
sofort nach der Zerstörung Artaxata's anhebt*), von dieser
durch eine Zeitspanne von zwei Jahren getrennt.
2) Wir erhalten durch Tacitus vom ganzen Jahre 59 keine
Kunde.^) Tacitus 13, 34 und 14, 23 wären durch eine un-
ausfüUbare Elutt getrennt, während sonst die einzelnen Ab-
schnitte des ganzen Partherkrieges vom Jahr 41 — 63 genau
aneinander anknüpfen.
3) Corbulo befand sich im tiefen Sommer 58 noch in
Nordwest-Armenien.^) Würde nun die Zerstörung von Ärta-
xata und der Marsch von da nach Tigranocerta auch in den
Sommer 58 fallen, so wären diese Begebenheiten in eine vor-
gerücktere Zeit dieses Sommers zu verlegen. Nun erntete
Corbulo im August westlich vom Vansee.*) Er müsste dem-
. nach, von Nordwest -Armenien im Hochsommer aufbrechend
und über Ärtaxata im fernen Osten ziehend, schon im Monat
August im Westen des Vansee's angelangt sein — eine
Marschleistung, deren Unthunlichkeit einleuchtet.
Wenn demnach die Zerstörung von Ärtaxata und der
Marsch nach Tigranocerta nicht mehr in den Sommer 58
fallen können, so verlegen wir diese beiden Ereignisse in
den Sommer 59 — und zwar in den Frühling den Aufent-
halt bei Ärtaxata, in den Herbst die Ankunft zu Tigranocerta.
Leipzig 1853. Nr. 15. „In jenem Jahre (59) erzählt er (Tacitus) gar
nichts von den Ereignissen in Armenien; im Jahr zuvor (68) erobert
und zerstört Corbulo Ärtaxata XIII, 41. Im Jahr nachher (60) heisst
es XIV, 23: Corbulo post deleta Ali,, utendum recetiti terrore rattis ad
occup. Tigr illuc pergit."
1) u tau! um recenti terrore rnttts . . . Tac. 14, 23.
2) Vergl. vor. S. Note 4.
ö) Tac. 13, 37 Qtuicsüo diu proelio frustra Jiabitus.
4) ib. 14, 24 loci cuUi vor der Tauraunitis. Aus meinen geographi-
schen Erörterungen (Cap. II) ergibt sich die Gegend von Melazgerd
und Liz als diese loci cuUi.
Chronologie. III. Eroberimg ArmenienR. 285
Das Jahr 59 ist demuach das Jakr des Sommers von
Tacitus 14, 24. Auf 58 fällt der Krieg im Nordwesten, auf
60. die Erneuerung des Krieges mit Tiridates.
Diese Annahme des Jahres 59 kann noch weiter geprüft
werden. Plinius sagt, dass am 30. April des Jahres 59*)
eine Sonnenfinsterniss stattgefunden habe: „Campania
hora diei inter septumam et odavam sensit, Corbulo dux in
Ärmenia inter hör am diei decumam et undecimam prodidit
Visum. Es ist dies dieselbe Finstemiss, welche Tacitus und
Dio2) nach Ermordung der Agrippina erwähnen.
Wenn Corbulo, wie wir vorhin gesehen, Frühling 59 in
der Gegend von Artaxata stand, so musste er etwa hier die
von Plinius erwähnte Sonnenfinsterniss beobachtet haben. ^)
Die t^nsterniss betrug für Artaxata 9,56'', war somit stark
partial.^)
Vergleichen wir nun die Schildenmg einer Lichterschei-
uung, die uns Tacitus bei der Zerstörung von Artaxata gibt^):
„adicitur miraculum velut numine oblatum: nam ctineta hacte-
nus sde ülustria fuere; quod moenibus eingehatur, ita repente
aira nube coopertum fulguribtisqtie discretum est, tU quasi in-
fensantibus deis ecbitio tradi crederetur,"
Wir werden kaum mehr anstehen, die Finsterniss, welche
Corbulo laut Plinius und die Lichterscheinung, die er laut
Tacitus in Armenien sah, für identisch zu erklären, zumal
da die wirkliche Zeit der Sonnenfinsterniss für Campanien
1) h. n. II, 180. Vipstano et Fontejo coss. Clinton ad. a. 59.
2) Tac. 14, 12 „sol repente obscurattis." Dio 61, 16 „ö ^^vtoi f^Xioc
aifiirac (unrichtig) . . . ^E^Xiircv . . . iK<pf|vai." Dass diese drei Finster-
nisse identisch sind, ergibt sich daraus, dass sie nicht gar lange nach
den Quinquatren, die Mitte März gefeiert wurden, stattfanden. Vergl.
Zech ib.
3) Zech berechnet sie für Tigranocerta, da er den Corbulo schon
im J. 68 Artaxata zerstören lässt.
4) Herr A. Weilenmann, Assistent auf der Sternwarte Zörich, hatte
die Güte, mir nach Zech's ' Berechnung für Tigranocerta den Betrag
für Artaxata zu bestimmen.
6) 13, 41.
286 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
einerseits und für Armenien andrerseits gut mit der Angabe
des Plinius stimmt.
Daxaus geht nun hervor
1) Dass die Zerstörung von Artaxata auf den Abend
des 30. April 59 faUt.
2) Dass Tacitus die gleiche Lichterscheinung für Italien
als eine Sonnenfinsternisse für Armenien dagegen als mira-
culum bezeichnet.
3) Dass Tacitus den Plinius über Armenien nicht be-
nutzt hat.
4) Dass der Sommer in Tacitus 14^ 24 wirklich in das
Jahr 59 gehört.
4) Die „Mittleren Ereignisse".
Aus den drei ersten Erörterungen geht hervor:
1) Der EinfaU des Corbulo Frühjahr 58.
2) Zerstörung Artaxata's 30. April 59 Abends.
3) Marsch des Corbulo von Artaxata nach Tigranoeerta
Sommer 59^
4) Abzug des Corbulo nach Syrien Spätjahr 60.
Ich suche nun die übrigen von Tacitus berichteten Er-
eignisse in diesen chronologischen Rahmen einzureihen.
Das Jahr 58 wird eröfl&iet mit einem Guerillakrieg, wel-
cher längere Zeit währt. ^)
Im Sommer 58 macht Corbulo, dieser aufreibenden Kriegs-
weise überdrüssig, einen Generalangriff verschiedener römi-
scher Colonnen, der Iberer, des Königs Antiochus und der
Moscher gegen Armenien.
In dieser Zeit ist aber Vologäses durch einen Abfall der
Hyrkaner in der Unterstützung seines Bruders gehindert,
weshalb Tiridates, durch den feindlichen Generalangriff in
die Enge getrieben, Unterhandlungen mit Corbulo anbahnt.
Diese Unterhandlungen sind am ehesten in den Winter
58/59 zu setzen ; denn Corbulo hat wohl den Winter zu Unter-
handlungen ausgelesen, eine Jahreszeit, in der ein Krieg in
1) diu quaesito proelio fnistra hahitus Corbulo Tac. 13, 37.
Chronologie. III. Eroberung Armeniens. 287
Hocharmenien unmöglich war^ also eine Zeit der Waffenruhe^
die von selbst zu Unterhandlungen einladen musste.
Für die Annahme des Winters für die Unterhandlungen
spricht Tacitus' weitere Erzählung. Tacitus sagt: „unde (una
die träms casteUis expugnatis) fiducia caput gentis Artaxata
aggrediendi,'* Diese fiducia musste sich namentlich auch
auf den Schrecken stützen, der durch die rasche und gleich-
zeitige Eroberung der drei Burgen bei den Bewohnern der
Hauptstadt entstanden sein musste. Wie nachher^) Corbulo
sofort nach Zerstörung Artaxata's gegen Tigranocerta ab-
zieht, weil er glaubte „recerUi terrore tUendtim esse,*' so wird
er auch jetzt nach der Zerstörung der drei Burgen sofort
gegen Artaxata gezogen sein, weil ihm auch da ein Hand-
streich am dienlichsten war. Die freiwillige und sofortige
Uebergabe Artaxata's^) unterstützt diese Annahme. — Wenn
demnach die Zerstörung der drei Burgen^) dem Angriffe auf
Artaxata unmittelbar vorhergeht, so gehört sie in den April 59.
Damit werden die Unterhandlungen ebenfalls in den
Winter 58/59 zurückgeschoben.
Wir haben somit zwei Gründe, welche die Annahme,
dass die Unterhandlungen in den Winter 58/59 fallen, wahr-
scheinlich machen:
1) Der Winter ist die für Unterhandlungen gegebene
Jahreszeit in Armenien.
2) Die auf die Unterhandlungen folgenden Ereignisse
gehören sehr wahrscheinlich dem Frühling 59 an.
Wir lassen demnach die Wiederaufnahme des Krieges
im Jahre 59 mit der Eroberung der drei Burgen beginnen
und setzen sie in d^n April 59.
Weiter berichtet Tacitus*), Tiridates habe sich bei
einbrechender Nacht zurückgezogen. Corbulo aber hätte
1) Tac. 14, 23.
2) ib. 13, 41.
3) Die Lage der. einzig bei Tacitus genannten, Volandum, ist im
geographischen Abschnitt (Cap. II) annähernd bestimmt
4) 13, 41.
288 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
noch in derselben Nacht bis Artaxata ziehen können. Er
habe aber erst am nächsten Morgen den Angriff auf die
Stadt gewagt und sie am gleichen Tage ^ Abends einge-
nommen.
Nun fallt nach Plinius die bei der Stadt beobachtete
Sonnenfinsterniss auf Abend 3—5 UhrJ) Beginnt nun das
Vorrücken gegen die Stadt am Morgen 2) und ist Corbulo
spätestens Abend 4 — 5 Uhr bei der Stadt angekommen , so
beträgt die Zeitdifferenz zwischen Vorrücken und Ankunft
höchstens 10 — 11 Stunden. Also wäre es, wie Tacitus sagt,
auch möglich gewesen, dass Corbulo vom Einbrüche der Nacht
an noch in der Nacht nach Artaxata hätte ziehen' können.
Es geht demnach wirklich die Flucht des Tiridates dem
Tage der Zerstörung Artaxata's (30. April) um nur eine
Nacht voran. Diese Flucht fällt daher auf den Abend des
29. April 59.
In den Sommer 59 fällt der Marsch des Corbulo von
Artaxata nach Tigranocerta mit dem Angriff der Marder.^)
Noch auf diesem Marsche kamen dem Corbulo Gesandte von
Tigranocerta entgegen mit der Uebergabe der Stadt. Diese
Uebergabe ist also ebenfalls noch vor Winter 59 zu setzen.
Schon vorher war in Hocharmenien das Getreide geemtet
worden, was frühestens im August geschehen sein konnte;
denn in der milden Tauraunitis sah Brandt^) am 7. August
trotz starker Sommerhitze das Getreide noch ungereift. Cor-
bulo hatte aber schon vor Ankunft in der Tauraunitis, also
in einer höher liegenden, nicht so milden Gegend geerntet. ^)
Wenn er somit im August oder noch später im Innern Ar-
meniens sich befand, so konnte die Ankunft zu Tigranocerta
nicht früher als in den September. 59 fallen. Auf diese
Zeit setzen wir sie au.
1) Plin. II, 180: iifd,er horam diei decumam et tmdecimam.
2) Aufbruch etwa um 6 Uhr.
3) Tac. 18, 24.
4) Bei Ritter, Erdkunde, X, 671.
ö) Wie sich aus meinen geographischen Erörterungen (Cap. II) ergibt.
Chronologie. II T. Eroberung Armeniens. ' 289
Tacitus meldet nun vom Herbei 59 bis Ende 60 (Abzug
des Corbulo) noch folgende Ereignisse^):
Kampf um die Burg Legerda^); Absendung hyrkanischer
Gesandter unter römischer Bedeckung zum erythräischen
Meere; Einbruch des Tiridates in Armenien aus Medien her;
Verjagung desselben durch Corbulo und seinen Legaten Veru-
lanus; vollständige Unterjochung Armeniens; hierauf, bei
Ankunft des Tigranes, Ordnung der armenischen Verhältnisse
und dann Abzug des Corbulo nach Syrien — Alles gegen
Ende 60.
Es ist uns also die Aufgabe gestellt, diese Ereignisse
auf die Zeit vom Nachsommer 59 bis gegen Ende 60 zu ver-
theilen.
Es fragt sich zunächst, wo wir in diese Ereignissreihe
den Winter 59/60 einzuschieben haben. — Vor Allem ist klar,
dass der Krieg mit Tiridates in Hocharmenien , bei wel-
chem die Legionen nochmals die weiten und beschwerlichen
Märsche durch dieses Land aufnehmen mussten, nicht mehr
in den Sommer 59 fallen kann. Oben haben wir gesehen,
dass Corbulo mit seinen Legionen frühestens im September 59
nach Tigranocerta kommen konnte; hier wurde er erst noch
durch den Widerstand der Burg Legerda aufgehalten. Nun
ist klar, dass er nicht im October 59 noch einen neuen Feld-
zug in das Innere von Hocharmenien imternahm; denn die
mildeste Gegend, durch die Corbulo auf seinem Zuge kommen
konnte, die des Vansee, hat sehr starken und so frühzeiti-
gen Schneefall, dass in Van oft die Traubenemte dadurch
zerstört wird. Selbst die Kurden nordöstlich vom Vansee
ziehen sich Ende October in ihre Winterquartiere zurück.^)
Es ist also aus klimatischen Gründen sicher, dass die Ver-
jagung des Tiridates nicht mehr in das Jahr 59 fallen kann.
Allein auch die Erzählung der auf diese Verjagung folgenden
1) 13, 26 imd 26.
2) Eine Vermuthung über die Lage dieses Castells im geofjfraphi-
schen Theil (Cäp. U).
3) Brandt bei Ritter, Erdkunde, X, 302. 332.
Uniersuch, z. Rom. Kaisergosch. I. 19 -
290
Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Ereignisse bei Tadtus zieht diese Verjagung auf den Som-
mer 60 hinüber, wie wir oben nachgewiesen haben. ^) Somit
ist der Krieg mit Tiridates nach vorwärts und rückwärts auf
den Sommer 60 eingeschränkt.
Die Eroberung von Leger da und die Absendung hyr-
kanischer Gesandter in ihre Heimat gehören somit, als
dem Feldzug vom Sommer 60 voraus- und der Einnahme
Tigranocerta's im Herbste 59 nachgehend in den Winter 59/60.
Das Clima der Orte, wo beide Ereignisse hingehören, bildet
für diese Annahme kein Hindemiss.
Wir erhalten folgende ^
Chronologische Tabelle f&r die Zeit der „Eroberung
Armeniens << 58—60.
Jalir.
58
Jahreszeit.
_L
Ereignisse.
Frülyahr
Sommer
Winter
59
April
r, 29. Abends
„ 30. Abends
Mai — September
September
Winter
60
Sommer
Herbst
1)
Vgl. S. 283.
Erö£Pnung des armenischefi Krieges. Ende
des Krieges zwischen Yologäses und Yar-
danes.
Generalangriff der Römer, Moscher, Iberer
und des Königs Antiochns. Abfall der
Hyrkaner von Y^logäses.
Unterhandlungen zwischen Corbulo und Ti-
ridates.
Zerstörung der drei Burgen (Yolandum).
Flucht des Tiridates.
Zerstörung Artaxata's.
Afarsch des Corbulo von Artaxata nach Ti-
granocerta. Angriff der Marder.
Einnahme Tigranocerta's.
Einnahme von Legerda. Absendung der
hyrkanischen Gesandten.
Krieg mit Tiridates und Yerjagung dessel-
ben.
Ordnung der armenischen Yerhältnisse und
Abzug des Corbulo nach Syrien.
Chronologie. IV. Parihisch- römischer Krieg. 291
IV.
Farthiscli-rOmisclier Krieg.
Nach der Yertreibuug seines Bruders Tiridates aus Ar-
menien hätte Yologases gern für denselben Rache genommen.
Allein der Abfall der Hyrkaner^ welcher durch das romische
Bündniss yon 59/60 wohl noch geschurrt worden war^ hielt
ihn zurück. Erst als im Frühling 61 der neue armenische
Konig Tigranes die Adiabener ausplünderte und deren Herr-
scher Monobazua überlegte^ ob er sich den Bomem unter-
werfen sollte ; entschloss er sich^ die Streitigkeiten mit den
Hyrkanem beizulegen und mit gesammter Kriegsmacht die
romischen Provinzen zu bedrohen.
Die folgenden Ereignisse können durch eine Angabe bei
Tadtus zeitlich näher bestimmt werden. Die Heuschrecken-
schwärme, die im Folgenden erwähnt werden, faUen nämUch
auf Juni/Juli (61). *) Daher gehört der Angriff auf Tigrano-
certa und der Bückzug des Vologäses nach Nisibis noch vor
diese Zeit. Die Gesandten, die nach Rom gesandt wurden,
werden etwa im Juli abgezogen und im September wieder
zurückgekehrt sein, so dass der Krieg in diesem Jahre
61 nochmals aufgenommen werden konnte. Hierauf über-
winterte Pätus in Cappadocien Winter 61/62, während Cor-
bulo seine Provinz in Vertheidigungszustand setzte.
Im nächsten Frühling 62 erheben sich die Parther gegen
Pätus. Sie erstürmten die Bergübergänge an den Tigris-
queUen und schlössen den römischen Feldherm bei Arsamo-
sata ein, Sommer 62.
Im Herbste 62 musste Pätus abziehen; denn es heisst bei
Tacitos*) „exin Paetm per Cappad, hibemavit"; auch zogen
damals Parther und Römer aus Armenien ab.
Im folgenden Frühling 63^) anerboten parthische 6e-
,1) Zeitschr. für allg. Erdkunde 1861 p. 383.
2) 16, 17.
3) Tac. 15, 20 Memmias Regalos und Verginius Eafus coss. —
Clinton ad a. 63.
19*
292
Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
sandte, Tiridates würde sich dazu verstehen, in Syrien das
Diadem anzunehmen. CorbuloV drohender Zug fällt in deu
Sommer 63, da er erst auf die Beantwortung einer im Früh-
ling nach Bom geschickten Anfrage, ob man den parthischen
Vorschlag annehmen wolle, beginnen konnte. Da dieser Zug
den Friedensschluss zwischen Parthern und Römern zur Folge
hatte, so können wir den Abschluss unserer Periode
auf Nachsommer 63 setzen.
Wir erhalten daher folgende
Chronologische Tabelle ffir die Zeit des ^^parthisch-römiselien
Krieges ^< 61-68.
Jahr..
Jahreszeit.
Ereignisse.
61
1
Frühling
1
Plünderungszug des Tigranes nach Adiabene.
Eröffnung des Krieges durch Vologäses.
Mai/Juni
Missglückter Versuch der Parther gegen Ti-
,
1
granocerta.
Jnli
Vologäses in Nisibis. Dessen Gesandte nach
Bom.
September
Rückkehr derselben.
Herbst
Zug des Pätus. Dessen Berichterstattung an
Nero.
- Winter
Pätus überwintert in Cappadocien. Corbulo be
wacht den Euphrat.
62
Frühjahr 1
Angriif der Parther gegen Pätus. Erstürmun«?
der Tauruspässe.
Sommer
Belagerung des Pätus bei Arsamosata.
Herbst
Abzug des Patus. Bäumung Armeniens durch
beide Parteien.
Winter
Pätus und Corbulo überwintern in Cappadocien.
63
Frühling
Friedensvorschläge der Parther.
Sommer
Zug des Corbulo.
Nachsommer '
Friedensschluss.
Zweites Capitel.
Geographie.
Meine litterarischeu HüIfBinittel für den geographischen
Theil waren zwar nicht die Originalberichte der Reisenden
selbst; wohl aber die in Ritters Erdkünde Band X, p. 1 — 1149
verwertheten Abschnitte aus denselben. Sie mögen für unseren
Zweck vollständig die Originalquellen ersetzen ^ weil sie nicht
sowohl in einander verarbeitet^ als mehr nur an einander ge-
reiht sind. Bei Ritter sind zugleich die Angaben des Strabo^
Tacitus, Plinius, Marco Polo, Josef Barbaro, Tournefort u. a.
früherer Reisenden, sowie des Moses von Khorene, türkischer
und arabischer Geographen, ferner St. Martin, Indshindshean
und Tshamtshian u. a. Geographen, und endlich die russi-
schen Berichte (namentlich über die Peldzüge von 1828/29)
verwerthet.
An Karten über die einschlägigen Gebiete lagen mir vor :
1) Kiepert, 4 Blattkarte über die Kaukasusländer, Ar-
menien, Kurdistan und Azerbeidshan; Maassstab 1 : 1,500,000,
Berlin, 1854. Meines Wissens die neueste über diesen um-
fang sich erstreckende grössere Karte.
2) Koch, Karte der Kaukasusländer und von Armenien,
Maassstab 1 : 1,000,000, Berlin 1850.
3) Kieperts Karte zu P. v. Tschihatscheflfs Reisen in
Klein -Asien und Armenien 1847 — 1863. In Petermann's
geographischen Mittheilungen, Ergänzungsheft Nr. 20, Gotha
1867. Diese neueste Karte reicht jedoch nur über den west-
lichen Theil Armeniens bis etwas über Erzerum hinaus.
294 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
4) Journal of the royal geogr. soc. of London.'
Map of a part of Kurdistan y. Taylor. 1865.
5) Petermann, geogr. Mitth. 1863. Blau's Karte
zur Beise von Urunyah bis zum Vansee. 1867.
6) id. 1863. Strecker, Kartenskizze des Zab-Ala Gebietes
in Kurdistan.
7) Stieler's Handatlas. Ausgabe 1868, Nr. 38a^
Karte von Südrussland und des nördlichen Theils von Ar-
menien. Für die Hypsometrie bot diese Karte in den wich-
tigsten Theilen Armeniens das Neueste und Genaueste. —
Die Lieferung mit der Karte der asiatischen Türkei, welche
Armenien vollständig bietet, ist bis jetzt leider noch nicht
erschienen.
I.
Zur Geographie Hochanaeniens.
Auf der nördlichen Gränzkette des Plateau von Erzerum
im Nordwesten des gesammten armenischen Bollwerks, dem
10,000' hohen Kop Dagh, sah Kinneir im Juni 1813 drei
nach Süden hinter einander liegende Bergketten vor sich.')
Wenn wir, von dieser Beobachtung ausgehend, mittelst
der neueren Karten des armenischen Hochlandes dieselbe
erweitem, so erhalten wir in kurzen Zügen das orographische
Gerüste des Plateau's.
Drei Gebirgskämme (a, 6, c Fig. 1) liegen als drei Dach-
firste parallel von Ost nach West streichend hinter einan*
der. Sie sind aber durch zwei Einsenkungen getrennt, die,
selbst wieder dachförmig, ihre niedrigem Kämme (Wasser-
scheiden a ß) senkrecht auf die Gebirgsfirste stellen. So
zerlegen sich die zwei grossen Längen-Thäler in je zwei Ab-
dachungen, welche paarweise im Osten und Westen (bei b b)
sich vereinigen. Dadurch wird der mittlere Gebirgszug (6 b)
von der Verbindung mit anderweitigen Gebirgsmassen abge-
1) Kinneir bei Bitter X, 741.
r
Geographie. 1. Zur Geographie Uocharmeniens. 295
sbhlossen. Der nördliche Wall {a a) aber zieht sich so weit
in den Bogen (x x^) herab, dass bei c c selbst nur enge
Durchbrüche bleiben. Das Ganze kommt somit einem in sich
Fiff. 1.
JIÖX9
08V
geschlossenen Bollwerke gleich, welches nur durch diese bei-
den Durchbrüche und wenige Passlücken der Randgebirge
zagänglich ist.
Dies ist die schematisch abstrahirte Struktur des arme-
nischen Hochlandes.
In Wirklichkeit stellt sich die Sache so dar:
a) Die drei Gebirgssysteme.
1) der mittlere Gebirgszug {h b) hebt an seinem
Westeude mit dem Binghöl Dagh an (11^550' St.^)), setzt sich
fort durch Chopus (10,979' St.) — PerU Dagh (9,992' St.) —
Tschingil (9,987' St.) — Grosser Ararat (15,871' St.) und
endet mit dem kleinen Ararat (12,056' St) in Osten.
2) der südliche Gebirgszug (c c) beginnt im Westen
mit dem Charzan Dagh (10,000' K.), fahrt fort mit dem Nim-
rud Dagh (10,000' K.) — Sipan Dagh (10— 12,000 K.?) —
Ala Dagh (10,234' St.) und endet mit dem Chori (10,923' St.)
im Osten. — Zu ihm östlich heran kommen noch die Aus->
läufer des Iranplateau (Eamky 10,349' St.) [y], welche sich den
1) St, bezeichnet die Höhenangaben in Stieler ^ Handatlas Nr. 38 a
(1868); K, diejenigen in Kiepert, Karte Yon Armenien etc. (1854).
296 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — G:J n, Chr.
Endstöcken der von Norden herabkommenden nördlichen
Kette (a?,) nähern und so mit derselben bei Ordubad den Thal-
durchbruch verengern. Zwischen zwei Zügen dieser Kette
liegt das Vanseeplateau (v. unten, Tafel zu S. 299).
3) die nördliche Kette (a a) wird durch ihr abschlies-
sendes bogenförmiges Uebergreifen (x x{) und ihre weit-
läufige Entwickelung nach Norden hin die ausgedehnteste.
Am wenigsten ausgebildet und am wenigsten scharf als
hohes ßandgebirge markirt ist die Biegung im Westen {x)
und folglich der Uebergang in das hohe anadolische Stufen-
land ein allmähliger; aber trotzdem lässt die Wildheit der
Gebirge auch hier wenige Zugänge offen. Die Hauptculmi-
nationspunkte des nördlichen Gebirgswalles von West nach
Ost sind: Kop Dagh (10,000' K.) — Gök Dagh (10,000' K.)
— Kumry (8,971' St.) — Kysiljar (9,424' St.) — Bugatapa
(8,439' St.) — Kysyr (9,810' St.) — Utschtapaljar (9,182' St.)
— Legli (10,491' St.) — Alagös (12,606' St.) u. a. — dann
das von vielen 10 — ^12,000' hohen Gipfeln eingeschlossene
Erivanseeplateau (c Fig. 2) und dessen Fortsetzung (jCj),
Fiff. 2.
N
^ , IBl »
endigend mit dem Kapudschich (12,061 ' St.) bei Ordubad,
vorüber den Ausläufern des Iranplateau's (Kamky 10,349' St.).
Vom Norden dieser Kette strömt der Fluss Kura herab,
und sein Oberlauf wird durch zwei Flügel der Nordkette
beiderseits eingefasst:
Geogi*aphic. l. Zur Geographie HocharmenieuB.
297
a) im Westen der oberii Kura von Kumry aus bis zum
Rion.(« Fig. 3) — Endstücke Mepiszkaro (8,765' 8t.) und
Nageva (8,061' St.) mit Seitenzweigen (Derendara f), 185 'St.
Fig-, 3.
K
W
41
8
im Osten und Kartsch Chal 10,561 ' St. im Westend — Die
Fortsetzung bildet die Wassersclieide (z) zwischen Pontus und
Caspi und leitet hinüber zum Kaukasus.
ß) im Osten der obern Kura vom Legli Dagh aus zur
untern Kuraebene (r): EmlekU (9,400' St.) — Abid (10,158'
St.) — Samöar (10,112' St.) — Marknewi (7,216' St.) —
Adschevan (8,497' St.).
b) Die vier Abdachungen.
Die sämmtlichen vier Abdachungen sind hydrographisch
durch 4 Ströme gekennzeichnet (Fig. 4):
West - Abdachung.
Ost -Abdachung.
a) nördl. LängBthal
b) südl. „
Jephrat
Murad
Erasch
ßalyk
Die zwei Ströme der Westabdachung, Jephrat und Murad^
vereinigen sich zum Euphrat^ Erasch und Balyk zum Araxes,
298
Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
So wollen wir die vereinigten Unterläufe durch die antiken
Bezeichnungen von den je zwei Oberläufen (mit den armeni-
schen Bezeichnungen) unterscheiden.
Figr. 4.
\y
Für die Gliederung Armeniens hat dagegen der Tigris
keine Bedeutung, da er nur am Fusse des Südrandes des ge-
sammten armenischen Bollwerks entspringt. Es ist hier nicht
die Wassermasse 9 welche den Strom bedeutend erscheinen
lässt, sondern nur das Maass seiner Theilnahme an der Hoch-
landsgliederung. Desshalb ist hier der kleine Balyk den drei
grossem Strömen Jephrat, Erasch und Murad ein ebenbür-
tiger Bruder.
o) Die Vorstufen.
a) Der nördlichen Kette ist noch ein Gebirgszug vorge-
lagert; die pontischen Gebirge (p Fig. 5). Das Thal, wel-
ches sie von dem nördlichen Gebirgszuge trennt, fallt eben-
falls dachartig von seiner Mitte nach Ost und West ab. Die
Mitte aber, die Wasserscheide, setzt sich in der Nordwestecke
des Bollwerks senkrecht auf (w). In der östlichen Abdachung
fliesst der Tschoruk, in der westlichen der Ghalkawila u. a.
Flüsse.
b) Neben der pontischen Vorstufe hat Hocharmenien
auch auf allen andern Seiten vorliegende Stufenlands chaf-
— 1 ^ - T
Geogr^hie. 1. Zur Geographie Hocharmeniens. 299
ten: die kaukasische^ anadolische , iranische, syrische und
mesopotamische. *)
Drei yon ihnen führen unmittelbar zu drei verschiedenen
IVSST
•NT
9yow,v
Meeren (Pontus, Easpisches und Mittekneer) hinab; eines erst
mittelbar durch zwei grosse Strome zum persischen Meer-
busen.
Durch die Zusammenstellung der bis jetzt behandelten
Gestaltungen bekommen wir ein durch die beigefügte Tafel
veranschaulichtes Gesammtbild des armenischen Hochlandes
und seiner Vorstufen.
d) Innerer Ausbau.
Vor Allem muss uns nun die vielseitige Modificirung
unseres Schema's des armenischen Hochlandes durch kleinere
und grossere Gliederung innerhalb desselben klar werden.
1) Hypsometrie. Die 3 Gebirgsmauern zunächst sind
keineswegs ak ungefähr gleich hoch fortlaufende Dämme zu
betrachten. Vielmehr steigen ihre Kämme mannigfaltig zu
den höchsten Gipfeln von 10,000 und mehr i\iss hinauf und
zu weit niedrigem Passlücken hinunter (Grosser Ararat 15 • 871'
St., Pass bei Bitlis kaum 5,000' K.). Im Grossen und Ganzen
aber sind es fortlaufende und zusammengehörige Ketten. —
Was namentlich die Hochlandsnatur Armeniens bedingt, das
1) mtter, Erdkunde, X, 907.
300 Egli : Feldzügb in Annenien von 41 — 63 n. Chr.
ist nicht nur die Höhe seiner höchsten Gipfel ^ sondern die
Erhabenheit seiner Thalsohlen. Im nördlichen Längen-
thale erhebt sicli die Thalsohle im Westen der Wasserscheide
zu, 5,735' (St.), die im Osten derselben zu 5,846' (St,).*) Nur
das Engandin und das Avers mit ihren hochgelegenen Dör-
fern bieten in unsem Alpen eine Analogie zu den Hoch-
thälern des armenischen Plateau dar.^) Selbst die zwei Ver-
einigimgspunkte der zwei westlichen und der zwei östlichen
Flüsse sind noch um 2,200' hoch (K.) über dem Meere ge-
legen; somit reichen im armenischen Hochland die tiefstge-
legeiien Punkte nur soweit hinab, als in unserer schweizeri-
schen Hochebene (z. B. im Kanton Zürich) die höhereu
Hügelzüge hinaufreichen.^) Während der Rhein unser schwei-
zerisches Hochland zu Basel 763' ü. M. verlässt, so der
Euphrat Armenien oberhalb Kjeban Maaden 2,200' ü. M. (K.).
— Dies von der Hochlandsnatur Armeniens.
2) Stofenebenen. Alle 3 Gebirgssysteme schicken mannig-
faltige Zweigliuien ab, welche als lange Rücken, öfter noch
als breite Gebirgsmassen, an die 4 Ströme hinantreten und
die 4 grossen Flussthäler (Abdachungen) vielfach, auf kurze
oder lange Strecken verengern. So wird jedes der 4 Thäler
in eine grössere Zahl von einzelnen Stufenebenen gegliedert,
deren Verbindung oft nur gebildet wird von dem allen Stu-
fen gemeinsamen Flussthal, das, meist von hohen Felswänden
eingeengt, leicht zu vertheidigen ist. Jede der Stufenebenen
ist so scharf von der andern getrennt, hat daher ihr eigenes
Leben, ihr eigenes Klima und ist doch wiederum durch eine
bequeme, aber von der Natur einzig gegebene Pforte mit
der andern verbunden. So hat Armenien mit dem Iran-
Plateau und dem anliegenden kleinasiatischen Hochland „das
1) Während der fÜgikulm nur 5,641' erreicht (Ziegler, Hypsom. d.
Schweiz S. 225).
2) St. Moriz im Engadin 5,710'. Das Avers ist das am höchsten
hinauf in Dörfern bewohnte Hochthal Europa's (s. B. P&rrdorf Cresta
5,997') ib.
3) Irchel 2143' ib.
Geographie. I. Zur Geographie Hocharmeniens.
301
charakteristische Vorherrschen der Plateau- und Stufenland-
schaften ^^ gemein. Dagegen unterscheidet es sich von. den-
selben^ wie Ritter treffend schildert ^), „durch die grossen
Stromdurchbrüche in Tiefenthälern und Engspalten aus der
Mitte dahinterliegender Tafelländer durch alle Hauptketten^
Neben - und Vorketten, nach allen entgegengesetzten Directio-
nen und Weltgegenden. Dadurch entsteht ein System der
reichen plastischen Gliederung, die Durchgehungsfahigkeit
und die grosse Mannigfaltigkeit der Zugänge durch die um-
mauerten Bollwerke zu der grossen Naturveste und Völker-
burg des armenischen Hochlandes, mit ihren kaukasischen,
pon tischen, anadolischen , iranischen, syrischen und mesopo-
tamischen Stufenlandschaften.^' «
Es ergeben sich, jeweilen mit der Wasserscheide ange-
fangen, folgende grössere Stufenlandschaften 2) :
West- Abdachung
Ost-Abdachung.
Jephrat.
Garin (Erzerum)
6,735'
Terdjasn
Erzingan
Egin
Murad.
Erasch.
Dijadin Pasih 6,846'
Alaschgerd 6,800' Kars 6,689'
Melazgerd - Liz | Erivan 3,000'
Mush (Taron) 4,400'
Palu und Kharput
2,600'
Balyk.
Bajazod 5,735'
Maku
Kjeban Muaden 2,200'.
Nachdjevan 2,300'.
Mit diesen Erläuterungen haben wir das armenische
Hochland in seinen Hauptzügen nach Orographie und Hydro-
graphie gezeichnet. Diese Orientirung war nothwendig; denn
die in derselben geschilderten Eigenthümlichkeiten sind für
den Bau des gesammten Hochlandes von durchgreifender
Beileutung.
1) Erdkunde X, 907.
2) Hierzu die Karte am Ende des Ganzen.
302 Egli: Peldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Bei allen andern geographischen Verhältnissen aber be-
dürfen wir für unsem Zweck keiner systematischen Zusam-
menstellung. Es genügt; wenn diese auf die Urographie und
Hydrographie aufgebauten ^ sich nach Ort oder Zeit mannig-
faltig modificirendeU; also mehr lokalen EigenthümUchkeiten
da besprochen werden ; wo sie für die Marschrichtung des
Corbulo massgebend sein können. Wir gehen also sofort
dazu über, die Routen des Corbulo. auf den oben gezeichneten
Boden einzutragen.
n.
Die Bonten des Corbulo.
A.
Positionen bei Tacitus.
\ Tacitus gibt uns in seiner Schilderung folgende bekannte
Positionen, welche mit der Marschroute des Corbulo in Ver-
bindung zu bringen sind:
1) Artaxata»
eine der zwei Hauptstädte Armeniens, in der Erivanstufe,
jetzt Ruinen westlich vom Dorf Ardaschar, Yj Meile ostlich
Yom Erasch.^} Früher muss der Flusslauf weiter östlich an
der Stadt selbst vorbeigegangen sein; denn Strabo berichtet
uns'), dass sie von Hannibal auf einer vom Araxes gebil-
deten Halbinsel gegründet worden und gegen den Isthmus
zu ausser durch Mauern noch durch einen Graben geschützt
gewesen sei.^) Tacitus selbst setzt sie ebenfalls an den Fluss
1) Nadi der Karte von Kiepert. — Bei diesem Dorfe hat de auch
Koch, aber etwas südlicher.
2) p. 629.
3) Die Lage von Artaxata ist demnach deijenigen von Vesontio
nicht unähnlich, von der Cäsar b. G. (I, 38) sagt: natura loci sie mu-
nidxxtur, ut magnam ad ducendum hellum daret faeultatem. — Auch
Geographie. IL Die Roaten des Oorbulo. 303
(Araxes qui moenia aJJ/uit) und erwähnt eine Brücke zur
Verbindung mit dem jenseitigen Ufer. Ruinen von Stadt
und Brücke sah Morier. ^) — Artazata lag am östlichen
Ufer des Erasch; denn Corbulo musste^ von Westen kom-
mend^ den Fluss überschreiten.
2) Tigranooerta.^)
Für die römische Geographie im Ganzen genommen ist
es bezeichnend; dass keiner der römischen Schriftsteller eiue
einigermassen ordentliche Beschreibung von der grossen^ ge-
scbichüich so wichtigen Tigranocerta macht, so dass mau
die Lage dieser Stadt feststellen könnte. Die ersten in dieser
Hinsicht competenten Geographen und Reisenden der Neu-
zeit schwanken besonders zwischen drei Positionen:
a) Ruinen von Sert am Bitlis Su.')
b) Majafarkin zwischen Sert und Diarbekr.^)
c) Gegend von Budaschi zwischen Sert und Majafarkin.^)
Ich wage nicht , mich für die eine oder andere Ansicht
im bedingt zu entscheiden , da nur eine genaue Erforschung
der Antiquitäten an Ort und Stelle auf Vertrauen Anspruch
machen kann. Doch möchte ich mir über diese streitigen
Positionen -eine Vermuthung erlauben, die nicht auf antiqua-
rische Gründe, wohl aber auf die allgemeine geographische
Lage basirt.
Das südliche Bollwerk des armenischen Hochlandes kann
für ein Heer, das von Tigranocerta — gleichviel, welche der
drei Positionen als dasselbe angenommen wird — nach der
Tauraunitis vordringt, nur an einer einzigen Stelle über-
dorch die Wahl dieser günstigen Oertüchkeit für die armenische Haupt-
stadt beweist somit Hannibal seinen militärischen Scharfblick.
1) Zweite Beise nach Persien 346. — Ausland 1835.
2) Tac 14, 23.
3) Z. B. D'Anville bot TEuphrate 84. Mannert, Oeogr. der Griechen
nnd Römer 234. Forbiger bemerkt im Jahre 1858, dass dies die gewöhn-
lichste Ansicht sei (üebers. z. Strabo 532}.
4) Koch, Karte 1850.
5) Kiepert^s Karte 1854.
304 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
schritten werden. Diese ist der Pass vonBitlis, den schon
Xenophon und LucuUus benutzten.*) Das Gebirge westlich
desselben ist ,,schwer zugänglich und wild" 2), der Pass von
Bitlis aber so mild, dass die weiten Pflanzungen von Apriko-
sen, Trauben, Quitten, Feigen, Granaten der romantisch in
ihm gelegenen Stadt ein paradiesisches Ansehen verleihen.
Nicht einmal 5,000' ü. M. gelegen'^) bildet dieser Pass die
Pforte von Armenien und Georgien nach Bagdad, Diarbekr,
Syrien und dem Euphraüande. ^) Bitlis selbst konnte seiner
„ganz vortheilhaft dazu geeigneten Lage" halber einen
„grossartigen Handelsverkehr" vermitteln.*) Vorzüglich um
des Handelsinteresses willen hat es der britische Consul
Brandt besucht.^) Es hat daher wohl .die Ansicht etwas für
sich, welche die grosse Qapitale aus der Glanzzeit des arme-
nischen Reiches an die durch dieses Länderthor führende
Strasse verlegt; hier kam der Stadt die natürliche, zum
Handel so vorzüglich geeignete Lage zu Gute; hier war die
Verbindung mit den rückwärts liegenden Provinzen des Hoch-
landes die kürzeste und leichteste; hier befand sich die Stelle
der Defensive und Offensive zugleich, wo Ein gewaltiges
„Schloss" den ganzen Südrand des armenischen Bollwerks
verwahrte und in drohender Höhe') „an einer durch Wenige
gegen Tausende zu vertheidigenden Strasse"^) die weiten
vorliegenden Ebenen des Zweistromlandes nach allen Seiten
beherrschte. Kurz, am Bitlispass lag der Knotenpunkt, in
dem die Fäden- aus dem nördlichen Hochland und dem süd-
1) Kiepert, Atlas der „Alten Welt" 1861 und Ritter, Erdkunde X, 99.
2) Kitter X, 86. Weder Koch's noch Kieperts Karten deuten hier
praktikable Wege an.
3) Kiepert's Karte 4,800—6,000'.
4) Ritter X, 688.
5) Schon jetzt ist der Handel — für eine türkische Stadt — ziem- ,
lieh bedeutend, ib.
6) ib.
7) Plinius, der von Tigranocerta weiter nichts weiss, sagt doch, ee
liege „in cxcelso".
8) Taylor trav. in Kurd. .Tourn. R. G. S. of London. 1865 p. 31.
Geographie. II. Die Routen des Corbulo. 305
liehen Tieflande sich verknüpften. Wäre 3tatt der Tigrano-
certa eine Alexandropolis in dieser Gegend zu suchen, so
würde die Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer Stellung
im Biüispasse gross sein. Aber auch ein Armenierkönig
kann die Vortheile einer solchen Lage eingesehen haben.
Von den drei Positionen für Tigranocerta, die oben als
streitig aufgeführt wurden , fallt nun eine in diese günstige
Lage, nämlich Sert am Bitlis Su. Die andern aber liegen
westlich von dem Bitlispasse und sind durch enge, unter
sich parallele, eine Verbindung mit dem Passe mehrfach
durchschneidende und hemmende Flussthäler getrennt.^) Ich
glaube daher, dass die Wahrscheinlichkeit für die Versetzung
Tigranocerta's im gleichen Verhältniss abnimmt, als man
mit ihr vom Bitlispass weg nach Westen vorrückt.
In neuester Zeit hat sich auch wirklich der Hauptgrund,
den man^) gegen die Position zu Sert anführt, dass nämlich
keine Ruinen hier gefunden würden »), als unhaltbar erwiesen.
Es werden nämlich bei tiefen Fundamentirungen wirklich
Ruinen in einer Ausdehnung von mindestens drei englischen
Meilen^) gefunden. Wenn über dem Boden keine Ruinen
gefunden werden, so hat das seinen Grund darin, dass die
ganze neue Stadt Sert aus den Ruinen der alten Tigrano-
certa erbaut wurde. Taylor bemerkt, dass er in keinem an-
dern Theil des Pasch aliks irgend welche Münzen von Tigra-
nes gefunden habe, während er zu Sert in einem Tage fünf
Stück kaufte, wovon eines auf der Rückseite einen lorbeer-
bekränzten Romerkopf trug. Taylor, meines Wissens der
neueste Zeuge über diesen Punkt, ist deshalb^) der Ansicht,
dass Sert wirklich mit dem alten Tigranocerta identisch sei.
Hingegen ist dann die Entfemimg, welche Tacitus dem-
1) V. Eiepert's Karte 1854.
2) So AioBworth bei Taylor p. 30 seiner trav. in Eurd. Journ.
R. 0. S. of L. J865.
3) Einneir, der Sert für Tigranocerta hielt, Shiel und Moltke (Briefe
272) fanden keine Rninen. Ritter X, 88 f.
4) Also etwa eine Schweizerstunde oder V, geogr. Meilen.
5) p. 31 der trav. in Kord. Journ. R.' G. S. of L. 1865.
Untersuch, z. Rüiu. Kaisergesch. 1. 20
306 Egli: PeldzÜge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
selben von Nisibis anweist*), zu gering. Tacitus setzt diese
Entfernung auf 37 mil. pass. = 7,4 g. M. an. Alsdann
würde Tigranocerta ziemlich weit südlich (statt nördlich)
vom Tigris zu liegen kommen, indem schon die directe Ent-
fernung von Nisibis bis zum Tigris = circa 11 g. M. beträgt.^)
Wir nehmen mit Taylor an, dass Sert mit Tigranocerta
zu identificiren sei. Zu dieser dem Pass näheren Lage stimmt
dann auch die Angabe des Tacitus besser als bei einer weiter
entfernten westlichem Stadt, dass bald (nee muUo post) nach
dem Abmarsch aus der Tauraunitis Gesandte der Stadt Tigra-
nocerta mit der Uebergabe zu Corbulo gekommen seien.
Anmerkung. Was das Gastell Legerda angeht, so
vermag ich dessen Lage nicht zu bestimmen. Allein die
Frage liegt nahe, ob das Legerda mit den Gordyaeischen
Gebirgen (Strabo 522), den Kurden, Corduene, der Pro-
vinz Arzen = Gharzan (türk. und kurd.) und dem oppi-
dum Arzanenoruvi) am Arzen Su zu thun habe, an welch
letzterem eine nur 27,000 D' Schw. grosse Ruine etwa 5 Mei-
len (directer Abstand) westlich von Tigranocerta (als Sert
angenommen) gefunden wurde, in welche Lage etwa auch
Nipperdey nach Ptolemäus (V, 13, 19) es verlegt, fJoum.
of the roy. geogr. soc. of London 1865, Taylor 's trav. in
Kurd. p. 26 mit Abbildung.] — Doch fehlen mir zu irgend
welcher Sicherheit im ürtheile die sprachlichen Mittel^ und
vrill ich mich zum Voraus für eine allfallige ünst^tthaftig-
keit einer solchen Frage entschuldigen.
3) Tauxaunitium regio. ^)
In den Glassikem kommt diese Position (in dieser Form
1) 37^000 Schritte 15, 5. Ebenso findet Taylor diese Distanz zu
gering.
2) Nach Kieperts Karte. Da alle drei vorgeschlagenen Positionen
Tigranocerta's im Norden des Tigris liegen, so stünde des Tacitus
Entfernungsangabe mit allen dreien im Widerspruch. Von der tacitei-
schen Distanzangabe kann somit kein Grund gegen unsere spedellc
Annahme von Sert ==* Tigranocerta hergeholt werden.
3) Tac. 14/24.' '"
Geographie. 11. Die Konten des Corbulo. 307
wenigstens) sonst nicht weiter vor. ^) Der Name ist aber
zu identificiren mit dem seit ältester Zeit einheimischen Na-
men Daron für die Ebene von Mosh^) und zu erklären als
y,LsLnd des Tauruseinganges nach Armenien'^; eine wörtliche
Uebersetzung des Duroperan^ der dortigen Provinz^), die aus
16 Districten bestand, von denen der wichtigste im Engthale
des Murad eben dieses Daron war. Nach Indshidshan^) sol-
len die dortigen Ruinen Dachon in verdorbener Aussprache
die Ueberreste des alten Daron bezeichnen.
Nun berichtet Strabo*), wie die Könige Artaxias und
Zariadris ihre Reiche vergrössert hätten, indem sie die ihnen'
zunächst liegenden Landschaften der Nachbarvölker an sich
gerissen, dabei auch eine den Syrern gehörige Landschaft
„Tamonitis". Diese Landschaft muss demnach an der syri-
sehen Gränze liegen, und was ist natürlicher, als ihn gerade
da vermuthen, wo der einzige prakticable Taurusübergang
nach Hocharmenien, derjenige bei Bitlis, einmündet! Es ist
daher in Strabo wohl zu lesen TapwviTic statt TajLiiüviTic, wie
die Codd. haben.**)
Wir setzen diese Position demnach in die heutige Land-
schaft Mush, westlich vom Vansee, nordwestlich von Bitlis,
da, wo der Murad seinen reinen Westlauf beginnt.
4) Mardi.
Ritter ^) nimmt an, die Marder seien die einstigen Nameus-
verwandten der jetzigen Kurden, wie auch Jaubert beim An-
blicke der Kurdenweiber in der Gegend der Tigrisquelleu un-
1) Nipperdey ad Annales 14, 24. Bitter X, 649.
2) Neumann in Zeitscbr. filr die Kunde des Morgenlandes I, 396. —
Revne de TOrient XVIII sur le ^^Paganisme Armenien*' p. 217. — Rit-
ter X, 649. — Kiepert's Karte 1854. — Koch's Karte 1860. — Taylor
trav. in Kurd. p. 44. Journ. B. G. S. 1866.
3) Neumann ib.
4) Neu -Armenien 192.
5) p. 628.
6) So Ritter X, 817 und — wohl nach ihm — die Pariser Ausgabe
des Strabo von Müller und Dübner.
7) Erdkunde VIII, 91 und 96. X, 865.
20*
308 Egli: Peldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
willkürlich an die Schilderung der Marderfrauen bei Curtios
erinnert wurde. *)
Strabo') führt in der Beschreibung Mediens eine Reihe
kleiner Völker auf, die er als ;, Umherzügler und Rauber''
schildert, wie Tacitus die Marder „latrocinüs exercUi^^ be-
zeichnet.') Zerstreute Wohnsitze dieser Völker finden sich
nach Strabo aber nicht allein in Medien, sondern auch am
Zagrus und Niphates ; der Niphates ist die nördlich vom Van-
see hinstreichende Kette ^), welche, wie Strabo selbst sa^^
„immer weiter und weiter fortlaufend^^ (d. h. südöstlich^) das
Gebirge Zagrus bildet. Wir haben demnach jene Hochländer
vor uns, welche im N. 0. des Van umbiegend, diesen See
gegen Osten vom Araxesthale scheiden. In diesen Granz-
reyieren von Armenien und Medien also haben wir noch Sitze
der von Strabo angeführten Räubervölker. Strabo setzt noch
hinzu : „auch die Gyrtier iind die Marder in Persien (denn auch
so helssen die Amarder), so wie die noch jetzt eben so
benanten in Armenien sind alle vom gleichen Scblage.^^
Daraus erhellt, dass Marder nicht nur ausserhalb der
armenischen Gränzen, sondern auch in Armenien selbst woh-
nen, gerade wie noch heute die eine Abtheilung der Haide-
ranli-Eurden, in jenen gleichen Berg- und Gränzreviereu auf
türkischem, die andere auf persischem Boden wohnt. ^) Das
Hinüberkommen der Marder aus Persien nach Armenien
wird — gleiche Beschaffenheit des Landes mit heute Toraus-
gesetzt — um so erklärlicher, wenn wir die Aussage des
Sultans Agha der türkischen Abtheilung der Haideranly-
Kurden beachten, mit welcher auch die Aussage der Zelanly-
1) Curtiiis de gest. Alex. M. Y, 21. 17. Jaubert bei Ritter, Erd-
kunde X, 865.
2) p. 627.
8) U, 23.
4) Bei Ritter X, 77 durch antike Namen gesichert. Ebenso Kiepert.
6) Ritter X, 77. Strabo 622 Zagras, „welcher Media und Babylonia
scheidet.^ Noch heute Zaghrosch.
6X Ritter X, 332 nach der Aussage des Sultans Agha der türkischen
Abtheilung dieses Stammes zu dem Reisenden J. Brandt.
Geographie. II. Die Routen des Corbulo. 309
Kurden übereinBtiimnt. Er sagte zu dem Reisenden J. Brandt *),
Weideland und Wasser sei ein grosser Vorzug des türkischen
(resp. armenischen) Gebietes yor dem persischen^ und be-
hauptete, zwei Kurdentribus seien nur mit Gewalt und wider
ihren Willen von dem türkischen auf persischen Boden ge-
trieben worden. Brandt selbst traf auf seiner Beise wirklich
Haideranl7-<Kurden, die eben im Begriffe waren^ auf persisches
Gebiet zu ziehen ; aber dies nur thaten^ weil sie den Druck
des türkischen Pascha's nicht mehr zu ertragen vermochten. —
Auf diesem türkisch-persischen (armenisch-medischen) Gränz-
gebiete finden wir auch die antike Position ^^Mardastan'^')
Wir dürfen also wohl die armenischen Marder in die Berge
östlich vom Van versetzen und ihre Sitze bis an die Süd-
abhänge der Ebene von Bajazed reichen lassen. Mit dieser
Position lässt sich dann auch die Angabe des Tacitus ver-
einigen ^ welcher sagt: „Mardi . . . contraqtie irrumpentem
nwntibus defefisL"^) Im Norden dieser Berge aber, in der
vorliegenden Ebene von Bajazed , also an den Gränzen der
Marder ^)y führt heute noch die grosse Earawanenstrasse
Tauris- Erzerum etc. durch.
B.
Bestimmung der Marschroute.
A\isser diesen vier Positionen für die Marschrichtung des
Corbulo (Artaxata^ Tigranocerta, Tauraunitium regio und
die Mardi) finden' wir bei Tacitus nur noch das Castell Vo-
laudum^ dessen Lage aber nicht genau bekannt ist. Wir
können also vorläufig nur sagen:
1) Corbulo kam aus Westen nach Artaxata in der Eri
vanstufe.
1) Bei Bitter X, 333 (Haideranly) imd 336 (Zelauly).
2) Kiepert'a Karte 1854.
3) 14, 23.
4) CarbtUo „fines . . . progredientem*' bei Tacitus 14, 23.
310 Egli: Feldzügo in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
2) Er streifte*) das Gebiet der Marder im Nordosten
des Vansee.
3) Er durchzog die Tauraunitis im Westen des Van und
4) Er nahm etwa im September Tigranocerta ein.
Wir theilen den ganzen Zug des Corbulo in zwei Theile :
a) Einen Hinmarsch. Von diesem ist aus Tacitus
einzig der Endpunkt Artaxata bekannt. Der Anfangspunkt ist
nur allgemein mit Bezug auf den Endpunkt als von demsel-
ben westlich gelegen zu bestimmen.
b) Einen Rückmarsch. Von diesem sind aus Tacitus
Anfangs- und Endpunkt und zwei Punkte aus dem Marsche
selbst bekannt.
Daraus wird klar, dass uns die Bestimmuiig des ,,Rück-
marsches^' leichter fällt als die des ,, Hinmarsches'' und zwar
um so mehr, als Tacitus für diesen ,,Rückmarsch'' noch einige
allgemeine ' geographische Angaben über dazwischenliegende
imgenannte Gegenden bringt, welche an der Hand heutiger
geographischer Kenntniss noch einige Anhaltspunkte geben
können. Wir gehen zunächst über zur Bestimmung des
I. Büokmarsches.
a) Artaxata — Marder.
Von Artaxata aufbrechend überschritt wohl Corbulo zu-
nächst den Araxes bei dieser Stadt, wo ihm eine Brücke zu
Gebote stand. Zudem wird er nicht weiter flussabwärts ge-
gangen sein, wo der Pluss schon wasserreicher und schwerer
zu überschreiten war. Hierauf wird er westlich vom Araxes
in der Ebene am Ostfusse des kleinen Ararat vorbei marschirt
sein, in nordsüdlicher Richtung — wir wollen annehmen,
dem heutigen Wege nach'); hierauf wird er da, wo die Balyk-
abdachung östlich in die weitere Eraschabdachung einmündet,
um das Südost-Ende des Ararat herumbiegend in die jetzige
grosse Hauptstrasse aus Mittel - nach Vorder-Asien eingelenkt
1) fines . . . praegrediewtem Tac. 14, 23.
2) Kiepert'B Karte 1854.
Geographie. II. Die Routen des Corbulo. 311
haben. Damit hatte er das südliche grosse Längenthal des
armenischen Hochlandes erreicht. In dieses zog er nun ein^
und zwar kam er mit der grossen Karawanenstrasse dessen
südliche Abdachung (Balyk) hinauf und gelangte so in die
Hochebene von Bajazed und damit an die Gränze der Mar-
der.*) Da er von Artaxata (wohl im Anfange) Mai 59 abge-
zogen war, so kam er in diese etwa 16 Meilen^) entfernte
Gegend noch im Monate Mai (oder spätestens Juni), wenn
auch die Verfolgung der feindlichen Anwohner ihn auf
dem Marsche aufgehalten haben muss.^) Langer als es absolut
nöthig war, hielt Corbulo sich jedesfalls mit ihnen nicht auf,
da er sich ja für seinen Marsch gegen Tigranocerta den
Grundsatz aufgestellt hatte, „recenti terrore utendum esse."
Die Durchführung dieses Grundsatzes ersehen wir daraus,
dass er sich nicht persönlich Zeit nahm, sich an den Mar-
dern zu räch.en.*) Wenn also Corbulo's Ankunft in der
Ebene von Bajazed in den Mai (resp. Juni) föllt, so ersehen
wir daraus:
1) Dass sein Heer noch keine Beschwerden wegen
der Hitze haben konnte, wie sie Tacitus nach dem Weg-
zuge von den Mardern erwähnt. Das Klima von Bajazed
wird nämlich, trotzdem diese Localität den heissen Ebenen
Fersiens so nahe ist, mit Ausnahme der Monate Juli und
August, als kühl und gesund gerühmt.^)
2) Dass ein Ueberfall der Marder der Jahreszeit
halber wirklich stattgefunde-n haben kann, indem
in der dortigen Gegend der Frühling Mitte März beginnt
und sogar die Kurden in den Bergen spätestens Ende April
ihre Winterquartiere verlassen.^)
1) Vgl. oben S. 309.
2) Nach dem Stras&enzuge bei Kiepert^B Karte.
3) Ueber die Höhlen bei Tacitus 14, 23 konnte ich leider keine Aus-
kunft finden.
4) Tac. 14, 23.
5) Ritter X, 351.
6) Ritter X, 333.
312 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Was die Rache des märdischen Ueberfalls durch
die Iberer^) betrifft; so kann man, wie ich glaube^ deren
Geschichtlichkeit nicht widerlegen. Gorbulo hatte sich bei
der Eroberung Artaxatä's entschlossen, keine römische Be-
satzung in dieser Gegend zurückzulassen^); es konnte ihm
daher passend erschienen sein, überhaupt diese abgelegenen
Striche Armeniens den iberischen Bundesgenossen in Obhut
zu geben und so auch ihnen die Bestrafung der Marder zu
überlassen. Die Benutzung solcher verbündeten Volker kommt
auch sonst in unsern Abschnitten als Mittel romischer Po-
litik vor, z. B. bei dem Generalangriffe'). Ferner wird dem
Antiochus die Bedeckung der durch Corbulo's Zug entblossten
südlichen Gränzgegenden zugewiesen^), ähnlich Syrien dem
Agrippa und Antiochus im J. ö^'^); und die Iberer selbst hel-
fen zur Einsetzung des Mithridates im J. 41.^)
Den Marsch des C!orbulo nach Tacitus von- Artaxata zur
Gränze der Marder halte ich nach diesen Erörterungen für
identisch mit der heutigen Route von den Ruinen von Arta-
xata nach Bajazed.
b) Marder — Tanraunitis.
Corbulo befindet sich, wiie wir gesehen, Mai oder Juni 59
in der Ebene von Bajazed, also in der Ostabdachung des
südlichen Längenthaies. Es galt nun, die vierte Stufe der
Westabdachung, die Tauraunitis, zu erreichen.
Dahin führte ein erster Weg in südwestlicher Rich-
tung über den nahen Bergpass bei Bajazed zum Van
und an diesem vorbei — und dann in nordwestlicher Rieh-
tung vom Van zur Tauraunitis.
Gegen diese Vanseeroute entscheiden folgende Gründe:
1) Wäre Corbulo am Nord- oder Südufer des Van hin-
1) Tac. 14, 24.
2) Tac. 13, 41.
3) ib. 13, 37.
4) ib.
6) ib. 13, 7.
6) ib. 12, 9.
-^
Geographie. IL Die Bouten des Corbulo. 313
gezogen, so wäre er unmittelbar an den bequemen Pass von
Bitlis^) gelangt^ von wo er sofort südwärts nach Tigrano-
certa ziehen konnte; die Tauraunitis aber hätte er weit nord-
westlich seitwärts liegen lassen^ so dass er sie nur durch
einen eigenen dreitägigen^) seiner Linie fast diametral ent-
gegengesetzten Marsch hätte erreichen können^ welchen glei-
chen Marsch er^ um wieder nach Bitlis zu gelangen ^ noch
einmal hätte zurück durchmachen müssen. Diesen mindestens
sechstägigen Abstecher hat Corbulo zum Vergnügen gewiss
nicht gemacht und konnte ihn nicht machen ^ ohne von sei*
nem Grundsatze grosstmöglicher Eile abzugehen.
2) In dem südwestlich von Bajazed zu überschreitenden
Gebirge hätte Ciorbulo die Marder nochmals gestreift; jedes-
falls wäre er durch Gebiet räuberischer Kurden gekommen ^)^
auf welchem von „nuUis ex proelio dumnis^^ nicht wohl die Rede
sein kann. Gewiss aber wählte er nicht die unsichere Route,
wo er wahrscheinlicher Weise durch Gefechte aufgehalten
worden wäre, wenn ihm eine sichere zu Gebote stand und
noch andere Gründe fär diese letztere entscheiden,
3) Der Weg von Bajazed an den Van ist ziemlich be-
quem, hat überall Brennholz und Viehfutter'*) und führt so-
gleich jenseits des Bergpasses bei Bajazed dem „dunkelblauen,
breiten und ziemlich tiefen Wasserlaufe ^^ des Bendi Mahi
Su*^) nach; die Leichtigkeit und der Wasserreichthum dieser
Route stimmt aber nicht mit der penuria aquae und den läbo-
res^), die Corbulo's Heer nach Tacitus zu überwinden hatte.
4) Wenn die fruchtbaren Gegenden am Van jene loci
cuUi mit segetes des Tacitus wären, so hätte ein Corbulo mit
seinem abgehärteten Heere ^) nicht über lang andauernde
1) Vgl. oben S. 304.
2) Braudt bei Bitter 680 ff.
3) Strabo 522. Nach Brandt (bei Bitter X, 365) noch heute von
Baubhorden dnrchBtreifb.
4) Bitter X, 355.
5) Bitter X, 522.
6) Jac. 14, 24.
7) ib. 13, 85.
314 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Marsche (longinqua itniera) in ,den öden Gegenden klagen
können; denn die Entfernung des Van von Bajazed beträgt
nur etwa 20 Stunden und zwar von Gegenden, wo heute
wirklich segetes zu treflfen sind. ^)
Wenn wir also diese Vanseeroute für Corbulo's Marsch
nicht annehmen wollen, so bleibt nur der w.estliche Weg
übrig, welcher über die Wasserscheide des südlichen Längen-
thals führt: die Fortsetzung der grossen Karawanen-
Strasse. Wir lassen also den Oorbulo seinen aus dem'
Araxesthal bis Bajazed eingeschlagenen Weg, die Karawanen-
strasse, einstweilen fortsetzen und gelangen mit ihm über
die Wasserscheide des südlichen Längenthaies zur Stadt
Dijadin. Diese Wegstrecke, zu deren Zurücklegung Brandt
9 Stunden brauchte, würde nach ihrer heutigen ßeschaflfen-
heit gut dazu passen, einen Gegensatz zu den von Oorbulo
später erreichten loci culti zu bilden; denn sie ist „eine so
völlige Einode ohne Alles, dass es selbst an Pferdefutter
fehlte."-) Nur an Wasser ist hier kein Mangel.^)
Corbulo ist bis jetzt mit der Earawanenstrasse nach
Dijadin gekommen. Hier befand er sich schon in dem ober-
sten Theil der Westabdachung des südlichen Längenthals.
Es stan(ren ihm zwei Wege oflFen : a) den bisherige Weg, die
grosse Karawanenstrasse, fortzusetzen. Damit gieng er ein-
fach in der Westabdachung, in die er bei Dijadin einge-
treten, weiter, dem Muradfluss nach. Oder aber b) Cor-
bulo konnte, zu Dijadin vpn der Karawanenstrasse recht-
winklich abweichend, die „sehr beschwerlichen"*) Hoch-
gebirgspässe an den Muradquellen übersteigen und den Lauf
eines zum> Vansee eilenden Flusses verfolgen: eine zweite
Vanseeroute.
Gegen die Annahme der letztern Boute sprechen folgende
Gründe:
1) Brandt sah selche bei Ardjisch, Ritter X, 323.
2) Brandt bei Ritter X, 355.
3) Siehe die Flüaee auf Kieperts Karte.
4) Ritter X, 335 (Brandt).
Geographie. II. Die Routen dce Corbulo. ;)I5
1) der Weg über den Ala Dagh ist (zumal für ein
Heer) sehr beschwerlich ^ sogar vou neuern Erforschungs-
reisenden wenig betreten ^) und nicht kürzer als die leichtere
Muradroute. Ihn dennoch def letzteren vorzuziehen kann
nur Demjenigen einfallen , der besondere Zwecke mit dieser
Route erreichen will. Von Corbulo sind keine solchen be-
sondern Gründe bekannt. Im üegentheile mussten die in den
Bergen wohnenden Kurden wie bei Bajazed gegen diese Berg-
route sprechen.
2) Hätte Corbulo dennoch den Ala Dagh überstiegen,
so niusste er auf der Südseite den zum Vansee eilenden Fluss
eine Strecke weit verfolgen, bis er an den Wendepunkt
kam, von wo er über die im Westen vorliegenden Berge
nach Melazgerd und Tauraunitis ziehen konnte. Auf diesem
Wendepunkte angelangt, hätte er, der dem nächsten Berg-
passe (bei Bitlis) zustrebte, die Aussah an den nahen leicht
zu erreichenden Van und an dessen Nordufer hin unmittel-
bar zum Bitlispass führende Route gewählt und nicht den
weiten beschwerlichen Abweg über die westlichen Berge zur
Tauraunitis. So wäre er nicht zur Tauraunitis gekommen,
wo er doch nach Tacitus hinzuführen ist.
Das sind Gründe, welche gegen diese südliche Vansee-
route sprechen. Es bleibt uns somit kein anderer Weg von
Dijadin zur Tauraunitis übrig als die Muradroute.
Bis jetzt bin ich auf negativem Wege zur Wahl der
Muradroute gelangt, indem ich die zwei andern Wege, die
von Bajazad und Dijadin südlich führen, ausschloss. Ich will
aber noch positive Gründe zu Gunsten der Muradroute
anführen :
1) Wer von Dijadin, der obersten Stufe des Muradthales,
in die Taurinitis, die vierte Stufe desselben Thaies gelangen
will, geht am naturgemäsisesten dem Thale selbst nach, durcli-
ziieht also^ mit dem Müsse auch die zwei zwischenliegenden
Stufen Alaschgerd und Melazgerd-Liz.
1) Ritter X, 334.
316 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
2) Diese Route ist wegen ihrer grössern Leichtigkeit für
ein Heer^ besonders ein eilendes^ die vortheilhafteste. Sie
benutzt zum Theile noch die grosse Karawanenstrasse. Bitter
nennt das obere Muradthal (von Daron an aufwärts) das
^^einzig von Süden füi' feindliche Heere gen Armenien
zugängige Thal/^
3) Plutarch (Luculi 31) sagt, Tigranes, der Gegner Lu-
cull's, habe gewusst, dass ^^das Romerheer auf der ihm einzig
möglichen Route ^^ zwischen Tigranocerta und Artaxata
schlechterdings den Arsaniasfluss passiren musste^ Dieser
Fluss aber ist entweder der Murad selbst (nach Mannert)
oder der von Bitlis herkommende, in der Tauraunitis in den
Murad mündende wasserreiche Kara Su (nach Ritter).') Nun
zogen also die Römer unter Luculi us von Tigranocerta zur
Tauraunitis, um die Muradroute nach Artaxata zu benutzen
und nicht die nahem, aber für Heere unprakticablen Wege
über das Yanseeplateau.
4) Nehmen wir für den Marsch des Corbulo die Murad-
route an, so haben wir für denselben ein Analogon in der
neuem Kriegsgeschichte. Die gleiche Strecke Bajazed — Tau-
raunitis (Mush) legte mit Benutzung der Muradroute der
russische General Reutt im October 1812 zurück.
Ich denke, dass wir uns jetzt definitiv für die Murad-
route entscheiden können.
Es bleibt uns noch übrig, einige geograpische An-
gaben des Tacitus über den Marsch mit dieser von
uns angenommenen Muradroute zu vereinigen.
Er sagt^) von den Soldaten: ita per inopiam et la-
bores fatiscehanty carne pecudtimproptdsare famem adacti;
ad hoc penuria aquae, fervida aestaSy longinqua
itinera.
Diese Bemerkung bezieht sich auf den Theil des Mar-
1) Bitter X, 99 ff.
2) U, 24.
r^TT^i
Geogpmphie. II. Die Routen des Corbulo. 317
sches zwischen den Mardern und einer mit Getraide be-
bauten Gegend; welche yor der Tauraunitis erreicht wurde.
Von allen diesen Bemerkungen betri£E); diejenige über
fervida aestas eine ebenso wahre als interessante Eigenthüm-
lichkeit des armenischen Hochlandes ^ nämlich sein zu Ex-
cessen geneigtes üontinentalklima. Auch an einer andern
Stelle^) treffen wir dieselbe Eigenthümlichkeit berührt; wenn
Tacitus die Winterkälte als ausserorderlich schildert.
Wir haben oben gesehen ^ dass auf dem Marsche von
Artaxata' bis Bajazed noch keine Klagen über Hitze zu
treffen sind. Es ist dies natürlich; denn im Vorsommer ^ in
dem ja dieser Marsch stattfand ^ finden wir in Armenien noch
eine angenehme Temperatur. Erzerum ; in gleicher Höhe
mit Bajazed^) weist für May ein Monatsmittel von IP C.
auf. Im Juli und August steigt es auf 22,3®. Auch zu
Bajazed steigt Mitte Juli bis August die Hitze aufs Höchste.^)
Während alsdann selbst auf diesem Hochlande in Folge der
grossen Dürre viele zollbreite Spalten den Boden durchziehen^
deckt sich schon nach zwei Monaten ^ im October^ Alles mit
Schnee.^) In der oberen Arazesebene würden die Felder ohne
Bewässerung verbrennen ^) und in der Ebene von Etschmiadzin
gedeiht nichts ^ wo keine Bewässerung stattfindet. Dagegen
finden wir in der gleichen Stufe von Etschmiadzin^ zu Eriwan^
neben einer Augusttemperatur von 25,4fi eine Januartemperatui*
von 15® unter Null.*) Wie überhaupt Armenien klimatische Ex-
treme darbietet^ ergibt sich aus folgender Tabelle der Differen-
zen zwischen den Mitteln des heissesten und kältesten Monats^) :
1) hieme meva ad^, tU dbducta glacie nisi effossa humua tentoriis
locutn nan praeberet. Ambusti multorum artus vi fngoris et quidam
inter excubiaa exanimati sunt etc. 13» 35.
2) Für Bajazed eelbst habe ich keine Beobachtungen. Die von
Erzeram aind ana Schmidt, Meteorologie p. 358.
3) Ritter, Erdkunde X, 348 (Brandt).
4) Von Behaghel Reise bei Parrot II, 187.
5) Ritter X, 404.
6) Schmidt, Meteorol. 348.
li AuB Schmidt, Meteorol. 348. 350. 366,
318
Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Januar
August
Differenz
Erzenim
AralyBch
Eriwan
- 7,8
- 4,8
16,0
22,8
27,0
25,4
30,6 ^
31>8 > Armenien
40,4 J
Zürich
Liverpool
- 1,6
4,4
19,6
16,6
21,2 Schweiz
12,2 England.
Die Erwähnung der Hitze für Corbulo's Marsch gilt, wie
aus dem Obigen hervorgeht, der Zeit um den Monat Juli
herum. In dieser Zeit war Corbulo zwischen Bajazed und
den loci cuUi vor der Tauraunitis.
Diese loci culti aber wären nach unserer Annahme der
Muradroute die Ebenen von Melazgerd und Liz; hier konnte
die Ernte im August eingesammelt werden.^) Auch diese
Zeitangabe weist somit den Marsch des Corbulo zwischen
Bajazed und den loci aiUi in die Zeit um den Monat Juli
herum.
Da nun der Weg aus Alaschgerd nach Melazgerd meist
von den Defileen des Murad abweichend über die anliegenden
Hochflächen geht, so mögen die übrigen Schilderungen von
den longinqtia itinera, der inopia und den lahores
der Soldaten namentlich auf diese in der heissesten Zeit
durchzogenen Berggebiete zu beziehen sein. Die pemiria
aquae dürfte mit der fervida aestas zusammenhangen, da
bei den zahlreichen Flüssen des gesammten armenischen Hoch-
landes kaum zu anderer Zeit als im Hochsommer über Wasser-
mangel geklagt werden kann, wenn kleinere Flüsse in ihrem
Wasserstande so stark abnehmen, dass ihr Vorrath nicht
mehr für die Bedürfnisse ganzer Heere ausreicht. Näher
aber diese Verhältnisse zu beleuchten, dazu fehlt mir das
Material. Es dürfte bei den immer noch wenig durchforsch-
ten Hochländern zwischen Melazgerd und Alaschgerd jetzt
1) Vgl. S. 288. Es ist wohl die zweite Hälfte August anzuneh-
men, da Melazgerd doch nicht so mild wie Mush sein kann und hier
nicht lange vor Mitte August goerntet wird.
Geographie. II. Die Routen des Corbulo. 319
überhaupt noch nicht viel Bestimmteres mit diesen so allge-
mein gehaltenen Angaben des Tacitus zu erreichen sein. Nur
so viel kann ich sagen:
1) die Angabe über petmria aquae ist möglich.
2) Die Angaben über Hitze (fervida acstas), Getraide-
mangel (inopia; came pccudum propuls, fametn adadi) und
Strapazen (Idbores) entsprechen unserer heutigen Kenntniss.
Wir haben kein Recht, an der Richtigkeit der
bezüglichen Taciteischen Angaben zu zweifeln.
e) Taurannitis — Tigranocerta.
Gemäss unserer früheren Annahme , dass Tigranocerta
an die Stelle des» heutigen Sert zu setzen sei, führen wir
den Corbulo aus der Tauraunitis am Kara Su hinauf bis
Bitlis und die Passtrasse hinunter nach Sert.
Für den gesammten Rückmarsch des Corbulo
ergibt sich:
Er gieng von Artaxata in der Araxesebene aus, durch-
zog das südliche Längenthal des armenischen Hochlandes —
die erste Hälfte mitteist der grossen Karawanenstrasse — ver-
liess dasselbe aber in der Mitte seiner Westabdachuug, um
südwestlich vom Vansee die Tauruspassstrasse nach Tigrano-
certa zu benutzen.
n. Himnarsoh.
Schwieriger als für den Ruckmarsch wird die Bestim-
mung für den Hinmarsch, da wir, wie oben*) gezeigt
wurde, nur die Endposition desselben kennen, Artaxata.
lieber den ganzen Marsch aber von der Westgrenze Arme-
niens bis in den Osten desselben lässt uns Tacitus völlig im
Unklaren.
a) Volandum.
Es ist nur eine einzige Position, welche uns Tacitus
hier bezeichnet, die Burg Volandum, und diese ist gänzlich
I) p. iJio.
=^-»
320 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
anbestimmbar. Nur so viel ergibt sich ans Tadtos^ dass
sie westlich vom Araxes, nicht sehr fern von der
Stadt Artaxata gelegen haben muss; denn Clorbalo zieht
einerseits von ihr weg über den Araxes an dessen Ostufer')
und anderseits konnte zwischen dieser Belagerung und dem
Anlaufe auf Artaxata keine lange Zeit verflossen sein.^) Nan
berichtet Strabo von einer „von Natur festen Bergveste
Olane')^^; die nicht sehr weit von der Stadt gelegen habe.
Aehnlich berichtet Tacitus, dass Yolandum „die festeste Burg
in jener Statthalterschaft^' gewesen sei.**) Strabo aber a. a 0.
nennt nur 5 Städte aus dem eigentlichen Hoch- Armenien; er
führt somit nur irgend wie hervorragende Punkte an; Olane
aber ist für Strabo aus dem gleichen Grunde hervorragend,
wie Yolandum für Tacitus. Beachten wir noch die Aehnlich-
keit der beiden Namen Yolandum und Olane^ so können wir
auf den Gedanken kommen^ dieselben seien zu identifidren.
Zu behaupten aber wage ich diese Annahme nicht. Zudem
würde die Identificirunguns weiter nichts helfen, als dass sie
unsere Abstraction aus Tacitus, die Stadt habe in der Gegend
von Artaxata gelegen, bestätigen würde. Zu bestimmteren
Yermuthungen über die Lage hingegen fehlt uns jeder Halt.^)
b) Erzemm.
Ueber die Wege, auf welchen Corbulo in Armenien ein-
gedrungen, gibt Tacitus^) ebenfalls nichts Greifbares. Nur
das sagt er, dass verschiedene Abtheilungen auf verschie-
denen Stellen zugleich einzubrechen beordert wurden. Da-
gegen weist im Ganzen die Herbeischaflung des Proviantes
1) Tac. 13, 31. Vergl. oben S. 308.
2) ib. Vergl. oben S. 287.
3) Strabo 529.
4) 13, 39.
ö) Müller, Pariser Ausgabe des Strabo, wagt nicht eiuiual mit
Fragezeichen diese Burg auf die Karte einzutragen. Ritter und For-
biger bemerken ebenfialls nichts darüber. Auch Koch's und Kiepert'^
Karten geben keine Yermuthungen.
6) 13, 37 und 39.
Geographie. II. Die Routen des Corbulo. 321
von Trapezunt aus *) auf eine Operation im nordwestlichen
Armenien. Hiefür haben wir eine Analogie in dem Feldzuge
des Trajan, der ebenfalls in diesen Gegenden über die klein-
armenischen Pässe bei Satala (jetzt Sadagh)^) nach Hoch-
annenien eindrang und bis Elegia (*eX^TE»c[ ttic 'Apjieviac bei
Oio), jetzt llija, westlich nahe bei Erzerum kam.')
Die Annahme^ dass Corbulo in dem Plateau von Erzerum
war, liegt auch nach PI in ins nahe. Er sagt*) : Eiiphrates
oritur in praefedura Armeniae maioris Caranitidc, nt prodi-
ikre ex iis qui proxume viderant Dom, Corhulo in
Monte Aba, Licinms Mucianus sub radicibMS montis quem
Cfipatetn appeüant etc, fltüt Derxetien primiim etc. Garanitis
bezeichnet das Plateau von Erzerum, das die Eingebornen
wie im Alterthum noch heute Garin nennen. Zudem liegt
bei Plinius Garanitis oberhalb Derxene am Euphrat, wie
Garin oberhalb Terdjan, mit welchem Derxene identisch ist.*)
Der Berg Aba nach Plinius mit der Quelle von Euphrat
und Araxes*^) ist unstreitig derselbe Berg Abos bei Strabo,
der an ihm ebenfalls Euphrat und Araxes entspringen lässt^);
denn wenn Plinius nach Gorbulo den Quellberg dieser beiden
Strome Aba, nach Mucianus aber Gapotes nennt, so sind
beide Bezeichnungen ganz gut zu vereinigen, da Gaboid = blau
1) Wohl über Baibort, wo Tournefort und alle seine Nachfolger
zum armenischen Hochlande emporstiegen (z. B. auch Kinneir 1813).
Die Karte belehrt unsi dass zu Baibort der nächste Strassenzug zwischen
Traperont und Erzerum durchführt (Distanz 6 Tage). [Ritter X, 741].
2) Diese Identität, welche Ritter noch nicht kannte, von Kiepert
nach Etymologie und Congruenz der alten Itinerarien vermuthet, ist in
neuerer Zeit durch Ruinenfunde (von Strecker, Taylor und Courtois)
geiichert. Kiepert, Petermann, geogr. Mitth. Ergänzungsheft Nr. 20,
p. 62 Anm.
3) Dio 68, 9. Ritter X, 116.
4) h. u. V, 83.
6) Kieperts Karte 1864. Ritter X, 81 ff; (Moses v. Khorene u. A.).
6) Plin, VI, 26 Araxes oritur in eodem moyite quo Euphrates VI
w. p. intervoMo etc.
7) Strabo 527. Die Identität behaupte} Ritter X, 80.
l'ölcrtuch. 2. Rum. Kaiserg-esch. I. 2X
322 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
noch heute Bezeichnung vieler hoher armenischer Berge, be-
sonders aber der grossen Mittelkette Armeniens ist*), an
welche die Ebene von Erzerum sich nordlich anlehnt.
Alles weist uns darauf hin, Gorbulo als Augenzeugen
für das Plateau von Erzerum zu halten.
c) Oberer Erasch.
Nun wäre es freilich möglich, dass Corbulo von der
obersten Araxesebene mit der grossen Karawanenstrasse nach
Alaschgerd im Muradthal hinübergezogen wäre und von
diesem aus den gleichen Marsch nach Artaxata gemacht
hätte, den er im folgenden Sommer in umgekehrter Rich-
tung zurücklegte.^) Gegen diesen Weg aber* sprechen mehrere
Gründe:
1) und vor Allem: die drei heutzutage von Karawanen,
die von Erzerum nach Eriwan gehen, gewählten Routen
führen sämmÜich durch die Eraschabdachung.^) Wenn man
einmal oben in dieser Abdachung ankam, so war es am
natürlichsten, dieser zu folgen wie wir für den Rückmarsch
(Murad) ebenfalls gesehen haben.'*)
2) Ciorbulo gieng wohl nicht ohne Veranlassung einen
Weg, auf welchem er an dem Gebiete der Marder, über-
haupt an den Gränzen der den Parthern zugethanen Volkeni
vorüberkam. ^)
3) Die Beiziehung der Moscher und Iberer**) zur Be-
kämpfung des Tiridates weist auf eine einheitliche Operation
mit deren Heeren hin. Dazu aber war eine Route des Cor-
bulo im südlichen Längenthaie wegen der Entfernung und der
Trennung durch den mittlem Gebirgswall entschieden un-
günstiger.
1) St Martin bei Ritt.T X, 81
2) V. p. 312 ff.
3) Ritter X, 400 ff.
4) V. p. 316.
5) V. oben p. 309 und .'IM.
6) Tac. 13, 37.
Geographie. II. Die Routen des Corbulo. 323
4) Durchzog Corbulo das nördliche Längenthal; so hatte
er mit Einschluss seines Rückmarsches das ganze armenische
Hochland im wesentlichen durchzogen. Durchzog er das
liordhche Längenthal nicht, d, h. gieug er von der oberen
Araxesebene ins Muradthal hinüber, so hatte er die weite
obere Araxesabdachung gänzlich unberührt und unbezwungen
im Rücken gelassen.
5) der Marsch durch das nördliche Längenthal war der
kürzere und hinsichtlich der Verproviantirung weit günstiger,
als derjenige durch das südliche.')
6) Zog Corbulo durch das nördliche Längsthal, so hatte
er links von seiner Route befreundete Völker und Bundes-
genossen (Marder und Iberer); zog er durch das südliche
Längsthal, so war er links durch die hohe Mittelkette wie
von der Welt abgeschnitten und rechts hatte er feindliche
Kurden zu fürchten. Auch konnte ihm Tiridates leichter den
Rückzug über die Pässe aus Alaschgerd zur obersten Araxes-
stufe abschneiden, als die Wege aus der Eriwanstufe zur
obersten Araxesebene, welche dem bundesgenössischen Laude
(ler^ Moscher näher liegen.
Wir nehmen aus diesen Gründen an, Corbulo sei auf
'lern Hinmärsche der Araxesabdachung gefolgt.
Wenn wir nun die Burg Volandum in die Eriwanstufe
verlegen, ihre Eroberung aber als erstes Ereigniss des im
April 59 eröffneten Krieges bezeichnen^), so wird daraus
wahrscheinlich, dass Corbulo in dieser Eriwanstufe überwintert
liabt; denn in dieser frühen Jahreszeit kann er mit seinem
Heere noch nicht gar weit her aus Westen gekorumen sein.
Uanz sicher aber dürfen wir bei diesen Voraussetzungen be-
haupten: Corbulo hat östlich des Saghanlu Dagh
überwintert. Hätte er westlich davon überwintert, so
musste er spätestens im April über dieses Gebirge nach Vo-
landum gezogen sein. Dies ist unmöglich; denn erst im Juli
1) Vgl. Ritter X, 403. 410 für die Nord- und S. 814 (oben) für die
^udroute.
•i) Vgl oben S. 287.
21*
324 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — C3 n. Chr.
treffen wir daselbst eine Flora, die derjenigen von Paris im
April entpsricht.*) Am 19. Mai 1829 waren alle Pässe des
Saghanlu Dagh mit Schnee bedeckt und bis Ende Mai fiel
noch Schnee. ,,Das rauhe Klima des Hochlandes gestattete
erst am 2. Juni 1829 die Wiedererofl&iung des russisch -
türkischen Feldzugs" ^); im Jahr 1828 gar erst in der Mitte
Juni.
Soweit der Hinmarsch: durch die Ebene von Erzeram,
über die nördliche Wasserscheide, der Araresabdachung nach
bis in die Stufe von Eriwan.
Stellen wir Hin- und Rückmarsch zusammen, so
ergibt sich:
Corbulo gieng Frühjahr 58 aus Klein- Armenien etc. zum
Plateau von Erzerum, über die Wasserscheide des nordhchen
Längsthals, die Eraschabdachung hinunter und überwinterte
58/59 in der Eriwanstufe. Im April 59 eroberte er die
3 Burgen westlich vom Araxes, zog über diesen Fluss \md
nahm Artaxata (30. April 59), gieng über den Erasch zu-
rück, um den Ararat herum nach Bajazed, dann über die
Wasserscheide des südlichen Längenthaies der Muradabdachung
nach über Melazgerd (August) zur Tauraunitis und zog von
hier dem Eara Su nach zum Bitlis-Pass und mit diesem nach
Tigranocerta (Sert) hinunter.
Oder, im Grossen und Ganzen gesagt: Corbulo um-
zog von Nordwesten aus die grosse Mittelkette Ar-
meniens. Am Fusse des Ecksteins dieser Kette, des
Ararat, lag der Wende- und Mittelpunkt von Cor-
bulo's armenischem Zuge.
1) Tournefort bei Ritter X, 404.
2) Rittor X, 420.
Geographie. III. Würdigung der geograph. Angaben bei Tacitus. 325
III.
Würdigung der geographischen Angaben
bei Tacitns.
A.
Nach Seiten des Geschichtsschreibers.
Es muss aufgefallen seiu^ wie gering für unsere Routen-
hestimmung die Anhaltspunkte bei Tacitus gewesen sind. Es
sind nur 5 Positionen aus dem weitläufigen, zwei Jahre in
Anspruch nehmenden Zuge des Gorbulo in Tacitus aufgezählt^
and von diesen erfahren wir so zu sagen nichts als die Namen.
Lediglich das Verdienst der neuern Geographie ist es, dass
wir im Stande sind; die Marschlinie für die langen Zwischen-
ruume zwischen diesen Positionen einigermassen zu bestimmen.
Aus Tacitus erfahren wir nicht, wo die Winterlager
Corbulo's 57/58 waren und welche specielleu Thaten Corbulo
seit seiner Absendung Ende 54 ausgeführt hatte. Statt der-
artiger genauerer Aufzeichnungen findet man eine weitläufige
Ausführung von der Strenge des Corbulo.') Eine einzige
klimatische Angabe^) geht aus der langen Erzählung hervor,
aber diese ist nicht ihrer selbst wegen aufgeführt. Vielmehr
dient Alles nur dazu, den Corbulo als eine Heldengestalt zu
zeichnen , die ihrer Zeit gegenüber in einen Gegensatz {nee
mm at in äliis exerdtibus . , , .) gestellt wird, der um so
greller in die Augen sticht, als unmittelbar vorher') die
>>childerung von dem verwahrlosten Zustande des übernom-
menen Heeres uns entgegentritt. Daraus ersehen wir, dass
Tacitus mit der Geschichtsschreibung eine besondere Per-
sonalrücksicht verbindet.
Nach diesem wird die Eröifnung des Feldzuges Frühjahr
58*) erwähnt. Es wurden „an schicklichen Orten" Hülfs-
1) 13, 35.
2) Verwerthet S. 317, Note 1.
3) 13, 35 Anfang.
*) 13, 36 Anfang.
326 l*-gli-* Feldziige in Anueiiien von 41 — 63 n. Chr.
cohorten aufgestellt. Aber zu beschreiben oder auch nur an-
zudeuten, wo ,;diese schicklichen Orte" und die im Folgen-
den vorkommenden „nächsten Burgen" lagen, wie sie aus-
sahen, wie viele ihrer waren und dergl. — damit wird gar
keine Zeit verloren, um sofort eine Geschichte erzählen zu
können , welche neben der festen Strenge des Corbulo dessen
Vorsicht und überlegene Berechnung im Kriegswesen zeichnen
soll. Ganz in der Luft schwebt der Guerillakrieg, der nun
ausbrach. Wir befinden uns offenbar in Armenien^)-, aber
in welcher Gegend — das meldet uns Tacitus ebenso wenig,
wie die Art und Weise, wo und wie Corbulo überhaupt nach
Hocharmenien hineinkam; und doch mussten gerade die Zu-
gänge, seien es die vielen Euphratdefileen^), seien es die
klein -armenischen Pässe oder andere Bergübergänge, eine
ziemliche Rolle in diesem Offensivkriege spielen, ganz abge-
sehen von dem geographischen Interesse, das sie und die
zwischen ihnen liegenden Tafelländer in reichlichem Maasse
für einen Schriftsteller haben mussten. Einzelne Scenen,
überhaupt etwas mehr als einige allgemeine Sätze über diesen
dem Corbulo zum Mindesten nicht erwünschten, vielleicht gar
schädlichen, langen^) Guerillakrieg suchen wir vergebens.
Nicht vergessen aber wird es, zu sagen, dass Corbulo bei
dem Kriege es auch mit der parthiachen Macht zu thun ge-
habt habe. Der hierauf erfolgte Generalangriff wird mög-
lichst kurz abgethan, fast nur die Namen der Theilnehmer
erwähnt, die Vertheilung des Heeres in mehrere Colonneu
nur angeführt, aber nicht näher örtlich beschrieben. Das
Ganze scheint mehr als Beweis für Corbulo's kriegerische
Berechnung benutzt zu sein; denn wie die Schilderung des
1) 13, 37 Anfang: sed palam hello infensare Armeniam.
2) Von Egin (Defiläen, Ritter X, 790) über Erzingan (südlich davon
ein sehr festes Defil^, das „unzählige gut zu vertheidigende Positionen
zeigt, die einem Heer den Durchgang sehr erschweren würden;" Brandt
bei Ritter X, 771; auch X, 77:0 über Terdjan bis Erzerum.
3) Vgl. unten S. 350, Note 4 wegen der Schädlichkeit und Tac. 13, 37
wegen der Länge dieses Krieges (Coihulo (ßtaesito diu proelio fmstra
hühitm etc.).
Geographie. III. Würdigung der geograph. Angaben bei Tacitus. 327
Geueralangriffs zu Ende ist, wird, ohne specielle Ausführungen
aus dem Kampfe, gleich das Gesammtresultat desselben ver-
kündet: ,,So wendeten sich Tiridates Anschläge wider ihn
selbst" — oder deutlicher: Corbulo's kräftige Organisation
brachte seinen Feind zur Deraüthigung; Corbulo konnte den
Tiridates, der doch auf Arsacidenruhm pochen durfte, an
die Gnade des Nero weisen.^)
Es folgen die persönlichen Unterhandlungen zwischen
beiden Heerführern. Hervorgehoben wird dabei, wie sich
Corbulo, der „alte umsichtige Heerführer", nicht durch die
List des Barbaren habe täuschen lassen und derselben ausge-
wichen sei. Weitläufig kommt nun die Aufstellung des
römischen Heeres durch Corbulo am Verhandlungstage ge-
schildert; dagegen wird von Tiridates nur berichtet, dass
er „ferne" gestanden habe.
Im Ferneren^) wird erzählt, die Herbeischaffung des
Proviants sei durch Truppenbedeckung von Corbulo so gut
gesichert gewesen , dass Tiridates ihr nichts anhaben konnte.
Hierauf kommt die Zerstörung der drei Burgen. Der Held
des Tacitus übernimmt die festeste, Volandum. Nicht ein-
mal von dieser, geschweige von den „kleinern Burgen" wird
etwas über ihre Lage bemerkt und von Volandum 's specieller
Beschaffenheit erfahren wir nichts. Wohl aber wird dessen
Erstürmung und der Kampf dabei genau geschildert und aller
gewöhnlichen Belagerungsoperationen gedacht, welche auf
Corbulo's Anordnung vor sich giengen.
Wir haben oben ^) gesehen , dass die Einnahme der drei
Burgen auf Frühjahr 59 falle. Nun sehen wir aber, dass
Tacitus keines Winters vor diesem Frühling gedenkt, obschon
die Masse des Schnees, welche Winters überall in Armenien
fällt, und die grosse Kälte su gut wie oben im Winter 57/58
gewiss den Römern hat auffallen müssen , wie auch das Heer
LucuUus' zur Zeit der Herbstnachtgleiche eine unerwartet
1) 13, 37.Emle.
•2) 13, 39.
3) S. 287.
1
328 Egli: Feldzügc in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
rauhe Witterung mit Eis und Schnee trafj) Allein Tacitus
zog es vor, diese für seine Personalriicksicht nicht ergiebige
Zeit ganz zu übergehen.
Ganz kurz wird nach der Eroberung der drei Burgen
der Abmarsch gegen Artaxata erwähnt. Aber auch hier wird
nur gesagt, dass man nicht den nächsten Weg gezogen sei,
d. h. es wird nur eine für das folgende Ereigniss, das Ge-
fecht mit Tiridates, nothw endige Andeutung gegeben. AVo
jedoch der weitere Marsch selbst an und für sich hätte be-
schrieben werden sollen, da hört alle Bestimmtheit wieder
auf, und aus Tacitus geht nicht hervor, ob der Araxes ober-
halb oder unterhalb der Stadt überschritten worden sei.
Plötzlich befindet sich nun Tiridates im äussersten Osteu
von Armenien, bei Artaxata; wie er aber seit seiner letzten.
Erwähnung, beim Angriff auf die Transportzüge von Trape-
zunt her, in diese fernen Gegenden kommt und was er unter-
dessen gethan, ist nicht angedeutet. Ausführlich werden
nun der örtlich wiederum unbestimmte Kampf und die An-
ordnungen des römischen Feldherrn geschildert. Talent und
Vorsicht des Corbulo treten ins günstigste Licht. Ebenso
aber, wie Tiridates plötzlich da ist, verschwindet er auch
wieder und mit der Bemerkung, man habe am Abend der
Flucht nicht gevnisst, ob er gegen Medien oder Albanien
fliehe, tritt er vom Schauplatz ab, ohne dass der Schriftstel-
ler einen nachherigen bestimmteren Bericht über den König
hinzufügt. Sofort wird zur Belagerung Artaxata 's überge-
gangen, aber in merkwürdiger Baschheit und auffallendem
Gegensatze namentlich zu Cäsar auch bei dieser wichtigen
Eroberung einzig das angeführt, was die Person des Cor-
bulo betriflFt, und die Naturerscheinung zu dessen Ver-
herrlichung verwerthet.*^) Von der interessanten Halbinsel-
lage der armenischen Hauptstadt^), von ihrer auch für
1) Ritter X, 09.
2) Unkritisch, weil Tacitus nicht wie Plinius eine Sonnenfiostemiss
darin bemerkte oder bemerken woUte. v, oben p. 286 ff.
3) Wie Strabo p. 529 sie schildert,
Geographie. III. Wünh«»ung der geograph. Angaben bei TacitiiH. 329
romische Leser interessanten Gründung durch HauuibaP),
überhaupt von Nachrichten , welche die Stadt selbst betreifen
und ihrethalben angeführt würden, treffen wir nichts, ebenso
wenig von der Natur des Landes überhaupt. Der imposante, die
Ebene beherrschende Doppelkegeldes Ararat mit seinem Schnee-
hute — nicht einmal er begegnet uns. Soweit der Hinmarsch.
Der Bückmarsch beginnt mit einer ausführlichen Dar-
legung , wie sich Corbulo den ihm begegnenden Völkeni
gegenüber benommen habe. Diese Völker aber und die
Gegenden werden nicht beschrieben oder genannt. Der
Araxes, der doch jedesfalls überschritten werden musste,
kommt nicht mehr vor. Man weiss nicht, wandert mun in
einer Ebei^e oder in Bergen.
Erst die Fehde mit den Mardern gibt wieder Aulass
zur Nennung einer Position. Wir haben oben^) gesehen,
dass die Möglichkeit eines Iberereinfalles mit geographischen
Gründen nicht bestritten werden könne. Allein es ist, als
wenn die Redensart ^JiostUein audaciam extemo sanyidne
nltus est'' etwas zu volltönend sei, als dass man sie von
demjenigen aussagen könnte, den man im gleichen Augen-
blick unverrichteter Dinge abziehen lassen muss.
Wir haben betont, dass der Marsch durch die weiten
Strecken von Bajazed bis zur Tauraunitis nur mit einigen
allgemein gehaltenen Angaben geschildert sei, deren Mög-
lichkeit zwar wie der Iberereinfall nicht geographisch zu be-
streiten sei. Aber gerade die Allgemeinheit dieser Angaben
spricht dafür, dass Tacitus sie nicht um des geographischen
Zwecks willen bringt, sondern dass er sie nur zu einem Aus-
gangspunkte wählt, an dem er einige Worte von dem
musterhaften Benehmen des Corbulo in dieser schwierigen
Lage anknüpfen kann, indem er fortfährt: nur des Heer-
führers Ausdauer habe diese Strapazen erträglich gemacht,
„der mehr als der gemeine Soldat erduldete."^)
1) Strabo 528.
2) p. 312.
3) 14, 24.
330 Egli: Foldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Die bebauten Gegenden, welche hierauf erwähnt werden,
sind ohne geographische Bezeichnung, weder beschrieben
noch mit Namen genannt. Die zwei Burgen kommen nur
vor, weil sie Anlasa zur Anführung von zwei glücklichen
Ereignissen aus der Geschichte Corbulo's gebeu ; auch sie sind
sonst nicht zu verwerthen.
Im Folgenden wird nichts als die Rettung des Corbulo
vor Meuchelmord erwähnt und der Ort (Tauraunitis) nur ge-
nannt, weil diese Begebenheit nicht mehr an dem vorherigen
Orte stattfand und so viel Interesse hatte, dass man der
Nachwelt den Ort dieses Vorfalls namentlich aufbewahrte.
Eine geographische Schilderung vermissen wir aber auch da,
wie im Folgenden gänzlich. Tacitus geht vielmehr von dem
einen Ereignisse aus Corbulo's Leben, der Nachstellung, so-
fort zum Folgenden über, der für seinen Kriegsruhm so be-
zeichnenden freiwilligen und demüthigen Uebergabe der zwei-
ten armenischen Hauptstadt Tigranocerta. Während aber
die Gesandten dem Corbulo auf dem Marsche entgegenkamen
und man eine Schilderung von dem Anrücken gegen die Stadt
erwartet, sagt der folgende Satz sogleich, was Corbulo mit
der Stadt gemacht habe. Zugleich wird auch der Grund da-
zu erwähnt.
Während nun ein Schriftsteller, der um der Sache, nicht
um einer Person willen schreibt, hier eine kürzere oder längere
Beschreibung der Stadt eingeschoben hätte, geht Tacitus so-
fort dazu über, zu melden, wie sein Held auch die schwierige
Eroberung des Castells^Legerda glücklich vollzogen habe.
Die Erwähnung der Hyrkaner aber gibt wiederum Gelegen-
heit zu einem Berichte aus Corbulo's Leben, der Geleitung
hyrkanischer Gesandter zum erythräischen Meere.
Gänzlich verschwiegen wird nun der Winter 59/60 und
nur mit wenigen Sätzen poch die von Corbulo glücklich voll-
brachte völlige Verdrängung des Tiridates vom Sommer 60
angedeutet. Dagegen von dem ganzen Verlaufe des neuen
Krieges, der den Corbulo wiederum nach Armenien führte,
vernehmen wir gar nichts. Mit der Ordnung der armenischen
Geographie. III. Würdig^ung der goognipb, Angai)cn bei Tacitus. 331
Verhältnisse durch Corbulo schliesst die Schilderung von
dessen armenischem Feldzuge 68 — 61.
Nicht weniger tendenziös finden wir die Geschichte des
weiteren Krieges abgefasstJ) Ausführlich wird die Erman-
uung der Arsaciden gegen Corbulo geschildert, die Wach-
samkeit des Corbulo in seiner Provinz Syrien und die durch
Vereitlung des parthischen Angriffs auf l'igranocerta sich
bewährende Fürsorge desselben für Annenien sorgfältig er-
zählt, aber auch hier alle topographischen Einzelheiten ver-
mieden. Mit der Erwähnung, dass Corbulo Mässigung in
seinem Glücke für heilsam erachtet habe, wird zur Schilde-
rung der Verhandlung mit Vologäses und dem günstigen Er-
folge schon von Corbulo's blosser Drohung übergegangen. ^j
Eine ausführliche Erzählung von den ürtheilen, welche über
dieses Verhalten desselben gegenüber den Arsaciden gefallen,
schliesst seine directe Betheiligung vorläufig ab. Tacitus
schildert nun in ziemlich geringschätzigem Tone die Thaten
des Nebenbuhlers Corbulo's, überall das Prahlerische und
Unbesonnene derselben hervorhebend. Dadurch gewinnt er
Streiflichter für seinen Helden, den er trotz der Kränkun-
gen durch den Nebenl)uhler doch grossmüthig diesen unter-
stützen lässt.'*)
Sofort nach der lebhaften Schilderung des kläglichen
Ausganges, den Corbulo's Nebenbuhler erfahren, folgt die-
jenige über die rasche , unerschrockene und vorsichtige ^)
Hülfeleistung des grossmüthigen Feldherrn. Er erscheint als
ein Soldat, der zwar über die Misserfolge seines Gegners,
der ihn hintansetzte, sich freut und diese Hintansetzung den-
selben fühlen lässt, indem er ihn etwas länger, als es gerade
nöthig wäre, in der ßedrängniss sitzen lässt:^), der aber doch
nicht soweit geht, um seiner Privatrache willen das Heil
1) 15, 1 ff.
2) 15, 6.
;n 15, 10.
4) 15, 12 Anfang.
5) 15, 10 Ende.
332 Egli: Fek\zügo in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
des Staates durch Preisgebimg meines Gegners zu vernach-
lässigen. Im Schhisse der Geschichtserzählung werden die
weitere Uebertragung des Oberbefehls an Corbulo, seine An-
ordnungen geschildert; sein Marsch mit dem des Lucullus in
Beziehung gebracht^), der durch einen blossen drohenden
Marsch des Corbulo gebrochene Trotz des parthischen Königs
hervorgehoben und besonders durch die Ironie des Schicksals
(betreffend die SteUe der Unterhandlungen) die Parallele zwi-
schen Corbulo und Pätus gezeichnet. Ehrenvoll aber lautet
für den ersteren ganz besonders die Schilderung von der
üemüthigung; welche Tiridates sich musste gefallen lassen.
Auch in diesem ganzen Abschnitte werden nur die un-
entbehrlichsten Localitäten namhaft gemacht^ und von irgend
welcher Betonung des geographischen Elementes ist keine
Rede.
Aus dieser ganzen Ausführung geht hervor:
1) Es werden nur die geschichtlich wichtigsten Partien
gebracht und diese möglichst nach der Seite der Thaten,
Anordnungen und Erwägungen der Person des C!orbulo aus-
geführt.
2) Geschichtlich an sich wenig ergiebige Abschnitte (so
die Jahre 55 — 58, die zwei Winter 58/59 und 59/60, der
Guerillakrieg Anfang 58) werden ganz weggelassen oder doch
möglichst kurz abgethan.
3) Geographische Bestimmtheit und Ausführung fehlt
überall, auch in den wichtigsten Partien.
Hieraus folgt:
1) Tacitus will nicht eine objective Geschichte der Er-
eignisse aus den armenischen Felgzügen geben, sondern eine
möglichst wenig ^durchbrochene Reihe von Schilderungen und
Erwägungen, w^elche in günstigem Sinne das Leben des Cor-
bulo zeichnen.
2) das Interesse der Leser war demnach nicht auf eine
eingehende Geschichte, sondern auf eine Biographie des Cor-
1) 15, 27.
Geographie. IIL Würdigung der goograph. Angaben bei Tacitus. 333
balo gerichtet. Anderseits aber muss das geographische
Interesse des römischen Publicums kein grosses gewesen sein.
Den Maassstab aber für eine derartige Abfassung der
armenischen Geschichte bildeten:
1) die Leser — hierin sehen wir einen Anflug von
romanenartiger Behandlung der Geschichtsschreibung.
2) einigermassen wohl auch die eigne Subjectivität des
Schriftstellers, der für Corbulo eine besondere Zuneigung
hatte.
Wir werden daher nicht fehlen, wenn wir mit Bezug
auf die Geschichte der Eroberung Armeniens behaupten:
Die Geschichte der armenisch - parthischen
Feldzüge nach Tacitus wird nach ihrer geschicht-
lichen und geographischen Seite durchaus von dem
Gesichtspunkte einer verherrlichenden Lebensbe-
schreibung des Corbulo beherrscht oder:
Der Zweck des Tacitus war die Lebensbeschrei-
bung seines Helden Corbulo auf der Folie des welt-
geschichtlichen Thema's der Eroberung Arme-
niens.
Daraus wird nun klar, warum uns die geographische
Orientirung in dem Marsche des Corbulo so schwer fiel.
Wir machten zu unserer Hauptabsicht gerade die fortlaufende
Zusammenstellung desjenigen, von welchem der Schriftsteller
als von seiner Nebenabsicht nur in beiläufiger Weise handelt.
Daraus aber erhellt wiederum, warum der gleiche Schrift-
steller^ der auf dem germanischen Boden so Grosses in der
Geographie geleistet, auf armenischem Boden so Geringes in
geographischer Hinsicht zu Tage gefördert. Dort war ihm
Geographie sein Zweck, hier ist sie gar nicht seine Absicht.
B.
Nach Seiten der Quelle (Corbulo).
Schwieriger fällt uns bei der Vernachlässigung des
geographischen Materials durch Tacitus die Feststellung
334 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — G3 n. Chr.
der Reichhaltigkeit und des \Verthes» seiner Quelle*), des
Corbulo.
1) Phänomen von Artaxata.
Den ersten Anhaltspunkt zur ßeurtheilung des Corbulo
als geographischen Berichterstatters im weitesten Sinne des
Wortes gibt uns die Erwähnung des Phänomens von Ar-
taxata, welches wir in der Chronologie besprochen haben.
Aus dieser Schilderung bei Tacitus ergibt sich, dass er
nicht an eine Sonnenfinsterniss dachte, sonst würde er nicht
ein ,,miraciihim'' daraus gemacht haben. Also kann auch
ofiFenbar die Erscheinung in dem Berichte des Corbulo nicht
eine „defedio 50Üi5 ". genannt worden sein. Vielmehr wird
die Schilderung des Corbulo ziemlich genau mit derjenigen
des Tacitus übereinstimmen.
Verweilen wir einen Augenblick bei der geschilderten
Erscheinung , so muss auffallen , dass ein hervorragender
Römer jener Zeit, der grösste Feldherr, eine selbst gesehene
Sonnenfinsterniss wie ein „miraculum'^ schildert, welches der
grösste römische Historiker bei der Vorliebe für seinen Hel-
den als diesen verherrlichend in gleicher Form ohne Anstoss
wiedergibt, er, der an einer andern Stelle^) dieselbe Sonnen-
finsterniss für Italien meldet. Es brauchte einen Plinius da-
zu, um aus dem zeitlichen Zusammentreffen des Phänomens
von Artaxata mit der in Campanien beobachteten Sonnen-
finsterniss zu schliessen, dass auch das erstere eine Sonnen-
finsterniss gewesen sei. So wenig Natursinn gibt uns einen
deutlichen Fingerzeig, wie viel von der geographischen
Beobachtungsgabe dieses Berichterstatters zu erwarten ist,
und daraus entnehmen wir, wie hoch wir den Corbulo als
geographischen Berichterstatter zu stellen haben. Es winl
1) 15, 16.
2) 14, 12. Ueber die Identität dieser in 14, 12 genannten Fiuster-
niss mit derjenigen des Plinius (TI, 70) und Dio G2, 16 vgl. „Zech, Unter-
suchungen über die wichtigeren Finsternisse, welche von den Schrift-
stelleru des class. Alterth. erwähnt werden. Leipzig 1853." Nr. 15.
Geographie. ITT. Würdigung der geograph. Angaben bei Tacitus. 335
sich im Folgenden zeigen, wie weit dieses Vorurtheil ge-
rechtfertigt war.
2) Sueton und Dio Cassius.
Wenn wir, um weitere Anhaltspunkte für die Geographie
Armeniens zu erhalten, in Bezug auf den armenischen Feld-
zug von 58 — 63 andere Schriftsteller vergleichen, so muss
auffallen, dass vorerst Sueton Nichts von demselben be-
richtet*) und dass z. B. Corbulo, Artaxata, Tigranocerta in
Sueton gar nirgends vorkommen.
Nicht viel besser steht es hinsichtlich des Dio Cassius.^)
Eine Zusammenstellung von Dio und Tacitus für 58— Gl ist
folgende :
Dio 62, 20. Tadt. 13, 41 —14, 25.
1) dKOViTl Td *ApTdEaTa Xaßi(jv. oppidani, portis spmUe pafefactis
(13, 41).
2) T^v iröXiv KaTdcKai|i€. Ärtaxatis ignis immissua.
3) Tipöc TiTpavÖKepTa flXacc: iUitcCfigranocerta)pergit(H^2S).
4) irdcrjc |u^v Tf,c töliv dvbiööv- misericordia adversus supplices,
Tiuv cqpäc x^P^^ q)€ibö)Li€voc, irdvTa celeritate adversus pro fu gas, inmitts
h^ Td TOIV dveiCTQILldvUJV TtOpGlIlV. is ....
5) €Xa߀ Kai ^K€lva (TixpavÖK.) legati Tigr. missi patere moenia
^OeXoücia. adferunt, intentos .... 14, 24.
6) dXXa T€ firpaSc Xajbnrpd xal a) Die Rache an den Mardern
^niboHa. (14, 23). b) Die Ausdauer auf dem
Marsche, c) Eroberung des praeai-
dium Legerda (14, 25). d) Die
Verjagung des Tiridates im folgen-
den Jahre.
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor:
1) Dio bringt nichts, was er nicht aus Tacitus entlehnt
haben kann.
2) Dio bringt nur die vnchtigsten Ereignisse in Tacitus
ausdrücklich au geführt. Alle übrigen fasst er zusammen mit
den Worten: öXXa t€ firpaSe XajaTrpd kqI imbola.
1) Nur Nero 13 berichtet er etwas von der Vorführung des nach
Rom gekommenen Tiri<lateä. Kino beiläufige Notiz betreflFend den Tiri-
dates V. Nero 30.
•2) Dio 62, 20.
336 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
3) Dio bringt nur gemein -historische Facta; alle Ehren-
zeichen, welche nur Corbulo als solchen angehen, lässt er
weg, so die Auslegung des Phänomens von Ari;axata, die
Erzählung von dem glücklichen Ausweichen des Attentates,
diejenige von der persönlichen Beehrung durch die Gesandt-
schaft von Tigranocerta und die Anordnung von Triumphen.
Der Annahme, dass Dio lediglich den Tacitus aus-
gezogen habe, steht nichts im Wege. Für die Annahme
aber spricht noch positiv:
1) kein Factum wird bei Dio in irgendwie anderer
Reihenfolge gebracht als bei Tacitus.
2) Alle Facta werden bei Dio in Ausdrücken erzählt,
die entweder mit denen des Tacitus gleichwerthig (2 imd 3)
oder aber auszugartige Abschwächungen derselben sind
(1, 4, 5 und 6). Keine Abfassung irgend eines Factums
bei Dio deutet auf Originalität.
3) der bei Tacitus in sachlicher Beziehung so haltlose
„Hinmarsch" ist gänzlich übergangen. Ebenso verhält es
sich mit der bei Tacitus nur im Resultat angeführten Ver-
jagung des Tiridates, also dem Feldzuge von 61. Wenn also
von den Hauptpartien des Tacitus bei Dio nur das Wichtigste
gegeben wird, so ist es begreiflich, wenn die schwachen
Partien des Tacitus ganz weggelassen wurden.
(Für die weitere Geschichte von 61 — 63 wollen wir auf
eine Untersuchung verzichten, da die Jahre 58 — -61 in geo-
graphischer Hinsicht die interessantesten sind.)
3) PUniuB.
Anders dagegen steht es mit Plinius. Er nennt geradezu
den Corbulo als eine seiner Quellen in der armenischen
Geographie. Er thut sich auf seine Quellen überhaupt viel
zu Gute, wenn er sagt^): .... in quo aliter ac veteres pro-
(liturum me non infiUaSy mwia perquisUa cüra^ rebus nuper
in eo situ gestis a Domitio Corhulone regibiisqtw inde missis
supplidbus mit regtim liheris ohmlihuß,
1) h, n. VI, 23.
Geographie. III. Würdigung der geograph. Angaben bei Tacitus. 337
Wenn nun Plinius meint^ dass er aliter ac veteres
überliefere ; so kann dies nur auf römische ^ keineswegs ab^r
auf griechische Schriftsteller gehen ^ indem schon Strabo —
zwar nicht mehr einzelne geographische Angaben über Ar-
menien^ aber weit mehr systematische Beherrschung dieses
geographischen Labyrinths aufweist. Während Plinius fast
nur Namen an Namen reiht und einzig da eine lebendige
Vorstellung verräth, wo er den Euphratdurchbruch durch den
Taurus schildert*), so begegnen wir bei Strabo weit zahl-
reicheren Verflechtungen geschichtlicher und anderer lebens-
voller Abschnitte, namentlich aber einem eigenen CapiteP)
zur Orientirung in der armenischen Urographie und den
Stromläufen von Euphrat und Tigris, den ersten übersicht-
lichen Nachrichten hierüber.^)
Wenn wir nun versuchen wollen, dasjenige, \vas
von Corbulo's Bericht direct herrühren muss, her-
auszufinden, so müssen wir vorerst zweierlei bedenken.
1) Es werden neben Corbulo noch die armenischen
Geissein, femer Licinius Mucianus*), Cornelius Nepos*),
Claudius Caesar^), Aufidius als Quellen angeführt und ist
ein^ Ausscheidung dieser Quellen nicht vollzogen.
2) Plinius hat trotz seiner Behauptung nicht anxia ciira
die Quelle „Corbulo" benutzt, da er wichtige Positionen, die
bei Tacitus sich finden, also aus Corbulo's Bericht herstammen
müssen, nicht nennt (Volandum, Tauraunitis). Zudem fällt
auf, wie wenig Plinius eigentlich doch über Armenien be-/
richtet, obwohl er die armenischen Geisseln zu Rathe ge-
zogen haben will. Er führt z. B. an^), dass Armenien in
1) 5, '85. Nach der mehr prosaischen Beschreibung folgt die Re-
flexion: tta miturae dimicatio (zwischen Tauras und Euphrat) iUa aequa-
lur, Jtoc (Eaphrate) eunte quo voIt, iUo (Tauro) jyrohihente quo relit.
2) Das 12. des XI. Buches.
3) Vgl. Ritter, Erdkunde X, 71 und 74.
4) 6, 83.
5) 6, 40.
6) ib.
7) 6, 27.
Unlersuch. z. Ruin. Kaiserg-esch. I. 22
338 Egli : Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
CXX Strategien getheilt sei; geht aber über die Nennung
einiger derselben echt römisch hinweg mit den Worten „6ar-
baris nominibus"
Darans geht hervor^ dass
a) die Quelle ,,Corbulo" unter die andern Quellen ver-
arbeitet ist und
b) dass sie unvollständig benutzt ist^ somit
c) dass die Quelle ,,Corbulo'' nach ihrer geographischen
Seite nicht mehr ihrem ganzen Umfange nach zu fixiren ist.
Es finden sich in Plinius nur zwei Nachrichten ^ die^
ohne sich zugleich bei Tacitus zu finden ^ dem Corbulo aus-
drücklich zugewiesen werden: der Berg Aba^) an den Eu-
phratquellen und die Bekanntschaft mit den Caspiae pylae'^)
(resp. den Caucasiae pylae, wie Plinius berichtigend sagt).
- Damit stellt sich die Zahl der bekannten geogra-
phischen Angaben^ welche sicher von Corbulo her-
rühren, einschliesslich der 29 bei Tacitus auf 31.^)
Nun finden wir aber noch etwa 13 weitere Angaben*)
bei Plinius vor, welche sämmtlich auf den Nordwesten Ar-
meniens, die oberen Euphratländer und die Umgegenden ent-
fallen. Da nun Plinius den Corbulo für eine Position in
jenen Gegenden, die Euphratquellen am mons Aba, neben
Licinius Mucianus als denjenigen bezeichnet, der ,,proxtwie
videraP% so stehen wir nicht an, alle diese 13 Positionen
ebenfalls dem Verdienste des Corbulo auf Rechnung zu
schreiben, obschon dies keineswegs nothig ist. Auch 9 wei-
tere Positionsangaben ''^), welche Tacitus nicht hat, die aber
1) 5, 83.
2) 6, 40.
3) In der Beilage durch Fettschrift ausgezeichnet.
4) In der Beilage durch Cursivschrifb ausgezeichnet.
5) Bei fl. Arsanias noch ein fi. Arsanus. Berge, welche Araxes-
thal und Kaspi scheiden. Gebirge Niphates (welches vielleicht
da genannt war, wo Tacitus sagt, die Marder seien „wontihas defensi"*
gewesen). Otene regio (in Armenien, durch den Araxes von Atro-
patene getrennt). Zahl der armenischen Präfecturen (CXX). Die
Bemerkung, dass Tigranocerta „in excelso" liege. Usus, Nebenfluss
Geographie. III. Würdigung der geograph. Angaben bei Tacitus. 339
doch von Oorbulo vermöge ihrer Lage etc. herrühren können^
wollen wir ihm zuweisen; um lieber etwas zu viel als zu
wenig zu Corbulo's Gunsten zu thun. Dann wird sich die
Zahl sämmtlicher Positionen . die von Ck>rbulo herrühren
können ; auf circa 50 belaufen ^ während Strabo circa 60
kennt. ^) Wir wollen nun an der Anzahl der Positionen nichts
aussetzen ; zumal da sich die Anzahl für üorbulo noch gün-
stiger stellen könnte; weil Plinius, wie wir gesehen; Cor-
bulo's Bericht nicht anxia'cura benutzt hat.
Blicken wir aber auf den Gesichtspunkt; welcher die
sämmtlichen Angaben beherrscht; so ist hier vorerst im Auge
zu halten; dass Tacitus' bei seiner tendenziösen Abfassungs-
weise keinen Maassstab für die Beurtheilung ^der Geographie
abgeben kann; dagegen zeigen die trockenen; mehr register-
artigen als lebendigen Angaben des Plinius ; welche nur
schon gegenüber dem früheren Strabo eine geringe Einsicht
in die physischen Verhältnisse Armeniens verratheu; dass
dem Plinius auch keine geographisch ausgiebige
Quelle vorgelegen hat; sonst hätte er sie gewiss besser
benutzt.
Stellen wir alle Punkte, welche den Werth der Berichte
Corbulos zu beleuchten im Stande sind; zusammen; so er-
gibt sich:
1) Tacitus drängt das Geographische möglichst in den
Hintergrund; Sueton bringt von den armenischen Feldzügen
gar nichts ; Dio begnügt sich für die interessanteste Partie
(58 — 61) mit einem dürftigen Auszuge aus Tacitus, und
Plinius, der Fachschriftsteller; verräth eine in geographischer
Hinsicht mangelhafte Quelle.
des Erasch. Thospitis- See (Van), den Corbalo oberhalb Bitlis
streute. Oruros =« Murad. In der Beilage durch gesperrte Schrift
ausgezeichnet.
1) In der Beilage ist Alles, was von Corbulo herrühren kann, auf
eine der drei genannten Arten durch die Schrift ausgezeichnet.
22*
340 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — Ö3 n. Chr.
2) Der geographische Sinn des römischen Publicmns war
ein sehr geringer ^ wie sich schon aus dem Stoffe schliessen
lässt; den ihm seine Schriftsteller in dieser Beziehung bieten,
und wie anderseits aus dem Umstände erhellt ^ dasa ab-
sichtlich oder unabsichtlich eine Sonnenfinstemiss im Ernste
so miraculos dargestellt werden darf. Bezeichnend für jene
Zeit; wie für den geographischen Sinn Borns gegenüber
den Hellenen überhaupt ist es auch; dass sogar ein Tacitus^)
noch in der homeris\3hen Anschauung einer grossem Erwär-
mung von Ost und West; also einer flachen Erdoberfläche;
befangen war; während Aristoteles schon mehr als 400 Jahre
früher die Kugelgestalt klar nachgewiesen; Archimedes^) aus
hydrostatischen Gründen den Meeresspiegel als gewölbt er-
klärt und um 200 v. Chr. Eratosthenes eine Gradmessung
vorgenommen hatte. Weitere Beispiele gehören nicht in den
Rahmen unserer Arbeit; ich möchte aber glauben; dass eine
Erörterung über den Charakter der römischen Erdkunde über-
haupt unsere Behauptung einer grossen Interesselosigkeit zur
Zeit des Corbulo wesentlich verallgemeinern würde.
3) Von dem geographischen Sinn des Corbulo muss man
sich ebenfalls keine gar grosse Vorstellung machen; da wir
gesehen, dass er in einer Sonnenfinstemiss ein miractdum
erblickt und die Auszüge des Fachmanns Plinius aus seinem
Berichte ebenfalls in dieser Hinsicht nicht günstig für ihn
sind. Corbulo war in dieser Beziehung ein Kind seiner Zeit.
Aus diesen Sätzen ziehen wir den Schluss:
Corbulo bezweckt so wenig wie Tacitus eine
geographische Berichterstattung über Armenien.
Seine geographischen Angaben sind vollständig
vom Gesichtspunkt der militärischen Berichter-
stattung beherrscht, daher beiläufig, einseitig,
eigentlich also gar nicht acht geographisch.
1) Germania 45.
*2) de iis, quae in kwnido feruntur I pro}). 2,
Geographie. III. Würdigung der geogragh. Angaben bei Tacitus. 341
Geographische Angaben über Armenien bei:
Strabo 56.
Plinius 59.
TacituB 29.
Abos mons.
Adiabene.
Akilisene.
AiititaurOB.
Araxes fi.
Cbaljbes.
Artazata am Araxes.
Aba mons.
Ahsarus fl.
Adiabene.
Anaitica.
Araxes fl.
Areisa lacus.
Ärmeniae portae.
Armeno - Chalyhes.
Arsamosata.
Arsanias fl.
Arsanos fl.
Artaxata am Araxes.
„ — Niflibis
Distanz.
Adiabene.
Araxes fl.
Areamosata.
Arsaniae fl.
Arta,zata am Araxes.
Arxata.
Artagerae.
1
Atropatia.
1
Azara.
t
Babyrsa.
Baris.
\
Cambysene.
*
Garenitis.
Caranitis,
Chalonitis.
»
Carcathiocerta.
Carcathiocerta. i
CabaOla.
Gaspiae pylae (p. Gau- •
casiae pylae VI, 40).
Ceraimii montes.
Chorzene.
Comisene.
Gyrrhestica.
Cyrufi.
Gyrus.
Cyrtier.
Dascusa.
Derxene.
Derxene.
Elegia.
Enpbrates
Euphrates
„ als armeniach-
„ als armenisch-
kappflidok. Gränze.
kappadok.GrH.nze. ,
„ Durchbruch.
„ Durchbruch. i
Flora von Armenien.
fiaphrates
„ als armenisch-
kappadok.Gränze.
•
J42 Egli: Feldzüge in Armenien von 41
m
— 63 n. Chr.
Strabo 56.
Plinius 59.
Tadtus 29.
Gprdyene.
Gordyaei montes.
Höhlen in der Ararat- |
gegend. '
#
Legerda^
LycuB fl. Gränze von
Lycus dito.
Gross- nnd Klein- Ar-
menien.
Lycos j. Zab.
Lycus dito.
Mardi.
Mardi.
Mardi
Masios mons.
Matiane lacus.
#
Melitene.
Melitene.
Menobardi.
Melitene.
Moschi.
Moschi.
Moschi.
Nibaras.
Nicephorins fl. „inclutos
Nicephorins fl. von Ti-
granocerta.
amnis.'*
Niphates.
Niphates.
(Montibns defensi
•
Mardi?)
Odomantis.
OruroB.
%
Orchistene.
Otene.
Opis.
Parthemas fl.
Paryadres montes.
Paryadres montes.
(erst nach Strabo).
Phaenomen von Arta-
Phänomen von Arta-
xata.
xata.
Phanene.
praefectoxae.
CXX.
praefeotnrae.
Producte Armeniens.
Producte Armeniens.
Pyxurates fl.
Sartona.
Scydises.
Suani.
Sonunerhitse.
Syspiritis.
Tauraonitis.
Tanrannitis.
Tanrus mons.
Taums mons.
Tanms mons.
„ Pässe bei den
Tigrisqnellen.
Tibarener.
Tigranocerta.
Tigranocerta.
Tigranocerta.
„ südl. V. Berg
„ „in excelso."
Masias.
Tigris.
l'igris.
Th<me regio.
Geographie, lll. Würdigung der geograph. Angaben bei Tacitus. 343
Strabo 56.
Pliniiis 59.
Tacitus 29.
Tboispites »» Arsene
Thospiies lacus.
laccu.
•
Trapezus, Pässe nach
TrapezuS) Pässe nach
TrapezuB, Pässe naoh
Armenien.
Armenien.
TrapeMus, Distomz tiach
Armenien.
9
•
Hoch-Armemen,
Triare regio.
unbebaute Gegenden.
Urumjah See.
Usus fl.
VaUi.
Olane.
Sal2dge Flüsse.
Volandnm. *
Wassermangel.
Winterkälte.
Zagrus.
Zimara.
Winterk<e.
I
i
Drittes Capitel.
Allgemeine Ergebnisse.
I.
Die Zeit des Mithridates.
(Sommer 41 — Sommer 51.)
§ 1. Die Eroberung Armeniens dnrch Mithridates.
(Sommer 41J)
Das Römerreich hatte den Euphrat zu seiner Ostgränze.
Die Haaptstützpunkte zur Wiedererlangung Gross-Armeniens
waren dessen West- und dessen Nordgränzlandschaften (die
iberischen Gebiete).
Die parthische Herrschaft in^ Grossarmenien ^ das ziem-
lich zwischen die Länder der verbündeten Römer und Iberer
eingekeilt war, erlag der Zwietracht im parthischen Reiche^),
der Belagerungskunst der Römer ^), den Streif zügen der ibe-
rischen Reiterschaaren *), der Feinde üeberlegenheit im Felde *),
dem Wankelmuthe des armenischen Volkes.®)
1) Tac. XI, 8 und 9.
2) ThrODstreit zwischen Vardanes und Gotarzes Tac 12, 8 — 10.
3) Tac. 12, 9. Von solchen Castellen werden im Verlauf bei Tacitus
ausdrücklich genannt: Corneae 12, 45 (vergl. S. 347 Note 3), Volandum
13, 39 (vergl. S. 319 f.), Legerda^4, 26 (vergl. S. 306), Arsamosata 16, 10.
4) ib. Das „iberische Heer" bestand grdsstentheils aus Beiterei
(6, 34).
6) ib.
6) ib. Den armenischen Charakter zeichnet auch 2, 4 „incerti 90-
lutique et mayis sipie domhw quam in libertcUe. Aehnlich 13, 34.
\
V
<:
Allgemeine Ergebnisse. L Die Zeit des Mithridates. 345
§ 2. Die parthischen Wirren 40—51.
Durch die Eroberung Grossarmeniens und die Vereinigung
desselben mit Eleinarmenien zu der Einen Herrschaft des
Mithridates^) war im Osten eine bedeutende Gränzänderung
zu Gunsten der romischen Herrschaft — denn der armenische
König war romischer Vasall ^ gestützt durch römische Truppen
und so TÖllig in der Hand des römischen Befehlshabers^) —
und zum Nachtheil des parthischen Reiches gegeben. Der
deckende Rücken war dem Partherreiche genommen; denn
die Herrschaft eines römischen Vasallen reichte auf beherr-
schendem Hochlande^) bedrohlich bis an die Ebenen des nörd-
lichen Mesopotamien heran. Der Schlüssel zu Mesopotamien^
damals der gangbarste Euphratübergang^) bei Zeugma; be-
fand sich in einer nunmehr gegen Norden- entblössten weit
in Feindesland hineinragenden Ebene.
Wie den Vologäses*) mag auch den Vardanes das Ehr-
gefühl zur Wiedereroberung des einst parthischen Gebietes
angespornt haben.
1) Tac. 11, 9.
2) Tac. 12, 45.
3) Strabo XVI, 26 gibt als Hauptgrund, weshalb die Obermesopo-
tamier von den Armeniern Beschädigungen erleiden, den an, dass diese
„über jenen wohnen". Vergiß namentlich auch Tac. 15, 1.
4) Tac. 12, 12 geht auch der neue Partherkönig Meherdates hier
über den Fluss, „unde maxime pervius amnis.*' Hier wurde von Seleu-
cus Nikator eine Schiffbrücke geschlagen (Plin. h. n. Y, 24, 21. Steph.
Byz. p. 288) und dabei ein Brückenkopf, nach der Brücke Zeugma ge-
heissen, errichtet. Nach der Unsicherheit der alten Fürth (Thapsacus
V. nOD =3 transire, Gesen. Hebr. Lex.), durch arabische Horden (Bitter,
Erdkunde X, 12) wurde dieses Zeugma (bis zu dem die römische Herr«
Schaft vorgedrungen), der Uebergang für Heere (Ritter meint durch
die Partherkriege der Römer X, 12) und für Handelszüge. So schon
zu Strabo's Zeiten (Strabo XYI, 746—748). Zu Biredschick (dem alten
Zeugma vorüber) münden noch jetzt die meisten Strassenzüge nach
Obermesopotamien zusammen (Kiepert, Karte von Armenien etc. 1854.
Stieler, Handatlas Nr. 43a. Ritter, Erdkunde X, 943 f.). Vergl. über-
haupt über das Land der Zeugma von Samosata bis Thapsacus Ritter X,
959—1003.
5) Tac. 12, 50,
346 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 68 n. Chr.
Dies müssen; wenn nicht alle; so doch die" hauptsach-
lichsten Gründe zum Beginne des Krieges von parthischer
Seite gewesen sein.
Sobald deshalb der neue parthische Konig Yardanes,
durch Yerzichtleistung seines Bruders auf die Herrschaft; freie
Hand hatte; rüstete er sich zur Wiedereinnahme Armeniens.
Aber die Kriegsdrohung^) des neuen romischen Statthalters
in Syrien; Yibius MarsuS; und die abermalige feindliche Er-
hebung seines Bruders GotarzeS; durch die er in den fernen
Osten abgezogen wnrde, hinderten ihn an der Ausftlhrung.
Es ist nicht zu bezweifeln; dass der durch seinen Sieges-
ruhm trotziger gewordene Konig nach seiner Rückkehr sein
Yorhaben wieder aufgenommen; wenn nicht gewaltsamer Tod
ihn hinweggerafft hätte. Die abermalige Zerrüttung des
parthischen Reichs ; die geheime Parteinahme vieler Grossen
gegen den neuen König Gotarzes zu Gunsten des als Geissei
zu Rom befindlichen Meherdates Hessen nicht nur nicht an
die Eroberung Armeniens denken; sondern bewirkten sogar
ein Eingreifen Roms in den parthischen Haushalt selbst.^).
Zwar vereitelte ein in ähnlicher \yeise früher') schon den
Romern widerfahrener Yerrath orientalischer Fürsten weiter-
greifenden römischen Einfluss auf parthische Regentschafts-
verhältnisse; indem nach Gotarzes baldigem Tode Yonones H. ^),
1) Tacitos gibt nur diese als Grand der Verhinderang an. Die
Wiedererhebong des Gotarzes wird nur mit „atque interim can-
trahit etc" eingeleitet. Diese innere Erhebung dürfen wir cansal fas-
sen, zumal, wenn wir bedenken, dass durch innere Kriege für Vardanee
der Thron, durch eine Fehde mit Rom nur Armenien auf dem Spiele
stand, innere Unruhen somit für Yardones wohl der Hauptgrund
gegen eine armenische Expedition waren. Die Hemmung der Parther
durch innere Unruhen tritt in der Folge wieder hervor (vergl. z. £.
13, 37 und 14, 25).
2) Was auch zu Rom gehörig betont wurde. Vergl. die Rede des
Claudius „über Roms Hoheit und der Parther Abhängigkeit.^ Tac. 12, 11.
3) Gegenüber Crassns.
4) Nach Longueru6*s Yermuthung (Annal. Arsac.) war Vononos der
erste Prinz aus dem Arsaddenhause, der das atropatenische Medien,
wo die Eönigsfamiüe ausgestorben war, als apanagirter Prinz verwaltete
(bei Pauly, Realencyklopädie etc.).
Allgemeine ErgebnisBO. II. Schwankende Zustande in Armenien. 347
parthischer Statthalter Mediens und nach dessen ebenfalls
schnellem Absterben sein Sohn Yologäses zur. Regierung kam ^)y
aDe aus dem angestammten Arsacidenhause.')
IL
Sehwankende Znstftnde in Armenien.
(Sommer 51 — Anfang 58.)
§ 1. Iberisch -armenischer Krieg.
(Sommer 51.)
Der iberische Prinz RhadamistuS; auf Yolksgunst trotzend;
strebte nach der Konigsherrschaft bei seinen Landsleuten.
Allein sein königlicher Vater Pharasmanes wandte ihn, um
seinen eigenen Thron zu halten ^ von sich ab gegen seinen
Armenien beherrschenden Bruder Mithridates, der von ihm
selbst zehn Jahre früher erhoben worden war. So entspann
sich im Sommer 51 ein Krieg zwischen Iberien und Armenien,
„der auch unter die Parther und Romer Stoff zu gewaltigen
Reibungen warf." Der römische Burgpräfect zu Gorneae«),
Caelius Pollio, von den Belagerern erkauft, gab die Burg
Preis ; yerrieth den Mithridates und lieferte ihn mit seiner
Familie der Verworfenheit der siegreichen iberischen Bluts-
verwandten aus. Auch nach Pollio^) liess sich nochmals ein
römischer Heerführer durch Bestechung von der Vertreibung
der Iberer abwenden.^)
1) Tac. 12, 14.
2) Clinton fiftsti Bomani II, 249, Stammtafel der Arsaciden.
3) Lage mibekannt, wahrscheinlich eine derjenigen Borgen, welche
im Jahr 41 Yon römischen Trappen für Mitbfidates erobert und besetzt
wurde. VergL S. 344 Note 3.
4) Dessen Habsucht, von Tacitus hinlänglich gezeichnet, kennt auch
Dio 61, 6 (Tac. 12, 46 und 46).
5),,Tac. 12, 49.
348 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
§ 2. Iberisch -parthischer Krieg.')
(Nachsommer 61 — Ende 54.)
Das Partherreich war während dieser Vorgänge zur Ruhe
gelangt und damit wie zu Yardanes Zeiten sofort die Rüstung
zur Eroberung Armeniens gegeben; denn die Wichtigkeit
dieses Landes für Parthien^) und das Ehrgefühl der Arsaciden
Hessen den Feinden nur zu Zeiten innerer Unruhen im par-
thischen Reiche den unbestrittenen Besitz Armeniens.^) Die
Hauptstädte des Landes waren vor Winter 51 von den Par-
them eingenommen. Armenien wurde zwar nochmals auf-
gegeben^ aber bald wieder, nach einem Abfall der Armenier
von dem grausamen Rhadamistus, für Yologäses Sohn Tiri*
dates gewonnen.
Noch oft^) wechselten die Besitzer des Landes. Ge-
sandte Armeniens kamen zu Nero, um ihm die Landesange-
legenheiten vorzutragen.^) Noch aber wollte man zu Rom in
die orientalischen Verhältnisse nicht eingreifen.
§ 3. Römisch -parthische Spannung.^)
(Ende 54 — Anfang 68.)
Erst weitere Gerüchte am Ende des Jahres 54 vermoch-
ten Nero zum Eingreifen im Oriente zu bewegen. Stärkung
und Concentration der Legionen, Aufgebot der verbün-
deten Eonige, Oefhung der Zugänge durch Brückenbauteu
am Euphrat, neue Länderzutheilungen ^) und Beförderungen
deuteten auf ernste Unternehmungen für den Sommer 55.
1) Tac. 12, 60 und 51.
2) Diese (vergl, p. 845) "war wohl ebenso sehr die Triebfeder für
Yologäses als das' Ehrgefühl, wie Tacitus angibt (12, 50).
3) Vgl. Qotarzes S. 346, Yardanes p. 344 ff. und Yologäses S. 361 ff.
4) Tacitus sagt „saepe^ (13, 6). Yergl die Chronologie p. 276 ff.
5} Tac. 13, 6.
6) Tac. 13, 6—9.
7) Kleinarmenien war wohl durch den Kampf in Grossarmenien
(zwischen Parthem und Iberern) wieder den Römern zage£allen, wie
vor Eroberung Grossarmeniens und vor Yereinigung beider Länder
Allgemeine Ergebnisse. II. Schwankende Zustände in Armenien. 349
Domitius Corbuio sollte von Cappadocien aus Armenien
angreifen ; Ummidins Quadratus von Syrien ans die Parther
im Schach halten.
• YologäseS; von seinem Sohne Vardanes befehdet^ 7x>g
aus Armenien ab und brachte durch Stellung von Geissein
den, wohl wegen Entartung der DiscipHn ') bei den romi-
schen Truppen lässig begonnenen Krieg wieder ins Stocken,
um ihn zu gelegener Zeit wieder aufzunehmen.
Die Besitzesverhältnisse in Armenien waren für die drei
weiteren Jahre sehr unklar. Parther ^) und Römer scheinen das
durch Mithridates in Kleinarmenien der römische Vasall Cotys ge-
herrscht hatte. — Wohl anders verhält es sich mit Sophene. Dieses
Land musste erst wieder erobert werden, da anzimehmen ist, der Eu-
phrat werde wieder wie früher die Ostgränze des römischen Reiches
geworden sein. Auch scheinen die neuen Brückenbauten am Euphrat
darauf hinzudeuten, dass dieser Fluss die G ranze beider Reiche bildete.
Dadurch aber, dass Nero das Land einem Fürsten verlieh, gewann er
sieh einen Bundesgenossen, dessen eifriges Interesse um Gewinnung des
Landes er (Nero) mit dem römischen vereinte.
1) Tac. 13, 36 und 36. Tacitus erwähnt die Anstrengungen des
Corbuio für bessere Disciplin des von ihm angetretenen Heeres m Syrien
erst mit Eintritt des neuen Krieges im J. 58. Allein Corbuio, schon 54/66
nach dem Orient gekommen, wird schon damals diese Bemühungen
aufgenommen haben. So würde sich dann die Schilderung von der
Herstellung der Disciplin (XIII, 35, also erst mit Anfang 58 erwähnt)
auch auf die drei vorangegangenen Jahre beziehen, wodurch dann der
Zusammenhang mit der vorherigen Erzählung' (XIII, 9) nicht unter-
brochen wäre. Eine ähnliche Zusammenfassung mehrerer ereigniss-
leerer Jahre siehe Chronologie S. 276 £F. — In dieser drei Jahre lang
betriebenen Verbesserung der Heeresdisciplin , glaube ich, dürften wir
wohl mit einen Fingerzeig auf eine Hauptursache finden, warum der
aus Germanien kommende Feldherr nicht schon im Jahre 55 den Krieg
ernstlich begann.
2) Ausdrücklich meldet deren Abzug Tac. XIII, 7. Aus der Erwä-
gung des Vologäses (XII(, 34) ist wohl zu schliessen:
a) ebenfalls auf den Abzug der Parther.
b) Corbuio würde dem Tiridates das Land Armenien als römischem
Lehen zugestehen.
Auch Xni, 37 deutet auf den Abzug der Parther (hello infensare Av
meniam).
Aus XIII, 34 scheint auch der Abzug der Römer hervorzugehen
(parta olim recipere). Wie es scheint, waren die armenischen
350 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Land verlassen zu haben und die armenischen Stamme hin-
sichtlich ihrer Zuneigung zwischen Römern und Parthem
getheilt und schwankend gewesen zu sein.
IIL
Eroberung Armeniens/)
(Frühjahr 58 — Winter 60.)
§ 1. Fall der armenischen Hauptstädte.^)
(Frühjalir 68 — Ende 59.)
Das unter der Asche glimmende Feuer^ seit drei Jahren
von den Parthern und wohl auch von den Römern') durch
Intriguen unterhalten ^ begann im Frühling 58 starker auf-
zulodern^ als Vologäses wieder freie Hand hatte. Zu dem
Kleinkrieg; den die Parther eroffiieteU; wurden auch die
Römer gezwungen.*)
Der gleichzeitige Einfall verschiedener römischer Colonnen^
Stämme hiusichtlich ihrer ßondesgenoasenschafib zwischen den zwei
groBBen Parteien getheilt, da XIII, 37 ausdrücklich Getreue der Römer
erwähnt Bind (qaosque nobis fidos rehatur); doch scheint es, däss keine
Partei sich auf ihren Anhang in Armenien verlassen konnte (XIII, 34
ambigua fide).
1) Tac. 1&> 34—41. 14, 24—26.
2) 13, 34—41. 14, 24 und 25.
3) Von den Parthem führt es Tac. 13, 37 ausdrücklich an. Auch
die Römer werden sich ihre Getreuen (quosque fidos nobis) mdat ohne
solche geheime Einwirkungen erhalten haben.
4) Wir kennen die Abneigung der Römer gegen diese Eriegsweise
und die Vorliebe für ofPene kunstgerechte Feldschlacht auch aus andern
Beispielen. SalL lug. 97 und S8 (in eo tarn aspero negotio), femer
ib. 87 (die Yortheile des Guerillakrieges für Jugurtha, die Nachtheüe
fOir die Römer). — Schön schildert Cäsar (b. Gall. 6, 34) die Schwie-
rigkeit dieser aufreibenden Kriegsart für ein reguläres Heer (z. 6.:
magnamque res diligentiam requirebat non in sumtna exercitus tuendn
sed in singulis militibus eonservandis). — Auch in unserem arme-
nischen Feldzuge erfuhr Pactius Orfitus den Lohn für seine Unvorsich-
tigkeit (13, 36) und Oorbulo greift zur Zerstörung der Bürgen, um den
Krieg nicht zwecklos hinauszuziehen (13, 39).
Allgemeine Ergebnisse. IIT. Eroberung Armeniens. 351
das Aufgebot aller im römischen Interesse wirkenden Kräfte^
die Besetzung des Nordens von Armenien durch römerfreuud-
liche Moscher; das Vordringen CorbxQo's in das Innere des
Landes^ so dass nur noch der Osten mit der Hauptstadt Ar-
taxata dem Tiridates verblieb und endlich die Gebundenheit
des Vologäses durch innere Unruhen — dieses Alles drängte
den Tiridates zu einem Yermittelungsversuche mit Corbulo.
Doch kam eine Ausgleichung nicht zu Stande und Corbulo^
von Neuem zu einem aufreibenden Kleinkrieg genöthigt, ent-
schloss sich; um den Ausgang des Krieges zu beschleunigen,
die Burgen zu zerstören. Das Gelingen machte zur Eroberung
der Hauptstadt Artaxata Muth. Die Einwohner, von Tiri-
dates im Stiche gelassen , wohl unter dem frischen Eindruck
des Erfolgs römischer Waffen übergaben die Stadt 30. April 59
Nachmittags. Strategische Gründe Hessen es rathsam er-
scheinen, dieselbe zu vernichten. So war das Bollwerk des
fernen Nord -Ostens für immer unschädlich gemacht. Zu
Rom aber feierten sie dieses wichtige Ereigniss mit den üeber-
treibungen jener Zeit.
Nachdem Corbulo die eine Hauptstadt zerstört, glaubte
er durch einen Handstreich den glücklichen römischen Waffen
auch die andere Hauptstadt, Tigranocerta, unterwerfen zu
können. Es galt daher mit Benutzung des frischen Schreckens,
Tigranocerta zu erobern. Dahin zog er ab, an dem Gebiete
der Marder vorbei, Sommer 59, an den Taurus und über
diesen gegen jene Stadt. Der Schrecken und das Bewusst-
sein der Hülflosigkeit ^) wirkte. Die Stadt wurde übergeben,
noch im Jahre 59. Vereinzelter Widerstand wurde mit Ge-
walt gebrochen.
§ 2. Paclflcation Armeniens.
(Sommer 60.)*)
Im nächsten Jahre 60 ward ein von Medien aus erneuer-
ter Versuch des Tiridates abgeschlagen, alle seine Anhänger
1) Die Parther waren entfernt.
2) Tac. 14, 26.
352 EgH: Feldziige in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
vertilgt; Armeniens Unterwerfung vollendet und dem Lande
ein römischer Yasallenkonig, TigraneS; gesetzt. Alles gieng
um so ungestörter, weil die Römer durch Verbindung mit
den abgefallenen Hyrkanern die Parther im Osten zu be-
schäftigen und fern zu halten wussten. Römische Truppen
sollten den neuen Thron stützen und die benachbarten römer-
freundlichen Fürsten durch Uebernahme kleiner Landstriche
dazu helfen, das Land gekettet zu halten.
Nach dieser Ordnung der armenischen Verhältnisse zog,
abgerufen durch den Tod des syrischen Statthalters, Corbulo
nach Syrien ab, gegen Ende des Jahres 60.
IV. .
Parthiseh- römischer Krieg/)
(61—63.)
§ 1. Einleitungen^ 61.^)
Die gänzliche Verdrängung des Tiridates aus Armenien
durch Vereitlung seines letzten Versuchs im Jahre 60 und
das offensive Vorgehen des neuen armenischen Königs gegen
die Adiabener bewogen endlich den Partherkönig Vologäses^),
direct mit den Römern Streit zu beginnen.^) Eine Schaar par-
thischer Gardereiter mit den Hülfsschaaren der zunächst be-
drohten Adiabener sollten vorläufig in plötzlichem Ueberfalle ^)
den Tigranes aus Armenien vertreiben. Hernach gedachte
Vologäses, nach Beilegung der hyrkanischen Verwickelungen,
selbst mit gesammter Kriegsmacht auf Syrien loszugehen.
Corbulo, von diesem zwiefachen Angriffe hörend, sicherte
den Tigranes mit zwei Legionen, den Euphrat mit scharfer
1) Tac. 16, 1 — 18, 24—31.
2) ib. 15, 1—9.
3) Vgl. Nachtrag, Schluss.
4) Eb war dies gegen Beinen alten Qruiidsatz. Tac. 15, 5.
5) Tac. 15, 4. .
Allgemeine Ergebnisse. IV. Parthisch - römischer Krieg. 353
Bewachung; Frühling 61. Die eine Unternehmung der Par-
ther gegen Armenien prallte vor den Mauern Tigranocerta's
ab; Vologäses aber selbst, wie er sah, dass in Syrien wie
in Armenien römische Legionen gegen ihn vorzubrechen be-
reit wären, seine Reiterei aber durch Proviantmangel in die
Enge gekommen wäre, zog sich zurück und begnügte sich,
an Nero Gesandte zu schicken, frühestens Juli 65.
Wie diese Gesandten unverrichteter Dinge im Herbst
von Rom zurückkehrten, begannen die Parther von Neuem
den Krieg. Der neuemannte romische Feldherr für Armenien,
Paetus , schritt, Corbulo's Thaten gering schätzend, von
Kappadocien aus sofort zum Angriff und zeigte durch nutz-
losen Kraftaufwand und eitle Prahlerei seine geringe Feld-
herrnbegabung. In Kappadocien . überwinterte er 61/62.
§ 2. Der Krieg am obern Tigris, 62.i)
Dagegen nöthigte Corbulo, bei weiser Sparsamkeit der
Kräfte, einzig durch sorgsame Defensive die Parther zum
Aufgeben der einen Seite ihres Kriegsplanes^ der Bedrohung
Syriens. So blieb ihnen nur noch der Angriff auf Armenien
übrig. Dazu wandten sie sich im Frühling 62 mit aller
Macht. Paetus, dessen Lage Corbulo wohl besser als er selbst
kannte, wählte statt der Vorsicht die Sorglosigkeit und un-
gerechtfertigtes Selbstvertrauen. Die Kraft des Heeres, ohne-
hin geschwächt durch Urlaubsertheilungen und durch Fem-
haltung einer Legion im Pontus, ward durch Zerstreuung der
Truppen noch mehr vermindert. Eine zu schwache Vorhut,
3000 Mann Fussvolk auf dem Bergrücken, die pannonische
Reiterei im seitwärts vorliegenden Plateau, sollte die wich-
tigen Bergubergänge an den Tigrisquellen decken. Eine ein-
zige Cohorte musste das rückwärts in der Ebene liegende
Castell Arsamosata vertheidigen und der Rest des Heeres,
zwei Legionen ^) , im Lager verbleiben. Diese kleineren
1) Tac. 15, 10—18.
2) ib. 15, 12.
l'ntersnch. z,. Rom. Kaiscrgesch. I. 23
354 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
Truppenkörper, ohne gegenseitigen Zusammenhang, einzeln
dem Angriff der ganzen parthischen Macht preisgegeben, er-
lagen, zuerst im Bergpasse, der Kriegskunst und dem An-
prall der Parther, hierauf in der Ebene mehr eigener Feig-
heit als der Belagerungskunst der Feinde. Ein Vertrag
nöthigte die Römer zum Abzüge hinter den Euphrat Herbst
62.^) Nur dem Ansehen des zur Hülfe herbeigeeilten Corbulo
gelang es, den Vertrag dahin abzuändern, dass auch die
Parther aus Armenien abziehen, dieses also ohne Oberherrn
bleiben sollte.
§ 3. Friedensschlüsse 63. 2)
Zu Anfang des Frühjahrs -63 kamen Gesandte der Par-
ther nach Rom, um das Land für l^ridates zu erbitten. Der
Senat entschloss sich, lieber den Krieg zu wählen, als dem
Tiridates, der nicht nach Rom kommen, sondern das Diadem
in Syrien empfangen wollte, auf diese Weise das Lehen zu
ertheilen. Corbulo, mit verstärktem Heere von Melitene aus
in Armenien einfallend, zeigte dem wieder den Parthem
zugewandten La&de die römische Gewalt und vermochte durch
drohende Haltung imd Unterredung den Vologäses, seinen
Bruder Tiridates nach Rom zu* schicken.
So erreichte der römisch-parthische Krieg ein Ende, das
seinem doppelseitigen Verlaufe entsprach. Statt durch Ver-
einigung von Ober- und Untergewalt in^ den Händen einer
einzigen der kriegführenden Parteien allen Begehren dieser
einen Macht zu entsprechen, der anderen aber gar nichts
zuzugestehen — suchte man beiden Mächten durch theilweise
Erfüllung ihrer Ansprüche bestmöglich zu genügen. Die
römische Oberhoheit war in der Auswahl ihres. Vasallen an
einen parthischen Prinzen gebunden, und dieser stand in
seiner Herrschaft unter römischem Einflüsse.
1) lö, 17 „ex in Paetus per Cappad. hihemavit."
2) 15, 24 — 31.
Summe der Untersnchnngen.
A. Chronologe.
1) Gegenüber der Annahme Clintons von einem zweiten
Abfalls Seleucia's im Jahre 41 verbleiben wir bei dem ge-
schichtlich allein bekannten ersten Abfalle von 36. (Tacit.
6, 42 und 11, 9.)
2) Entgegen Clinton's Annahme von einer Eroberung
Seleucia's im Jahre 47 versetzen wir diese in das Jahr 43.
Tacit. 11, 9.
3) Eroberung Armeniens durch Mithridates im J. 41
gegenüber Nipperdey's Annahme des Jahres 43. Tacit. -11, 9.
4) Gotarzes wird Herrscher in Parthien gleichzeitig wie
Mithridates in Armenien Herbst 41. Tacit. 11, 10.
5) Entgegen Nipperdey's Versetzung der Ereignisse bei
Tacitus 12, 51 auf das Jahr 54 nehmen wir das Jahr 51 für
diese Ereignisse an,' lassen dagegen 13, 36 nicht mit Nip-
perdey erst mit dem Jahr 54 anheben, sondern auf das Jahr
51 zurückreichen.
6) Der Sommer in Tacitus 14, 24 ist nach vorwärts und
rückwärts auf das Jahr 59 eingeschränkt.
7) Zerstörung Artaxata's am Abend des 30. April 59.
Tacit. 13, 41.
8) Jlucht des Tiridates am Abend des 29. April 59.
Tacit. 13, 40.
9) Marsch des Gorbulo von Artaxata nach Tigranocerta
Sommer 59, Tacit* 14, 23.
10) Die Naturerscheinung bei Tacitus 13, 41 war eine
Sonnenfinstemiss.
23*
356 Egli : Feldzüge iii Armenien von 41 — 63 n. Chr.
11) Tacitus hat den Pliiiius über Armenien nicht be-
nutzt. Tacit. 13, 41.
12) Die Unterhandlungen zwischen Corbulo und Tiridat^s
fallen auf Winter 58/59. Tacit. 13, 38.
13) Des Tacitus Angahe, dass der Ort dos Gefechts zwi-
schen Corbulo und Tiridates höchstens 12 Stunden von Ar-
taxata entfernt war, ist richtig. Tacit. 13, 40.
14) Die Besetzung Tigranocerta's fällt nicht früher als
in den September 59. Tacit. 14, 24.
15) Der Angriff desVologäses auf Tigranocerta fällt vor
Juni/ Juli 61. Tacit. 15, 4.
B. Gleographie.
1) Artaxata lag am östlichen Ufer des Erascli. 13, 31.
2) Tigranocerta ist am besten mit dem heutigen Sert zu
identificiren.
3) Die Distanzangabe zwischen Nisibis und Tigranocerta
bei Tacitus 15, 5 ist unrichtig.
4) Die Marder (14, 23) sassen in den Bergen südlich
von Bajazed.
5) Die Marschroute des Corbulo zwischen Artaxata und
den Mardern (14, 23) ist identisch mit der heutigen Route
von den Ruinen von Artaxata nach Bajazed.
6) Tacitus Bericht von Bes^jhwerden wegen grosser Hitze
erst nach dem Abmarsch von den Mardern 14, 24 ist richtig.
7) Tacitus Bericht von einem Marderüberfall 14, 23 ist
geographisch nicht zu bestreiten.
8) Tacitus Bericht von einem Iberereinfall 14, 23 ist
geographisch nicht zu bestreiten.
9) Corbulo's „Rückmasreh" durch die Balyk- und Murad-
abdachung und den Pass von Bitlis 14, 24. Er zog nicht
durch das Yanseeplateau.
10) Die loci ctiUi 14, 24 sind wahrscheinlich die Gegen-
den von Melazgerd und Liz.
11) Die Angaben über den Marsch des Corbulo zwischen
f
Sumuic der Untersuchungen. 357
„Marder" und „Taurauuitis" 14, 24 beziehen sich vorzüglich
auf die Strecke Alaschgerd — Melazgerd.
12) Wir haben kein Recht, an der Richtigkeit dieser
Taciteischen Angaben über den Marsch des Corbulo zu
zweifeln.
13) Volandum 13, 31 lag nicht sehr fern von Artaxata
und westlich vom Flusse.
14) Vielleicht ist das „Olane" des Strabo (529) mit dem
„Volandum" des Tacitus zu identificireu.
15) Corbulo ist als Augenzeuge für das Plateau von Er-
zerum anzunehmen.
16) Corbulo's „Hinmarsch" führt über Erzerum und die
obere Eraschabdachung 13, 37 ff.
17) Die Geschichte der armenisch-parthischen Feldzüge
nach Tacitus wird nach ihrer geschichtlichen und geographi-
schen Seite durchaus vom Gesichtspunkte einer verherrlichen-
den Lebensbeschreibung des Corbulo beherrscht.
18) Corbulo schildert die selbstgesehene Sonnenfinster-
niss vom 30. April 59 als „miracidum.^^ Tacitus nimmt die
Beschreibung in diesem Sinne auf 13, 41.
19) Dio Cassius 62, 20 hat für die Jahre 58 — 61 der
armenischen Feldzüge' den Tacitus ausgezogen.
20) Der geographische Sinn des römischen Publicums
zur Zeit des Corbulo und später war ein sehr geringer.
21) Aehnlich verhält es sich mit dem geographischen
Sinne des Corbulo. Sein Bericht war in geographischer Hin-
sicht keine ausgiebige Quelle.
22) Die Zahl der bekannten Angaben, die sicher aus
Corbulo's Berichte herrühren, beträgt 31. Hierzu kommen 13
weitere geographische Angaben bei Plinius, die mit Wahr-
scheinlichkeit, und circa 9 solche, ebenfalls bei Plinius,
die möglicher Weise von Corbulo herrühren. Somit stellt
sich die Zahl der erhaltenen geographischen Daten, die von
Corbulo stammen können, auf circa 50.
23) Corbulo bezweckt so wenig wie Tacitus eine geo-
graphische Berichterstattung über Armenien. Seine geogra-
358 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Clir.
phischen Angaben sind vollständig vom Gesichtspunkte der
militärischen Berichterstattung beherrscht; daher beiläufig,
einseitig; eigentlich also gar nicht acht geographisch.
G. Allgemeine Ergebnisse.
1) Yardanes wurde an der Wiedereinnahme Armeniens
verhindert nicht nur durch die Kriegsdrohung des Vibius
MarsuS; wie Tacitus berichtet; sondern namentUch auch
durch innere Unruhen im parthischen Reiche. Tacit. 11, 10.
2) Vologäses wird nicht allein durch sein Ehrgefühl zur
Wiedereroberung Armeniens getrieben worden seiu; wie Ta-
citus angiebt; sondern auch durch die Wichtigkeit des zu
erobernden Landes für die parthische Herrschaft. Tacit. 12; 50.
3) Klein- Armenien wird wohl durch den Kampf in Gross-
Armenien zwischen Parthern und Iberern den Romern zuge-
fallen sein; Sophene dagegen musste erst wieder erobert wer-
den. Tacit. 12; 44.
4) Als Ursache; warum Corbulo den Krieg im Jahre 55
nicht gleich ernstlich begann; ist die geringe Mannszucht
unter den römischen Truppen anzunehmen. Tacit. 13, 35.
5) Die Besitzesverhältnisse Armeniens waren von 54—58
der Art; dass weder Römer noch Parther das Land besetzt
hielten; dass dagegen beide Parteien durch geheime Verbin-
dungen sich daselbst Anhang zu erhalten und zu erwerben
suchten. Tacit. 13, 7, 34, 37.
Nachtrag
zu der ,, chronologischen Tabelle für die Zelt des Mithridates
Sommer 41 — 61", p. 275,
Wegen des gänzlichen Fehlens von Münzen armenischer
Könige, ungefähr seit dem Jahre 30 n. Chr, über unsere
ganze Zeit hin^), ist man für chronologische Bestimmungen
in der armeniscben Geschichte dieses Zeitraumes, soweit die-
selben nicht aus den Schriftstellern zu gewinnen sind, auf die
Münzen der zeitgenössischen parthischen Könige beschränkt.
Es war mir unmöglich, das Werk A, de Longperier's,
memoires sur la Chronologie et Ticonographie des rois Parthes
Ärsacides, Paris 1853, zu erhalten, da dasselbe weder in den
Bibliotheken von Zürich und Winterthur vorhanden noch
überhaupt im Buchhandel erschienen ist.
Dagegen wurde mir nachträglich durch die Zuvorkommen-
heit des Numismatikers Herrn Imhoof-Bluraer in Winterthur
die Benutzung von Lindsay's Werk „a view of the history
and coinage of the Parthians'^, Cork 1852, ermöglicht, worin
zugleich die Ansichten Longperier's etc. mit benutzt sind.
Da aber der Abschnitt über Chronologie schon gedruckt vor-
lag, so mussten die wenigen Bestätigungen und Berichtigun-
gen, welche sich aus Lindsay^s Werke für die erste Periode
40 — 51 ergaben, an diesem Orte aufgenommen werden.
1. Zunächst ergibt sich mit Bestimmtheit, dass der Tod
des Königs ^Artabanus III. (S. 272) nicht auf 40 oder
Anfang 41, wie ich mit Clinton angenommen hatte, lallt,
1) Victor LangloiB, numismatique de TArm^nie dans Tautiquitc
p. 44, PariB 1869.
360 Egli: Feldzüge in Ariiienien von 41 — 63 n. Chr.
sondern auf den August 353 Aer. Seleuc. = Juni 42 n. Chr.*).
Im Uebrigen wird jedoch durch diese Aenderong die Ver-
theilung der Ereignisse vom Jahre 41 keine andere. — : Audi
Lindsay nin^mt des Tacitus Angabe von einer ersten Herr-
schafit des Gotarzes an, setzt aber deren Beginn erst hinter
den Tod des Artabanus. Da jedoch von Vardanes schon ini
nächsten Monate nach Artabanus' Tode (Juli 42) eine Münze
vorhanden ist^), so ist es nicht möglich, die von Tacitus 'i
erzählten Zwischenereignisse in die Zeit vom Tode des Arta-
banus (Juni 42) bis zur Thronbesteigimg des Vardanes (Juli 42)
einzufügen. Es wird daher anzunehmen sein, der parthische
Thronstreit zwischen Gotarzes und Vardanes sei schon ge-
raume Zeit vor dem Tode des Artabanus entbrannt und eben-
falls noch vor Artabanus' Tode Gotarzes über Vardanes Sie-
ger geworden, immerhin so, dass die Münzen noch mit dem
Bilde des Artabanus geprägt wurden; endlich sei Gotarzes,
des alten Artabanus überdrüssig, zu dessen und seiner Familie
Ermordung geschritten (Juni 42) und die Grossen dadurch
bewogen worden, den Vardanes an die Stelle des grausamen
Gotarzes zu rufen (daher schon eine Münze des Vardanes
vom Juli 42),
2. Wir haben, lediglich durch Folgerung aus Tacitus,
für die Zurückberufung des Vardanes den Sommer 42
angesetzt und seine Rückkunft als jedesfalls noch in das
Jahr 42 fallend bezeichnet (S. 273; in der chronologischen
Tabelle S. 275 haben wir dafür den Herbst 42 angesetzt).
Dieses Ergebniss kann nun nach der Zeit der ersten Münze
des Vardanes*) auf „Juli 42^' genauer fixirt werden.
3. Nach Lindsay 5) finden sich für das Jahr 357 Aer.
Seleuc. = 45/46 n. Chr. Münzen für Vardanes und Gotarzes.
Er schliesst daraus, dass Vardanes in diesem Jahre 45/46
1) Lindsay p. 63.
2) Lindsay ib.
3) 11, 8 und 9.
.t) V. Note 2.
5) p. 70.
Nachtrag/ 3G1
gestorben und GotarzeS; von dem auch für die Jahrq 358,
3«30, 361 und 362 Münzen existieren ^ schon 45/46 zur Herr-
schaft gelangt sei. Es könnten zwar von den zwei streiten-
den Fürsten zugleich Münzen geprägt worden sein^ so dass
Vardanes trotz der Münzen des Gotarzes bis 48 gelebt haben
konnte. Der Umstand jedoch^ dass von Vardanes keine
Münzen nach dem Jahre 45^46 mehr vorkommen^ scheint
diese Annahme; für welche die Erzähluugsweise bei Tacitus')
spricht^ unhaltbar zu machen.
4. Die Zeit für Meherdates ist nach Lindsay^) „49
oder 50." Es stimmt dies mit meiner aus Tacitus gefolger-
ten Annahme von Ende 49.') •
5. Vonones' Regierung fällt nach Lindsay*) auf das
Jahr 363 Aer. Seleuc. = 51/52 n. Chr. Es findet sich jedoch
eine Münze ^) von 362 Aer. Seleuc, welche unsere Annahme®)
vom Jahre 50 für den Beginn seiner Herrschaft bestätigt.
Dagegen ist die Ansetzung in der chronologischen Tabelle
S. 275 auf den Anfang 50 etwas zu früh, da nur noch die
letzten Monate des Jahres 50 auf das Jahr 362 Aer. Seleuc.
fallen. — Daraus ergibt sich zugleich die Unhaltbarkeit der
auf Seite 275 f. ausgesprochenen Vermuthung, dass der
Regierungsantritt des Yologäses noch auf das Jahr 50 fallen
könnte. Er fallt erst auf 52.
Für die weiteren und interessantesten Perioden von 51 — 63
sind aus den Münzen keinerlei chronologische Resultate zu
gewinnen. Lediglich so viel steht nach Lindsay fest, dass
seit 374 Aer. Seleuc. = 62/63 n. Chr. Artabanus IV. den
parthischen Thron einnimmt. Die Münzen des Vologäses
reichen nur bis 369 Aer. Seleuc. =57/58 n. Chr. Lindsay^)
1) 11, 10.
2) p. 68.
3) p. 274 and 275.
4) p. 70.
5) Revue namismatique Mai imd Juni 1853.
6) p. 274.
7) p. 87.
362 Egli: Feldzüge in Armenien von 41 — 63 n. Chr.
findet es wahrscheinlich; dass Yolog^äses bis zum Regierungs-
'antritte Artabanus IV. 62/63 geherrscht habe^ wahrend ein
Pariser Münzcatalog ^), welcher die Classificirung der Münzen
nach Longperier befolgt haben will, den Vologäses bis 60,
den Artabanus IV. erst seit 64 herrschen lässt und von 60 — 64
Vardanes 11. einschiebt (Tacitus nennt dagegen bis 63^) den
Vologäses).
1) Catalogue d'une collection de m^daiUes des rpis et des viUes de
Tancienne Gräce Europe, Asie et Afrique; Paris 1864.
2) Vgl. 15, 24—31.
InhaltsYerzeichniss.
Seite bis Seite
Erstes Capitel. Chronologie 267—292
Einleitung 267
I. Zeit des Mithridates, Frühling 41 — Spät-
jahr 60 268
II. Schwankende Zustände in Armenien^ Som-
mer 51—57 276
III. Eroberung Armeniens, Priilyahr 68 — Win-
ter 60 282 »
IV. Parthisch -römischer Krieg, Frilhhng 61 —
Nachsommer 63 291
Zweites Capitel. Geographie 293—343
Einleitung 293
I. Zur Geographie Hocharmeniens 294
II. Die Routen des Corbulo 302
IIL Würdigung der geographischen Angäben
bei Tacitus 325
Drittes Capitel. Allgemeine Ergebnisse 344 — 354
I. Zeit des Mithridates • . . . . 344
II. Schwankende Zustände in Armenien . . . 347
III. Eroberung Armeniens 360
IV. Parthisch-rftmischer Krieg 352
Schluss. Summe der Unter Buchungen 355- 358
Kachtrag zu der chronologisclioii Tabelle für die Zeit des
Mithridates Sommer 41- 51, p. 275 359 — 362
Berichtigungen.
Seite 12 Zeile 6 von unten lies: tardum.
»
54 „ 16 „
n *
II.
n
66 „ 21 „
» •
ante.
n
74 „ 12
n •
Aquincum.
r*
160 Anm. 3 Zeile 5
n •
CdTaXa^
n
272 Zeile 14 und 18
7> •
Artabanus IIT
n
277 Note 2
» •
p. 274.
UNTEESUCHUNGEN
RÖMMJHEN KAISERGESCHICHTE
HEKAUSGEQKBGK
Ds. MAX BÜDINOEB
ZWEITER BAND
LEIPZIG
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1868
JULIUS BßUNNER
VOPISCÜS LEBENSBESCHREIBUNGEN
OTTO HUNZIKEß
ZUR REGIERUNG UND CHRISTENVERFOLGüNG
DES KAISERS DIOCLETIANÜS UND SEINER NACHFOLGER
303—313
XAVER BOSSAßT und JACOB MÜLLER
ZUR GESCHICHTE DES KAISERS ANTONINüS PIÜS
LEIPZIG
DRÜCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER
1868
VOPISCUS
LEBENSBESCHREIBUNGEN
KRITISCH GEPRÜFT
VOH
JULIUS BRUNNER.
Untersuch, z. Rom, K&Uorgesch. II. 1
I. PersSnliclie Verhältnisse des Autors.
1. Die Familie.
Flayius Yopiseus*)
aus Syracus') verfasste die Biographien der Kaiser Aure-
lianus , Tacitus , tlorianus , Probus , Firmus , Saturuinus^
Proculus, Bouosus, Carus^ Cariuus und Numeriauus. Sein
Grossvater hat^ höchst wahrscheinlich als Soldat; der Heer-
Versammlung beigewohnt , in der Satuminus von den Sol-
daten gezwungen wurde , den Purpur anzunehmen^); ebenso
1) Ueber die Bedeutung des Namens Yopiscus sagt Flinius nat.
hiat VII 8, 10 ed. Sillig: Yopiacos appellabant e geminis, qui retenti
utero nascerentur, altero interempto abortu; und darnach Solinus I 69 ed.
Mommsen : e geminis , si remanente altero alter abortivo fluxu ceciderit,
alter, qui legitime natus est, Yopiscus nominatur; vergl. ferner: in-
ceiü auctoris liber de praenominibus de nominibus etc. in epitomen
redactus a lulio Paride, 4, in Yalerius Maximus ed. Halm, 485. Yo-
piscus war ein patricischer Yorname, der aber schon zu Yarro's Zeit
abgekommen war: Mommsen, röm. Forsch. I 21; doch finden sich aus
späterer Zeit noch: Caesar Yopiscus: Cic. Phil. XI 5, 11; Lucius Pom-
pejus Yopiscus, consul 821 a. u. c: Baiter, fasti cons. s. a. und Tac.
bist. I 77 ed. Halm; P. Manilius Yopiscus, consul 866. a. u. c: Baiter
a. a. 0.; 8. a.
2) yergl. die Ueberschrift des AureUanus : indpit flaui uopisci syra-
cnsii diaus aurelianns. Syracnsius ist eine seltenere Form für Syracu-
sanus, findet sich aber schon in der classischen Latinität; vergl. Cic
'acad. n 39, 123; de div. I 20, 39; de ofi". I 44, 155; de or. H 13, 57.
Brut 17, 66. .
:Vj Ich citire nach der Ausgabe von Peter. Firm 9, 4: auura meum
saepe diceiitem andiui, se interfuisse, cum ille adoraretur (sc. Satur-
ninus).
1*
4 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
derjenigen, in welcher Diocletianus zum Kaiser ausgerufen
wurde und den Aper, den Schwiegervater und Morder des
Numerianus, tödteteJ) Derselbe scheint mit Diocletian nicht
nur persönlich bekannt^), sondern sogar näher befreundet
gewesen zu sein; hat ihm dieser doch nicht verhehlt, dass
er nach der Herrschaft strebe.^) Auch der Vater unsres
Autors scheint mit Diocletianus verkehrt zu haben, als sich
dieser bereits in's Privatleben zurückgezogen hatte. ^)
2. Reihenfolge der Schriften.
Was die Reihenfolge betriflft, in welcher die Schriften des
Vopiscus entstanden sind, so ist es die nämliche, in welcher sie
uns in den Handschriften der sogenannten scriptores historiae
Augustae erhalten sind.^) Der Anfang seiner schriftstelle-
rischen Thätigkeit fällt somit zusammen mit der Zeit, in
welcher der Aurelianus entstanden ist, und diese lässt sich
ziemlich genau bestimmen. An einer Stelle der eben genann-
ten Biographie nennt er den Diocletianus bereits „Privat-
1) Gar. 13, 3: auus meus rettulit interfuisse coutioni, com Diocletiani
manu esset Aper occissus.
2) Car. 14, 1 : auus meus mihi rettulit ab ipso Diocletiano compertum.
3) Gar. 15, 1: semper in animo Diocletianus habuit imperii cnpidi-
tatem, idque Maximiano conscio atque auo meo. Gar. 15, 6: ipsum
Diocletianum idem auus meus dixisse dicebat ut . . . et
Buum firmaret imperium.
4) Aur. 43, 2: ego a patre meo audiiii, Diocletianum principem iaxn
priuatum dixisse . . .
5) Aur. 41, 15: quod in Taciti uita dicemus. Tac. 2, 4: ut superiore
libro scriptum est (Aur. 86). — Tac. 2, 5: de quibus priore libro iam
dictum est (Aur. 41). — Tac. 16, 6: nunc nobis adgrediendus est Probus.
— Tac. 16, 7: Haec ego in aliorum uita de Probo credidi praelibanda.
— Prob. 18, 6: ac ne requiras plura uel de Satumino uel de Proculo
uel de Bonoso, suo eosdem inseram libro. — Prob. 24, 7: nunc in
alio libro ... de Firmo et Satumino et Bonoso et Proculo dicemus. —
Prob. 24, 8: pofit iude . . . Garum incipiemus propagare cum liberis. —
Firm. 2,3: ipse ego in Aureliani uita . . . ~ Firm. 16, 10: supersont
mihi Garus Garinus et Numerianus.
I. Persönliche Verhältnisse des Autors. 5
mann"*); die Entstehung der Schrift fallt später als die
Abdankung des Diocletian^ die am 1. Mai 305 stattfand^
aber noch vor den Tod des Kaisers Constantius^ der am
25. Juli 306 starb'); denn Vopiscus spricht von ihm als einem
noch Lebenden.^)
In anmuthiger Weise, die durchaus den Eindruck der
Wahrhaftigkeit macht; erzählt uns Vopiscus in den zwei
ersten Capiteln des Aurelianus, wie ihn der Stadtpräfect
Junius Tiberianus aufgefordert habe, das Leben des Aure-
lianus zu schreiben, als sie an den Hilarien vom Palatium
nach den varianischen Gärten fuhren. Die Hilarien waren
ein Frühlingsfest, das zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche,
am vierten Tage des sechstägigen, der mater Deorum gewid-
meten Festes^), d. h. am 25. März gefeiert wurde. •'^) Es wur-
den aber Hilarien auch noch gefeiert am 3. November.®)
Stadtpräfect war Junius Tiberianus 291 vom 18. Februar an,
und 303 vom 31. August an.^) Das angeführte Gespräch
zwischen diesem und unserem Schriftsteller kann also am
25. März oder 3. November 291, oder am 3. November 303
stattgefunden haben; wir werden dasselbe aber nicht mit
Clinton*) und Tillemont®) in das Jahr 291, sondern wie
schon Dod well'®) und nach ihm Richter**) gethan haben, auf
den 3. November 303 verlegen, da nicht anzunehmen ist,
dass Vopiscus so lange gesäumt habe, der Aufforderung des
Junius Tiberianus nachzukommen, oder so lange Zeit gebraucht
habe, das noth wendige Material zu sammeln.
1) Aur. 43, 2 vergl. S. 4 Anm. 4.
2) Cliuton, fasti Roniani s. a. a.
3) Anr. 44, 6: et est quidem iam ConstantiiiB Imperator.
4) Preller, röm. Mythol. 736 u. 737.
5) vergl.: Calendarium Romanum sub imp. Constantio etc. in Grae-
vius, thesaur. antiqq. Romm. VIII. 98, 1.
6) vergl. Calendarium Romanum a. a. 0.
7) Mommsen, der Chronograph v. 354. 628.
8) a. a. 0. 8. a. a. 291 u. 306.
9) hifltoire des empereurs Romains IV. 27. 2.
10) praelectiones Camdenianae etc. Oxonii 1692. 119
11) rhein. Museum. Neue Folge VII 18.
6 Julius Brunner: VopiscuB Lebenebeschreibungen.
Zwischen der Bearbeitung des Aurelianus und deijenigen
des Tacitus scheint kein grosser Zeitraum zu liegen^) und
die letztere Schrift als eine Art Anhang zu der ersteren^)
gleichzeitig mit oder doch bald nach dieser entstanden zq
sein; im Aurelianus verspricht er, im Tacitus ein gewisses
yysenaius consuiium^' bringen zu wollen'^); in diesem verweist
er auf einen Brief, den er im ersteren eingeschoben hatJ)
,,Tacitus'' und ^^Florianus'^ gehören offenbar zusammen, da
sie Yopiscus selbst als ein Buch bezeichnet^), und mit Kecht
hat der neueste Herausgeber der scriptores historiae Augustae,
Peter, entgegen der Ueberlieferung der Handschriften dem
Florianus keinen besonderen Titel gegeben und mit dem-
selben keine neue Gapitelzählung beginnen lassen. Der Titel
des Buches war wahrscheinlich, nach der unter N. 2 an-
geführten Stelle, Firm. 1,4, zu schliessen, nicht: Tacitus, son-
dern: Tacitus et Florianus.
Dass die Entstehung des Probus geraume Zeit nach der-
jenigen des Aurelianus, Tacitus und Florianus fallt, deutet
Yopiscus selbst an^)-, darauf deutet auch der Umstand hin,
dass er dieser Biographie eine Einleitung vorausschickt, in
der er von neuem seine Ansichten über Geschichtschreibung
überhaupt und den Standpunkt darlegt, den er einzunehmen
gedenkt. ') Unzweideutige Hinweisungen auf einen sich vor-
1) Peter, bist. crit. scriptt. bist. Aug. Lipaiae 1860 , 13.
2) Prob. 1, 5: ego ilie a quo dudam solus Aurelianus est expe-
ditus Tacito Fiorianoque iam scriptis; das ,,8olus** scheint man
mir nicht allzu sehr urgiren zu dürfen, da es durch das gleich darauf
folgende „Tacito Fiorianoque iam scriptis^' doch eine offenbare Ein-
schränkung erleidet. Aehnlich werden diese 3, oder wie wir gleich
sehen werden, 2 Arbeiten zusammengestellt. Firm. 1, 4: dictis Aure-
liano Tacito et Floriano Probo etiam . . .
3) Aur. 41, 15: ex senatus consulto, quod in Taciti uita dicemus.
4) Tac. 2, 5: litteras . de quibus priore libro iam dictum est.
5) Tac. 12, 2: plerasque huius modi epistulas in fine libri posai.
Tac. 18, 1: et quoniam me promisi aliquas epistulas esse positurum....
6) dudum in Prob. 1, 5. vergl. N. 2. Tac. 16, 8: nunc quiescam in-
terim in meo stadio . . .
7) Prob. 1 u. 2
L Persönliche Verhältiiisse des Autors. 7
bereitenden Bürgerkrieg ^) geben einen weiteren Änhaltepunkt;
die Zeit zu fairen, in der Vopiscus den Probus schrieb; es
kann aber nicht der des Jahres 312, wie Peter will^), son-
dern es musB der des Jahres 307 sein, wie Richter annimmt. ^)
Wir werden nämlich unten sehen, mit welcher Eilfertigkeit
Vopiscus offenbar geschrieben hai
Das Schriftchen über die „quadrigae iyrannorum** :*) Kr-
mus, Satuminus, Proculus und Bonosus, das er selbst als ein
kurzes bezeichnet*), fallt jedenfalls nicht viel später als
Probus •), und steht wohl in einem ähnlichen, wenn auch
vielleicht nicht ganz gleichen Yerhältniss zu diesem, wie
Tacitus un4 Florianus zu Aurelianus^).
Um die Entstehungszeit der letzten von Vopiscus uns
erhaltenen Schrift, der Lebensbeschreibung des Carus, Cari-
uus und Numerianus, allerdings auch nur annähernd zu be-
stimmen, müssen wir die Stelle Car. 18, 5 etwas näher be-
trachten. Vopiscus sagt dort: „das Leben derselben (des
Diocletianus, der beiden Maximiani und des üonstantius)
hat Claudius Eusthenius, welcher Secretär^) des Diocletianus
war, in einzelnen Schriften bearbeitet, was ich deshalb sage,
damit nicht jemand so etwas ron mir verlange, zumal da
man das Leben verewigter®) Fürsten sogar nicht besprechen
1) Prob. 23, 3: popalus iste militantiam, qui nunc bellis ciiülibus
rem p. vexat . . . ibid 5: eant nunc, qui ad cioilia bella milites parant.
2) a. a. Ü. 11.
3) a. a. 0.
4) Prob. 24, 8, vergl. Anm. 7.
5) Prob. 24, 7: nunc in alio libro et quidem hreui de Firmo et Sa-
turnino et Proculo et BonoBO dicemus. Firm. 2, 4: sed ne uolumioi,
quod hrevissimwn promisi, multa conectam. Prob. 18, 6: pauca de
isdem (sc. Saturnino, Proculo, Bonoso) locuturua.
6) Prob. 18, 6, vergL S. 4 Anm. 6. ^
7) Prob. 24, 8: non enim dignum fuit, ut quadrigae tyrannorum
bono piindpi miscerentur.
8) Car. 18, 5: qui Diocletiano ab epistulis fuit. — Friedländer, Sitten-
geschichte Roms I 80 (1. Aufl.)
9) die HandBchiiften lesen „uel uiuorum principum'^, was al^er nur
einen durchaus yerkehrten Sinn geben kann. Anton Becker emendirte:
„divonua"; da ich mir ieine „observationes in scriptores historiae
8 Julius Brunner: Vopiscuß Lebensbeschreibungen.
kann; ohne Tadel zu eriSaliren/' Damit ist aber zugleich
gesagt: um so weniger dasjenige noch lebender Fürsten.
Vopiscus betont im Verlauf seiner Schriften mehrfach, dass
er eine schmucklose, aber getreue Darstellung zu geben sich
bestrebe'); er hat also höchst wahrscheinlich Tadel erwartet
oder erfahren, und die Furcht) sich solchen von neuem zu-
zuziehen, hält ihn ab, die Reihe seiner Kaiserbiographien
fortzusetzen und auf noch lebende Persönlichkeiten auszudeh-
nen, entgegen einem vielleicht zeitweise gehegten Plan, auch
Diocletian und seine Mitregenten und Nachfolger in den
Kreis seiner Darstellungen zu ziehen.^) Da Carus offenbar
nach Probus ^) d. h. nach dem Jahre 307 entstanden ist, so
lebten zur Zeit, da Vopiscus die bewusste Stelle schrieb, von
den vier Principes nur noch drei. Denn Constantius war
schon gestorben am 25. Juli 306*, Valerius Maximianus aber
starb erst 310, Galerius Maximianus 311, Diocletianus aber
starb erst 313^) und zwar am 3. December^); wenn wir damit
die etwas zurückhaltende Art und Weise zusammenhalten, in
Augustae criticae" nicht verschaffen konnte, kenne ich seine Gründe
nicht; die Emendation scheint mir aber durchaus schlagend zu sein,
weil von der Logik gefordert Ueherdies ist ein Verschreihen oder
Verlesen von „diuorum*' in „uiuorum" sehr leicht denkbar.
1) Prob. 1, 6: ueque ego nunc facultatem eloquentiamque polliceor,
sed res gestas. Prob. 2, 6 u. 7: Illud tantum contestatum uolo, me rem
scripsisse, quam si quis uoluerit, honestius eloquio celsiore demonstret.
et mihi quidem id auimi fuit ut nou Sallustios Liuios Tacitos Trogos
atque onmes disertissimos imitarer uiros in uita principum et tempo-
ribus disserendis, sed Marium Maximum, Suetonium Trauquillum, Fa-
bium Marcellinum, Gargilium Martialem ceterosque qui haec et talia
tum tarn diserte quam uere memoriae prodiderunt. Car. 21, 2 u. 3:
Habe, mi amice, meum munus, quod ego, ut saepe dixi, non eloguen-
tioie causa sed curiositatis in lumen edidi, id praecipue agens ut, si
quis eloquens uellet facta principum reserare , materiam non requireret
habitur«a meos libellos ministros eloquii. te quaeso, sis contentus
nosque sie uoluisse scribere melius quam potuisse contendas.
2) Firm. 16, 10: nam Diocletianus et qui secuntur stilo maiore di-
cendi sunt.
3) Prob. 24, 8, vgl. S. 4 Anm. 5.
4) Clinton, a. a. 0. s. a. a.
6) Idatius und chronicon paschale bei Clinton s. a. 31G.
I. Persönliche Verhältnißse des Autors. 9
iler sich Vopiscus über Diocletianus ausspriclifc *), so scheint
sich mir als zweifellos zu ergeben , dass Carus vor dem Tode
des Diocletianus, also vor dem 3. December 313, geschrieben
sei, nach 307, also etwa 308 und zwar in der zweiten Hälfte
dieses Jahres^), da Vopiscus zur Zeit, da er den Probus be-
endigte, noch nicht hinlänglich zur sofortigen Änhandnahme
des Carus scheint vorbereitet gewesen zu sein.^)
Den bisherigen Resultaten unserer Bemühungen, die Zeit
festzusetzen, in der die einzelnen Schriften unseres Autors
entstanden sind, scheinen aber zwei Stellen zu vndersprechen,
die eine^), wo Vopiscus unter den Schriftstellern, die er sich
zum Muster nimmt, den Julius Capitolinus und Aelius Lam-
pridius nennt, die doch erst unter der Alleinherrschaft des
Constantin geschrieben haben. ^) Den Momenten gegenüber
aber, die unsern Ergebnissen zu Grunde liegen, können die
betreffenden Worte nicht in's Gewicht fallen, sondern erwei-
sen sich als ein späteres Einschiebsel, aber nicht des Ver-
fassers, wie Richter annehmen will®), da sich absolut keine
Spur einer zweiten Recension nachweisen lässt, sondern eines
Abschreibers.') Die andere dieser beiden Stellen ist die-
jenige, wo er von der Besiegung der Perser durch Maximia-
1) Gar. 10: uir rei p. necessarias Augustus Diocletianus. Gar. 13,
] : Diocletianum uirum insignem, calliduin, amautem
rei p., amantem suorum et ad omnia quae tempus quaesiuerat statim
paratum, consilii semper alti, nonnmiquam tarnen effirontis sed pruden-
iia et nimia peruicacia motus inquieti animi conprunentis.
2) hier kann ich ebenfaUs nicht mit Peter übereinstimmen, der
a. a. 0. den Garns in das Jahr 315 oder noch später setzt.
3) Prob. 24, 8: post inde si uita suppetit, Garum ineipiemus propa-
gare cmn liberis.
4) Prob. 2, 7.
5) vergl. die Anreden an denselben *bei Gapitolinus: Glbdius Albin.
4. 2 : Gonstantine maxime. Maximini duo 1 , 1 : Gonstantine maxime.
Gordiaui tres 34, 6: Gonstantine maxime; bei Aelius Lampridius: Anton.
Heliogab. 2, 4: Gonstantine sacratissime ; ibid. 34, 1: Gonstantine uene-
rabilis; ibid. 35, 5: Auguste uenerabilis. Alexander Sevems 65, 1:
Gonstantine maxime.
6) a. a. 0. 34.
7) Peter a. a. 0.
10 Julius Brunner: Yopiscus Lebonsbeschreibungen.
HUB spricht.^) Die Handschrifteib lesen dort: itcet plane ac
licebit per sacratissimum Caesarem Maximiantan consHtit Persas
vincere eic, (der codex Palatinus, der aus der gleichen Quelle
floss wie der Bambergensis , hat das „comtiiW^ nicht). ')
Peter emeudirte die Stelle in seiner Ausgabe, indem er vor
„per sacratissimum^^ „ut'^ einschob, entgegen seiner früheren
Ansicht^), dass die Worte: „per sacratissimum Caesarem
Maximianvm*^ ein vom Bande in den Text geraihenes Glos-
sem seien. Ich mochte ebenfalls die Emendation dej: Stelle
durch Einschiebung von „i//" für den richtigeren Weg halten
dieselbe verständlich zu machen, da ich mir eigentlich nicht
denken kann, wie ein späterer, und wahrscheinlich christ-
licher Abschreiber dazu kommen sollte, den Maximianus mit
seinem vollen Titel „sacratissimum Caesarem^* zu nennen.
Wenn wir die Resultate, die unsere Untersuchungen
über die Entstehuugszeit der einzelnen Schriften des Yopiscus
ergeben haben, der Uebersichtlichkeit wegen tabellarisch zu
fixiren versuchen, so ergibt sich ungefähr folgendes:
3. November 303 : Gespräch zwischen dem Stadtpräfecten
Junius Tiberianus und Vopiscus; Auf-
forderung zur Biographie des Aure-
lianus.
1. Mai 305—25. Juli 306: Aurelianus; Tacitus und Flo-
rianus.
307: Probus; Firmus, Saturninus, Proculus und Bonosus.
308, 2. Hälfte: Carus, Carinus und Numerianus.
Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass die Schriften des
Vopiscus nicht blos nach ihrem innern Verhältnisse zu ein-
ander^), sondern auch ihrer zeitlichen Entstehung nach in
drei. Gruppen zerfallen.
1) Gar. 9. 3.
2) siehe den kritiBchen Apparat Jordans z. d. St.
3) a. a. 0. 13.
4) vergl. oben. S. 6 u. 7.
I. Persönliche Verhältnisse des Autors. 11
3. Charakter.
a.. Urtheilsrichtung im Allgemeinen.
In den Ansichten und Urtheilen, die Yopiscus gelegent-
licli ausspricht; zeigt er sich uns als ein Mann von gewöhn-
lichem Verstände. Den Geburtsort grosser Männer zu ken-
^len, sei nicht von besonderer Wichtigkeit '^j das Mass des
Ruhmes ; den diese genössen^ hänge oft von dem Willen derer
ab, die ihre Thaten der Nachwelt überliefern*); Niemand
habe den höchsten Gipfel des Ruhmes erstiegen ; der nicht
von unten angefangen^) und in einer Pflanzschule der Tugenden
bereits Grosses habe hoffen lassen *) ; Furcht vor sich selbst sei
das beste im Leben ^) ; der Ausschweifende halte sich nur an den-
jenigen, von dessen Tugenden er Vortheil zu ziehen hoffe •);
er ist ein Feind des übertriebenen Luxus bei den Schauspie-
len^), tadelt deshalb den Junius Messala, der sein väterliches
1) Aar. 3, 3: nee tamen magnorum principum in rebus aumma
Bciendi est, nbi quisque sit genitus, seil qualis in re p. fuerit. An Pia-
tonem magis commendäti quod Atheuiensis fuerit quam quod unicum
sapientiae munus inluxerit? Aut eo minores inuenientur Aristoteles
Stagirites Eleatesque Zenon aut Anacharsis Scytha quod in miuimis
nati sunt uiculis, cum ülos ad caelum omnis philosophiae oirtus ex<
tulerit?
2) Prob. 1, 1: Certum est omnes omnium uirtutes
tantas esse quantas uideri eos uoluerint eorum ingenia qui uniuscuiusque
facta descripserint. Prob 2, 3 u. 4: Cn. Pompeium, tribus fulgentem
irinmphis belli piratici, belli Sertoriani, belli Mithridatici multarumque
rerum gestarum maiestate sublimem, quis tandem nosset, nisi eum
Marcus Tullius et Titus Liuius in litteras rettuüssent? Publium Sci-
pionem Africanum, immo Scipiones omnes, seu Lucios seu Nasicas,
nonne tenebrae possidereut ac tegerent, msi commendatores eorum hi-
storici nobiles atque ignobiles extitissent?
3) Aur. 11, 10: neque enim quisquam aliquando ad summam rerum
peruenit qui non a prima aetate gradibus uirtutis asceuderit.
4) Prob. 3, 7: ex quo apparet*, neminem unquam peruenisse ad
uirtutum summam iam maturum, nisi qui puer seminario uirtutum ge-
nerosiore concreius aliquid inclitum designaaset.
6) Tac. 2, 2: quod est in uita Optimum, se timebaot.
6) Prob. 6, 4: sed . . . . ne dissolutus quidem quispiam se nisi in
eius fidem tradit cuius tibi uirtutes aestimat profuturas.
7) Aur. 16, 4 — 6: uidimus proxime consulatum Furii Pladdi tanto
12 Julius Brunner: Vopiscus Lebenebeschreibungen.
Erbtheil an Schauspieler und Schauspielerinnen vergeudet
hatte*), und glaubt, dass gute Fürsten keinen Werth darauf
legten.^) Geradezu naiv ist seine Auffassung , wenn er in
einer einfachen Kriegslist barbarischer Völker nichts Anderes
sieht als eine Treulosigkeit.^)
b. Beurtheilung politischer und historischer
Erscheinungen.
In seinem Urtheile über Zustände und Persönlichkeiten,
auf die er im Laufe seiner Darstellung zu sprechen kommt,
zeigt sich der nämliche, gesunde, wenn auch nicht gerade
sehr tiefe Blick: er lobt den Frieden^), bewundert die
Ruhe, die während des zwischen der Ermordung des Aure-
lian und der Wahl des Tacitus liegenden Interregnums im
ambitu in circo editum ut non praemia dari aurigis sed patrimonia ui-
derentur, cum darcntur tunicae subsericae, Hneae paragaudae, daren-
tur etiam equi, ingemescentibus frugi hominibus. factum est enim, ut
iam diuitiarum sit, non hominum consulatus, quia utique si uirtutibus
dcfertur, editorem spoliare non debet. perierunt casta illa tempora et
magis ambitione populari peritura sunt. Gar. 21, 1: et haec quidem
idcirco ego in litteras rettnli, quod futuros editores pndore tangeret,
ne patrimonia sua proscriptie legitimis heredibns mimis et balatronibus
deputarent.
1) Gar. 20, 4 IL 5: Legat hunc locum lunius Messala, quem ego
libere culpare audco. ille enim Patrimonium suum scaenicis dedit, here-
dibns abncgayit, matris tunicam dedit mimae, lacemam patris mimo
et rectc si auiae paliio aurato atque purpureo pro syrmate tragoedus
utereturi inscriptum est adhuc in choraulae paliio tyrianthino, quo ille
uelut spolio nobilitatis exultat, Messalae nomen oxoris.
2) Gar. 20, 1: nullius sunt momenti apud principes bonos.
3) Aur. 21, 2 u. 3: et causa quidem huius periculi perfidia et calli-
ditas barbarid fuit motus. nam cum congredi aperto Matte non possent,
in siluas se densissimas contulerunt atque ita nostros uespera incum-
bente turbarunt.
4) Prob. 23, 2 u. 3: annonam prouincialis daret nuUus, stipendia
de largitionibus nulla erogarentur, aetemos thesauros haberet Romana
res p., nihil expenderctur a principe, nihil a possessore redderetur:
aureum profecto saeculum promittebat. nulla futura erant castra, nus-
quam lituus audittndus, arma non erant fabricanda, populns iste mili-
tantium, qui nunc bellis ciuilibus rem p. uezat, araret, studiis incum-
beret, erudiretur artibus, nauigaret. adde quod nullus occideretur in
hello.
I. Persönliche Verhältnisse des Autors. 13
römischen Reiche herrschte^); das Schicksal liebt Wechsel-
falle und erscheint dem Rechten oft feindlich^); die Syrer
und Franken hält er für treulos^), die Gallier für un-
ruhige, neuerungssüchtige ^), die Aegypter für windige, prah-
lerische, händelsüchtige, eitle/ neuerungslustige, mit ihren
Zuständen unzufriedene Leute, die sich viel mit unnützen
Gewerben abgeben*); die Soldaten seien leicht allen schlech-
ten Räthen zugänglich^); Palmyra habe das ihm gewor-
dene Schicksal verdient^); Throne würden nicht geraubt,
sondern verdient.®) Im Allgemeinen, glaubt er, sei die
1) Tac. 2, 1 U.2: ergo, quod raram et difficile fuit, senatus populusqne
Romanus perpessus est, ut imperatorem per sex menses, dum bonus quae-
ritur, res p. non haberet. quae üla concordia militum? quanta popuLo
quies? quam gravis senatus auctoritas fuit? üuUus usqnam tyrannus emer-
sit, 8ub iudicio senatus et militum populique Romani totus orbis est tem-
peratus; non iUi principem quemquam, ut rccte facerent, non tribuni-
ciam potestatem formidabant sed, quod est in uita Optimum, se ti-
mebant.
2) Car. 3, 6 u. 7: amans uarietatum semper et prope inimica for-
tuna iustitiae ut appareat, nihU tam gratum esse for-
tunae, quam ut ea quae sunt in publicis actibus euentuum uarietate
mutentur.
3) Aur. 31, 1 : Rarum est ut Syri fidem servent, immo difficüe. —
Firm. 13, 4: ipsis prodentibus Francis, quibus familiäre est ridendo
fidem frangere.
4) Firm. 7, 1 u. 3: Satuminus oriundo fuit Gallus, ex geute hominqm
inquietiflsima et auida semper uel faciendi principis uel imperii . . . co-
gitabat enim, quantum uidemus, uir prudentissimus Gallorum naturam
et uerebatur, ne, si perturbidam ciuitatem uidisset . . .
5) Firm. 7, 4 u. 5: sunt enim Aegyptii, ut satis nosti, uiri uentosi
fiiribundi iactautes iniuriosi atque adeo uani Liberi nouarum rerum
usque ad cantilenas publicas cupientes uersificatores epigrammatarii
mathematici haruspices medici. nam sunt Christiani Samaritae et
quibus praesentia semper tempora cum enormi übertäte displiceant.
6) Tac. 2, 4: errore militarium, (ut apud quos quaelibet commenta
plurimum ualent, dum modo irati audiunt, plerumque temulenti, certe
consiliorum prope semper expertis).
7) Aur. 31, 3: atque urbem (sc. Palmyram), qui& ita merebatur,
euextit.
8) Tac. 2, 3: et discant qui regna cupiuut non raptum ire impe-
ria sed mereri.
14 Julius Bnmner : Vopißcns Lebensbeschreibungen.
Zahl der schlechten Fürsten grösser, als die der guten ^);
zu den guten rechne^ er Augustus, Vespasian, Titus, Nerva,
Trajan, Hadrian, die beiden Antonine etc. ^) ; zu den schlech-
ten Vitellius, Caligula, Nero, die Maximini und PhiKppi');
den Grund zu der ünvoUkommenheit der Regenten findet er
in ihrer Stellung über den menschlichen und sittlichen Ge-
setzen, in der Fülle der Mittel, die ihnen alles erlanbei),
und in dem Umstand, dass sie mit der Aussenwelt nur durch
ihre Umgebung in Verbindung stehen, die, meist aus nichts-
"würdigen Menschen bestehend, durch den Kaiser den Staat
nach ihrem Gutdünken lenkt. ^) Dem Aurelianus wirft er
unzählige Male seine Grausamkeit'^) vor, nennt ihn aber
1) Aur. 42, 5: uide, quaeso, quam pauci sint principes boni.
2) Aur. 42, 4: sed in bis öptimi ipse Augustus, Flauius Vespasia-
nus, Flauius Titus, Cocceius Nerua, diuus Traianus, diuus Hadrianus,
Pius et Marcus Antonini, Seuerus Afer, Alexander Mammaeae, diuus
Claudius et diuus Aurelianus.
3) Aur. 42, 6: at contra quae series malorum? ut enim omittamns
Vitellios Caligulos et Neroues, quis ferat Maximinos etPhüippos atque
illam inconditae moltitudinis faecem?
4) J^xa. 4d, 1 u. 3 u. 4: Et quaeritur quidem, quae res malos prin-
dpea faciat: iam primum, mi amice, licentia, deinde rerum copia,
amid .praeterea improbi, satellites detestandi, euuuchi auarissimi, aulid
uel stulti uel detestabiles et, quod negari uon potest, rerum publica-
rum ignorantia. colligunt se quattuor uel quinque atque unum consi-
lium ad decipiendum imperat-orem capiunt, dicunt, quid probandum
sit. imperator, qui domi clausus est, uera non nouit. cogitur hoc tau-
tum scire quod illi loquuntur, fadt iudices quos fieri non oportet,
amouet a re p. quos debebat optinere.
5) Aur. 6, 1: seueritatis immensae. ibid. 7, 3: cum iugenti seueri-
täte castrensia peccata correxit; ibid. 8, 5: Haec cpistula indicat, quan-
tae fuerit seueritatis; ibid. 21, 5; . . . . ut erat natura ferocior
induilius denique usus imperio , uir alias optimus . . . crueutius ea quae
moUius fuerant curanda compescuit. ibid. 7: infamiae tristioris icta
contaminauit Imperium, ibid. 28, 4: cum Persis Armemis Saracenis
fiuperbiOT atque insolentior agit ea quae ratio temporis postulabat.
ibid. 31, 4: crudelitas denique Aureliani uel, utquidam dicunt, seneritae
eatenus extitit ut epistula eins feratur confessionem immanissimi furo-
ris ostentans. ibid. 10: Haec litterae, ut uidemus, indicant sadatam esse
immanitatem principis duri. ibid. 32, 3: ut erat ferox animi. ibid. 36,
2 Q. 3 : Aoreüanus, quod negari non potest, seuerus truculentus sangui-
nariuB fuit princeps. hie, cum usque eo seueritatem tetendisset, ut et
I. Persönliche Verhältnisse des Autors. 15
*
auch einen klugen und tapfem Mann^); er findet die Antwort,
welche die Zenobia dem Aurelian gab, als dieser sie zur Er-
gebung aufforderte, zu stolz für ihre damalige Lage^); den
ProbuB hält er für einen im Krieg und Frieden bedeutenden
Mann, der den besten Kaisern gleichzustellen, wo nicht vor-
zuziehen sei^); den Gallienus nennt er einen schwelgerischen,
weichlichen Fürsten^); den Carus bezeichnet er als einen
guten Fürsten ^), der aber lange nicht an Probns hinaufreiche ^) ]
Tou Carinus spricht er in den härtesten Ausdrücken^), wäh-
rend er den Numerianus wegen seines Charakters für der
Herrschaft würdig Jiält. ^) An den vier Regenten seiner Zeit
filiam sorons occideret nou in magna neque in gatis idonea causa . . ibid.
39, 3: idem qiiadruplatores ac delatores ingenti seueritate persecutus
est. ibid. 8: Dicitur praeterea huius fuisse crudelitatis, ut plerisque
senatoribus simulatam ingereret factiouem coniurationis ac tyrannidis,
quo facilius eos posset ocddere. ibid. 40, 2! occiso namque seuerissimo
principe. Car. 1, 2: post Aurelianum uehementem principem.
1) Firm. 7, 3: uir prudentissimus vergl. S. 13 Anm. 4. Aur. 28, 1:
uir fortis.
2) Aur. 27, 1: Zenobia superbius insolentiusque rescripsit quam
eius fortuna poscebat.
3) Tac. 16, 6: Probus, uir domi forisque conspicuus, uir Aureliano
Traiano Hadriano Autoninis Alezandro Claudioque praefereudus. ibid.
17, 6: Probi gesta insignia. Prob. 1, 4: occidit, pro pudor, tanti uiri
et talis historia qualem nou habent bella Punica, non terror Gallicus,
nou motus Pontici, non Hispaniensis astutia. ibid. 2, 9: magnum et
praeclarum principem et qualem historia nostra non nouit. ibid. 21, 1:
imperatoris optimi. ibid. 22, 1 — 4: Couferens ego cum aliis imperato-
ribus principem Probum omnibus prope Eomanis ducibua, qua fortes,
qua dementes , quaprudentes, qua mirabilcs extiterunt, intellego hunc
uirum aut parem fuisse aut, si non repugnat inuidia iuriosa, meliorem.
quinquennio euim imperii sui per totum orbem tot bella gessit etc.
4) Prob. 6, 4: non magnum fortassis iudicium Gallieui esse uidea-
tar, principis mollioris. Car. 1, 4: Gallieni luxuriam.
5) Car. 9, 4: bonum principem Carum fuisse.
6} Prob. 24, 4, uirum bonum quidem sed longe a moribus Probi,
Carini causa filii eius, qui semper pessime uixerat, tam senatus quam
populus inhorruit. metuebant enim unusquiaque tristiorem prindpem,
sed magis improbum metuebant heredem.
7) Prob. 24, 4: siehe vorhergehende N. Car. 16, 1: Carinus, homo
omnium contaminatissimus , adulter, frequeus corruptor iuventutis.
8) Car. 11, 1: Numerianus . . moratus egregie et uere dignus imperio.
16 Julius Bruniier: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
rühmt er die Tapferkeit, Weisheit, Güte und Freigebigkeit.')
Ueber Diocletianus äussert er sich, wie oben bemerkt, ziem-
lich vorsichtig; er nennt ihn einen ausgezeichneten, klugen,
dem Staate und den Seinen ergebenen Mann, der die Re-
gungen eines lebhaften Temperamentes in seiner Seele dar-
niederzuhalten wusste^); er wundert sich bei dieser Gelegen-
heit über — wenn ich so sagen darf — litterarische Kennt-
nisse, die Diodetianus , damals ein einfacher Kriegsmann,
gezeigt habe.^) In einer kurzen Darstellung der Entwick-
lungsgeschichte Roms*) hebt er die Hauptmomente gewiss
ganz richtig hervor: Romulus, den Begründer des nationalen
Staates, Numa, den Schöpfer der religiösen Formen, nicht
ohne Bedeutung für die eigenthümliche Entfaltung des römi-
schen Geistes, die Gründung der Republik, den Embruch
der Gallier, die Kriege gegen Carthago und Pyrrhus, die
Ausbreitung römischer Herrschaft über die Küsten des Mittel-
meeres, den Bundesgenossenkrieg, die Bürgerkriege, den
Uebergang der Republik in's Kaiserthum, den Verlust der
Freiheit, dafür aber Machtentfaltung nach aussen — einen
Tausch^ den er beklagt^) — und die wechselnden Verhältnisse
unter den verschiedenen Kaisern.
1) Gar. 18, 4: quattuor sane principes mundi fortes sapientes be-
nigni et adroodum liberales, unum in rem p. sentientes, semper reue-
rentes Eomani senatus, moderati, populi amici, persancti graues, re-
ligiosi et quales principes semper orauimus.
2) Car. 13, 1: vergl. S. 9 Anm. 1.
8) Car. 13, 4: quod ego miror de homine militari, quamuis plurimos
plus quam militares uel Graece uel Latine uel comicorum usurpare dicta
uel talium poetarum.
4) Car. 2 u. 3.
6) Car. 3, 1 u. 2 : per Augustum deinde reparata (sc. ciuitos) , si ro-
parata dici potest libertate deposita. tamen utcunque, etiamsi domi
tristis fuit, apud exteras gentes effloruit.
I. Persönliche Verhältnisse des Antors. 17
4. Bildung.
a. historisch-antiquarische Kenntnisse.
Aus dem Gesagten erhellt, dass die Art und Weise, wie
unser Autor Dinge von allgemeiner Bedeutung sowohl als
auch politische und historische Erscheinungen auffasst, eine,
wenn auch nicht sehr tief eindringende, doch im ganzen
durchaus nüchterne, verständige, klare und parteilose ist.
Er zeigt daneben auch eine gewisse Anzahl historisch -anti-
quarischer Kenntnisse. So weiss er, dass das Recht das
„pomoerium" der Stadt zu erweitern, nur demjenigen zusteht,
der die Grenzen des Reiches erweitert hat.*) Er spricht,
wenn auch in etwas überschwänglichen Worten, seine Ver-
wunderung aus über die Ruhe, die während des Interregnums
nach dem Tode des Aurelian im römischen Reiche geherrscht
hat'), und gewiss mit Recht, denn dies ist in der That eine
in ihrer Art einzige Erscheinung. Die Vergleichung mit dem
Interregnum nach dem Tode des Romulus'und mit den „In-
terregnis" aus den republikanischen Zeiten ist insofern frei-
lich nicht zutreifend, als nach dem Tode des Aurelian keine
Behörde vorhanden war, die dem „Interrex" der Königszeit
oder der republikanischen entspricht und nicht vorhanden
sein konnte, da in jener Zeit ein solcher Fall gesetzlich nicht
vorgesehen war und das Interregnum seine Entstehung und
seine Dauer nur dem Umstände zu verdanken hatte, dass die
Kaiserwahl so lange zwischen Heer und Senat hin und her-
geschoben wurde. Bei Anlass des „Interregnums" hat Vopis-
1) Aur. 21, 10 u. 11: pomoerio autem neminem principum licet
addere nisi eum qui agri barbarici aliqua parte Komanam rem p.
locupletauerit. addidit autem Augustus, addidit Traianus, addiditNero,
sub quo Pontus Polemoniacus et Alpes Cotüae Romano nomini sunt
tributae. lieber das „ius pomoerii proferendi" sagt Gellius ed. Hertz
XIII 14,3: Habebat autem ius proferendi pomoerii, qui populum Roma-
num agro de hostibus «apto auxerat. In der Reihe derjenigen , die das
pomocrium erweitert haben, vergisat Vopiscus aber Sulla, Caesar und
Claudias. Becker, Handb. d. röm. Alterthümer I 103.
2) Tac. 2, 2, vergl. S. 13 Aum. ].
Uiilersuch. z. Röm. Kaiserg-esch. II. 2
18 Julius Brunuer: Yopiscus Lebensbescbreibungen.
cus auch Gelegenheit zu zeigen ; was er auf dem Gebiete der
römischen Staatsalterthümer weiss; was er davon sagt; scheint
sich im wesentlichen auf Livius zu gründen : so die Angabe^
dass nach dem Tode des Romulus hundert Senatoren gewesen
seien ^), gegenüber den Zweihunderten des Dionysius von
Halicarnass^), den Hundertundfünf zigen des Plutarch'); fer-
ner diejenige, dass immer nur je einer „Interrex" gewesen
sei , wobei Vopiscus freilich die äussern Abzeichen des Impe-
riums und das Imperium selbst zu verwechseln scheint*);
dass das Interregnum ungefähr ein Jahr gedauert, sagt auch
Livius^); auch bei ihm sind die tribuni militares mit consu-
larischem Imperium ausgerüstet. ^) Dass die Einrichtung und
Bezeichnung „Interregnum und Interrex" noch tief in die
republikanische Zeit hineindauert, ist bekannt'), und gerade
Livius bietet dafür manche Beispiele.^) Livius erzählt uns,
dass in Rom einst eine Zeit lang gar keine cunilischen
Magistrate waren ^), nur setzt dieser den betreflFenden Zeit-
1) Liv. I 17: ita rem inter ee centum patres con-
sociant. Ucber diese Zahl von 100 Senatoren siebe Mommsen, röm.
Forsch. I 224; über die Bedeutung der livianiscben Erzählung vom
erftten Interregnum daselbst.
2) II ö7: tiIjv TrarpiKiuJV ol KaTaYpa(p^vT€c €lc ri\v ßouXf)v öirö
'Pu)|LiOXou ömKÖcioi TÖv dpi6)üi6v övt€c, i&Cfrcp f9r|v, bi€V€|nf|eiicav clc
Ö€Kd6ac.
3) Nuuia 2: ol irctTpixioi, irevTr^Kovra Kai ^kctöv övtuiv aÖTi&v.
Plutarcb steht mit dieser Angabe bekanntlich mit sich selbst in Wider-
spruch, indem er nach der Vereinigung der Sabiner und Römer hundert
Senatoren hinzukommen lässt: Rom. 20: ^kotöv ^^v ^k Caßivuiv irarpl-
Kioi irpocKareX^xöilcav. Ueber diese Zahl von 150 Senatoren zur Zeit
des ersten Interregnums siehe Mommseh a. a. 0. 221.
4) Liv. a. a. 0. decem imperitabant, unus cum insignibua imperii
et lictoribus erat.
6) a. a. 0.: anuumque intervallum regni fuit. Die betreffende
Stolle bei Vopiscus ist, unzweifelhaft richtig, von Salmasius emendirt.
6) IV 7 : tribunoä militum et imperio et insignibus
consularibus usos. Der gewöhnlichere Ausdruck ist allerdings: „consn-
lari pot<ißtate".
7) Lauge, römische Alterthümer I 610. «
8) III 8; IV 7, 43, 51; V 17, 31; VI 1; VII 17, 22, 28; VIII S,
17; IX 7; X 11.
9) VI 35: Licinius Sextiusque tribuni plebis refecti nullos curules
I. Persönliche VerhältnisBC des Autors. 19
räum auf fünf Jahre au, Vopiscus aber blos auf vier: eine
Ungenauigkeit, wie sie sich wiederfindet in der Angabe, dass
nach dem Tode des Romulus jeder einzehie Senator fünf oder
vier oder drei Tage als Interrex fungirt habe*), während
Ldvius diesen Zeitraimi bestimmt auf fünf Tage ansetzt.^)
Diese ganze Auslassung über das Interregnum scheint somit
auf einer nicht mehr ganz deutlichen Erinnerung an Livius
zu fussen, und dass Vopiscus dieselbe nicht auffrischte, wol-
len wir ihm, ganz abgesehen von allen übrigen Eigenschaften
desselben, nicht allzuhoch anrechnen. Wenn Vopiscus bei
dieser Gelegenheit auch sagt, dass die tribunicische Macht-
befugniss ein wesentlicher Bestandtheil der königlichen Ge-
walt gewesen sei^), so ist das, wie Salmasius wol richtig
bemerkt^), eine Verwechselung mit der kaiserlichen Gewalt,
die ja vor allem die tribunicische in sich aufnahm.
Vopiscus unterscheidet gelegentlich die beiden Linien der
Scipionen, die Lucii und die Nasicae^); er weiss, dass Pom-
pejus dreimal triumphirt hat"), ist aber wieder ungenau, wenn
er als Veranlassungen dazu die Kriege gegen die Seeräuber,
Sertorius und Mithridates nennt; die drei Triumphe des
Pompejus waren 1) ex Africa de rege Hiarha im Jahre 672,
2) ex Hüpaniüj 31. December 682; 3) ex A&ia Ponto Cilicia
magistratus creari passi sunt; eaque solitudo magistratuum
per quinquennium urbem tenuit. Diese ,,solitudo magistratuum" bean-
sprucht nur chronologische, nicht historische Wesenheit. Es ist eine
auf einen längeren Zeitraum berechnete Füllung, die hier zusammen
eingelegt wurde, da die genaue Unterbringung nicht thnnlich schien.
Die Zahl von 5 Jahren , wie sie sich in den capitolinischen Fasten
findet, ist die richtige (Mommsen, röm. Chronologie 1. Aufl. 204, 198 f,
u. Aum. 393).
1) Tac. t, 2: per quintos et quaternos dies siue ternos.
2) I 17: quiniim dienim spatio finiebatur imperium.
3) Tac. 1, 5.
4) z. d. St.
5) Prob. 2, 4: PubUum Scipionem Africanum, immo Scipiones
omnrs, seu Lucios, seu Nasicas.
6) Prob. 2, 3: Cn. Pompeium, tribus fulgentem triumphis belli pi-
ratici, belli Sertoriani, belli Mithridatici.
2*
20 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
Paphlagonia Cappaäocia Creta Syria Judaea Armenia Pirateis
de regihis Miihridate ei Tigrane 30. September 692. *) Vopis-
cus irrt somit, indem er den Triumph über die Seeräuber
von denjenigen über Mithridates trennt und den über Hiarbas
unberücksichtigt lässt. Ein geographischer Irrthum ist es
femer, wenn er die Vindelici nach Gallien versetzt^), da
Vindelicia, später Raetia secunda genannt, nicht zur „prae-
fectura Galliarum", sondern zur „praefectura Italiae" gebort
(Becker III. 1, 101 und 240).
b. Literarische Kenntnisse.
Dass Yopiseus eine gewisse litterarische Bildung besass,
die in jener Zeit nicht ganz gewöhnlich war, beweist schon
der Umstand, dass er von Tiberianus den Auftrag erhält,
eine Biographie Aurelians zu schreiben, ein Auftrag, der
dem Auftraggeber nicht wenig scheint am Herzen gelegen
zu haben. ^) Ausser den Dichtern Livius Andronicus , Plautus
und Cäcilius'*) nennt er seinen Vorgänger Trebellius PoUio'"^),
Livius®), Sallustius ^), Cornelius Tacitus'^), Trogus^), Cicero ^<^),
1) Baiter, fasti trimphales.
2) Aur. 35, 4: Eis gestis ad Gallias profectus Vindelicos obsidione
barbarica liberauit.
3) Tiberianus hielt sich für einen Nachkommen^ Aurelians. Aur.
1, 3: quod ipse nounihilum ex eius origine sanguinem duceret; vergl.
ferner die Worte des Tiberianus Aur. 1, 6: ergo Thersitem Sinonem
ceteraque illa prodigia uetustatis et nos bene scimus et posteri fre-
quentabunt: diuum Aurelianum, clarissimum priucipem, seuerissimum
imperatorem, per quem totus Romano nomini orbis est resiitutus, po-
steri nescient? deus auertat hanc amentiam, und Aur. 2, 2: propterea
scribe, iiiquit, ut libet. securus quod uelis dices, habitnrus mendaciorum
comites, quos historicae eloquentiae miramur auctores.
4) Gar. 13, 5: nam et ,,Lepus tute es pulpamentum quaeris*' Liui
Andronici dictum est, multaque alia Plautus Caedliusque posuerunt.
5) Aur. 2, 1. Firm. 1, 3.
6) Aur. 2, 1. Prob. 2, 3 u. 7. Firm. 6, 3.
7) Aur. 2, 1. Prob. 1, 1; 2, 7. Firm. 6, 3.
8) Aur. 2, 1. Prob. 2, 7.
9) Aur. u. Prob. a. d. a. 00.
10) Aur. 39, 4. Tac. 13, 4. Prob. 2, 3.
I. Persönliche VerhältniBse des Autors. 21
Marcus Cato^),' Gellius^), Marius Maximus ^), Suetouius *),
Fabius Marcellinus ^)y Gargilius Martialis.^)
c. Literarischer Standpunkt.
Von diesen sollen ihm aber nicht Sallustius^ Livius^
TacituS; Trogus und Andere mit ibrer beredten Darstellung
als Vorbilder dienen ^ sondern Andere ^ die eine wahrheits-
getreue Erzählung einer glänzenden vorgezogen hätten^):
SuetoniuS; dessen „ungekünstelte, tadellose"^), aber kurze®)
Diction er besonders lobend hervorhebt; der von den scrip-
tores historiae Augustae oft citirte'^) Marius Maximus , dem
er nicht gleiches Lob spendet^*); Fabius Marcellinus , der
1) Prob. 1, 1.
2) Prob. a. a. 0. Sabnasius z. d. St. will darunter den bekannten
römischen Annalisten Gn. Gellius verstehen, wie ich glaube mit Unrecht;
denn aus der Lesart der Hss. „a gellius*' lässt sich wohl ziemlich sicher
Bchheesen, dass darunter Aulus Gellius zu verstehen sei.
3) Prob. 2, 7. Firm. 1, 1 u. 2.
4) a, d, a. 00.
5) Prob. a. a. 0.
6) a. a. 0.
7) a. a. 0.: et mihi quidem id animi foit ut non Sallustios Liuios
TacitoB Trogos atque omnes disertissimos imitarer uiros in uita prin-
cipum et temporibus disserendis, sed Marium Maximum, Suetonium
Tranqnillum, Fabitmx Marcellinum, Gargilium Martialem ceterosque
qui haec et taha non tarn diserte quam uere memoriae tradiderunt.
Firm. 6, 3 lobt er auch an Livius und Sallustius, dass sie unwichtiges
unberührt Hessen.
8) Firm. 1, 1: emendatissimus et candidissimus scriptor.
9) Firm. 1, 2: cui familiäre fuit amare breuitatem.
10) Aehus Spartianus, Hadrianus, 2, 10; 12, 4; 20, 3; 25, 4.
„ „ Helius 3, 9; 6, 5.
„ „ Seuerus 15, 6.
„ „ Antoninus Geta 2, 1.
Julius CapitolinuB, M. Antoninus Philosophus 1, 6; 25, 10.
„ „ Pertinax 2, 8; 15, 8.
„ „ Clodius Albinus 3, 4; 9, 2 u. 5; 12, 14.
Yulcatius Gallicauus, Auidius Cassius 6, 6 u. 7; 9, 9.
Aelius Lampridius, Commodus Antoninus 13, 2; 15, 4; 18, 2.
Alexander Seuerus 5,4; 21,4; 30,6; 48, 6; 65; 4.
Antoninus Heliogabalus 4, 6.
11) Firm. a. a. 0.: homo onmium uerbosissimus, qui et mythisto-
ricis se uoluminibus inplicauit.
22 Julius Brunner: Yopiscus Lebensbeschreibungen.
Biagraph Trajans^) und Gargilius MarceUinus, wol iden-
tisch mit dem Geschichtschreiber der Zeiten des Alexan-
der Severus. ^) Den Trebellius Pollio ahmte er darin nach,
dass er die sogenannten Tyrannen nicht in den eigentlichen
Eaiserbiographien weiter berührte, sondern ihnen eine beson-
dere Darstellung widmete.^)
Also gerade diejenigen, welche auf dem Gebiete der
römischen Geschichtschreibung allein als mustergültig können
bezeichnet werden, will er als solche nicht gelten lassen und
nennt in der Reihe seiner Vorbilder einen Marius Maximus,
dem er in ziemlich harten Ausdrücken Wortschwall und
Lügenhaftigkeit vorwirft*), wie er denn auch gelegentlich von
Unrichtigkeiten, wie sie sich in die Darstellung eines sitt-
lich noch so hoch stehenden Historikers einschleichen kön-
nen, einen Ausdruck^) braucht, der mindestens zweideutig
ist, und mit dem eben besprochenen Verhältnisse zu Marius
Maximus zusammengehalten, unter Umständen ein bedenk-
liches Präjudiz werden köimte.
d. Abergläubischer Sinn.
Ein Seiteustück zu diesem Standpunkt des litterarischen
Urtheils bildet der abergläubische Sinn, der in Vopiseus wohnt;
ich meine darunter nicht jenen altrömischen gläubigen Sinn,
der auch Livius und Tacitus die Erwähnung der Omina u. s. w.
als wichtiger Dinge nicht vergessen liess, und woran man
1) Ad. Lamprid. Alex. Sev. 48, 6: ncque in uita eius (seü. Traianil
. . ita expOBuit ncque Fabius Marcellinus.
2] ibid. 37, 9: Gargilius eius tcmporis scriptor (seil. Alesand ri
Scueri).
3) Firm. 1, 3: atque contra Trebellius Pollio ea fuit diligentia, ea
cura in edendis bonis malisque prindpibus ut etiam triginta tyranDO«;
uno breuiter libro concluderet, qui Vaicriani et Gallieni nee multo 8U-
periorum aut inferiorum prindpum fuere temporibus.
4) Firm. 1, 2, vergl. S. 21 Anm. 11.
6) Aurelian. 2, 1: mc contra dicente, neminem scriptorum qna^i-
tum ad historiam pertinet non aliquid esse mentitum, prodente quin-
otiam in quoLiuius, in quo Sallustius, in quo CornelioB Tadius, in quo
dcniquc Trogus manifestis tcstibus conuiucerentur.
I. Persdnliche YcrhältniBse des Autors. 23
auch hier erinnert wird , wenn er den Sieg römischer Waffen
im entscheidenden Momente unmittelbarer gottlicher Einwir-
kung zuschreibt^) und das Schicksal überhaupt in die Ent-
wicklung menschlicher Dinge eingreifen lässt^); Vopiscus
war im Grunde über diesen Standpunkt mehr oder weniger
hinaus: die Haruspices hatten geweiss^^ dass ein Nach-
komme des Kaisers Tacitus in tausend Jahren den Thron
besteigen; die ganze Welt den romischen Gesetzen unterwer-
fen, dieselbe dann dem romischen Senate zu Füssen legen ,
und; hundertzwauzig Jahre alt; ohne Erben sterben werde ^)',
da meint denn Vopiscus ; eine solche Prophezeiung sei leicht
zu geben ; da ihre Richtigkeit doch nicht zu constatiren sei^);
in ähnlicher Weise spricht er sich bei ähnlicher Gelegenheit
aus.*) Weg; ruft er einmal; mit der abergläubischen Furcht,
die da glaubt; dass es ein Yerhängniss des Schicksals sei; dass
die Römer nicht über den Ctesiphon hinauskommen. ^) Nacli-
1) Aur. 25, 3: cumque Aureliani cquitea faiigati iuiu paouc diuce-
derent ac terga darent, subito ui uuminis, quod postea est prodituui,
hortante quadam diuina forma per peditea etiam equites rcstituti sunt.
2) Aur. 36, 4: ut 8e res fataliter agunt.
3) Tac. 15, 2: quo tempore rcsponsum est ab haruspicibus, quando-
comque ex eorum familia imperatorem Romanum futurum sou per femi-
nam seu per uirum, qui det iudiccs Parthis ac Persis, qui Francos et
Älamannos sub Romanis legibus habeat, qui per omnem Africam bar-
barom non relinquat, qui Taprobanis pracsidcm inponat, qui ad Uo-
manam iusulam "proconsulem mittat, qui Sarmatis omnibus iudicct,
quiterram omnem, qua Oceano ambitur, captis omnibus gentibus suain
faciat, postea tarnen seuatui reddat imperium et antiquis legibus uiuat,
ipse victurus annis centum uiginti et sine berede morifcurus. futurum
autem eum dixerunt post annos mille.
4) ibid. 4: non magna haec urbanitas haruspicum fuit, qui prin-
cipem talem post mille annos futurum esse dixerunt, quia, si post centum
aimos praedicerent, forte possent eorum deprebendi mendaci a
pollicentes cum uix remanere talis possit bistoria.
5) Prob. 24, 2 u. 3: baruspices responderunt, huius (seil. Probi)
familiae posteros tantae in senatu claritatis fore ut omncs summis ho-
noribus fungerentur. scd adhuc neminem uidimus, posteri autcm actcr-
nitatem uidcntur habere, non modum.
6) Car. 9, 1: uim fati quandam esse, ut Romanus x>rinceps Ctesiphon-
tem transire non possit, ideoque Carum fulmine absumptum quod cos
fines transgredi cuperet qui fataliter constituti sunt, scd sibi habeat
24 ^ Julius Brunner: Yopiscus Lebensbeschreibungen.
dem er; aus Callicrates Tyrius schöpfend ^ eine Reihe von
Wundergeschichten erzählt hat^); die alle auf die spätere
Grosse Aurelians Bezug hätten, sagt er, er erinnere sich bei
diesem noch ^^viel überflüssiges'^ gelesen zu haben ^); und doch
kann er sich nicht enthalten, uns noch einige Proben davon
zu geben') und zählt uns überhaupt alle diese Geschichten
mit grosser Gewissenhaftigkeit auf.^) Aus den Worten „JE»
imperatoris patrem^', mit welchen einst die Mutter Aurelian's
ihren Gatten scheltend anfuhr, schliesst Yopiscus, dieselbe
habe die Zukunft vorausgesehen.**) Von ApoUonius von
Thyana, dem berühmten Philosophen des ersten Jahrhun-
derts n. Chr., der, schon von seinen Zeitgenossen als Wun*
dermann angesehen, vielleicht hauptsächlich durch die be-
kannte Biographie des Flavius Philostratus zu einem zweiten
Christus umgestempelt wurde, spricht er nur mit der aller-
grössten Verehrung: er glaubt, derselbe habe Todte auf er-
weckt und sei einem Gotte gleichzuhalten ^) ; er beabsichtigte
sogar dem Andenken desselben seine litterarische Thätigkeit
zu widmen. 7)
artes suas timiditas , calcanda uirtutibus. licet plane ac Ucobit
Persaa uincere atque ultra eos progredi.
1) Aur. 4, 3—7.
2) Aur. 5, Xi multa superflua in eodem legisse memini.
3) Aur. 5.
4) ausser Aur. 4 u. 5 und Prob. 24, 2 noch Tac. .17.
5) Aur. 4, 3: habuisse quin etiam nonnihilum diuinationis, adeo ut
aliquando marito suo iurgans ingesserit, cum eins et stultitiam incre-
parct et uilitatem: ,,En imperatoris patrem'*. ex quo constat, illam mulie-
rem scisde fatalia.
6) Aur. 24, 3: uerum Apollonium Tbjanaeiun, celeberrimae famae
auctoritatisque sapientem, ueterem philosophum, amicum uerum deo-
rum, ipsum etiam pro numine frequentandum. ibid. 7 u. 8: haec . . .
pro maiestate Apollonii magis credidi. quid enim i)lo uiro
sanctius uenerabilius diuiniusque inter homines fuit? ille mortuis reddi-
dit uitam, ille multa ultra homines et fecit et dixit.
7) ibid. 9: ipse autem, si uita suppetit, atque ipsius uin fauor nos
iuuerit, breuiter saltem tanti uiri facta in litteras mittam, non quo
illius uiri gesta munere mei sermonis indigcant, sed ut ea quae miranda
sunt omnium uoce praedicentur.
IL Literarische Prüfung,
A. Allgemeiner Theil.
1. Charakteristik der Darstellung.
Wie sich also Vopiscus nur solche Historiker zum Muster
genommen hat^ denen nach seiner Meinung die wahrheits-
gemüsse Darstellung der Ereignisse vor allem am Herzen
lag; und die dieser jede künstlerische Form opferten^), so
will auch er sich rein nur an den Stoff halten und jede
künstlerische Gestaltung desselben lieber Andern überlassen.^)
Er hasst lange Einleitungen') und mag nicht allzu wortreich
erscheinen^); bei Unwichtigem will er sich nicht allzu lange
aufhalten^) und ebenso wenig alles ^ was sich ihm bietet^
aufnehmen^); was irgend vielleicht von Belang sein könnte,
1) Prob. 2, 7, 8. S. 2J Anm 7.
2) Prob. 1, 6: neqae ego nunc facultatem eloquentiamque polliceor
sed res gestas. Prob. 2,6: lUud tantiun contestatum uolo, me rem scripsiBBe,
quam si qms aoluerit, honestiuB eloquio celsiore demonstret. Car. 21,
2: Habe, mi amice, meom monus, quod ego, ut saepe dixi, non elo-
quentiae caosa sed cariositatis in lomen edidi, id praeeipue agens ut,
fii qois eloquens ueUet facta principum reserare, materiam non requi-
reret habiturus meos libellos ministros eloquii.
3) Aar. 3, 1 : Ac ne multa et friuola prooemüs odiosus intexam . . .
4) Aur. 12, 4: ne odiosior uerbosiorue in ea re uidear.
5) Firm. 6, 3: sed haec scire quid prodest etc., b. S. 21 Anm. 7. Firm.
11, 4: Longum est friuola quaeque conectere, odioaum dicere, quali
statura fuerit, quo corpore, quo decore, quid biberit, quid comederit
ab alüs ista dicantur quae prope ad exemplum nihil prosunt. Car. 3,
8: sed quorflum talibus quereUis et temporum casibuB detinemur? Car.
17, 7: longum est, si de eius luxuria plura uelim dicere.
6) Aur. 6, 1 : Sed ut haec et talia omittamus. Aur. 15, 1 : Longum
26 Julius Brunner: Vopiscns Lebensbeschrcibangen.
glaubt er nicht übergehen zu dürfen.^) Manches, was ihm
selbst als nichtig erscheint^ nimmt er auf, bloss weil er es
est cuncia pertexere. Aur. 20^ 1 : quas longom est innectere (senaio-
rum sententias). Aur. 22, 4: sed omnia (seil. Aureliani facta) libro in-
nectere nee possumuB fastidii euitatione nee uolumus, sed ad inteUigendos
mores atque uirtutem pauea libandasant. Tac. 11, 7: multa huius ferontur
sed longum est ea in litteras mittere. Tac. 19, 6: longum est onmes epi-
stulas conectere. Prob. 6, 1: Longum est, si per res gestas tanti
percurram uiri, quae ille sub Valeriano, quae sub GaUieno, qnae sab
Aureliano et Claudio priuatus fecerit etc. Prob, 7, 1: lam Claudii, iam
Tadti iudicia de Probo longum est innectere. Prob. 24, 6: Haec sunt,
quae de Probo cognouimus nel quae digna memoratui aestunauirnui.
Firm. 3, 5: quia ... et scui apud posteros nihil proderit, taoeo.
1) Aur. 10, 1: Friuola haec fortassis cuipiam et nimis leuia esse
uideantur, sed curiositas nifaü recusat. Aur. 15, 2 u. 3: Memini, zne
in quodam libro Graeco legisse, quod tacendum esse non credidi, maa-
datum esse Crinito a Valeriano, ut Aurelianus adoptaretur, idcirco
praccipue quod paupcr esset; sed hoc in medio rclinqucndom puto.
Et quoniam superius epistolam posui, qua sumptus Aureliano ad con-
sulatum delatus est, quare posucrim, rem quasi friuolam, eloquendom
putaui. Aur. 22, 4 s. vor. Anm. Aur. 24, 2: Taceri non debet res qaae
ad famam uenerabilis uiri pertinet (Erscheinung des Apollonius t.
Thyana). Aur. 33, 1: Non absque re est cognoscere, qui fuerit Aure-
liani triumphus. Aur. 36, 1: Non praetereundum uidetur (Brodver-
theilung). Aur. 36, 1: et quemadmodum sit occisns (sc. Aurelianus), ne
res tanta lateat, breui edisseram. Aur. 37, 5: Quia pertinet ad Auie-
lianum, taccrc non debui (Tod des Quintillus). Aar. 38, 1:
hoc quoquc ad rem pertinere arbitror, Yabalathi filii nomine Zcnobiam,
non Timolai et Uercnniani, imperium tennisse quod teuuit. Aur. 48,
6: Scieudum tamen, congiaria illum ter dedisse. Tac. 2, 3: Diccnda est
tameu causa tam felicium morarom. Tac. 12, 1: Nee tacendum est et
frequenter imitandnm, tan tam scnatus laetitiam iiusse etc. Tac. 13, S:
ne quid denique deesset cognitioni, plerasque huius modi cpistolas iu
finc libri posui. Tac. 16, 6: ego tameu haec idcirco inserenda uola*
mini credidi ne quis me legens legisse non crederet (die oben Seite 23
berührte Antwort der Haruspices). Prob. 10, 2: non inepta neqoe in-
elegans labiila est scire quemadmodum imperium Probus sumpserit.
Prob. 18, 7: unum sane sciendum est, quod Germani omnes
Probo seruire maluerunt. Prob. 24, 2; sane quod praeterire non potai
(wieder eine Antwort der Haruspices, vergl. S. 23 Anm. 5). Firm. 12,
6: Et quoniam minima quoque iucunda sunt atque habent aliquid gra-
tiae cum leguntur, tacendum non est etc. (vergl. den folgenden Brief).
Firm. 15, 9: Haec me legisse teneo de Bonoso. et potui qnidem horum
uitam praeterire quos nemo quaerebat, attamen, ne quid fidei deeesei
etiam de bis quae didiceram intimanda curaui.
II. Literarische Prüfung. 27
in seiner Quelle fand^) und er den Vorwurf yermeiden will,
nicht Alles benutzt zu haben , was sich ihm bot^), oder weil
er bei dem Leser Interesse für dies und jenes voraussetzt');
nach solchen Abschweifungen pflegt er rasch abzubrechen und
wieder in den Zusammenhang einzulenken.^) Bei allbekann-
ten Dingen beruft er sich auf das Wissen des Lesers selbst^);
er verweist denselben ; wenn er sich über einen einzelnen
Ponkt eingehend belehren wolle, auf die Quellen^); oft führt er
diese wörtlich an, theils, weil sich das nach seiner Meinung
passt^), theils der Zuverlässigkeit halber^), theils nach dem
Beispiele Anderer^), besonders aber, wenn er etwas beweisen
will.*®) Wenn er in seinen Quellen Widersprüche gefunden
1} Aur. 6,6: Haec video esse perfriuola, sed quia supra scriptuB
aoctor ita eadem ut aunt Latina suia scriptis inseruit , tacenda esse non
credidi.
2) Tac. 15, 5, vergl. S. 26 Anm. 1. Car. 7, 1: Ac ne minima
qüaeque conectam.
3) Firm. 12, 6: vergl. S. 26 Anm. 1, in diesem Falle muthet er dem
Leser allerdings einen sonderbaren Geschmack zu; man lese den an-
gezogenen Brief.
4) Aur. 4,1: Atque nt ad ordinem redeam. Aur. 30, 1 : Sed ut ad
incepta redeamns. Firm. 11, 1: Et ne longius progrediar. Firm. 11, 4:
nos ad ea quae sunt dicenda redoamus. Car. 7 , 4 : nunc ad ordinum
reucrtemur.
5) Firm. 7, 4: ut satis nosti, vergl. S. 13 Anm. 5.
6) Aur. 16, 8: sed haec quoque media relinquemus, ab ipais pe-
tenda, per qnos in litteras missa sunt. Tac. 11, 7: quod si quis om-
oia de hoc uiro cupit sdre, legat Suetonium Optatianum . . . Firm. 6,
2: namea quao de illo Aurelius, libertus Aurcliani, singillatim rettulit
si ins cognoscere, eundem oportet legas. Car. 17, 7: quicunque osü-
atun cupit noscerc, legat etiam Fulnium Asprianum.
7) Aur. 8, 1: quam (epistulam) ad uerbum, ut decebat, inserui.
Aur. 41 , 1 : Non iniucundum est ipsas inscrere litteras.
8) Aur. 12, 4: quam (rem) fidei causa inserondam credidi. Aur.
^,4: nam ipsam (epistulam) quoque indidi ad fidem rerum.
9) Aur. 17, 1: quam (epistulam) ego, ut soleo, fidei causa, immo
ut alios annalium scriptores fecisse uideo, inserendam putaui.
10) Aur. 31, 10, vergl. S. 14 Anm. 5. Aur, 38, 2: ut epistola docet
omsa ad Ulpiimi Crinitum. Aur. 47, 1 : ut quadam epistnla ipsc
gloriatur. Tac. 8, 1 : Ac nc quis me temerc Graecorum alicui Latinonunue
aestimetcredidiflse, habet in bibliotheca Vlpia in armario sexto libnim
elephantinnm , in quo hoc senatnsconsultum perscriptum est, cui Ta-
28 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
hat; so yerhehlt er das nicht ^); in diesem Falle entscheidet
er sich entweder für die eine oder andere Ansicht^), oder
setzt den Angaben Anderer seine eigene bestimmte Meinung
entgegen^); begründet sie oft ganz geschickt^) und sucht sie
mit anderen Darstellungen in Einklang zu bringen^); oder
er wagt sich nicht zu entscheiden und lässt die Sache auf
sich beruhen.®) Ansichten ; die sich ihm als irrig erwiesen.
cituB ipse manu saa subscripait. Firm. 7, 6, Ac ne quis mihi Aegjptio-
rum irascatur et memn esse credat quod in litteras rettoli, Hadiiani
epistolam ponam ex qua penitus Aegyptiorum uita detegitur.
Car. 4, 5: ut epistula eins indicat. Car. 5, 1: indicat et oratio eius
ad senatum data. Car. 6, 2: Quid autem de eo Probus senserit, indi-
cant litterae. Car. 9, 1: Hanc ego epistulam iddrco indidi quod ple-
rique dicunt etc., vergl. S. 23 Anm. 6.
1) Car. 4,1: Cari patria sie ambigue a plerisque proditur, ut prae
summa uarietate dicere nequeam.
2) Car. 8, 2 XL. 3: ut alii dicunt morbo, ut plures fubnine interem-
ptus est (seil. Carus). negari non potest, eo tempore quo periit ton-
tum fnisse subito tonitruum ut mulü terrore ipso exanimati esse dican-
tur. cum igitur aegrotaret atque in tentono iaceret, ingenti exorta
tempestate immani coruscatione inmaniore, ut diximus, tonitru exa-
nimatus est.
3) Aur. 3, 2: ego autem legisse me memini auctorem qui eum Moeda
genitum praedicaret (seil. Aurelianum). Firm. 3, 1: Firmo patria So-
leucia fuit, tametsi plerique Graecorum alteram tradunt, ignari, eo
tempore ipso tres fuisse Firmos etc.
4) Car. 4, 6 u. 8; 6, 1: ipse (sciL Carus) . . . . ut epistula eius in-
dicat Eomanus unlt uideri. Yides, tota epistula maio-
res 8U0S Romanos illum uelle intellegi indicat et oratio eius ad sena-
tum data istam generis praerogatiuam. Car. 6, 1: Non me praeterüt,
suspicatOB esse plerosque et eos in fastos rettulisse, Cari factione in-
teremptum Probum, sed neque meritum Probi erga Carum neque Cari
mores id credi patiuntur, simul quia Probi mortem et acerrime et con-
stantissime uindicauit.
5) Tac. 7, 5 — 7: hoc loco tacendum non est, plerosque in litterais
rettulisse , Tacitum absentem et in Campania positum principem nuncu-
patum: uerum est nee dissimulare possum. nam cum rumor emersisset,
illum imperatorem esse faciendum, discessit atque in Baiano duobus
mensibus fuit. sed inde deductus huic senatus consulto iuterfuit, quasi
uere priuatus et qui uere recusaret imperium.
6) Aur. 15, 2: sed hoc in medio reHnquendum pnto, vergl. S. 26
Anm. 1. Aur. 15. 6: sed nos, ut solemus, hanc quoque rem in medio
relinquimus. Aur. 16, 3: sed haec quoque media reliuquemus. Prob.
II. Literarische Prüfang. 29
corrigirt er später J) Oft verweist er auf früher Gesagtes^),
oder später noch zu Sagendes.') Wenn er etwas bringt^
was streng genommen nicht zur Sache gehört; so gibt er
den Grund der Aufnahme an*); doch liebt er es Anekdoten
einzuschieben ; die zur Charakteristik der Personen dienen*),
3, 3: quod, qnia per unum tanium Graecorum relatum est, nos in
medio relinquemus.
1) Firm. 2', 3: ipse ego in Aureliani nita, priusquam de Firmo euncta
cognoBcerem, Firmmn non inter purpuratos habui sed quasi qaendam
latronem; quod idcirco dixi, ne quis me oblitum aestimaret mei.
2) Aur. 7, 3: Hie autem, ut supra diximus, militibus ita timori
fuit = Aur. 6, 1: seueritatis inmensae, disciplinae singularis. Aur. 12,
3: Et quoniam etiam de adrogatione aliqua me dixeram positurum =
Aur. 11, 1: Inierest epistolas nosse Aureliano scriptae et ipsam adro-
gationem. Aur. 17, 4: atque ipse statim, ut supra diximus, . . . factus
est imperator = Aur. 16, 1: ut solus teneret imperium.
Tac. 2,4: interfecto fraude AureKano, ut superiore libro scriptum est
= Aur. 36, 4 — 6. Tac. 2, 5: exercitus ad senatum litteras misit,
quibiis priore libro iam dictum est = Aur. 40, 2 u, 41, 1 — 3. Car. 8,
3 = ibid. vergl. S. 28 Anm. 2.
3) Aur. 25, 6: et Roraae Soli templum posuit . . . ut suo dicemus
loco SB Aur. 39, 2: Templum Solis magnificentissimum constituit. Aur.
41, 15: ex senatus consulto, quod in Taciti uita dicemus, Tadtus factus
est imperator = Tac. 3—6. Tac. 12, 2, vergl. S. 26 Anm. 1 = Tac. 18
u. 19. Car. 7, 4: habuisse in animo Carum, ut Carino Caesareanum
abrogaret imperium. eed haec, ut diximus, alias in ipsius Cariui uita
dicenda simt == Car. 17, 6: statuerat denique Constantium,
in locum eins (sdL Carini) subrogare (seil. Carus).
4) Aur. 44, 5: quod (Weissagung über die Nachkommen des Clau-
dius) idcirco ego in Aureliani uita constitui quia haec ipsi Aureliano
consulenii responsa sunt. Tac. 16, 7: Haec ego in aliorum uita de
Probo credidi praelibanda, ne dies hora momentum aliquid sibi uindi-
caret in me necessitate fatali ac Probo indicto deperirem.
5) Aur. 23, 2: cum milites iuxta illud dictum, quo canem se reli-
cturum apud Thyanos negarat (vergl. Aur. 22, 5), euersionem urbis ex-
poscerent, respondit his: „Canem, inquit, negaui in hac urbe me relictu-
rum: caues omnes occidite." g^ande principis dictum, grandius militum
factum etc. Aur. 30, 4: Pacato igitur Oriente in Europam Aureliauus
redit uictor atque ülic Carporum copias adflixit et, cum ilhun Carpicum
senatus absentem uocasset, mandasse e loco fertur: „Superest, p.c., ut me
etiam Carpisculum uocetis.^* carpiiculum enim genus calciamenti esse,
satis notum est. Aur. 45, 5: et cum ah eo uxor sua peteret, ut unico
paUio blatteo serico uteretur, iUe respondit: „Absit ut auro fila pensentur.*^
libra enim auri tunc libra serici fiiit. Tac. 9,6: dicitur autem multum
30 Jalius Brunner : Yopiscus Lebensbeschreibungen.
oder sonst in irgend einer Beziehung zu dem gerade vorlie-
genden Stoffe stehen^); es findet sich auch wol eine Auslas-
sung; die an ihrem Orte ungehörig und in ihrer Breite um
so störender ist für den Fortgang der Erzählung.') Ein ge-
wisses Gefühl für Anstand hält ihn ab näher auf das aus-
schweifende Leben des Kaisers Carinus einzutreten') womit
freilich eine andere Stelle in grellem Widerspruche steht.*)
2. Quellen.
Unter den Quellen, die Vopiscus zur Benutzung vor-
lagen , sind sehr viele, die wir als solche ersten Ranges be-
zeichnen müssen, d. h. unverarbeitetes Quellenmaterial, theils
officiellen, theils officiösen Charakters. Es sind dies:
1. Briefe, 35 an der Zahl: Amtliche Erlasse der Kaiser*)
und solche von Beamten an andere Beamten®), Briefe des
Senates an auswärtige amtliche Corporationen^), fremder
Fürsten an romische Kaiser^), der Heere an den Senat ,*•*)
laeiatus senatus libertate, quod ei negatus est consulatus, quem fratri
petierat. fertur denique dixisse : ,,Scit senatus quem principem fecerit'*.
Prob. 20, 5: ,^reui, inquit, milites necessarios non habebimns". Car.
14 u. 15. Car. 20, 2: Diocleiiani denique dictum fertur, cum ei quidam
largitionalis suus editionem Cari laudaret dicens , multum placuisse prin-
cipes iUos causa ludorum theatralium ludorumque circensium: „Ergo,
inquit, bene risus est in imperio suo Carus/*
1) Aur. 42, 5: uide, quaeso, quam pauci sint prindpes boni, ut
bene dictum sit a quodam mimico scurra Claudii huius temporibus, in
uno anulo bonos principes posse perscribi atque depingi. Tac. 16, 3:
de qua (seil, imagiiie Taciti) quidem epigrammatarius ita allusit ut di-
ceret: „Non agnosco senem armatum, non chlamjdatum*^ et cetera, „sed
agnosco togatum*^
2) Aur. 29; Car. 14 u. 16; Firm. 8.
3) Car. 16, 1: Carinus, homo omnium contaminatissimus, adulter, irc-
quens corruptor iuuentutis (pudet dicere quod in litteras Onesimus re-
tuUt).
4) Firm. 12, 6 u. 7.
ö) Aur, 9; 11; 12; 17; 20; 26, 7 — 9; 31; 47. Prob. 4, 3—7; 6; 6,
2 u. 3; 6, 6; 7; 10; 15; 17. Firm. 6; 15. Car. 6.
6^ Aur. 7, Car. 4 u. 8. •
7) Tac. 18.
8) Aur. 27.
9) Aur. 41.
II. Literarische Prüfung. 31
Privatbriefe der Kaiser^); und solche von Privatpersonen an
^andere. ^) Zu finden waren solche Actenstücke unter Anderm
in den Archiven der Magistraturen^) und in der ulpischen
Bibliothek'*); die von Trajan gegründet worden war*) und
dessbalb seinen Namen trug; sie befand sich zuerst in dem
Tempel des Trajan ®); zur Zeit des Vopiscus aber in den
Bädern des Diocletian^) und barg; wie wir sogleich sehen
werden; noch andere officielle Actenstücke; ob dies bei der
ebenfalls von Vopiscus benutzten^) Bibliothek im sogenann-
ten Palaste des Tiberius®) auch der Fall war; ist nicht zu
bestimmen. Der Brief des Kaisers Hadrian (Firm. 9) stammt
aus dem; wahrscheinlich officielleu; von seinem Freigelassenen
Phlegon geführten Tagebuch desselben. ^*^)
2) Senats Verhandlungen.
;;Senatusconsultum^^ bezeichnet eigentlich einen Senats-
1) Aur. 8; 23; 26, 2—6; 38. Prob. 4, 1 u. 2. Firm. 8; 12.
2) Tac. 19.
3) Aiir. 9, 1: quam ego ex scriniis praefecturae urbanae protuli.
Dass hier nicht an die vier Bcriuia: „memoriae, epistolarmn, libel-
loram and dispositionis*' zu denken iut, versteht sich von selbt; „scri-
nium** bedeutet hier gewiss so ziemlich dasjenige, was wir heutzutage
unter dem Archiv ^er Behörde verstehen. Suidas s. v. : cpKlviov Y<^p
öpucppaicTÖv Adpvaxa xaXoOci ol 'Pw^atot. cxpividpioc ö ti^v KaTaypa-
qpfjv Tiiiv ^Hcrdcewv Iv Totc CKpivioic 5iaq>uXdTTWv.
4) Aur. 8, 1: Inueni nuper in Ylpia bibliotheca inter linteos libros
epistolam diui Valeriapi . . .
5) Cass. Dio LXVIII 16, 2: KaTecK€uac€ hk xal ßißXCuiv dnoSi^Kac.
6) Gellius XI 17, 1: sedentibus forte nobis in bibliotheca templi
Traiani.
7) Prob. 2, 1: Vsus autem sum praecipue libris ex biblio-
theca Vlpia, aetate mea thermis Diocletianis, et item ex domo Tibe-
riaiia.
8) Prob. 2, 1, 8. vorige Anm.
9) Als „domus Tiberiana" wurde noch nach dem Neronischen
Brande ein Theil des Complexes von Kaiserpalästen auf dem Palatin
bezeichnet. Becker I 430. Die von Vopiscus erwähnte Bibliothek
nennt auch Gellius XIII 20, 1: cum in domus Tiberianae bibliotheca
sederemus .... Vielleicht war sie an die Stelle der Palatina getreten,
die in dieser Zeit nicht mehr erwähnt wird. Becker a. a. 0. N. 875.
10) Firm. 7, 6: Hadriani epistolam ponam ex libris Phlegontis liberti
eins proditam.
32 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
beschlusS; dem zu seiner vollen Gültigkeit nichts fehlte^) nnd
dann die schriftliche Fiximng dieses Beschlusses. Diese»
Actenstück enthielt die Namen der Consuln^); das Datum
(Tag und Ort) der Verhandlung '), dann die Bezeichnung der
Urkunde als senatusconsultum ^ eventuell als auctoritas^),
dann den Namen dessen, der den Senat befragt*) und die
Namen der Mitglieder des Bedactionsausschusses (qui scribendo
aff'uertmtj^)] nun erst folgte die Angabe des Gegenstandes
der Verhandlung, wer ihn zur Sprache gebracht, und wer
darüber referirt habe'), und endlich der eigentliche Beschluss.^)
Bei Vopiscus hat aber der Ausdruck „senatusconsultum" entwe-
der eine weitere Bedeutung, indem er darunter offenbar die
eigentlichen Senatsverhandlungen versteht"), oder er ver-
wechselt in flüchtiger, oberflächlicher Weise „senatusconsul-
tum" und „acta senatus." Aufbewahrt wurden die senatuscon-
sulta seit dem Jahre 304 d. St. im Tempel der Ceres*®), später
im Aerarium*'), zur Zeit des Vopiscus aber in der ulpischen
Bibliothek, wo derselbe das officielle, vom Kaiser eigenhän-
1) Lange II 361. Becker II 2, 441.
2) Hübner de senatus populique Romani actis (im dritten Supple-
mentband der Jahrbücher für Philologie und Paedagogik, neue Folge) 573.
3) a. a. 0. 674 f.
4) a. a. 0. 575.
5) a. a. 0. 576.
6) a. a. 0. 5S1.
7) a. a. 0. 677.
8) Lange a. a 0. 363.
9) Aur. 19, 1; 41, 3. Tac. 7, 7: sed inde deduetus (seil. Tacitus)
huic. s. c. interfuit. Tac. 8, 1, s. S. 33 Anm. 1. Prob. 7, 1: . . in senatu
Tacitus dixisse, cum eidem offerretur imperium, debere Probum prin-
cipem fieri. sed ego senatus consultum ipsum non inueni. Prob.
11, 5 ff.
10) Liv. III 55: Institntum etiam ab iisdem consulibus (L. Valerio
et M. Horatio), ut senatus consulta in aedem Cereris ad aediles plebis
deferrentur, qnae antea arbitrio consulum supprimebantur vitiaban-
turque.
11) Sneton. Aug. 94: ne senatus consultum ad aerarium deferretur.
Cass. Dio LIV 36, 1: xal Tolc Ta|Li(aic rä bÖYnaxa rd ^Kdcrore T^Tvöfieva
b\ä q>uXaKfic iroietcBai ^KcXcOcBri. Lange I C37, II 364.
II. Literarische Prüfung. 33
dig unterschriebene Exeni})lar eines ,,senatusconsultum" ge-
funden hat. ^)
Als von ihm benutzte Quellen nennt Vopiscus auch
y,acia senatus ac popuW'.'^) Die ,,acta senatus" enthielten
aber ausser den auch bei Abfassung eines senatusconsultum
beobachteten und soeben genannten Formalien die Meinungs-
äusserungen der verschiedenen Senatoren'^), die vom Kaiser
an den Senat gerichteten Erlasse und Briefe (oraiiones et
litteraej, die zwischen dem Senat einerseits und römischen
Behörden oder auswärtigen Fürsten andrerseits geführte Cor-
respondenz, und dann natürlich die gefassten Beschlüsse.^)
Während also das senatus consultum wesentlich nur der Aus-
druck des aus den Verhandlungen hervorgehenden Resultates
war, waren die acta senatus ein wirkliches Protocoll der
Verhandlungen selbst und enthielten sogar die diesen zu
Grunde liegenden Actenstücke, die heutzutage im Protokoll
nur kurz vermerkt und in ihrem ganzen Umfange demselben
als „Beilagen" oder „Akten" angefügt werden.
Die VeröflPentlichung der acta senatus, die von Caesar
angeordnet worden war^), wurde von Augustus untersagt®);
das Protocoll, das natürlich doch geführt wurde, wurde wol,
wie die senatusconsulta, im Aerarium aufbewahrt.
3. Acta populi ein wie die acta senatus ebenfalls von
Caesar definitiv in's Leben gerufenes Institut^), dieselben ent-
1) Tac. 8, 1: habet in bibliotheca Vlpia in armario sexto librum
elephantinum , in quo hoc senatus consultum perscriptum est, cui Ta-
citus ipse manu sua subscripsit. nam diu haec senatusconsulta quae
ad principes pertinebant in libris elephantinis scribebantur.
2) Prob. 2, 1. Es kann hier natürlich nicht der Ort sein, mich
näher darüber auszulassen, ob erst die betreffende Verordnung Caesars
(8. Anm. 5) die acta senatus schuf, oder nur die Veröffentlichung der-
selben festsetzte.
3) Hübner a. a. 0. 676 ff.
4) a. a. 0. 571.
ö) Suet. lul. 20: . . . instituit, ut tarn senatus quam populi diuma
acta confierent et publicarentur.
6) Suet. Aug. 36 : auctor . . . fuit . . ne acta senatus publicarentur.
7) Suet. lul. 20, 8. Anm. 5.
Unlersuch. z. Rom. Kaisergrsch. IL 3
34 Julius Brunner : Vopiscua Lebensbeschreibungen.
hielten ausser städtischen Nachrichten solche über Vorgänge
in der kaiserlichen Famüie und über Staatsangelegenheiten,
namentlich aus dem Senate*), soweit es natürlich für geeig-
net gehalten wurde, solche Dinge in's Publicum zu bringen;
doch' scheinen sich die Mittheilungen wesentlich nur auf
städtische Angelegenheiten beschränkt zu haben. ^) Diese
Nachrichten wurden wol von Zeit zu Zeit nach Tagen ge-
ordnet, auf weisse Tafeln geschrieben und öffentlich ausge-
stellt.^). Ob vielleicht ein officielles Exemplar angefertigt
und aufbewahrt wurde oder nicht, ist ebenso wenig zu sagen,
als die Beamten zu bezeichnen sind, deren Händen die
Redaction derselben anvertraut war."*) Vielleicht hat man,
wie es heutzutage noch mit Zeitungen zu geschehen pflegt,
Copien dieser acta ganz oder theilweise gesammelt, und waren
solche Sammlungen in Bibliotheken, wie der ulpischen und
der im Palaste des Tiberius aufbewahrt..
4. Regesia scribarum porticus porphyreiicae y Zusammen-
stellungen von offenbar amtlichem Charakter, über die es mir
aber unmöglich war weiteren Aufschluss zu erlangen. Nach
Forcellini kommt der Ausdruck „regesta^' nur noch einmal vor')
und bedeutet: res muUae in unum coUeciae et in tabulas et com-
mentarios reiatae/' Die „porticus porphyretica" hält Hübner')
für identisch mit der „Purpuretica in foro Traiani", die auf
Inschriften erwähnt wird.^)
5. Die Ephemerides^)y d. h. Tagebücher über die Ereig-
nisse des kaiserlichen Hauses, auch commentarii^^) oder com-
1) Hübner a. a. 0. 619.
2) a. a. 0. 620.
8) a. a. 0. 621.
4) a. a. 0. 622.
5) Prob. 2, 1: usus etiam regestia scribarum porticus Porphyretiae.
6) Prud. iT€pl CT€(pdv. X 1131: in regestis est über caelestibus.
7) a. a. 0. 669.
8) Orelli 3832.
9) Aur. 1, 6; Prob. 3, 4; 5, 1; Car. 4, 4.
10) Suet. Aug. 64, Domit. 20. C. Plini Caecili Secundi ad Traia-
num imp. Traiani imp. ad Pönium epistularum über. 106 ed. Keü,
IT. Literarische Prüfung. 3;")
mentarii principales^) geimiiiit. Diejenigen aus der Zeit
Aureliau's waren nebst andern auf ihn bezüglichen Acten-
stücken^) auf Leinwand geschrieben^); daher die von Vopiscus
oft angezogenen ,,libri lintei"^); sie wurden ebenfalls in der
ulpischen Bibliothek aufbewahrt*), die, wie wir gesehen
haben, eine Reihe mannigfacher amtlicher Schriftstücke ent-
hielt, weshalb die Benutzung derselben vielleicht nur auf
ausdrückliche Erlaubniss des Stadtpräfecten hin gestattet war. ®)
Für die Biographie des Probus benutzte Vopiscus die
Ephemeris des Turdulus Gallicanvs, eines schon bejahrten,
ihm befreundeten Mannes, dessen Ehrenhaftigkeit und Auf-
richtigkeit er lobend anerkennt"); derselbe war wahrschein-
lich Redactor der Ephemeris — procurator ab ephemeride^)
— unter Probus gewesen.^)
6. Die hella characiere historico digesta^^) scheinen —
nach der Art und Weise zu schliessen, wie sie der Stadt-
1) Tacit. bist. IV 40.
2) Aur. 1, 6 u. 7: ephemeridas illius uiri scriptas habemus, etiam
beUa charactere historico digeeta additis qiiae ad uitam per-
tinent. quae omnia ex libris linteis, in quibus ipse cotidiana sua ecribi
praeceperat, pro tua sedulitate condisces.
3) Aur. 1, 6, B. Anm. 2.
4) Aur. 1, 7 u. 10; 8, 1 und wohl auch 24, 7: in Vlpiae biblio-
thecae libriB relegi.
5) 8. Anm. 4.
6) Schlosser in seinem und Bercht Archiv für Geschichte und Li-
teratur I 88; vergl. Aur. 1,7: curabo autem, ut tibi ex Vlpia biblio-
tbeca et libri lintei proferantur.
7) Prob. 2, 2: et quoniam me ad colligenda talis uiri gesta ephe-
meris Turduli Gallicani plurimum iuuit, uiri honestissimi ac sincerissimi,
beneficium amici^Benis tacere non debui.
8) vergl. die Inschrift bei Friedländer, Darstellungen aus der Sitten-
geschichte Korns u. 8. w., I 158 1. Aufl.
9) Friedländer a. a. 0. 159 glaubt, derselbe habe „auf Grund dieser
Tagebücher" eine Biographie des Probus in Tagebuchform geschrieben,
wie PalfiiriuB von Gallien (Gallieni duo 18, 6: legat Palfi^ium Suram,
qui ephemeridas eins uitae comj^osuit). Diese Ansicht mag, was Pal-
furius Sura betrifft, gewiss richtig sein; in Betreff des Turdulus Galli-
canus nur möglicherweise, da die betreffende Stelle (Prob. 2, 2) eine
solche Deutung wenigstens nicht fordert.
10) Aur. 1, 6, 8. Anm. 2.
3*
36 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbescbreibungen.
präfect Junius Tiberianus in dem betrefiFenden Gespräch mit
Vopiscus mit den Ephemeriden in Verbindung setzt') —
eine, yielleicht von Aurelianus selbst veranlasste, wenn auch
nicht in ihrem ganzen Umfange, so doch in ihren einzelnen
Theilen zusammenhängende^) Darstellung der von diesem
Kaiser geführten Kriege zu sein.
Die bis jetzt aufgezahlten und besprochenen Quellen bil-
den gewissermassen eine geschlossene Gruppe, indem sie
einerseits bloss Material boten, andererseits durchgängig einen
streng amtlichen Charakter tragen. Schon etwas mehr, wenn
auch wohl nicht zu viel verarbeitet, und nicht von so streng
officiellem, zum Theil aber (N. 9) von jedenfalls officiosem
Charakter sind die folgenden, von denen wir leider aber
nicht mehr wissen, als was sich aus den scriptores historiae
Augustae, zumal Flavius Vopiscus selbst, zusammensuchen lässt.
7. CalUcrates von Tyrus, „weitaus der gelehrteste unter
den griechischen Schriftstellern"^); aus ihm scheint Vopiscus
hauptsächlich Wundergeschichten, besonders für den Aure-
lian *) geschöpft zu haben ; wenn ihm Vopiscus deswegen das
Lob der Gelehrsamkeit zuerkennen sollte, so wäre dies wie-
derum recht bezeichnend für den Mann und ein weiterer Bei-
trag zu den oben (S. 34) für die Charakteristik unsers Autors
zusammengestellten Daten.
8. TheocUuSy ein Geschichtschreiber der Kaiserzeit.*)
9. Acholius , Hof beamter — magister admissionum — des
Valeriana), von dessen „Acta" Vopiscus das neunte Buch citirt,
aus welchem er die Beschreibung der Feierlichkeiten schöpft,
1) a. a. 0.
2) a. a. O. : quae velim accipias et per ordinem scribaa.
3) Aur. 4, 2: Callicrates Tyrius, Graecorum longe doctissimus
Bcriptor; citirt a. a. 0.: 4 idem. 6: addit. 7: idem auctor est. 5, 1: in
eodem.
4) Aur. 4 u. 5.
5) Aur. 6, 4: Theoclius, Caesareanorum temporum scriptor; citirt
a. a. 0. 6: Bupra scriptus auctor.
6) Aur. 12, 4: quam fidei causa inserendara credidi ex Übris
Acboli, qui magister admissionum Valeriani principis fuit, libro acto-
rum eius nono.
II. Literarische Prüfung. 37
die bei der Adoption des Äorelian durch Ulpius Grinitos statt-
fanden. ') Er ist wol, wie auch Salmasius^) vermuthet, iden-
tisch mit dem von Aelius Lampridius citirten AcholiuS; der
das Leben und die Reisen des Kaisers Alexander Severus be-
schrieben hat.^) Was nun die von Vopiscus angeführten
„Acta*' des Achohus gewesen sein mögen ^ wird sich schwer
genau sagen l^sen. Ich glaube ; es waren eine Art Memoi-
ren , die sich auf Aufzeichnungen stützten, welche mit den Er-
eignissen gleichzeitig waren , und die der Verfasser entweder
aus Priyatinteresse machte , oder weil dies ein Theil seiner
amtlichen Thätigkeit war. Damit ist aber auch Alles gesagt^
was sich etwa aus dem yon Vopiscus erhaltenen Fragmente
dieser ^^Acta^' über dieselben errathen lässt.
10. Nicomachus, Dollmetscher der Zenobia, der seiner
eigenen Aussage gemäss einen yon dieser dictirten Brief an
Aurelianus aus dem Syrischen in's Griechische übersetzt hat. ^)
Sonst ist nichts über ihn bekannt.
11. Suetonius Opiatianus, Verfasser einer sehr einläss-
liehen Biographie des Kaisers Tacitus. ^)
12. Aurelius Fesitvus, ein Freigelassener des AureliaU;
schrieb, sehr in's Detail gehend, über Firmus.^)
13. Marcus Salvidienus , dessen Autorität Vopiscus für
eine von ihm aufgenommene Rede des Satuminus anführt.^)
1) Aur. 13 u. 14.
2) zQ d. Stelle.
3) Ael. Lampr. Alex. Seuer. 48, 7: contra autem et Septimius et
Acholius et Encolpios uitae scriptores; a. a. 0. 64, 5: Acholioin, qui
et itinera huios prineipis scripsit. Citirt a. a. 0. 14, 4.
4) Aur. 27, 6: Eanc epistulam Nicomachus se transtulisse in Grae-
cum ex lingua Syroram dicit ab ipsa Zenobia dictatam. MüUer,
fragmm. histt. Graecc. III 664 glaubt, er habe eine „uita Aureliani^^
gescbieben, Oberdick, Ztschr. f. öst. Gymn. XTV 747, wohl mit mehr
Recht eine „Tita Zenobiae".
5) Tac. 11, 7: Suetonium Optatianum, qui eins uitam adfatim
Bcripsit.
6) Firm. 6, 2: quae de ülo Aurelius FestiuuB, libertus Aureliani,
smgülatim rettulit.
7) a. a. 0. 10, 4: Marcus Saluidienus hanc ipsiue orationem uere
foisee didt.
38 Julius Brunner: Vopiscus LebensbeBchreibungen.
14. Onesimus , der eine sehr fleissige Biographie des
Kaisers Probus lieferte^); merk'würdiger Weise nennt Vopiscus
diese aber weder unter den von ihm für den Probus benutz-
ten Quellen'), noch überhaupt im Verlaufe desselben, sondern
erst in der Biographie des Bonosus, eines von Probus über-
wundenen Usurpatoren, und in der des Carus. ^) Ob Vopiscus
ihn für den Probus noch nicht benutzen konnte, oder nament-
lich anzuführen vergass, ist nicht zu sagen. Eine andere
Schrift dieses Autors ist es wahrscheinlich, die Vopiscus im
Garus citirt. Vopiscus macht ihm den Vorwurf, dass er über
das ausschweifende Leben des Carinus Einzelheiten bringe,
welche das sittliche Gefühl verletzten.^)
15. Fabius CerylUanm, der über die Zeiten des Carus,
Carinus und Numerian schrieb^), und
16. Fulvfus Asprianus, der in „ekelhafter" Breite die
Thaten des Carus besprochen hatte. ^)
Neben diesen schriftlichen Aufzeichnungen floss ihm aber
auch noch die Quelle mündlicher Ueberlieferung: sein Gross-
vater lieferte ihm^ aus dem Schatze seiner persönlichen Er-
innerungen einige Beiträge^); vor allem verdanken wir diesem
die Schilderung der Erhebung des Diocletian und einige Züge
aus dem Privatleben dieses Kaisers^); einen Ausspruch des
Diocletian hat Vopiscus aus dem Munde seines Vaters erfah-
ren.^) In Betreff des ApoUonius von Thyana, der dem Aure-
1) a. a. 0. 14, 4: ut Onesimua dicit, ^scriptor uitae Probi. Car.
4,2: Onesimus enim, qui diligeutiBsime uitam Probi scripsit.
2) Prob. 2, 1 u. 2.
3) Firm. 13, 1; 14, 4; Car. 4, 2; 7, 3; 16, 1; 17, 1.
4) Car. 16, 1: pudet dicere quod in litteras OnerimuB rettulit.
5) Car. 4, 3: Fabiuß Ceryllianus, qui tempora Cari Carini et Nu-
meriani solertiasime pcrsecutus est.
6) a. a. 0. 17, 7: legat etiam Fuluium Asprianum usque ad tac-
(Uum gestorum eius uuiuersa dicentis.
7) Firm. 9, 4 (s. S. 1 Anm. 3); 16, 4; Car. 13, 3 (s. S. 2 Anm. 1);
15, 1 u. 5 (s, S. 2 Anm. 3).
8) Car. 13—15.
9) Aur. 43, 2 (s. S. 2 Anm. 4).
II. Literarische Prüfung. 39
lian während der Belagerung dieser Stadt erschienen sein und
ihn zur Milde ermahnt haben soll, beruft er sich auf „gewich-
tige Männer."*) In Bezug auf eine von Äurelian angeord-
nete tägliche Brodvertheilung^) stützt er sich ausser auf
geschichtliche üeberlieferung auch auf die im Volke noch
fortlebende Tradition.^)
Ausser diesen die Quellen genau bezeichnenden Gitaten
finden sich aber auch manche bald mehr, bald weniger un-
genaue: libri Graeci^), Graeci^), plures^), nonnulli'), histo-
rici®), alii®), fertur*®), perhibetur ' *), dicitur*^), multi*^), fere-
batur*^), plerique^^), quidam'^), unus Graecorum*'), plerique
Graecorum **), alius^®), praedicatur-®); er citirt auch gelegent-
lich aus dem Gedächtniss.'^*)
Das Quellenmaterial , auf dem die Darstellung des Yopis-
1) a. a. 0. 24, 7: haec ego et a grauibus uiris conperi.
2) Aar. 35, 1.
3) a. a. 0.: quod et memoria tenet, et fides historica frequentauit.
4) Aur. 1, 9; 15, 2.
6) Aur. 1, 10; 16, 2.
6) Aur. 3, 1; Car. 8, 2.
7) Aur. 3, 1; 39, 9.
8) Aur. 16, 2.
9) Aur. 16, 2; 48, 3; 49, 3; Tac. 13, 5; Firm. 14, 1; Car. 7, 1;
8, 2.
10) Aur. 22, 6; 24, 3; 30, 4; 48, 3; Tac. 9, 6; Prob. 17, 5; Firm.
4, 2; 11, 2; 12, 2; Car. 11, 3.
11) Aur. 30, 3; Firm. 30, 2.
12) Aur. 30, 3; 33, 3; 39, 8; Tac. 9, 8; Firm. 9, 4; 15, 4; Car.
7 2.
' 13) Aur. 33, 3; 37, 5; 48, 3; Prob. 3, 3; Firm. 5, 2.
14) Aur. 33, 3.
16) Aiu*. 39, 9; 49, 3; Tac. 7, 5; Car. 4, 1; 6, 1; 9, 1.
16) Prob. 3, 2; 7, 5; Firm. 11, 1.
17) Prob. 3, 3.
18) Firm. 3, 1.
19) Firm. 13, 1.
20) Car. 11, 2.
21) Aur. 5, 1, 8. S. 24 Anm. 2; 3, 2: legisse me memini auctorem.
Aur. 15, 2: memini, me in quodam libro Graeco legisse. Prob. 3, 4:
quod in ephemeride legisse me memini. Car. 4 , 4 : in ephemeride qua-
dam legisse memini.
40 Julius ßrunner: Vopiscus Lebcusbeschreibungen.
cus fusst, ist, wie aus dem bisher Gesagten zu ersehen ist,
im Grunde ein vortreffliches. Es besteht aus Berichten von
Augen- und Ohrenzeugen (S. 38 und N. 9. 10), Aufzeich-
nungen von mehr oder weniger streng amtlichem Charakter
(N. 1 — 6); bereits vorhandenen Bearbeitungen des Stoffes,
deren Entstehungszeit derjenigen der Ereignisse selbst noch
viel näher liegt, da schon Vopiscus denselben zeitlich so nahe
steht, und die dieser als fleissige und eingehende zu bezeich-
nen nicht umhin kann (N. 7, 8, 11 — 15).
3. Quellenbenutzung«
Der Grad, in welchem die von Vopiscus benutzten Quel-
len für uns noch erkenntlich sind, ist ein sehr verschiedener :
er bringt, wie wir soeben gesehen haben, eine ganze Menge
von Citaten, die bald mehr, bald weniger allgemein gehalten
sind. Dagegen führt er oft seine Quelle namentlich an^),
citirt das „Buch" der „Acta" des Acholius^); die Briefe haben
mit wenigen Ausnahmen^) die volle Aufschrift; bei Senate-
Verhandlungen ist immer das Datum und beinahe ausnahms-
los der Ort verzeichnet.^) Mehrere Male führt er den Ort
an, wo er gewisse Documente gefunden hat: das Archiv der
1) Aur. 4, 2: Callicrates Tyriua dicit. Aur. 4, 4:
idem dicit. Aur. 4, 6: addit (scü. Callicrates Tyrius). Aur. 4, 7:. idem
auctor est. Aur. 5, 1; multa superflua in eodem legisse memini; quippe
qui etc. Aur. 6, 4: refert Theoclius . . . Aur. 27, 6 s. S. 37 Anzn. 4.
Aur. 43, 2 s. S. 2 Anm. 4. Tac. 9, 2, 3, 4 u. 6: in eadem oratione.
Tac. 11, 7 8 S. 27 Anm. 6. Prob. 3, 4 s. S. 39 Anm, 21. Prob. 6, 1:
Nunc quantum ex ephemeride colligi potuit. Firm. 9, 4 s. S. 1 Anm. 3.
Firm. 10, 4 s. S. 37 Anm. 7. Firm. 13, 1: ut Onesimus dicit. Firm.
14, 4: 8. S. 38 Anm. 1. Firm. 15, 4: ut et avus mens dicebat. Car.
4, 1: Onesimus contendit. Car. 4, 3: sed Fabius
Ceryllianus adserit. Car. 4, 4: s. S. 39 Anm. 21. Car.
7, 3: quod Onesimus dicit. Car. 13, 3 s. S. 2 Anm. 1. Car. 16, 1 u. 6
8. S. 2 Anm. 1. Car. 16, 1 s. S. 38 Anm. 4. Car. 17, 6: ut Onesimus
dicit. Car. 17, 7 s. S. 38 Anm. 6.
2) Aur. 12, 4 s. S. 36 Anm. 6.
3) Aur. 7, 5 u. 11. Prob. 6, 5. 10, 6. 15, 1. 17, 5.
4) Aur, 19, 1: Die tertio iduum lauuariarum. Aur. 41, 3. cum die
III nonarum Fcbruariarum senatus amjjlissimus in curiam Pompiliauam
n. Literarische Prüfung. 41
Stadtpräfectur *), die ulpische Bibliothek^ ja sogar den Schrank
in derselben^); im Anfang des Aurelian und Probus gibt er
ein Verzeichniss der von ihm dazu benutzten Quellen^); es
ist daher gewiss nur ein Zufall, wenn er an einer Stelle^)
die Quelle, die ihr zu Grunde liegt, nicht geradezu nennt.
Das Schema, nach welchem Vopiscus seinen Stoflf ein-
getheilt hat, ist, wie schon Heyne bemerkt^), das nämliche,
nach welchem der als Muster angeführte^) Suetonius gearbei-
tet hat. Nach einer Einleitung, worin er entweder die Ver-
anlassung zur Abfassung der Schrift erzählt"), oder die sonst
litterarisches ^) oder historisches^) Raisonnement oder beides
zusammen ^^) enthält, bespricht er zunächst das Leben der
betreffenden Kaiser vor ihrer Thronbesteigung^^), dann die
Art und Weise, wie sie ihr Regiment geführt haben, zunächst
nach aussen ^2), dann innen ^^), und schliesslich ihr Privat-
leben. ^»)
Am umfangreichsten ist der Aurelianus ausgefallen, we-
niger Probus, trotz der längern Regierungszeit dieses Kaisers
und der Vorliebe, mit der unser Autor an die Biographie
conuenisset. Tac. 3, 2: Die VII kal. Octob. cum in curiam Pompi-
lianam ordo amplisBinius consedisset ... Prob. 11, 5: Die III non.
Feb. in aede Concordiae . . .
1) Aur. 9, 1 8. S. 31 Anm. 8.
2) Aur. 8, 1: Inueni nuper in Vlpia bibliotheca inter linteos libros
epistolam divi Valeriani . . . Tac. 8, 1 u. 2 s. S. 33 Anm. 1.
3) Aur. 1, 6 u. 7, 9 u. 10; Prob. 2, 1 u. 2.
4) Tac. 3 — 8. Quelle sind entweder die acta senatus oder die acta
popuü, oder beide zusammen; für 7 u. 8 (Kedcn des Stadtpräfecten
Aelios Cesettianus , des Gardepräfecten Moesius Gallicanus und des
Kaisers Tacitus selbst) jedoch nur die acta populi.
5) „censura sex scriptorum historiae augustae'' in opp. acc. VI 60.
6) Prob. 2, 7 8. S. 21 Anm. 7. Firm. 1, 1 s. S. 21 Anm. 8.
7) Aur. 1 u. 2.
8) Firm. 1.
9) Tac. 1. Car. 1—3.
10) Prob. 1 u. 2.
11) Aur. 3—17; Prob. 3—9; Car. 4—6.
12) Aur. 18—36; Tac. 13; Prob. 10—18; Car. 7, 8, 12, 13.
13) Aur. 38, 39, 46—48; Tac. 9, 10; Prob. 19; Car. 19, 20.
14) Aur. 49, 50; Tac. 11.
42 Julius Brunner: Vopißcus Lebensbeschreibungen.
desselben gieng^), wofür der Hauptgrund wol in dem auch von
ihm beklagten Mangel an Qüelleu liegt.*) Innerhalb des
eben im Ganzen und Grossen angedeuteten Rahmens nun be-
wegt sich die Darstellung des Yopiscus. Einen verhältniss-
massig grossen Baum nimmt die wortliche ^ theils vollstän-
dige^), theils auszugsweise*) Wiedergabe der Quellen ein.
Oft sind dieselben nur so leicht überarbeitet, dass man
mit einiger Sicherheit vielleicht ihren Wortlaut wieder
herstellen könnte.^) Wenn er die Quelle vollständig mit-
theilt, so liebt er es entweder vor*), seltener aber
1) Tac. 16, 7 : Haec ego in aliorum uita de Probo credidi praelibanda,
ne dies hora momentum aliquid dbi uindicaret in me necessitate fatali
ac Probo indicto deperirem. Prob. 21, 1: Long^us amore imperatoris
optimi progredior quam pedeetris sermo doBiderat.
2) Prob. 1,3; Probum principem Bcriptorum in-
opia iam paene nescimus.
3) Aur. 7, 8, 9, 11, 12, 17, 20, 23, 26, 3 u. 7; 27, 31, 38, 41,
1 u. 3; 47. Tac. 3—8, 18, 19; Prob. 4, 1 u: 3; 6, 6; 6, 2 u. 6; 7, 3;
10, 6; 11,2 u. 5; 12, 16, 17, 6. Firm. 8, 10, 12, 7; 16, 6 u. 8. Car. 4.
4) Aur. 16, 1; 20, 1. Tac. 19, 6. Prob. 6,* 1, 8, S. 26 Anm. 6.
Tac. 11, 7, 8. S. 27 Anm. 6. Tac. 7, 4: et reliqua quae solent dici.
Firm. 6, 6: et reliqua. Car. 6, 1: inter cetera. Gar. 6, 3: et reliqua.
Car. 8, 6: inter cetera.
5) Aur. 4. Tac. 9, 2 ff.
6) Aur. 9, 1: Yaleriani . . epistola, quae laudes illius continet.
Aur. 26 , 2 : Epistula in qua de buius belli difBcultate ultra pu-
dorem imperialem fatetur. Aur. 26, 6: Litt6ra8 ad Zenobiam misit
deditionem illius petens. Aur. 27, 1 s. S. 13 Anm. 2. Aur. 31, 4: cru-
delitas denique Aureliani eatenus extitit ut epistula eiu8 feratur
confessionem immamssimi furoris ostentans . . . Aur. 38, 3: Fuit sub
Aureliano etiam monetariorum bellum Felicisaimo rationali anctore.
quod acerrime seuerissimeque conpescuit septem tamen milibus Buonun
militum interemtis , ut epistola docet .... Aur. 47 , 1 : Panes urbis
Romae uncia de Aegyptio uectigali auxit, ut quadam epistula
ipse gloriatur. Tac. 12, 1: singuli denique senatores ad suos scriberent^
nee ad suos tantum sed etiam ad extemos, mitterentur praeterea litterae
ad proviucias : scirent omnes socii omuesque nationes, in antiquum sta-
tum redisse rem p. ac senatum prineipes legere, immo ipsum senatum
principem factum, leges a senatu petendas, reges barbaros senatui
supplicaturos , pacem ac bella senatu auctore tractanda. nequid
vergl. S. 26 Anm. 1. Prob. 3, 6: extat epistola Yaleriani . . qua Pro-
bum laudat adhuc adolescentem et imitatloni omnium ])roponit. Prob.
6, 6: qui Probo decimanos tradidit sub buius modi teslimo-
II. Literarische Prüfung. 43
nach*) der wörtlichen Einfügung der Quelle in ein paar
Worten gewissermassen die Quintessenz derselben zu ge-
ben. Diese Manier^ stellenweise die Darstellung durch
Eiinführung des rohen Quellenmaterials zu ersetzen, so-
wie das Anbringen von Anekdoten und Auslassungen, die,
wie wir oben gesehen, oft nur sehr lose mit dem gerade zu
behandelnden Gegenstand zusammenhängen, das Nachtragen
von Vergessenem und üebergangenem^), das Einflechten von
Reflexionen 3), stören den Fortgang der Darstellung, zumal da
oft ihr Umfang in keinem Verhältniss steht zu demjenigen
der Gesammterzählung. Vopiscus ist, wie wir sehen, seinem
Vorsatze, der künstlerischen Gestaltung des Stofies keine
Rücksicht zu tragen, treu geblieben und der einzige Stand-
punkt, von dem aus wir seine Kaiserbiographien beurtheilen
und werthen dürfen, ist derjenige, den er selbst uns anweist,
indem er seine Darstellungen als blosses Material bezeichnet. ^)
B. Specieller Theil.
Wir gehen nun zur eingehenden Prüfung der von Vopis-
cus gebrachten Nachrichten über, wodurch wir nicht nur ein
vollständigeres Bild unsers Autors, sondern auch, soweit es
möglich ist, eine klare Erkenntniss der von ihm berührten
Ereignisse zu gewinnen versuchen werden. Ich werde die
Angaben des Vopiscus der Einfachheit wegen in der Beihen-
nio. Car. 4,5: ipse . . . . ut epistola eius indicat Ro-
manuB uolt uideri.
1) Aur. 8, 5: Haec epietula indicat, quantae fuerit seuentatis, ut
illam Yalerianus etiam timuisse so dicat. Aar. 11, 10: His quoque lit-
teris iudicatur, quantus fuerit Aurelianus . . . Aur. 31, 10: Hae litterae,
ut nidemus, iudicant eatiatani esse immanitatem principis duri. Prob.
6, 7: £x quo intellectmn est, Aurelianum in animo hoc habuisse, ut, si
quid aibi scienti prudentique eueuiret, Probum principem faceret.
2) Aur. 37, 5; 38, 1; Tac. 16, 1—6.
3) Aur. 3, 2 — 5; 15, 3—6; 24, 8 — 9; 42. 43. Tac. 16, 6. Prob. 22.
23. Firm. 6, 3 ff.
4) Gar. 21, 2 s. S. 25 Anm. 2.
44 .TiiliiiB Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
folge untersuchen ; in der sie uns derselbe bietet und dann
am Schlüsse das Gesammtresultat formiren.
1. Aurelianus.
3,1 und 2 stellt Vopiscus die verschiedenen, wenn auch
nicht weit auseinandergehenden Notizen über den Geburtsort
Aurelian's zusammen ; er entscheidet sich für keine derselben
ausdrücklich; er hält es überhaupt für unwichtig, solche
Dinge genauer zu untersuchen und argumentirt mit Plato,
Aristoteles, Zeno und Anacharsis. Man denkt heutzutage
darüber freilich ganz anders und mit Recht. ^) Wenn eine
Version Aurelian in der „Dacia Ripensis" geboren werden
lässt, so mag dies darauf beruhen, dass Aurelian bekannter-
massen der Gründer der, später wenigstens, so genannten
Provinz „Dacia Ripensis" wurde ^), und sie daher vielleicht,
eine Zeit lang wenigstens, seinen Namen trug.') Die be-
treffende Notiz des Vopiscus ist freilich sonst nirgends bezeugt,
findet aber gewiss dadurch eine Bestätigung, dass eine Ueber-
lieferung entstehen konnte, welche, wahrscheinlich fussend
auf dem Namen der Provinz, dieselbe zur Heimat Aurelian's
machte; einige nur hielten Moesien dafür, die Mehrzahl
Sirmium, und Vopiscus selbst scheint sich dieser Ansicht
zuzuneigen, wenn er (Aur. 24, 3) Aurelian als einen „homo
Pannonius'' bezeichnet. Dass er niedriger Herkunft gewesen
sei, sagt Vopiscus selbst noch einmal (Aur. 4, modicis ortus
parentibus) un des stimmt damit eine fernere Nachricht über-
ein, die seinen Vater zu einem Pächter eines Senators Aure-
lius macht.*) Von diesem mag er auch seinen Namen be-
kommen haben.
1) Bernhardt, Geschichte Roms von Valerian bis zu Diocletians
Tode, 144.
2) Jordanis, de bri'viatione temporum, (ö. Wattenbach, Deutach-
lande Geschichtsquellen etc. 51. 1. Aufl.) bei Muratori, scriptt. rerum
Itall. I 233. Aurelianusque imperator, evocatus exinde legionibus in
Moesia collocavit ibique aliquam partem Daciam Mediterraneam Da-
ciamqne Ripeusem constituit.
S) Aur. 39, 7: appellauitque suam Daciam.
4) Aur el Victor ep. 35, 1: Aurelianus, genitus patri mediocri, et ut
II. Literarische Prüfung. 45
4, 2 erzählt Vopiscus, auf Callicrates Tyriiis sich be-
ziehend ^ dass die Mutter des Aurelian Priesterin des Sonnen-
gottes gewesen sei. Die Verehrung, die Aurelianus sein
ganzes Leben lang für diesen gehegt, ist bekannt: er hat
ihm in Rom einen prächtigen Tempel gebaut'), liess einen
bei Palmyra von seinen Soldaten zerstörten Sonnentempel
wieder aufbauen^); einzelne seiner Münzen tragen auf dem
Revers das Bild der Sonne mit der Umschrift: SOL. DOMI-
NVS. IMPERL R0MANL3)
Ob diese Geistesrichtung des spätem Kaisers zurückzu-
führen ist auf Eindrücke, die er in früher Jugend schon
empfangen hat, oder ob das umgekehrte Verhältniss statt-
findet und sein späteres Verhalten der Grund zu dieser Er-
zählung vnirde, ist nicht zu sagen. ^) Uebrigeus war bekannt-
lich der Sonnencult, resp. Mithrasdienst, in den Heeren der
römischen Kaiserzeit sehr verbreitet.
5, 2 spricht er von einer Gesandtschaft nach Persien,
an der Aurelian soll theilgenommen haben, weitere Andeu-
tungen über die Zeit derselben u. s. w. scheint Vopiscus aber
für überflüssig zu halten. Sie muss wol vor der Gefangen-
nehmung Valerian's durch die Perser stattgefunden haben. *^)
7, 1 erwähnt Vopiscus einer WaflTenthat des Aurelian bei
Mainz; wenn ihn Valerianus in einem Briefe (Aur. 8, 4)
^^Galliarum restitutor" nennt, so ist der Ausdruck doch zu
volltonend, wenn er sich nur auf die von Vopiscus bezeich -
quidam ferunt, Aurelii clariBsimi senatoris colono iuter Daciam et Ma-
cedoniam.
1) Aur. 25, 6: et Romae Soli templum posuit malore honorificen-
tia consecratum. a. a. 0. 35, 3: templam Solis fandauit et porticibus
roborauit. a. a. 0. 39, 2: Templum Solis magnificentisaimum constituit.
Ausserdem noch erwähnt: Aur. 1, 3; 10, 2; 28, 5; 48, 4; Tac. 9, 2;
Firm. 3, 4.
2) Aur. 31, 7: templum sane Solis, quod apud Palmyram aquiliferi
legioniB tertiae cum uexüliferis et draconario et comicinibuB atque liti-
cinibus diripuerunt, ad eam formam uolo quae fuit reddi.
3) Eckfael, doctrina numorum Vfl 483.
4) Bernhardt a. a. 0.
6) a. a. 0. 148.
46 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
nete That beziehen sollte. Die Stelle ist aber, wie Bern-
hardt ganz richtig bemerkt ^)^ fragmentarisch und meldet -aus
einer Reihe von Erfolgen nur diese eine Probe personlicher
Tapferkeit.
8. Die Aechtheit dieses Briefes ist bezweifelt worden
von Düntzer^), weil 1) der Adressat^ der Consul Antoninus
Gallus, nicht nachzuweisen sei, 2) der Kaiser Valerian doch
unmöglich seinen Sohn Gallienus dem Aurelian deswegen nicht
habe anvertrauen wollen, weil dieser zu streng sei, während
er ihn dem Posthumus übergab, der doch nach des Valerian
eigenem Urtheil ^) gerade sehr streng sei , 3) Valerian seinen
Sohn, der damals fünfunddreissig Jahre alt war, doch un-
möglich habe als „puer^^ bezeichnen können; daraus schliesst
denn Düntzer, dass der Brief untergeschoben, sei es, dass
Vopiscus der Betrogene oder selbst der Betrüger sei. Der
Umstand, dass der Consul Antoninus Gallus nicht nachzu-
weisen ist, kann auf keinen Fall in's Gewicht fallen; wenn
wir die Aechtheit solcher Briefe davon sollten abhangig
machen, so müsste wol die Mehrzahl der uns von Vopiscus
mitgetheilten als unächt verworfen werden. In den Fasten
werden nur die „consules ordinarii", nicht aber die „consules
suffecti'' aufgeführt^), deren es in jener Zeit bekanntermassen
eine ganze Menge gab, und ein solcher kann doch dieser
Antoninus Gallus gerade gewesen sein.
Die „seueritas'', ferner, die Valerian an der betreffenden
Stelle an Posthumus lobt, ist vermuthlich etwas anderes als die
„seueritas" des Aurelian, von der er für seinen Sohn fürchtet;
bei jenem ist es das, was wir „Strenge" nennen, bei diesem
mehr „Grausamkeit'', bekanntlich ein hervorstechender Cha-
rakterzug dieses Mannes. Der dritte Einwand Düntzer's, dass
1) a. a. 0. 20 Anin. 1.
2) Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden in den Rhein-
landen IV 48.
.S) in einem Briefe: Treb. Pollio, trig. tyr. 3, 9: uirum dignissi-
nium seueritate üallorum.
4) Becker. II .S, 237.
11. Literarische Prüfung. 47
der Kaiser von seinem Sohne und damaligen Mitregenteu
unmöglich habe so sprechen können, wie er es in diesem
Briefe thut, ist allerdings der gewichtigste. Ob aber dess-
halb eine Fälschung darf angenommen werden , ist doch sehr
fraglich. Jeder Fälschung muss irgend ein Interesse zu
Grunde liegen; wer konnte nun ein Interesse daran haben,
einen Brief zu erfinden, der im Grunde nichts weiter ent-
hält als einen neuen Beleg für die grausame Sinnesart Aure-
lians? Jedenfalls nicht Yopiscus, der dieser Belege eine
ganze Menge schon hat*) und diesen neuen jedenfalls nicht
mehr braucht; ebenso wenig die von Vopiscus benutzte
Quelle, die libri lintei^ d. h. die Ephemeriden des Kaisers
Äurelian.^) So lange nicht das Interesse kann nachgewiesen
werden, das der Fälscher hier verfolgte, so lange wird auch
keine Fälschung dürfen angenommen werden. Wir werden
versuchen müssen die Schwierigkeiten hinwegzuräumen, oder
unsere Ohnmacht eingestehen. Den ersten — indirecten —
Erklärungsversuch machte Gasaubonus in einer Anmerkung
zu Treb. PoUio trig. tyr. 3, 1 , in welchem er aber den Gal-
lienus, Sohn des Valerian, und den Gallienus, Enkel des
Yalerian, nicht gehörig unterscheidet. Clinton (11 55,) nahm
einen zweiten Sohn des Valerian an, der ebenfalls Gallienus
geheissen hätte. Die Annahme Clinton's mag doch etwas
zu willkürlich sein und allzusehr blos in der Luft schweben,
und da ein dritter Weg die Schwierigkeit zu losen wol kaum
vorhanden sein wird, werden wir mit Gasaubonus annehmen
müssen, dass hier Valerian von seinem Enkel Salononinus
Gallienus spreche, denselben aber allerdings ungenauer Weise
als „filium^' bezeichne.
9. Der Adressat des hier mitgetheilten Briefes, der Stadt-
präfect Geionius Albinus ist gewiss identisch mit dem Stadt-
präfecten des Jahres 256, Nuramius Albinus.')
1) 8. oben S. 12 Anm. 6.
2) 8. oben S. 35.
3) vergl. das Verzeichniss der Stadipräfecten bei Mommsen, der
Chronograph v. 354. 627.
48 Julius Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
10; 2 usgue adeo ut eiiäm ülpii Criniti
uicetn sumeret. VergL in der Kede des ül-
pius Crinitus (14, 6) . . . quem (seil. Aurelianum) mihi uicariwn
iudicii tut auctoritate fecisti.
13. Memmius Tuscus, consul Ordinarius, ist der Consul
des Jahres 258.^)
15, 2: mandatum esse Crinito a Valeriano, ut Aurelianus
adoptareiury idcirco praecipue quod pauper esset . . . Die Armuth
Aurelians bezeugt Valerian selbst mehrfach, 11, 9: leuanda
est enim paupertas eorum hominum qui diu in re publica Vivan-
tes, pauperes sunt, und 12, 1: cui (seil. Aureliano) consuiatum
detvlimus ob paupertatem . . .
16, 1 : ut post eum (seil. Claudium) Quintillo quoque fratre
interempto solus teneret imperium; mit diesen Worten hat
Vopiscus, sich selbst vielleicht nicht ganz klar bewusst, das
Verhältniss zwischen Aurelian und Quintillus richtig bezeich-
net, indem beide eine Zeit lang neben einander regierten.
Später (37, 5 und 6) bringt er allerdings dann eine deutlich
ausgesprochene Nachricht darüber. Nachdem nämlich Clau-
dius in Sirmium gestorben war^), wurde daselbst Aurelianus
zum Kaiser ausgerufen; ja Claudius selbst soll denselben zu
seinem Nachfolger bestimmt haben '^), zu gleicher Zeit aber
in Italien, wie Vopiscus in der angeführten zweiten Stelle*)
wohl ganz richtig sagt, und unter dem Einfluss des Senates ^),
1) fasti condulares a. a. 0. 622.
2) Stadtchronik bei Mommseu a. a. 0. 648: Excessit Sirmi. Zou.
Xll 26: *€v bä Tip Cip)üi(uj öittTpißujv ö KXaöbioc ^vöcnce . . .-Malalae
XII pag. 299 ed. Bonn, ö h^ aCitöc ßaciXcOc KXauötoc ^v tiS) CipMtiij ifv
TroX€|üiüöv KdK€lc€ TcXcuT^. Chron. Paschale I 508 ed. Bonn. KXaObioc
TcXtuT^ ^v Cip)üi(a;.
3) Zon. a. a. 0. Kai cuTxaXdcac (seil, ö KXaöbioc) tö Xoyi)üii6t€pov
Toö CTpaT€Ö|üiaToc ir€pi ßaciX^wc bieiX^x^n aöxoic, Kai t6v AöpriXiav^v
dEiov Tf^c ßaciXeiac eine TUTXdv€iv. €lcl ö' ol X^touciv, öti Kai aöriKO
ßaciX^a dveiTTCv aÖTÖv.
4) Aur. 37, 6: nam multi ferunt, QuintiUum, fratrem Claudii, cum
in praesidio Italico esset, audita morte Claudii sumpsisse imperium.
Damit stimmt die Stadtchronik bei Mommsen a. a. ü,: occisus Aquileia.
5) Zon. a. a. 0. ?vioi bi X^fouci, ti^v cutkXtitov iv 'Plii^l3 ^aeoO-
cav TOÖ KXauöiou töv edvaxov, KuvTiXiavöv töv d6€Xq)öv ^kcCvov, b\ä
IL Literarische Prüfung. 49
QuintilluS; der Bruder des Claudius. Er scheint aber beim
Heere wenig Rückhalt gefunden zu haben ^ denn sobald die
Erhebung Aurelians bekannt geworden war^ nahm sich Quin-
tillus das Leben. ^)
Diesen Entschluss fesste Quintillus wahrscheinlich in
Folge des offenen Abfalls des Heeres und des vergeblichen
Versuchs dasselbe zum Gehorsam zurückzubringen ^ wie uns
Vopiscus in jener nachträgliehen Notiz weiter meldet.^)
Wenn A^opiscus an diesem Orte die Regienmgszeit' des Quin-
tillus auf zwanzig Tage angibt; so nähert er sich damit der
Mehrzahl der Quellen ^ welche dieselbe siebzehn Tage dauern
lassen ^)^ gegenüber Zosimus^ der sagt; Quintillus hätte we-
t6v irp6c KXa06iov iröeov dSidicat Tf)c ßaciXciac, tö bi CTpariwriKÖv
dvatopeOcai töv A6pr)Xiav6v. Eutr. IX 12: consensu senatus appella-
ins Augustus. Wenn dagegen Polüo (Claud. 12, 3) sagt: ,,delatum sibi
onmium iudicio suscepit imperium, non hereditarium sed merito uirtu-
tum, qui factuB esset imperator, etiamsi frater Claudii principis non
fuisset'S so ist das natürlich nichts als Phrase.
1) Zos. I 47 Kuvt(XXou Kard xivac tu»v XotoitoiOöv Otto tOuv dTiiTii-
6€(ujv cujißouXeuO^vToc, ä^a xCfi Tvuüvai tV)v ßactXeiav AöpT^Xiaviij irapabc-
6ofi4vT)v, ^auTöv öircHoraTclv kqI ^KÖvra rf^c dpx^c dirocrf^vai tCi) iroX-
Xiji Kp£(TTovi. ö bi\ Kai ireicoiriK^vai X^cxai, xuiv iarpuiv tivöc <pX^ßa
T€fi6vToc aÖTip Kai ivböynoc ^cOcai t6 al|ua, ^i^XP^c oöoc ^t^vcto. Zon.
a. a. O. hat eine etwas anders gefärbte Relation . . . ö KuvriXiavöc
ILiaOUiv Tfjv dvdppnciv toO Aöpr|XiavoO, ^auxöv dvctXc, rcfidiv Tfjv
9X^ßa Tf^c olKciac x^^P^^* ^al t^^^kcIOcv toO a\VaToc ^vairo^iOSac {)oQ.
PolUo, der den Bruder seines Helden nicht zu einem feigen Selbst-
mörder stempeln will, lässt ihn durch die Soldaten getödtet werden,
imd deutet das wahre Sachverhältniss nur sehr unbestimmt an. Claud.
12, 5 u. 6: nam septima decima die, quod se grauem et serium contra
militea ostenderat ac uerum principem pollicebatur, eo genere quo
Galba, quo Pertinax interemptus est. et Dexippus quidem Quintillum
non dicit occisum, sed tantum mortuum. nee tamen addidit morbo, ut
dubium sentire uideatur.
2) Aur. 37, 6: uerum postea, nbi Aurelianum comperit imperare, a
toto ezerc^tu eum derelictum; cumque contra eum contionaretur nee a
militibuB audiretur, incisis sibimet uenis die uicesimo imperii sui perisae.
Darauf weisen auch vielleicht die Worte des Treb. Follio a. a. 0.:
„quod se grauem et serium contra milites Obtenderat*' hin.
3) Treb. Pollio a. a. 0.: septima decima die. Zon. a. a. 0: ^irra-
Ka(öeKa ^6vac f^iii^pac 6veipUi£ac üjcirep Ti\y aOrapxiav. Die übrigen
Quellen, z. B. Eutrop, Hieronymus etc., sind abgeleitet.
Untersuch, z. R/iiii. Kaiscrgesoh. II. 4
50 Julias Brunner: Vopiscus Lebensbeschreibungen.
uige Monate regiert J) Die Menge von Münzen des Quin-
tillus, worunter sogar alexandrinische^), spricht für die An-
gabe des ZosimuS; sowie diejenige der Stadtchronik ^) , die
ihm siebenundsiebzig Tage gibt. Da die Version, welche
dem Quintillus jene unverhältnissmässig kurze Regieiiingszeit
beilegt, keine junge ist und sogar bei Trebellius Pollio er-
scheint, so kann sie doch wol nicht aus der Luft gegriffen
sein; ich muss liier aber auf den Versuch verzichten, ihre
Entstehung zu erklären und sie eventuell mit derjenigen des
Zosimus zu combiniren.
Die Reihenfolge, in welcher Vopiscus die Ereignisse dem
Leser vorführt, ist eine confuse: nachdem er in der knapp-
sten Weise vom Tode des Claudius und Quintillus und der
Erhebung des Aurelian gesprochen, kommt er wieder auf
die Zeiten des Claudius zurück (16, 4 und 17), dann wieder
auf die Erhebung Aurelians (17, 4: atque ipse siatim, ui supra
diximusy consensu omnium ^) legionum f actus est imperator), dann
wieder auf kriegerische Leistungen Aurelians unter Claudius
(18, 1) imd den Uebergang zu der Regierung des Aurelian
bildet die Erwähnung von Kämpfen desselben (18, 2), von
denen man nicht genau weiss, ob sie schon unter diesen
oder noch unter jenen fallen, imd in einer nachträglichen
und sehr beiläufigen Notiz ^) endlich spricht Vopiscus dann
eingehender über die Erhebung und den Fall des Quintillus.
Ebenso ist das, was er über den Tod des^Aureolus sagt, im
Grunde unpassend angebracht. Veranlasst wurde er dazu
durch den Umstand, dass unter den mannigfachen Versionen
darüber sich eine findet, nach welcher Aurelian den Aureolus
getodtet hätte, sei es mit, sei es ohne Auftrag des Claudius,
nach einer dritten soll er damals sogar schon Kaiser gewesen
1) a. a. 0. KuvriXXou öXitouc xe ßiuOcavToc ^f)vac.
2) Eckhel a. a. 0. 478.
3) bei Mommaen a. a. 0.: Quintülas imp. dies LXXVII.
4) der Ausdruck „omnium legionum" ist wol etwas zu voll, denn
die Zustimmung der italischen Legionen kam doch erst nachträglich.
ö) Sie wird oing(^leit«t durch die naiven Worte (87, 6): Quia )>or-
tinet ad Aurclianum.
Tl. Literarische Prüfung. 51
seinJ) Vopiscus entscheidet sich für keine derselben^), aber
das musste er, der die Schriften des Trebellius PoUio kennt ^),
wissen und sagen , dass die dritte unmogUch richtig sein
könne, da ja Aureolus noch unter Gaudius umkam.
16, 4. Unter den „Meotides*^ sind vielleicht die unter
Claudius in's romische Gebiet eingebrochenen Völker zu ver-
stehen, die bei Trel)ellius PoUio (Claud. 8, 4 in dem Briefe
des Claudius an Brocehus) Gothen , bei Zosimus (I 42)
Scythen heissen; vergl. im folgenden Briefe (17, 4): ,,ego
aliis rebus occupatus summam belli illius uirtutibus iuis
credo*' mit Treb. Pollio, Claud. g, 2: denique'Scythamm dt-
tiersi poptüi, Peuci GnUungi Austrogoti Virtingui Sigypedes,
Celtae eliam et Erult, praedae cupidiiate in Romanvm solum
inmperunt atque illic pleraque tiastaruntj dum aliis occupa-
tus est Claudius, Die Form Maeotides für „Maeotae^^ oder
Maeotici ist unerhört. Zonaras (XII, 26) sagt von den näm-
lichen Völkern, von welchen Vopiscus hier spricht: ßapßd-
puiv öia TTic MaiuiTiboc biaßdvTuiv. Etwas ähnliches, vielleicht
„a Meotide^^, wie Tac. 13, 2, hat wahrscheinlich in der
Quelle des Vopiscus gestanden, und daraus wurde bei seiner
flüchtigen und oberflächlichen Weise „Maeotides".
18 spricht Vopiscus von den eben erwähnten Kämpfen
gegen Sueben und Sarmaten in so unbestimmter Weise, dass
man nicht weiss, hat Aurelian diese geliefert, als er noch
Feldherr des Kaisers Claudius, oder als er schon Kaiser war.
Wenn wir die Worte: „isdem temporibus'' streng nehmen
wollen, so müsste das erste der Fall sein. Diese Kämpfe
sind in diesem Falle weiter nicht bezeugt und es ist doch
kaum anzunehmen, dass unser Autor die Völker, die, wie
er aus dem Briefe des Kaiser Claudius sehen konnte, Gothen
1) 16 , 2 hoc loco tanta est diuersitas historicorum, et quidem Grae-
corum, ut alii dicaot, inuito Claudio ab Aareliano Anreolum interfectum,
alü mandante ac uolente, alii ab imperatore iam Aureliauo eundem oc-
ciaum, alii uero adhuc priuato.
2) 16, 3: sed haec quoque media relinqaemus, ab ipsis petenda,
per quoB in litteras missa sunt.
3) Aur. 2, 1; Firm. 1, 3.
4*
52 Julius Brunner: VopiscuB Lebensbeschreibungen.
waren ^ die er selbst soeben ;,Meotide8^^ genannt hat^ nun
noch einmal als Sueben und Sarmaten aufführt. Wenn wir
femer die Art und Weise betrachten, in der Vopiseus ohne
jeden Uebergang von den Kämpfen des Aurelian gegen die
in Italien selbst eingebrochenen Volker spricht, die unzwei-
felhaft schon unter die Regierung dieses Kaisers fallen, so
werden wir wol richtig gehen, wenn wir darin Andeutungen
(allerdings sehr ungenügende) von kriegerischen Ereignissen
sehen, die unter Aurelian stattfanden.^) Eine eingehende
Darstellung dieser Ereignisse ist uns erhalten in den zwei
Fragmenten des Dexippus.^)^ Die Volker heissen bei diesem
aber Juthungen (louGouTTOi CkuGqi) und Vandalen (BavöfiXot).
Nachdem Aurelian die ersten an der Donau besiegt, begehren
sie Unterhandlungen mit ihm anzuknüpfen; er bestellt sie
auf den folgenden Tag und empfangt sie dann im vollen
Glänze eines romischen Imperators ; einen Augenblick liessen
sie sich .dadurch imponiren; ihre Ansprache aber war voll
Selbstgefühl, sie rühmten sich ihrer Erfolge, der üner-
schÖpfUchkeit ihrer Streitkräfte und begehrten wieder in ein
freundschaftliches Verhältniss zu den Römern zti treten, vor
allem aber, dass der ihnen bis dahin ausbezahlte Tribut auch
ferner zugestanden werde. Die Antwort Aurelian's war eine
abschlägige, sogar drohende; bestürzt kehrten die Gesandten
zu den Ihrigen zurück. Einen feiten Sieg errang Aurelian
sodann über die Vandalen (bei Zos. I, 48 ZxuOat). Derselbe
scheint jedoch kein vollständiger gewesen zu sein.') Die
Stimmung im Heere war wenigstens für Abschluss des Fne-
dens , der denn auch erfolgte. Die Barbaren stellten Geissein
und 2000 Mann Hülfstruppen; der Rest ihres Heeres wurde
1) Diese nämliche Notiz wird von Bernhardt doppelt ausg^beatet:
das eine mal (S. 128 Anm. 1) sind ihm die Snebi, die von Claudios am
Gardasee besiegten Alamannen (Aur. Vict. ep. 34, 2), die Sarmatae, die
von ebendemselben bekämpften Gotlien; das andere mal (S. 152 Anm. 1)
sieht er darin die Andeutung der von Dexippus geschüderten KSmpfe.
2) Corpus scriptorum historiae Byzautinae ed. Bonnen. I, 11 — 21.
3) Vergl. auch Zos. I, 48: xal pi&xr\c iv Tf| TTaiov^ T€VOfi^vt)C
IcoTraXoOc.
II. Literarische Prüfung. 53
mit Lebensmitteln versehen und bis zur Donau escortirt.
Aurelian aber eilte nach Italien, um gegen die dort einge-
brochenen Juthungen zu kämpfen (bei Zos. I; 40 heissen sie
'AXajiavoi, bei Äurel. Vict. Caes. 35, 2 ebenso; bei Vopiscus
Aur. 18, 2 Marcomannen). *) Wenn Vopiscus die beiden ersten
Feldzüge des Kaisers Aurelian nur so kurz und oberflächlich
berührt, verweilt er um so länger bei der Darstellung der
darauf in Italien sich vollziehenden Kämpfe. Hier ist zunächst
der Name der Marcomannen fälschlich für den der Alaman-
nen gesetzt. ^) Die Niederlage , von welcher Vopiscus gleich
im Anfang (18, 3) berichtet, ist gewiss die nämliche, von
der er weiter unten wieder spricht (21, 1 — S)*^), und von
der er gewiss etwas zu viel sagt, wenn er dadurch das
römische Reich , au den Rand des Abgrundes gebracht werden
lässt. *) Die Nachricht über diese Niederlage bei Piacenza,
die (Jonsultation der sibyllinischen Bücher und die Wirkung
derselben auf den weitern Fortgang des Krieges sind die
einzigen einigermassen eingehenden Nachrichten. Die übrigen
Ereignisse werden mit einer allgemeinen Phrase abgethan ''^),
während uns der Epitomator des Aurelius Victor®) noch von
1) Die Juthungen sind nur ein Theü der Alamannen. Zeuss, die
Deutschen und die Nachbarstämme, 312. Der Bericht des Zosimus
([, 48 u. 49) ist unvollständig und zum Theü verwirrt. Den ersten von
Dexippus berülirten Kampf und die Unterhandhuigen mit den Juthungen
erwähnt er gar nicht, sondern kommt gleich auf den zweiten Feldzug
(gegen die Vandalen) zu sprechen; eine Verwechslung mit der Entschei-
dungsschlacht im ersten Feldzug gegen die Juthungen ist es, wenn er
die Vernichtung der Barbaren in Italien iv xaTc irepl töv 'Icxpov ^cxa-
Tiaic verlegt. Zeuss a. a. 0. 313.
2) Zeuss a. a. 0. 314.
3) Aur. 20, 4: denique nisi diuina ope post inspectionem librorum
sacrificiorumque curas monstris quibusdam speciebusque diuinis inpli-
citi essent barbari, Romana uictoria non fuisset.
4) a. a. 0. 1: tanta apud Placentiam clades accepta est ut Roma-
num paene solueretur imperium.
5) a. a. 0. 18, 6: atque ita barbari restiterunt, quos omnes Aure-
lianuB carptim uagantes occidit.
6) 36, 2: Iste in Italia tribus proelüs victor fuit, apud Placentiam,
iuzta amnemMetaurum ac fanumFortunae, postremo Ticineusibus campis.
DasB die Epitome Aurelian bei Piacenza siegen lässt, ist wol Flüchtigkeit.
54 Julius Bruuner: Vopiscus LebeusbeBclireibungeu.
zwei Treffen, bei Faiium Fortunae am Metaurus uud in den
Gefilden des Tessin meldet, von denen das erstere durch eine
Inschrift bezeugt ist. ')
21, 6: Inier fecti sunt enim nonnuUi eiiam. nobiles setiaio-
res. In diesen Zusammenhang gehört wol auch die nach-
trägliche Notiz (39, 8): Diciiur praeierea huius fuisse cru-
äelitalis, ut plerisqtte senatoribus smulatam ingereret faciionem
coninrationis ac tyrannidis, quo facilim eos posset occidere.
Genauer, sogar mit Nennung von Namen berichtet Zosimus
1 , 49 : €V TOüTUi hk KQl TOt TTCpi TTjV 'PlUfiriV CTTpdxOTl , , TIVUIV
dnö Tfjc Ycpouciac, ibc ^TrißouXfj Kaid toO ßaciXeujc koivuiv»]-
cavTU)v, €ic euGüvac t^tm^viuv Kai BaväTui Cti)uiiuj0^vtujv, und
nachdem er von der Befestigung Roms gesprochen: Kard
TOUTOV TÖV XPOVOV €10 ^VVOlttV fjXGe V€UJTepiC)UlOÖ 'CTTlTijUllÖC Te
Kai Oupßavöc Kai Aofienavöc, Kai napaxpfiMa xifiwplav uitecxov
dXövTec
21, 9. Der Wiederaufbau der Stadtmauer durch Aure-
lian ist eine allbekannte Thatsache. Ueber die Ausdehnung
des Baues werde ich weiter unten Gelegenheit haben zu
sprechen. Derselbe wurde übrigens erst unter Probus voll-
endet.^) Die Hinzuziehung des Senates ist nicht weiter be-
zeugt. Die Erweiterung des Pomoeriums durch Aurelian wird
bezweifelt von Salmasius (ad loc), weil ja unter Aurelian
das Gebiet des römischen Reiches nicht nur keinen Zuwachs,
1) Orelli 1031:
HERCVLI. AVG.
CONSORTI.
D. N.
AVRELIANI
INVICTI. AVGVS.
RES. PVB. PIS.
CVRA. AGENTE
C. IVLIO. PRtSCIANO V. E (viro egregio),
DVC. CVR. R. P. PIS. ET FAN (ducenario. curatore R. P. Pisauris et
Fanestris).
2) Zon.I, 49: ^TeixicOTi hi töt€ f| *P^JÜ^T^ irpÖTCpov drcixicToc oöca* Koi
Xaß6v Tf|v dpx^iv kl AOpTiXiavoO cuv€TTXr]pii»eri ßactXeOovroc TTpößou tö T€i-
xoc. Wenn ZosimuB hier Rom npörepov dtcixicroc nennt, so riihrt das da-
her, dass die ehemalige Stadtmauer ganz verschwunden war. Becker 1, 186 f-
II. Litorjirische Prüfung. 55
sondern sogar den Verlust einer Provinz (Dacien) erfahren
habe und weder Vopiscus noch ein anderer Schriftsteller wei-
ter davon spreche. Er will daher die Worte: „e?o tempore
sed postea" als Glossem streichen. Es ist nicht zu leugnen,
dass die Meinung von Salmasius streng genommen viel für
sich hat; es hätte nur nachgewiesen werden müssen; wie das
Glossem entstand. Wenn man aber bedenkt , dass das rö-
mische Reich seit langer Zeit unter Aurelian zum ersten
Male wieder unter einem Herrscher stand, so liegt die Mög-
lichkeit nicht fern, dass Aurelian vielleicht doch von dem
„ius proferendi pomoerii" Gebrauch gemacht habe.
Die Erweiterung des Pomoeriums durch Augustus ist
bezeugt durch Tacitus^) und Gassius Dio^), nicht aber die-
jenige durch Nero und Trajan, dagegen die Hinzufügung
des ,,Pontu8 Polemoniacus" und der „Alpes Cottiae" zu dem
römischen Reiche') unter Nero.
Die Darstellung der Unternehmungen Aurelian 's gegen
Zenobia nimmt verhältnissmässig den grössten Raum ein;
(22 — 31) mit Recht; denn die Zerstörung der palmyrenischen
Herrschaft war jedenfalls für das römische Reich das folgen-
schwerste Ereigniss dieser Regierung. Abgesehen von den
mitgetheilten Briefen und dem Berichte über die Einnahme
von Tyana erweist sich unser Vopiscus aber als verkürzen-
der Ausschreiber von übrigens gewiss ganz zuverlässigen
Quellen; denn seine Darstellung stinmit im ganzen mit der
Hauptquelle für diese Epoche, Zosimus, dessen Berichte be-
sonders über die im Osten sich vollziehenden Ereignisse durch-
aus zu Grunde gelegt werden müssen.
22. Die Nachricht, dass Zenobia im Namen ihrer Söhne
1) Ann. XII, 23: et pomerium urbis auxit CaeBar (Claudius), more
prisco, quo iis qui protulere imperium etiam terminos urbis propagare
datur. nee tarnen duces Romani, quamquam magnis nationibus subactis»
UBurpaverant, nisi L. Sulla et divus Augustus.
2) LV, 6, 6 (ed. Dindorf): rd xe xoO iTU)jLir]p(ou öpia ^nrjOHTice (seil.:
ö Pi&(0\3CT0C).
3) Sueton. Nero 18: Ponti modo regnum concedente Polemone,
item Alpium defuncto Cottio in provinciae formam redegit (seil. Nero).
56 Juli